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Von Oben nach Unten

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07.10.2010
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Von Oben nach Unten

Er schaut in das tiefe schwarze Loch, er starrt es an. Er starrt es so an, als wenn es der erste Tag für ihn hier oben wäre. Doch er macht das schon zwanzig Jahre. Zwanzig Jahre guckt er in erkaltete Schlote. Zwanzig Jahre lang geht es von oben nach unten.
Nach einer Weile gibt er seinem Baggerfahrer ein Zeichen. Dieser nickt ihm zu und beginnt seine Arbeit von Neuem. Auch er, der Baggerfahrer, starrt schon zwanzig Jahre in erkaltete Schlote, um sie dann abzureißen. Von oben nach unten. Die Spitze des Presslufthammers am Baggerarm macht da weiter, wo sie gestern aufgehört hat. Es kracht und staubt. Man hört die Steine in die Tiefe rauschen. Unten angekommen, zerfallen sie zu schwarzem Staub. Sein Vorarbeiter steht neben dem Bagger, schaut auf die Steine des Schlotes die so schwarz sind, so verrust. Er blickt auf und schaut in die Ferne. Er sieht die Getreidefelder, die Kiefernmonokulturen, andere Schornsteine die noch auf ihn warten. Als letztes Relikt stehen sie in der Landschaft herum. Vereinzelt qualmt es noch aus einigen. Bald braucht man auch sie nicht mehr. Und wenn erstmal alle abgerissen sind, braucht man ihn, den Schornsteinabreißer, nicht mehr. Vierzig Jahre ging es nur nach oben, doch jetzt gehts nur von oben nach unten...oben nach unten. Bald wird er für immer unten bleiben, bald wird auch er nicht mehr qualmen, weil nichts mehr in ihm glüht.
Der Bagger kommt gut voran, immer mehr Steine rauschen in die schwarze Tiefe. Wieder gibt er, der Vorarbeiter, seinem Baggerfahrer ein Zeichen, wieder nickt dieser, das Gepoltere des Presslufthammers geht weiter. Jeder Stoß des Hammers trifft wie ein Nagel in das Herz der Region. Dieser einst voll von qualmenden Schloten übersäten Landschaft. Dort wo keine Kirchenspitze das höchste Bauwerk war sondern, der Fabrikschlot. Doch mit der Arbeit gehen auch die Menschen, hinterlassen Türme ihrer einstigen Existenz, ihrer Arbeit. Lange schon sind sie unten angekommen und zogen davon um wieder nach oben zu kommen. Doch er, der Schornsteinabreißer, muss immer von oben nach unten. Er der Schornsteinfeger, der nur einmal fegt. Er , der langsam die Wahrzeichen der Arbeit abträgt.
Am Ende eines langen Arbeitstages, schaut er zu seinem Baggerfahrer, gibt ihm das Feierabendzeichen, dieser nickt ihm zu. Ein letztes Mal schaut er in die Ferne. Am Horizont steht die Sonne als glühende rote Kugel. Kraniche steigen von einem abgeernteten Feld auf und fliegen ihr lautstark entgegen.

 

Ich finde das mal einen akzeptablen Anfang. Negativ sind mir eigentlich nur die beiden Stellen aufgefallen:

Nach einer Weile gibt er seinem Baggerfahrer ein Zeichen. Dieser nickt ihm zu und beginnt seine Arbeit von Neuem. Auch er, der Baggerfahrer, starrt schon zwanzig Jahre in erkaltete Schlote, um sie dann abzureißen.
  • du kannst die beiden Aspekte des Beginnens und des Wiedereinsetzens nicht zusammen verwenden, das widerspricht sich, zeig doch konkret was er macht >> und setzt den Hammermeißel wieder an (oder so).
  • Die Spezifizierung des Bezugs "er, der Baggerfahrer" wirkt etwas unbeholfen, warum nicht >> Dieser nickt ihm zu und beginnt seine Arbeit von Neuem. Aus seiner Kabine starrt er schon zwanzig Jahre in erkaltete Schlote, [...]?

Wieder gibt er, der Vorarbeiter, seinem Baggerfahrer ein Zeichen, wieder nickt dieser, das Gepoltere des Presslufthammers geht weiter.
  • dito, mit dieser Satzstruktur erzählst du wenig aussagekräftig. >> Der Vorarbeiter gibt dem Baggerfahrer ein Zeichen, woraufhin der Presslufthammer weiter poltert. (Beispiel)

Aber noch eine Frage zum Inhaltlichen. Kennst du dich aus mit dem Aufbau und Abriss von Fabrikschornsteinen? Ich hatte mal in einer Dokumentation gesehen, dass diese Dinger gesprengt und nicht mit einem Presslufthammer zermeißelt werden. Gibt es überhaupt so große Bagger, die an den Schlot von Fabrikschornsteinen heranreichen. Hatte nämlich erst einen Kran vor Augen, bis ich Bagger bewusst gelesen habe und irritiert war.

Anmerkung: Einer meiner ersten Gehversuche.
Es geht hier nicht ums Gehen, abgesehen davon, dass diese Art von Anmerkungen - stellen wir uns mal vor sie hätten irgendeinen Sinn - ans Ende einer Geschichte in einen separaten Beitrag gehen sollten. Schmeiß das raus, sonst macht das wohl ungefragt einer der Mods für dich ;).


Viele Grüße,
-- floritiv.

 

Danke erstmal für die Kritik. Der Text entstammt aus der Beobachtung heraus. Ich war selbst in einer Fabrik tätig bzw. wohne in einer Gegend wo die Wende bzw. der techn. Fortschritt seine Spuren hinterließ.
Schornsteine können nicht immer gesprengt werden, sei es aus Sicherheitsgründen oder der Kosten wegen. Als in der Fabrik wo ich arbeitete ein ehemaliger Kraftwerksschornstein abgerissen wurde, fräßte man diesen von oben nach unten ab. Der Bagger wird mittels eines Kranes oder sogar Hubschraubers oben aufgesetzt.
Das mit der Anmerkung tut mir leid, sollte als eine Art Vorabwarnung fungieren.

 

Ich habe noch nichts verändert an dem Text, weil ich dachte man belässt ihn einfach hier so und nimmt die Kritik zur Kenntnis, ändert ihn dann auf dem Computer nicht aber hier in diesem Forum.

Ja inverse, beide stehen auf dem Schornstein. Der Fahrer des Geräts und sein Vorarbeiter.

Der Aspekt das sich der Vorarbeiter in Sicherheit bringt kann gegeben sein, aber Industrieschornsteine sind große Bauten auch im Durchmesser , der Bagger fährt ringsherum, starr stehen bleiben geht nicht. Beide bewegen sich kontinuierlich. Sicherlich hätte man das mit einbauen können, das habe ich damals nicht bedacht wo ich den Text schrieb.

Aber den Punkt mit den Protagonisten verstehe ich nicht ganz. Immer wird benannt um wen es jetzt geht, leider, das ist der Nachteil meiner Formulierung muss man genau lesen, mehrmals sogar um zu erkennen dass zwei Leute da oben stehen die den Schlot abreißen. Der Fehler mag sein dass ich die Perspektive zu arg ändere. Erst schaut der Erzähler zum Vorarbeiter, dann zum Baggerfahrer und wieder zurück zum Vorarbeiter.

Der Schornsteinfeger der nur einmal fegt, ist der Mann der die Schlote abreißt. Die Satzstruktur macht wohl hier die Verwirrung aus. Ist aber eher eine Aufzählung von Bezeichnungen für den Vorarbeiter. Ein Schornsteinfeger kommt mehrmals um diesen zu säubern, er aber macht den Dreck weg in dem er ihn abreißt, das geht nur einmal.

"Doch er, der Schornsteinabreißer, muss immer von oben nach unten. Er der Schornsteinfeger, der nur einmal fegt. Er , der langsam die Wahrzeichen der Arbeit abträgt."

Früher im Text wird eigentlich auch deutlich das der Vorarbeiter dieser Schornsteinfeger ist.
"Und wenn erstmal alle abgerissen sind, braucht man ihn, den Schornsteinabreißer, nicht mehr."

Ich versuche das online hier zu ändern. Lasst Gnade walten mit mir.

 

Hej Wolff,

ein melancholisches Bild, dieses Schornsteine abreißen. Ich finde schön, wie Du es mit dem einzelnen Menschen und der menschlichen Gesellschaft verknüpfst.

Was mich stört, sind die vielen Wortwiederholungen ("Schlote, zwanzig Jahre, schwarz, in die Tiefe rauschen.").
Kann man als Stilmittel benutzen und grundsätzlich passt es gut zur Handlung, aber in dem verhältnismäßig kurzen Text würde ich damit sparsamer umgehen.

. Dieser nickt ihm zu und beginnt seine Arbeit von Neuem.
Das "von Neuem" könntest Du weglassen, weil Du es hier

macht da weiter, wo sie gestern aufgehört hat.
anschaulicher beschreibst und im Grunde das gleiche sagst.

Auch er, der Baggerfahrer, starrt schon zwanzig Jahre in erkaltete Schlote,
Ich stimme floritiv zu und hab auch einen Vorschlag:
Nach einer Weile gibt er dem Baggerfahrer ein Zeichen, der nickt und beginnt seine Arbeit. Auch er starrt schon zwanzig Jahre in erkaltete Schlote, um sie dann abzureißen.

Sein Vorarbeiter steht neben dem Bagger, schaut auf die Steine des Schlotes die so schwarz sind, so verrust.
Ist "sein Vorarbeiter" der Vorarbeiter des Baggerführers, also "er", der zu Beginn in das schwarze Loch schaut? Warum dann nicht bei "er" und "ihm" bleiben?

Als letztes Relikt stehen sie in der Landschaft herum.
Relikt wovon?

Vereinzelt qualmt es noch aus einigen.
Dieses "vereinzelt" und "einigen" bedingt sich irgendwie.
Vllt: Aus einigen qualmt es noch.

on oben nach unten...oben nach unten.
Leerzeichen ... Leerzeichen

Der Bagger kommt gut voran, immer mehr Steine rauschen in die schwarze Tiefe.
Diese Formulierung hattest du schon.

Wieder gibt er, der Vorarbeiter, seinem Baggerfahrer ein Zeichen, wieder nickt dieser, das Gepoltere des Presslufthammers geht weiter.
War zwischendurch Pause?

Dieser einst voll von qualmenden Schloten übersäten Landschaft.
In diese einst von qualmenden Schloten übersäte Landschaft.
Ich bin die Letzte, die etwas gegen Schornsteine hat, aber wahrscheinlich meinst du mit "Herz der Region" ja nicht nur die Schornsteine, die wie wild qualmen, sondern das damit verbundene Leben, oder?

Doch mit der Arbeit gehen auch die Menschen, hinterlassen Türme ihrer einstigen Existenz, ihrer Arbeit.
Besser: Doch mit der Arbeit gehen auch die Menschen, hinterlassen Türme ihrer einstigen Existenz.

Lange schon sind sie unten angekommen und zogen davon um wieder nach oben zu kommen.
Dieses doppelte "kommen" find ich nicht schön.

Er , der langsam die Wahrzeichen
Er, der langsam die Wahrzeichen

Am Ende eines langen Arbeitstages
Arbeitstage sind immer lang, es sei denn sie sind kurz. ;)

gibt ihm das Feierabendzeichen,
Das hätte mich jetzt interessiert, wie geht das?

Ein letztes Mal schaut er in die Ferne.
Müsste er nicht mal. Die letzten beiden Sätze funktionieren auch so.

Hat mich gefreut.

LG
Ane

 

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