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Vom Jungfernschleifchen zum Jungfernhäutchen
Vom Jungfernschleifchen zum Jungfernhäutchen
Die Sonne briet Raggia in ihren Ausdünstungen. Zank, Ordnungen und Vorurteile stiegen auf. Übrig blieb ein Omelette aus einem Geburtstag, den die Einwohner des kleinen Dorfes feierten. Zahra war endlich 14 Jahre alt. Zu diesem Anlass gab es Fleischbällchen in einer Basilikum-Tomatensauce mit körnigem Reis und viel Gebäck. Zahras Mutter hatte nicht täglich die Ehre als freigebige Gastgeberin aufzutreten. Neben Bändern und Ohrringen schenkte man dem Geburtstagskind die Aufmerksamkeit von 15 jungen Männern, von denen sie genau einen aussuchen durfte. Den Restlichen musste man die roten Schleifen erst gar nicht abnehmen. Mitbringsel brauchten die Frauen von Raggia am laufenden Band.
Einen kollektiven Aufschrei des Entsetzens gab es, als der arme Glückliche mitten in der Nacht an der Tür seiner Schenker klopfte. Wie ein geflossener Pudel stand er da. Zahra hatte ihn herausgeschmissen, da sein rotes Schleifchen sich mühsam zusammengeflickt angefühlt hatte. Die Krähensitzung und die Schlangenfalle waren ihr nicht koscher vorgekommen. Was konnte ärgerlicher sein, als ein ausgepacktes Geschenk, das weiter verschenkt worden war, weil es nicht gefallen hatte? Zahra konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Doch wer war diejenige, die so schändlich mit dem armen Hin- und Hergeschobenen umgegangen war? Dazu gab es eine Razzia.
Schnell fand man Curiosite. Schneller führte man die Enthaltsamkeitsstrafe ein. Blitzschnell verhängte man die Sanktionen. Curiosite konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Milch und Wasser hatten sie alarmiert: Der Junge wäre ihr bereits als falsche Perle untergejubelt worden, Scham und Ratlosigkeit hätten sie zu dieser Verzweiflungstat getrieben. Zahra besänftigte dies nicht, doch war Curiosite schon gestraft. Am Waschtag beriet sie sich mit den Waschweibern, den Verruchtesten unter den Frauen Raggias. Ergebnis war, dass die Suche nach der Schuldigen im Namen der heiligen Entpackung fortgesetzt werden und die Bestrafung härter angesetzt werden müsse.
Ennui betrachtete ihren verdorrten Garten, als man ihr auf die Schliche kam. Weiber aller Schichten Raggias versammelten sich um sie und klagten sie an: „Der Geist des Verrats hat von dir Besitz genommen!“ Man warf ihr ein rotes Hauskleid zu, damit sie ihre Scham bedecken konnte, bevor man sie als warnendes Beispiel durch das Dorf zog. Um die Enthaltsamkeit zu garantieren, führte man einen Umwandlungszauber aus. Als Mann würde sie nicht mehr so viel Schaden anrichten können. Voller Hass brüllte Ennui, denn sie konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen: „Er saß so schön verpackt auf der Stange, wieso hätte ich mir ihn da nicht greifen sollen? Was meint ihr, wie entsetzt ich war, als ich spürte, dass ich ihn nicht frisch entpackt hatte!“
Krisensitzung am Tag der Enthaarung. Zahra zog den Wachsstreifen von ihrer Schenkelinnenseite und gab zu bedenken: „Der Tag des Jünglings ist nun einmal ein Fest, das wir nur zu bestimmten Anlässen feiern. Mein 14. Geburtstag wäre der erste Tag gewesen, an dem mir ein Jüngling zugestanden hätte. Stattdessen bot man mir Secondhand-Ware an! Ja, was heißt Secondhand, wohl eher Xtehand!“ Lena, schönste und tugendhafteste aller Frauen Raggias, verzog ihr Gesicht schmerzerfüllt, während Nera ihren Rücken enthaarte und erwiderte: „Ja, Schande über ganz Raggia! Auf der Suche nach der Schuldigen fällt eine Raggianerin nach der anderen. Aber was bleibt uns übrig? Wir suchen weiter! Haben wir die Eine gefunden, so wird die Strafe hart sein!“
Instinct rechte ihren feuchten Garten, als eine Meute von aufgebrachten Frauen auf ihr Haus zumarschierte. Zahra, Lena und Nera wüteten wie ein pöbelnder Mob durch die Straßen, um Instinct zu bestrafen. Alle anderen Frauen Raggias saßen schon im Verließ, waren verzaubert oder gebrandmarkt worden. Instinct verlachte die drei Furien, die sie mit den Worten „Es ist raus!“ begrüßten. „Was? Dass ihr zwei, Nera und Lena, die einzigen seid, die das schönste Stangenhuhn noch nicht entpackt hatten?“, stichelte Instinct. Da schauten Nera und Lena ziemlich dumm aus dem Mieder, fassten Instinct und zerrten sie auf den Marktplatz. Das Huhn wurde herbeigeholt. Inzwischen hatte es sich zu einem bunten Hahn aufgeplustert und erklärte sich bereit an der Zeremonie der endgültigen Klärung der Schande von Raggia teilzunehmen.
„Frauen, Mädchen, Männer von Raggia, die schwarze Eva ist gefunden!“, verlas Zahra, während kleine Mädchenhände wild durcheinander klatschten. „Instinct hat die harmonische Ordnung unseres Dorfes ignoriert, missachtet und mit grünen Äpfeln beworfen! Kurz und schmerzlos führen wir ihr zu Schmerzen das Jungfernhäutchen ein!“ Verständnislose Blicke. Grinsend unterbrach der bunte Gockel Zahra: „Nun, da ich hier bin, um die Wahrheit zu sprechen...“ „Wieso unterbrichst du die Zeremonie? Willst du eingesperrt werden?“, drohte Lena. „Instinct steht auf meiner Liste. Ja, richtig. Gleich unter Nera, die unter der Nummer 2, nämlich Lena steht.“ Zahra blickte entsetzt in die Runde, während Instinct triumphierend bellte. Eine hohe, skeptische Stimme aus der Menge wagte es zu fragen: „Und was geschieht nun mit den dreien?“
Die Sonne briet Raggia in seinen Ausdünstungen. Schlägereien, Wettbewerbe und Vorurteile stiegen auf. Übrig blieb ein Omelette aus einem Geburtstag, den die gröhlenden Männer des kleinen Dorfes feierten. Zac erlebte seinen 14. Geburtstag. Zu diesem Anlass gab es Bier, Wein und Fleisch. Zacs Vater hatte nicht täglich die Gelegenheit, sich als trinkfester, spendabler Mann zu profilieren. Neben Bällen und Messern schenkte man Zac ein Kartenspiel mit 15 verschiedenen Pin-up-Girls. Die Männer Raggias waren für ihre vorausschauende und praktische Geschenkauswahl bekannt: Tauschgeschäfte waren ausdrücklich erwünscht. Schließlich hatte man im Leben nur wenige Möglichkeiten, sich frei zu entfalten.