Hallo Aris,
diesmal ebenfalls etwas Feedback. Meine Meinung und nur meine Meinung.
Erster Eindruck: Insgesamt ist der Text nicht gelungen, du verwendest rhetorische Figuren im Übermaß, ohne ihnen Zeit zum Wirken zu geben, dazu hast du sehr viele ungenaue Figuren, und der Text verschwindet unter ihnen.
Konkret:
Du und ich hatten ihn zu einem Massengrab gemacht, aus dem der Rauch emporgestiegen war, der nun zum essen dick in meinem Zimmer schwebt. Zwischen den unzähligen und verkrüppelten Zigaretten ist deine letzte hier bei mir schon vergessen.
Im ersten Satz: verstellter Satzbau mit dem Einschub: aus dem.... .
Dazu zum essen dick- übertrieben
verkrüppelte Zigaretten- überzeichnet.
Kalt und regungslos, wie erschrocken wirkt er gar.
wie erschrocken- du erläuterst den Vergleich nicht, und da Kaffee nur in Übertragung Erschrocken wirken kann- was du nicht hineinlegst, ist der Vergleich unpassend. Das "gar" macht den Vergleichssatz dazu antiquiert und archaisch- und ist vor allem störend.
unsere Schreie hallen noch in mir und ich spüre die Stellen an meinem Körper erglühen, die du zuletzt gestreichelt hast.
Schreie hallen- Sonst bemühst du dich um eine besondere Sprache, hier nicht. Das fällt leider besonders auf.
erglühen- kitschig, schwulstig, was auch nicht paßt.
Deine Zahnbürste schmiegt sich noch an meine, dein Eigentum, dein Leben ist noch hier, langsam schon und verstummt.
Deine Backpfeife schmerzt noch, fast so wie die Worte.
Hier ein wirklich guter Teil....
Leider hast du hier den vierten Satz mit dem Pronomen Dein am Anfang. Die Wiederholung fängt hier an deutlich zu stören- ist überstrapaziert.Vor allem, weil hier dann eben nicht die eigentliche Geschichte anfängt, sondern nur weiter der Tonfall variiert wird.
Mein Vorschlag wäre mindestens einen Anfang mit Dein zu ersetzen.
In deiner Tasche röchelt verschüchtert ein Telefon. Er wird es sein. Er wird dir sagen wollen, wie sehr er sich schon auf dich freut. Für mich ist der Gedanke an dich der Gedanke an ihn, ist der Gedanke an euch.
Hier ein gutes Beispiel für den Gesamttext- es fehlt ein durchgängiger Stil: Der erste Satz: das Telefon wird unnötig personifiziert, röchelt nicht nur, was schon überzeichnet ist, sondern wird noch mit verschüchtert ausgewertet- verschüchtert und röchelt paßt nicht zusammen, und beides zusammen ist einfach gnadenlos überzeichnet, fast eine Karikatur.
Der letzte Satz ist dafür wirklich stark. Und beides zusammen in einem Abschnitt ist ein klarer Bruch.
Meine Erinnerung an dich schwankt trügerisch. Jetzt, da die Zeit die Wahrheit angeschwemmt hat, erkenne ich deine Falschheit, hinterblicke deine Fassade und erinnere mich daran, es gewusst zu haben [komma] aber nicht wahrgehabt haben zu wollen.
Hier wird dann die Erinnerung angekündigt, sie kommt aber nicht. Es kommt nur Geschwafel, dass auf jeden Menschen passen könnte- es fehlt das persönliche, individuelle.
Gerade das persönliche, individuelle gestaltet eine Figur aus, gibt ihm eine weitere Dimension, etwas widersprüchliches. Und auch wenn es immer anders behauptet wird- gerade diese persönlichen Eigenheiten, die individuelle Erinnerung machen eine Figur zu etwas besonderem- und erlauben weit mehr Identifikation.
Jetzt sehe ich die Hinweise klar, kann mir einen Reim auf dein Desinteresse, deine Stimmungsschwankungen und deine Trostlosigkeit machen und verstehe sein Lachen, das er schon damals hatte, als wir ihn kennen gelernt hatten.
Es waren einzelne Blicke, einige stille Momente, die seitdem anders waren, und die ich jetzt verstehe.
Hier geht das Geschwafel weiter.... Alles unpersönlich, könnte überall hin passen, indem Sinne das es nicht auf die Figuren zugeschnitten ist. Stimmungsschwankungen haben viele Menschen... aber wie man damit umgeht ist persönlich- bringst du Details, ergänzt es deine Charakterisierung der Figur.
Der letzte Satz ist immerhin ein wenig besser, wenn auch immer noch weitgehend unpersönlich.
Vor allem ist Schade, dass du den Leser nicht mitnimmst, indem du ihm die Figuren näher bringst- persönliche Erinnerung, eine Geschichte, sondern bei einem unpersönlichen Entwurf bleibst.
Dein Lächeln von einst ziert den schweigenden Himmel hinter dem Fenster, ohne dich erlischt die Zukunft leise und heimlich, und starb doch mit einem Stich.
Hier ordentlich Kitsch und Pathos, darf an dieser Stelle auch so sein- nur wieder sprachliche Unsauberkeiten--- erlischt die Zukunft, und starb doch mit einem Strich. Was für ein Strich- was ist gemeint-...Das ist ungenau, und führt den Leser nicht...
Deine Augen zeigen mir Verzweifelung, dein Mund hat jetzt keine Ausreden mehr; er wird mich nicht mehr belügen; er hat einen letzten Schrei verschluckt.
Deine Augen zeigen mir Verzweiflung... ungenau: Augen zeigen nichts. Sie sehen etwas. Man kann auch meinen etwas in Augen zu lesen....was aber ein ziemlich abgelutschtes Topic ist.
Mit dem Mund- gut.
Dein Blut trieft noch frisch die Stufen hinunter und schon vermisse ich dich.
Blut trieft- Standart
und schon vermisse ich dich- unausgefüllt.
Naja- soll den Leser wohl überraschen... Kann es aber nicht, weil das Ende ja in vielen rh. Figuren angekündigt ist. Es ist aber schon ein wenig überraschend, weil der Leser deine Figur nicht kennengelernt hat.
Fazit:
Insgesamt überwiegen die rhetorischen Figuren bei weitem den unpersönlich gehaltenen Text, bei dem alle Dimensionen außer der Zeit fehlen. Es gibt weder einen Raum, noch dreidimensionale Figuren, die als Person agieren, noch einen Hintergrund.
Die scheinbare Überraschung ist keine Überraschung, weil der Erzähler in gewisser Weise das Ende ankündigt, leider mit problematischen sprachlichen Mitteln. Hier fallen wieder bestimmte rh. Figuren mit Gemengelage auf, von den vier Satzanfängen mit Dein, die in eine bestimmte Richtung tendierenden Figuren wie verkrüppelt, die leider ungenau sind, die ungenauen Personifikation mit Auswertung und verschiedene Standarts oder Schwulst-Wendungen.
Anscheinend versuchst du die Hochliteratur zu schreiben, Aris. Das scheitert aber daran, dass du zu sehr dich auf die Sprache konzentrierst, die du in diesem Text massiv überdehnst, bis sie an einigen Stellen zusammenbricht. Vor allem auch, weil du zugunsten der Sprache den Inhalt kleinhälst- viel zu viele rh. Figuren- und gleichzeitig bei 50% der rh. Figuren danebengreifst, mal knapp, mal deutlich. Dazu fallen in deinen Texten immer wieder Sätze auf, hier habe ich zwei markiert, die gar nicht in die Texte reinpassen, weil sie tendenziell kitschig, schwulstig oder abgelutscht sind.
Und der Versuch Hochliteratur scheitert auch, weil der Inhalt die Grundlage für die Sprache sein muss, damit der Inhalt die Sprache trägt, und die Sprache den Inhalt. Hier hast du eine Stilebene, die hoch angelegt ist, aber dies wird immer wieder durch Ungenauigkeit, zu viele rh. Figuren und weiteres unterbrochen, während die Geschichte nur in Grundzügen ausgeführt ist.
Aus diesen Gründen ist der Text nicht gelungen, weil die schriftstellerischen Baustellen weit größer sind als bei einem gelungen Text zu erwarten wäre.
Das du sprachliches Talent hast, dürfte dir klar sein. Viele Autoren werden dich sicher um einige der gelungenen rh. Figuren beneiden. Wie viel ist aber noch unklar, so lange du dich nur auf einen Bereich des Schreibens reduzierst- die Sprache. Und das allein ist leider nicht genug.
Gruss
Bluomo