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Verliebt, verlobt,... verloren
Frauen gehen shoppen. Sei es aus dem profanen Grund, dass wir etwas zum Anziehen brauchen oder weil es einfach Spaß macht. Leider ist es nicht immer so einfach. Häufig kompensieren wir damit Frust, eine unglückliche Liebe, eine beendete Beziehung … doch was noch schlimmer ist als das, ist eine Beziehung, die gar nicht erst stattfand. Eine unerfüllte Liebe, ein ungestilltes Verlangen, Sehnsucht, ein verpasstes Schicksal!
Diese durchaus tragische Geschichte fing ganz harmlos in der Disco an. Johanna ging ohne Böses zu ahnen in die Disco. Wie das in Discos so ist, sieht man neue Leute, tanzt, hat Spaß, trinkt (an dieser Stelle verweise ich schon einmal darauf, dass dieser Punkt später durchaus wichtig sein wird), geht von einer Ecke in die andere, sieht neue Leute, neue Leute und schließlich nicht nur irgendwelche Menschen, sondern einen ganz bestimmten Menschen. Johanna sprang dieser gut aussehende, charismatische und hinreißende Adonis sofort ins Auge, kurz gesagt, eine Geilheit war geboren! Doch wie das mit Geilheiten eben so ist, sind sie etwas Unerreichbares, ja schier etwas Abgöttisches. Deshalb traute sich Johanna natürlich auch nicht gleich, ihn anzusprechen. Eine Jägerin beobachtet ihre Beute erst aus sicherer Entfernung, bevor sie zuschlägt. Okay, sie war natürlich aufgeregt und hatte Angst, ihn anzusprechen, also musste sie erst noch etwas mut antrinken. Sie beschloss nur noch mal schnell aufs Klo zu gehen und ihn dann anzusprechen. Um die Metapher der Jägerin wieder aufzugreifen: Hier machte Johanna einen entscheidenden Fehler, denn echte Jägerinnen legen, wenn sie auf der Lauer liegen, keine Pinkelpause ein. Als sie zwar körperlich erleichtert doch seelisch sehr angespannt zurückkam, war sie fest entschlossen, ihre Chance nicht zu verpassen. Die Jägerin nahm die Witterung auf ihre Beute wieder auf. Doch sie fand sie nicht. Nirgends. Sie war weg. Johanna suchte verzweifelt überall nach Ihm, doch Er war weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Einfach weg.
Die ganze Disco hatte sich plötzlich in einen surrealen Ort verwandelt, wie in einem Albtraum, der jeden Moment aufhören musste. Doch das tat er nicht. Johanna erkannte allmählich, was geschehen war, sie hatte die Liebe ihres Lebens verpasst, weil sie pinkeln musste. Wäre ihr das vor 400 Jahren passiert, hätte wahrscheinlich Shakespeare persönlich ein Drama darüber geschrieben, aber so war es nur ihr eigenes. Ein Drama mit dem Titel: „Der Sieg meiner Blase über mein Schicksal“.
Johanna ließ natürlich nichts unversucht, Ihn wieder zu finden. Sie ging auf Partys, auf denen er sein könnte, ging in die besagte Disco und hielt immerzu Ausschau. Doch selbst ein verzweifelter Hilferuf in einem Internetforum blieb erfolglos. Es schrieben lediglich ein paar Leute, dass sie ihre Geilheit nicht kannten und nicht wüssten, wer das sei. Das Einzige, was Seine Existenz beweist, ist ein Foto von Ihm. Alles was Johanna von ihrer vermeintlich großen Liebe geblieben ist.
Kurze Zeit später ging sie dann mit ihrer Freundin Michelle einkaufen und ich war auch dabei. Es war wohl kein Wunder, dass Johanna mehr ausgab, als sie eigentlich vorgehabt hatte, aber genau das ist ja das Phänomen von Shoppen bei Liebeskummer. Auf der Zugfahrt zurück bot uns dann ein netter Mann die drei freien Sitze bei ihm an. Schnell wechselte unser Gesprächsthema von belanglosem Gerede zu einem echten Drama - Johannas Drama. Und wie das bei dramatischen Dingen so ist, erzählt man sie nicht leise flüsternd und verstohlen sondern laut, imposant und eben durch und durch dramatisch.
„Hab ich euch eigentlich schon von meiner neuen Geilheit erzählt?! Als ich letztens in der Disco war, hab ich ihn gesehen und ich sag euch, der war vielleicht mal lecker. Und wer hat’s natürlich wieder alles voll verkackt? Ich natürlich, weil ich ihn nicht angesprochen habe.“ Und Johanna erzählte uns ihre Geschichte, die ich ja bereits aufgeschrieben habe.
„Ich könnt mir so in den Arsch beißen! Ich würd’s machen, wenn es nicht so seltsam aussehen würde und dann würden alle auf mich zeigen und sagen „schau mal, die beißt sich in den Arsch“. Und die Leute aus dem Internetforum finden mich ohnehin schon armselig genug. Das ist einfach alles so scheiße gelaufen! Wie kann man nur so bescheuert sein?!“
Michelle und ich redeten ihr gut zu, ermunterten sie, ihre Internetsuche nicht aufzugeben und versuchten Johanna ein bisschen zu trösten, doch die Arme war untröstlich. Mit einem nun eher weinerlichen als aufgeregten, aber immer noch durchaus lauten Ton fuhr Johanna mit ihrer Erzählung fort.
„Er war die Liebe meines Lebens, ich weiß es genau, es war Schicksal und ich dumme Sau trete dem Schicksal volle Kanne in den Hintern. Ich sehe ihn bestimmt nie wieder, dabei sieht er in echt noch viel besser aus als auf dem Foto und darauf ist er schon zum Anbeißen. Oh das ist so traurig, ich könnt heulen, wenn es nicht gleichzeitig auch so bescheuert wär.“
Michelle und mir war dagegen nicht wirklich zum Heulen zumute. Natürlich teilten wir den Schmerz unserer Freundin, doch ihre großartige Mimik und Gestik beim Sprechen und die Tragik, die sie in ihre Ausführungen lag war durchaus amüsant, so dass wir unser Lachen unterdrücken mussten und lediglich breit grinsten, was uns Johanna allerdings nicht übel nahm.
Der Mann neben uns, der mittlerweile sehr müde war, konnte natürlich genauso wenig weghören wie der Rest des Abteils. Johanna teilte ihr tragisches Schicksal, oder vielmehr das, das sie verpasst hatte, nicht nur uns sondern dem ganzen Zug mit. Man merkte, dass es ihr sichtlich schwer fiel, sich all diese schmerzhaften Erinnerungen wieder ins Gedächtnis zu rufen, doch sie tat es. Vielleicht auch um allen Singles auf der Welt (okay, bleiben wir in der Realität, bleiben wir im Zug) ihre Botschaft zu verkünden und ihre neugewonnene Lehre zu verbreiten. Und genau mit dieser Lehre möchte ich diesen Bericht beenden: Willst du die Liebe deines Lebens nicht verpassen, musst du das Pinkeln unterlassen.