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- 01.01.2015
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Puh - Neu überarbeitet und hoffentlich nicht zu sehr verschlimmbessert! Ich müsste da eigentlich noch mit Abstand nachpolieren, aber ich hätte wirklich gerne noch ein, zwei Kommentare, die mir etwas zur neuen Version sagen. Danke für Eure Geduld!
Villa Ziffernblatt
Mit einem Lächeln öffnet Theodor Ziffernblatt das schmiedeeiserne Gartentor der Villa. Ein bekanntes Quietschen, das nicht zum goldenen Oktoberwetter und schon gar nicht zu seiner fantastischen Laune passen will, ertönt. So hat das Tor schon in seiner Kindheit geklungen, als ihn sein Vater zu den Anstandsbesuchen hierherbrachte. Irgendwann hatte er seinen Vater nach dem Grund gefragt und der murmelte nur etwas von Kunst bildet, gutem Benehmen und Familientradition.
Vor einer Stunde hat ein Notar Theodor den Ring mit bestimmt fünfzig Schlüsseln und eine lange Liste an Hinweisen zum Öffnen der Villa übergeben. Einige davon sinnvoll, andere seltsam und manche nur zum Kopfschütteln. Onkel Balthasar halt! Bevor er die Treppen zur Villa emporsteigt, verharrt Theodor am mit zwei Meter fünfzig überdimensionierten Zaunpfeiler und nimmt das Namensschild in Augenschein, streicht mit Bewunderung darüber. Eigentlich wollte er aus Prinzip sofort seinen Namen anbringen, hat dafür am Copyshop gehalten und einen Aufkleber drucken lassen. Aber zugegeben, das glänzende Messingschild mit dem schlichten ‚Villa Ziffernblatt‘ ist nicht zu toppen, sein Namensschild würde wie ein Untermieter wirken. Das schimmernde Schild löst eine Erinnerung an den verstorbenen Großonkel aus: grummelnd trat der nach jedem Besucher aus dem Tor, zog ein rotes Wolltuch aus der Westentasche und polierte das Schild. Theodor zieht den Ärmel des Sweatshirts über die rechte Hand und reibt liebevoll seine eigenen Fingerabdrücke weg. Anschließend macht er ein Handybild vom Schild und seiner neuen Villa, auch wenn er beides sicherlich nicht behalten wird.
Ungeduldig sucht Theodor den Haustürschlüssel sowie die drei Sicherheitsbügelschlüssel und betritt die Villa. Direkt hinter der Eingangstür beginnt die Finsternis, schwerer Stoff fährt ihm durchs Gesicht und erschreckt macht er einen Schritt rückwärts, zurück auf den Treppenabsatz. Nicht einmal sich selbst gegenüber würde Theodor eingestehen, dass ihn die Situation verunsichert. Er ist einfach aufgeregt und glücklich über die unerwartete Erbschaft. „Los jetzt, rein in das Museum!“ Zur Sicherheit schaltet er die Handytaschenlampe an und tritt mit ausgestrecktem Arm ein. Im Vorbeigehen reißt er eine am Vorhang befestigte Karteikarte ab und tastet an der Wand nach einem Lichtschalter. ‚Tür schließen, alle Riegel vor und unbedingt den Vorhang zuziehen!‘ steht auf der Karte.
Mit einem Grinsen lässt er den schweren Vorhang halb offen und zieht trotz der deutlich sichtbar aufgestellten Schuhbank die Straßenschuhe nicht aus. Und dass, obwohl ihn eine weitere Karteikarte dazu auffordert. „Alter Mann, jetzt gibst Du kein Kommando mehr!“
Wenn in der Familie, außer dem von allen verbreiteten Gerüchten einer wertvollen Bildersammlung seines Großonkels, etwas bekannt war, dann dessen pingeliger Hang zu Ordnung und Genauigkeit. Die Besuche hier hat Theodor als eine fortlaufende Ermahnung und Serie strenger Blicke im Gedächtnis. Eigentlich sollte wohl eine Stiftung das Haus übernehmen, aber dafür blieb nicht genug Zeit. Nie, aber wirklich nie wäre Balthasar Ziffernblatt auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet Theodor, der wilde, ungezogene und vor allem an Kunst völlig desinteressierte Theodor sein letzter lebender Verwandter und somit Alleinerbe wird. Da kriege ich fast ein schlechtes Gewissen, für all meine unfreundlichen Gedanken.
Theodor reibt sich über die Arme und blickt sich neugierig in der ewig schummerigen Diele um. Tageslicht dringt nur durch schmale, aus Buntglas gefertigte Fenster herein, der Kronleuchter hängt von der zwei Stockwerke entfernten Decke der Eingangshalle herab, eingerahmt durch geschwungene Treppen. Auch mit Fünfundzwanzig überkommt Theodor ein mulmiges Gefühl, als er die Bilder aus buntem Glas anschaut. Wie oft war ihm mit den Gestalten auf den Fensterbildern gedroht worden? Dort ist der Zauberkessel, weiter oben ein Zauberer und das Fenster im ersten Stock zeigt einen Waldschrat, jedenfalls waren das die Erklärungen des Onkels, die auch nach Jahren noch präsent sind. ‚Sie bewachen das Haus‘ hieß es immer und jedes Mal hatte Theodor sich weggeduckt, schnell überlegt, ob er alles richtiggemacht hatte. Auch jetzt muss er sich regelrecht zwingen, den offengelassenen Türvorhang nicht zu richten.
Langsam geht Theodor durch die Halle, es knirscht bei jedem Schritt. Sand und altes Laub haben sich in den Monaten der Abwesenheit des Onkels angesammelt. Der Ärmste ist nach seinem Sturz direkt ins Krankenhaus und nie wieder nach Hause gekommen. Selbstverständlich durfte niemand allein das Haus betreten. Theodor dreht sich um sich selbst, versucht nach gut zehn Jahren den Grundriss der Villa zu erinnern und plant das weitere Vorgehen. „Genau! Morgen kann der erste Makler kommen, für weitere Interessenten mache ich ein paar Bilder.“ Die Selbstgespräche darf er sich gar nicht erst angewöhnen, doch der Klang seiner eigenen Stimme lässt das Haus weniger unheimlich wirken. Sein Finger fährt durch Staub auf einem breiten, goldenen Bilderrahmen. „Aber vorher sollte wirklich die Reinigungskraft hier durch.“ Er hat sie bereits nach dem Notartermin kontaktiert. Um den Verkauf wird er auf keinen Fall drum herumkommen, allein die Erbschaftesteuer, aber auch der Erhalt der riesigen Villa sind für ihn unmöglich. Auch der Gedanke Geld zu haben lockt, vielleicht doch eine zweite Ausbildung zum Tischler angehen zu können. Was für Möglichkeiten eröffnen sich mit einmal? Jetzt fällt Theodor wieder der Zettel mit all den Öffnungsanweisungen ein und er tastet seine Taschen ab. „Ah!“ Erleichtert streicht er die Liste glatt, deren Erhalt sich der Notar extra bestätigen ließ.
Er tritt näher an das Fenster mit dem Zauberkessel, beginnt er zu lesen:
1. Das Haus ist unbedingt jederzeit verschlossen zu halten.
2. Nach Betreten als erstes dem Baumbild im Schlafzimmer einen Eimer Wasser hinstellen (befindet sich im Bad).
3. Das Büro möglichst nur gut gelaunt oder bei halbwegs gutem Wetter betreten.
4. Es ist sinnlos Frieda zu widersprechen.
5. …
Theodor grinst! „Schon klar, alter Mann, willst Du mich jetzt auch nach deinem Tod herumschubsen?“ Dennoch, neugierig geworden, will Theodor das Baumbild suchen und wendet sich der Treppe zu, doch irgendetwas hält ihn zurück, ist verklemmt. Sein Pullover hat sich am Buntglasfensters verfangen. Es muss die untergehende Sonne sein, die das unter dem Kessel befindliche Feuer rotglühend aufflackern lässt. Mit einem hässlichen Reißen kommt Theodor frei und steckt einen Finger durch das entstandene Loch. Sein Blick fällt auf den letzten Punkt auf der Liste: ‚Abstand vom Zauberkesselfenster einhalten.‘
Langsam und nachdenklich steigt Theodor die Stufen in den ersten Stock hinauf, um sich im Haus zu orientieren. Aus der Nähe kann er einige der Bilder deutlicher erkennen, die sich bisher in der Dunkelheit versteckten. Eine Sturmszene mit ungestümen Wellen und sinkendem Dreimaster wirkt düster, erschreckend. Daneben eine kleine Karte: ‚Ab Windstärke Fünf beobachten!‘ Jetzt, wo er eines der Kärtchen entdeckt hat, findet er sie an verschiedensten Stellen. Es sind nicht die großen, weißen, die am Vorhang und der Schuhbank hingen, nein, es sind kleine, ca. drei Zentimeter große Kärtchen in einem fahlen Gelb, die in der exakten Handschrift des Onkels beschriftet sind. Neben einem Strandbild mit Frauen im Badeanzug steht: ‚Gib ihnen Zeit!‘ und das Bild des schwimmenden Schwanes wird mit: ‚Jungvögel im Mai‘ kommentiert. Seltsam, für den Verkauf sind das keine relevanten Daten, hoffentlich findet sich im Büro etwas zum Wert der Bilder. Ansonsten wird der Kunstmakler, mit dem er sich direkt im Anschluss an die Notarsitzung in Verbindung gesetzt hatte, sicherlich wissen, wie er vorgehen muss. Am besten kommt der Mann so schnell wie möglich für eine Schätzung vorbei.
Im ersten Stock findet Theodor das Bad, welches aber völlig bilderfrei ist und somit fürs erste uninteressant. Hinter der nächsten Tür liegt das Wohnzimmer. Auf der Karteikarte an der Tür steht: ‚Nicht alles ist wie es erscheint!‘ Allerdings kann Theodor das auch nur hoffen, denn die hier hängenden Bilder sind ausgesprochen seltsam. Ein Himmel mit herumfliegenden Augen darin, eine Wiese mit geköpften Tieren, Wasser, das bergauf fließt und Fische mit Häusern darauf. „Was für ein Schwachsinn!“ Selbst seine Stimme klingt hier verzerrt, ungewohnt schrill und ohne langes Zögern schließt Theodor die Tür wieder. Wo ist dieses Baumbild?
Auf dem Flur des ersten Stockwerks hängen große Bilder ohne Rahmen. Eine Gans mit Hut, Schweine auf Stühlen und eine Schafherde vor einem großen See. An letzterem entdeckt Theodor wieder ein Kärtchen: ‚Nicht ins Wasser lassen – nasse Schafe stinken!‘ Soll das der Bildtitel sein? Vielleicht kann er das später googlen, falls sich im Büro nichts an vernünftigen Unterlagen findet.
Der nächste Raum ist offensichtlich Onkel Balthasars Büro. Durch den schwarzen Holzschreibtisch und die Ledersessel wirkt der Raum schwer und irgendwie männlich. Die dem Schreibtisch gegenüberliegende Wand ist ein harter Kontrast. Sie ist reinweiß gestrichen und darauf befinden sich dutzende bunter Bilder. Ja, bunt, kunterbunt ist eigentlich alles, was man dazu sagen kann, auch wenn Theodor ein Bild aus schwarzgrauen Streifen und eines, wie eine dunkelblaue „Pfütze“ entdeckt. Die meisten sind in geometrischen Formen gemalt. Eines aus dicht liegenden Kreisen, scheint bei längerem Hinsehen in Bewegung zu geraten. Schnell schließt Theodor die Augen und flüchtet aus dem Zimmer, stolpert dabei über eine leere Staffelei vorm Schreibtisch.
Theodor lehnt sich gegen das Gansbild, atmet tief durch und versucht seinen Puls zu beruhigen. Im Büro empfand er die Bilder nur als seltsam, aber jetzt rührt sich etwas in seinem Unterbewusstsein, macht ihn unruhig. Es muss an den unangenehmen Erinnerungen an die Besuche hier im Haus liegen, den ständigen Beobachtungen durch Onkel Balthasar, dem Gefühl von: da ist noch etwas! Die Bilder machen ihn nervös. Ein letztes Mal tief durchatmen. „Ich bin erwachsen und die Bilder sind garantiert viel wert. Nur das zählt!“ Sich selbst Mut machen ist eindeutig eine seiner Stärken. Mit der rechten Hand fährt er sich in den Kragen, fischt eine weiße Feder heraus und macht sich wieder auf die Suche nach dem Baumbild.
Nach kurzem Überlegen wird ihm klar, dass eigentlich nur noch das Schlafzimmer übrigbleibt. Vorsichtig öffnet er die Tür am Ende des Flures. Blätter knistern, als er das Zimmer betritt, es riecht muffig, nach altem Holz und Staub. Ein gewaltiger Baum wird von den letzten Sonnenstrahlen des Tages angestrahlt, die Äste hängen kraftlos zu Boden und Theodor niest in die trockene Luft. Mit den Füßen schiebt er raschelnde Blätter zusammen, Eichenlaub, wenn er sich nicht sehr irrt. „Okay, es ist Bullshit, aber ich tue es.“ Ohne länger darüber nachdenken zu wollen, holt er den Eimer mit Wasser und stellt ihn vor das Bild. „Das darf ich niemandem erzählen, wenn ich nicht weggesperrt werden möchte.“ Die altvertraute melodische Klingel zerreißt die Stimmung und Theodor atmet auf und flüchtet zur Haustür. Die Reinigungskraft steht vor der Tür und ohne langes Nachdenken übergibt er ihr seine Visitenkarte und den Zweitschlüssel. „Bitte einmal Komplettreinigung. Den Rest können wir morgen besprechen.“
Bevor Theodor am kommenden Morgen zur Arbeit fährt, will er trotz des herrschenden Starkregens mit Sturmböen schnell die wichtigsten Fotos für den Makler machen. Mit Glück lässt der sich zu einem kurzfristigen Besuch überreden.
Das Aufschließen funktioniert heute schon viel schneller, der Vorhang kann ihn nicht erschrecken und die Eingangshalle wirkt trotz der an Theodor herunterrinnenden Regentropfen freundlicher.
„Ts, ts, ts! Ich würde sagen: ganz schnell die tropfende Jacke ausziehen und vor allem die schlammigen Schuhe!“ Vor Theodor steht eine schlanke Frau, mit grauem Dutt und einem knallpinkem Kostüm.
„Ähm! Wer sind Sie bitte?“
„Frieda! Frieda reicht. Also bitte die Schuhe aus, ich trockne die Jacke für Sie gnädiger Herr und dann sollten Sie dringend die Surrealisten im Wohnzimmer beruhigen!“
„Wen? Was?“ Mehr bringt er nicht hervor. Ihm ist bewusst, dass sein Mund aufsteht. Theodor zwingt sich den Mund zu schließen und starrt die vor ihm schwebende Frau an. „Sie sind ein Geist?!“ Das ist weder eine Frage noch eine Feststellung, eher das bange Warten auf eine realistischere Lösung. Am Licht kann es nicht liegen, über der Eingangshalle liegt ein heller Schimmer.
„Ts! Also wenn schon, dann Hausgeist, ich verbitte mir jegliche Konvergenz zu Gespenstern, Dämonen oder gar Poltergeistern. Und jetzt ab ins Wohnzimmer, die Surries sind echt verstimmt.“
Theodor setzt sich auf die unteren Treppenstufen, schaut zur Sicherheit nach, ob er ausreichend Abstand zum Zauberkesselfenster hat, und schließt die Augen. Überarbeitung? Müdigkeit? Nein, das hier ist eine reale Erscheinung.
Die Dame in Pink stupst ihn mit ihren rosa High Heels an und wartet auf eine Reaktion.
„Was kann ich denn tun, um die … Surrealisten zu beruhigen?“ Allein der Gedanke an die Bilder im Wohnzimmer beschleunigt seine Atmung. Er glaubt nicht, hinter den Darstellungen irgendeinen Sinn erkannt zu haben. Trotzdem steht er auf und beginnt die Treppe zu ersteigen. Weg von Frieda ist auf alle Fälle richtig.
„Das habe ich gehört!“
Ignorieren ist anscheinend keine Lösung. Wie beruhigt man Bilder?
„Also wirklich! Die Schulbildung dieses Landstriches war auch schon mal besser. Surrealismus – Freiheit der Gedanken, Fantasie schweifen und siegen lassen, Realität gegen Träume tauschen …“
„Gibt ihm nenn Schnaps!“
Theodor fährt herum. Noch eine Stimme, diese kommt aus Fußbodennähe, ein dumpfes Krächzen mit fürchterlich amerikanischem Akzent. „Wer ist das schon wieder, noch mehr Geister?“
„Ein Geist? Schön wäre es, dann könnte man hoffen, dass er irgendwann durch Zufall erlöst wird. Man hat uns mit einem Türstopper gestraft. Geh in den Keller Ben!“
„Benjamin! So viel Zeit muss sein.“ Etwas kullert um Friedas Füße herum - schlapperiges, braunes Wildleder, dessen aufgerissene Seitennaht bei jedem Wort aufklappt.
Theodor bringt sich mit zwei Schritten auf den Treppenabsatz in Sicherheit. Wo kommt nur das polternde Geräusch her? Ich muss hier raus!
„Nein, der Herr, Sie bleiben hier! Dies muss geklärt werden. Und Ben ist mit Steinen gefüllt, daher poltert er lauter, als ihm zusteht.“ Sie zeigt in den ersten Stock und wedelt mit der Hand.
Die Stimme des Türstoppers ruft Theodor hinterher. „Balthasars Rum steht in der großen Vase rechts vorm Wohnzimmer.“
Benommen steigt Theodor die Stufen hinauf und kann dank des besseren Lichtes die Bilder gut erkennen. Seltsam, draußen regnet es doch, oder? Bei genauerem Hinsehen sind es Bilder mit Himmel, die heute Morgen heller, blauer, frischer erscheinen. Das war gestern Abend anders. Die Luft in der Eingangshalle hat jetzt etwas Kühles, Frühlingshaftes, das Putzen und vielleicht auch Lüften hat frischen Wind mitgebracht. Warum allerdings auf dem ersten Treppenabsatz eine kleine Sanddüne liegt, erschließt sich ihm nicht. Vielleicht ist Frau Mayer ausgerechnet unter dem Strandbild ein Eimer umgekippt. Es ist ein eher altmodisches Bild, seichte Dünung, weißer Strand und zwei schlanke Damen in weißen Kleidern des späten 19. Jahrhunderts. Warum auch immer, Theodor verspürt das Bedürfnis ihnen hinterher zu laufen, die Füße in den weichen Sand zu drücken. Kopfschüttelnd lässt er den feinen Sand durch seine Finger rinnen. Er könnte schwören, dass er Möwen kreischen hört, mit der Schalldämmung ist es nicht allzu weit her.
„Ich dachte in den Villenpapieren steht, dass man auf mich hören soll?“ Theodor springt mit einem spitzen Schrei zurück. „Husch, Husch! Ins Wohnzimmer: einfach alle Gedanken freilaufen lassen, nicht überlegen, nur die Ideen genießen und fließen lassen. Das wird schon!“
„Aber …“
„Sagen Sie Denen möglichst ehrlich, was Sie mit dem Haus vorhaben.“
„A…“
Frieda pustet ihm ins Gesicht, eine kräftige Böe schiebt ihn Richtung Wohnzimmer. Er greift ohne langes Nachdenken in die chinesische Bodenvase, nimmt die Flasche in den Arm und wird von spitzen Fingernägeln in die aufschwingende Tür gedrückt. Hastig schraubt er den Verschluss auf und nimmt zwei kräftige Schlucke von etwas, womit andere Menschen wahrscheinlich Boote teeren würden. Aber es hilft! Dank des Alkohols kann er die Bilder einfach als Traumideen wahrnehmen, einzelne Schönheiten und andere Verrücktheiten hinnehmen, ohne darauf zu reagieren. Das klappt nicht allzu lange, denn die Bilder richten sich auf, wenden ihm ihre Breitseite zu und, ja, es lässt sich nicht anders sagen, starren ihn an. Was hat Frieda gesagt? Erzählen!
„Hey! Ich soll Euch Bescheid sagen, wie es weitergeht. Morgen kommt ein Makler und der schätzt Euren Wert und dann werdet Ihr verkauft.“ Rede ich hier wirklich mit Bildern? Aber ihm fällt nichts anderes ein, als auf Frieda zu hören.
Es rumst. Ein, nein zwei Bilder fallen von der Wand, recken sich und schweben auf die Tür zu.
Theodor weicht zurück, drückt sich in die Türnische und stammelt. „Ihr kriegt sicherlich einen großartigen neuen Besitzer, ein Museum oder einen reichen Sammler.“
Die Bilder kommen näher, die Flasche rutscht aus Theodors Hand, zerschellt und er flüchtet aus dem Zimmer.
„Unglaublich, warum haben Sie nicht gleich mit dem Abbrennen des Hauses gedroht? Zumindest waren Sie so schlau den Alkohol da zu lassen, das sollte helfen.“ Frieda schaut zu ihm auf und schüttelt den Kopf. „Ich hatte gesagt, beruhigen!“
„Nein, ich sollte ehrlich sein.“
Frieda gleitet kopfschüttelnd die Treppe hinab, brummelt etwas von ‚Viel Arbeit!‘ und verschwindet.
Völlig überfordert verlässt Theodor die Villa.
Die Arbeit im Discounter läuft heute im Automodus ab, erst als eine der alten Damen fragt, ob alles gut sei, springt er auf und trägt ihr wie immer die Tasche zum Fahrrad. Seine Gedanken drehen sich nur um die Bilder. Was hat die so wütend gemacht? Und immer wieder sucht er nach logischen Erklärungen für Frieda und dem. Das gibt es doch alles gar nicht!
Erst nach Arbeitsschluss fällt ihm ein, dass Frau Mayer allein im Haus war und ohne langes Überlegen greift er zum Handy. Was, wenn die Geister oder die Bilder ihr etwas antun? „Guten Abend Frau Mayer, ich wollte nachfragen, ob alles in Ordnung ist?“
„Na, na! Sie wollen mich doch wohl nicht hetzen?“
„Nein, Sie haben alle Zeit, die Sie benötigen. Ich wollte nur fragen, ob … ob etwas … ob alles normal ist.“
„Seltsame Frage! Ja, ich habe die Eingangshalle und die Treppen geputzt, die Bilderrahmen, soweit ich heranreichte und außerdem das Badezimmer. Es dauert halt, so ein Leerstand ist sofort zu sehen, keine Ahnung wo all das Laub, Sand und Wasserpfützen herkommen. Sie sollten das Dach kontrollieren lassen.“
Theodor atmet auf. „Danke für die Info, ich werde mich kümmern. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie erst Ende der Woche weitermachen!“
„Ganz wie Sie meinen. Melden Sie sich!“
Anschließend sagt Theodor den bereits gebuchten Maklertermin ab, auch wenn er keine Ahnung hat, warum ihm das so wichtig erscheint. Vielleicht tatsächlich das Gefühl, dass er die Villa, oder eigentlich die Bilder noch ein, zwei Tage allein genießen möchte. „Bilder genießen?“ Habe ich das jetzt gerade wirklich gesagt? Und was ist mit diesen Erscheinungen?
Nach Arbeitsschluss kann er gar nicht schnell genug zur Villa kommen. Neugierig öffnet er die Tür, lauscht, aber es ist nur Vogelgezwitscher zu hören. Keine Frieda, kein Ben. Waren bestimmt Halluzinationen. Als er den Vorhang beiseiteschiebt, hört er ein Rotkehlchen zwitschern. Vogelstimmen kann er gut unterscheiden, das hat ihm als kleiner Junge tatsächlich Onkel Balthasar beigebracht. Das waren tolle Momente. Er öffnet nochmals die Haustür, lauscht in den Vorgarten. Stutzt, denn draußen ist alles ruhig.
„Das ist das Rotkehlchen aus dem Jahreszeitentriptychon, an der rechten Wand. Seine Freundin treibt sich im Badezimmer herum.“ Frieda schaut ihm streng auf die Schuhe und schwebt in Richtung Küche davon.
Okay! Wo mag der rumpelnde Türstopper sein?
„Ben ist im Keller, ich lasse ihn später wieder raus.“
Theodor zieht seine Schuhe aus und stellt sie ordentlich auf die Schuhbank. Die dicken Filzpuschen hat er als Kind geliebt, man konnte so herrlich mit ihnen gleiten, vorausgesetzt, man ließ sich dabei nicht von Onkel Balthasar erwischen. Theodor bleibt stehen, erinnert sich mit einem Mal, dass sie ein einziges Mal gemeinsam durchs Haus geglitten sind. Das war ein ganz anderer Onkel.
Die Eingangshalle wirkt freundlich, warmes Licht strahlt aus vielen Bildern. Stirnrunzelnd tritt Theodor näher, schaut genau hin und staunt. Tatsächlich! Es sind keine hellen Morgenhimmel oder Sonnenaufgänge, er muss sich heute früh verguckt haben. Das warme Leuchten stammt von Lagerfeuern, aus Gaslaternen und von Kerzenbildern. Theodor steigt kopfschüttelnd die Treppe hinauf, überlegt, ob er heute Morgen so müde war. Es riecht streng! Angekokelt! Das fehlt noch, kurz vorm Verkauf fackelt die Villa ab, welch ein Albtraum. Schnell schaut sich Theodor um, sucht nach verräterischem Rauch. Da, auf dem zweiten Treppenabsatz ist eine Gardine zu dicht an das Bild mit dem Kamin geraten. Vergilbtes Leinen knistert mit roten Funken, zerfällt zu schwarzen Fetzen und hinterlässt den Geruch von Gefahr. Hektisch tritt Theodor auf die Funken, reißt die Gardinen von der Wand. Neben dem Bild hängt ein Kärtchen: ‚Achtung bei Westwind – Gardine fängt Feuer.‘ Theodor tastet das Bild mehrfach ab, sucht die Hitze des Feuers. Aber da ist nur Brandgeruch und Holzkohlegrus an seinen Fingern.
Verwirrt lehnt er sich über das Treppengeländer, lässt die Bilder auf sich wirken. Trotz der gerade ausgestandenen Sorge und Verwirrung, wirkt alles warm, gemütlich, beruhigend. Außer dem Kaminbild. Er geht zurück und nimmt es von der Wand. „Weißt Du was? Du kriegst einen sichereren Platz, irgendwo in Wassernähe. Ob Frieda etwas dagegen hat?
Laut schallt Friedas Kommentar zu ihm herauf. „Mach ruhig, allerdings kommt der Kamin irgendwann zurück, er mag den Waldschrat im Fenster.“
Woher …? Kann Frieda Gedanken lesen?
„So richtig schnell sind Sie nicht, oder gnädiger Herr? Aber keine Bange, ich habe auch anderes zu tun.“ Nicht nur die Lautstärke der Antwort, vor allem der Gedanke, nicht allein in seinem Kopf zu sein, erschreckt Theodor. „Am besten nicht drüber nachdenken! Ich brauche einen sicheren Platz für den Kamin“, sagt er zu sich selbst.
Er schaut sich nach dem Meeresbild mit dem breiten Strand um, unter dem gestern der Sandhaufen lag. Verwirrt blickt er sich um. Weder der Strand noch irgendein anderes Wasserbild ist zu sehen und dabei hatte er gestern mehrere Seen und Flüsse entdeckt. Es mag an dem recht schwachen Lichtverhältnissen liegen. Wenn allerdings Frau Mayer einfach Bilder umhängt, müssen sie ernsthaft miteinander reden. Nachdem Theodor nochmals die verbrannte Gardine auf Glutnester abgetastet hat, steigt er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Irgendwo müssen die Wasserbilder ja sein.
Tatsächlich findet er sie im Badezimmer wieder. Direkt nach dem Öffnen der Tür ist es ihm klar und dennoch schaut er sich erstaunt um. Das Badezimmer ist mit gut fünfundzwanzig Quadratmetern sehr geräumig, das große Fenster macht es am Tag hell und einladend. Doch jetzt wirkt es wie eine andere Welt, draußen das nächtliche Dunkel und hier drinnen Wasserplätschern, Sprudeln und die erfrischende Feuchtigkeit von Meeresluft. Er atmet tief durch, sieht ein Wasserfallbild über der Badewanne und schaut nochmals genauer hin. Es wirkt, als ob der Wasserfall die Wanne füllen würde. Spontan überlegt Theodor, dass dort ein Kärtchen dran müsste: ‚Umhängen, wenn Wanne voll‘. Er grinst. Neben dem Waschbecken steht der leere Eimer für das Baumbild, darüber ein unglaublich präzises Gemälde eines fallenden Wassertropfens. Theodor würde es für eine Fotografie halten, wären da nicht zarte Pinselstriche und sichtbare Farbschichten. Auf der Karte daneben steht: ‚einer reicht‘.
Feine Wassertropfen treffen Theodor im Nacken und am Ohr. „He!“ Er fuchtelt mit den Armen, schaut sich um, sucht nach einer Bewegung und erwartet Frieda zu sehen. Nein, dort im Teichbild über dem Waschbecken ist neben dem Schwan eine junge Frau erschienen. Sie hat die Hände erhoben, Wassertropfen spritzen durch den Raum. Lasziv ergreift sie zwei tiefhängende Äste der Trauerweide, rekelt sich und schlagartig wird Theodor klar, dass er ihre nackten Brüste anstarrt. Er schüttelt den Kopf, dreht sich um und murmelt: „Entschuldigung!“
Ein Lachen, nicht albern, eher rauchig und verheißungsvoll lässt ihn über seine Schulter spähen. Die … Nixe, denn auf nichts Anderes lässt der Fischschwanz schließen, sitzt attraktiv am Ufer und kämmt ihr silberblondes Haar. Was für ein Körper! Theodor spürt seine körperliche Reaktion und nein, der metallisch grünschimmernde Schwanz tut dem keinen Abbruch. Vorsichtig tritt er näher, nicht wissend, wohin er schauen soll, und sucht in seinem verwirrten Kopf nach einer coolen Gesprächseröffnung.
„Gefalle ich Dir?“ Die Frau lächelt, hat sich zu Theodors Beruhigung bedeckt und mustert ihn neugierig.
Er kann nur nicken.
„Weißt Du eigentlich, dass Du zu uns in die Bilder könntest? Mit uns leben, lachen und … Sie zögert und selbst Theodor ist klar, was ein unverhohlenes Angebot ist. Er macht einen Schritt zurück, stellt Abstand zu den Bildern her.
„Du, Du bist wunderschön!“ Theodor hört selbst, dass es wie stammeln klingt.
Sie lockt ihn mit ihrem Finger, lässt ein wenig Busen aufblitzen und beginnt zu singen.
Theodor macht einen Schritt vorwärts. Schaut sich hektisch um. Noch ein Schritt aufs Bild zu. Er krallt seine Hände in eines der Handtücher, versucht den nächsten Schritt zu verhindern.
Die Badtür fliegt auf und Frieda schwebt mit zornrotem Gesicht auf das Teichgemälde zu, schubst Theodor beiseite und stemmt ihre Arme in die Hüften. „Hatten wir das nicht geklärt? Er muss sich freiwillig für uns entscheiden, Magie macht alles kaputt. Kleine Schlampe!“
Theodor überlegt, ob er auf das Geschehene oder das Gehörte oder besser überhaupt nicht reagiert.
Frieda löst das Problem, in dem sie ihm den Wassereimer zuschiebt und sagt: „Der Alte hat Durst, geh den Baum gießen!“
Verwirrt, aber auch etwas beschämt füllt er den Eimer und bringt ihn ins Schlafzimmer. Im Vorbeigehen nickt er den Tieren auf den Flurbildern zu. Hat ihn die Gans mit Hut gestern noch erstaunt, sieht er heute den Gedanken des Künstlers. Warum soll die Gans nicht stolz eine Haube tragen und den Tag genießen? Ein Schelm, der dabei an dumme Gänse denkt. Ihr Schnattern begleitet ihn bis zum Baumbild. Allmählich ist das Raumklima weniger trocken, der Baum reckt seine Äste dem Himmel entgegen und wenn Theodor den Baum betrachtet, wird er ruhiger, entspannter. Erst jetzt entdeckt Theodor eines der kleinen Kärtchen: ‚Lese die rote Mappe!‘ Wo kommt die denn jetzt her? Es ist auch nicht die ihm mittlerweile vertraute Handschrift von Balthasar. Diese hier sieht älter, verblichener aus. Er muss also doch ins Büro. Das ist immer noch der Raum, der ihn am wenigsten reizt, einfach zu unsicher ist, denn bisher war die Wirkung der Bilder stets anders als erwartet.
Hinter ihm scheppert es, Frieda stellt ihm einen zweiten Wassereimer hin und schaut nervös auf die kleine Karte. „So schnell?“
„Was so schnell?“
„Dieses Haus hat immer einem Ziffernblatt gehört. Die Vorgänger von Balthasar lassen ihre Karten sonst viel später erscheinen, geben Euch mehr Zeit.“ Sie sieht bekümmert aus. „Gehen Sie ins Büro, ich lasse Ben aus dem Keller.“
Theodor versucht Zeit zu schinden. „Was ist im Keller?“
Mit einem wirklich gemeinen Lächeln antwortet Frieda: „Das werden Sie frühestens in drei Jahren erfahren.“
Langsam geht Theodor Richtung Büro. Seine Hand liegt auf der Klinke und er atmet tief durch. Es sind nur Bilder! Er muss im Büro endlich die Unterlagen sichten, mit dem Makler reden, denn es geht doch immer noch um den Verkauf. Der Gedanke ist fühlt sich sperrig an, falsch. Vorsichtig drückt er die Klinke herunter. Hinter ihm klirrt es, etwas Kaltes fällt schwer auf seine Schulter. Mit einem panischen Aufschrei springt Theodor von der Tür weg und schreit den Kerl an, der ihn dermaßen erschreckt hat. „Spinnst Du?“ Mehr kommt nicht heraus, eine Hellebarde drückt ihn gegen die Wand, seine Stirn wird fast durch einen Helm gespalten. Am schlimmsten ist die schweißige Hand auf seinem Mund.
„Los! Mitkommen!“ Der Mann schiebt ihn dicht vor sich her eine schmale Treppe hinauf. Das muss die Stiege zum Dachboden sein, Spinnenweben gleiten über Theodors Haare. Vorsichtig, offensichtlich um Geräusche zu vermeiden, schließt der Mann die schmale Holztür und schubst Theodor auf einen Stapel alter Teppiche.
Endlich fasst dieser sich wieder und fragt: „Was soll das! Sie haben mich zu Tode erschreckt.“
„Ich erschrecke Dich gleich nicht nur, Du halbe Portion!“
Es ist ein Nachtwächter, da ist sich Theodor sicher: Hellebarde, Petroleumlampe und ein langer Ledermantel, alles wirkt ausgesprochen altmodisch. „Wo kommen Sie her?“
„Drittes Bild, Westwand!“
Theodor bleibt der Mund offenstehen.
„Genau! Ruhe, bevor Frieda mich erwischt, es war schwer genug aus dem Bild zu kommen.“
„Ich …“
„Nein, kein ich! Irgendwer muss Dir mal erklären, um was es hier geht.“ Bedrohlich schwenkt er die Hellebarde.
Kurz davor sich die Hose nass zu machen, nickt Theodor hektisch. Der Kerl meint das Ernst, der weiß gar nicht, was Spaß ist.
„Du bist ein Ziffernblatt und ein echter Ziffernblatt ist die Verbindung zur Magie dieser Villa. Wenn hier keiner von Euch lebt, ist alles vorbei!“
„Was ist vorbei?“ Ganz leise, bange, fragt Theodor zurück.
„Die Bilder werden zu toten Bildern! Doch am schlimmsten trifft es Frieda. Ihr Geist ist an die Villa gebunden und sie fürchtet nichts mehr, als ihr Zuhause zu verlieren. Na ja, den kleinen Poltergeist würde das auch betreffen.“
„Nennt sich das nicht Erlösung?“
„Ich erlöse Dich gleich!“
„Schon gut! Aber ich verstehe, sein zuhause zu verlieren ist schlimm.“
„Es ist Deine Pflicht und …“ Der Nachtwächter zögert, legt den Kopf schief und lauscht auf Geräusche vom Flur. „Mist!“
Die Tür fliegt auf und Frieda schwebt herein. „Euch ist ja wohl nichts mehr heilig? Los, raus hier!“ Ohne Rücksicht auf die Größe und rohe Ausstrahlung des Nachtwächters schubst sie ihn vor sich her und jagt ihn, dem lärmenden Gepolter nach, die Treppe hinunter.
Theodor geht zum Büro zurück, kann im wilden Durcheinander seiner Gedanken kaum klar denken.
Vorsichtig öffnet Theodor die Tür, sieht erwartungsvoll auf die Bilderwand. Sie ist leer! Alle Bilder
stehen immer noch umgedreht in einer Ecke des Raumes. Auf der Staffelei steht ein Bild, ein Bild, das so groß ist, dass sich die Staffelei darunter zu biegen scheint, sich dem Gewicht oder vielleicht doch eher der Bedeutung ergeben will. Vorsichtig schaut er sich das Bild an. Alle Grüntöne die Theodor je gesehen hat, vereinen sich auf der Leinwand. Sofort durchfährt ihn Glück, Hoffnung, ja, der Gedanke, dass alles gut werden wird, er es hinbekommt.
Nur mühsam reißt er sich vom Anblick des Bildes los, hört auf, seinen Gedanken nachzuspüren, denn er soll die rote Mappe lesen. Sie findet sich in der zweiten Schublade, die Theodor aufzieht. Neugierig, doch gleichzeitig mit einem Zaudern öffnet er den ledergebundenen Deckel und weiß nicht, was er sich erhofft hat. Über die erste Seite kann er nur lachen: ‚Nein, Sie sind nicht verrückt!‘. So sehr ihn das beruhigt, es wird ihm nicht helfen, eine Entscheidung über die Villa und die Bildersammlung zu treffen.
Er hat beide Maklertermine unter fadenscheinigen Vorwänden abgesagt und kann sich kaum von der Villa fernhalten. Aber warum? Neugierig blättert er weiter in der roten Mappe. Es gibt anscheinend zu jedem Bild eine Geschichte, nein, eigentlich zwei – die Geschichte der Bildentstehung und die Geschichte in der Villa. Dann bleiben seine Gedanken an einem Brief hängen, ein Brief, der aus dem Jahr 1910 stammt. Die Handschrift ist kaum zu entziffern, mühsam enträtselt Theodor das kurze Anschreiben. „Ich hatte Angstattacken und fürchtete mich vor den Bildern. Aber jetzt habe ich verstanden, dass man mit ihnen leben kann, dass man ihre Wünsche hören und berücksichtigen muss. Ich werde mein Bestes für die Bildern geben, auch wenn ich sicherlich einige opfern muss.“
Auf einem anderen Blatt steht in Onkel Balthasars Handschrift:
„Wenn die Bilder mit Dir reden, wenn der Baum im Schlafzimmer wächst und gedeiht und Du Dich in das Büro traust, dann gehört die Villa wirklich Dir.“
Theodor liest sich mehrfach die recht kryptischen Nachrichten durch und überlegt. Energisch klappt er die Mappe zu und legt sie zurück. Ein letzter Blick zum Grünen Bild. Dort erscheint ein kleiner Zettel: ‚Frag Frieda nach Opferbildern!‘
Theodor läuft, nimmt zwei Stufen auf einmal und ruft laut: „Frieda! Frieda ich brauche Ihre Hilfe!‘ Er verbietet sich jeden Gedanken.
In der Eingangshalle schwebt Frieda, Benjamin kollert mit lautem Poltern um ihre Füße. Frieda mustert ihn eindringlich, ihre Stimme klingt eher zögerlich. „Was darf ich tun?“
„Erklären Sie mir bitte, wie wir die Villa retten können.“



, aber kennst Du das nicht, man sieht ein Bild und weiß, es ist verkehrt herum aufgehängt. etwas stimmt im Ablauf nicht. So habe ich mir das vorgestellt.

da assoziiere ich nicht mit, womöglich, weil unser Tor bei jedem Wetter quietscht.