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Vorm ersten Kuss

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03.09.2010
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Vorm ersten Kuss

In weiter Ferne höre ich die Warnung des Martin-Horns.
Gedankenversunken stehe ich auf der nächtlichen Straße und eine Polizistin redet auf mich ein. Ich weiß, dass sie da ist und dass hier schaulustige Passanten herumstehen und versuchen die Situation zu begreifen, die ich nicht verstehe. Nicht verstehen will.
Sie gehören nicht zu meiner Realität und so höre ich Nichts, außer den stetig weichenden Sirenen des Krankenwagens.

Es war unsere erste Verabredung, aber als ihr Körper in meinen Händen lag, wurde sie zu einem Teil von mir. Beinahe wir, obwohl sie es war, die man in den Krankenwagen schob und ich rigoros ausgeschlossen wurde.
Ich bin kein Angehöriger. Das haben sie gesagt und mich deswegen nicht mitfahren lassen, dabei habe ich noch überall ihr Blut an mir kleben.
Verwirrt, kraftlos und zur Untätigkeit verdammt stand ich daneben, als der Notarzt versuchte dort weiter zu machen, wo ich nichts mehr ausrichten konnte. Der Sanitäter musste mich gewaltsam von ihr trennen, so erbittert kämpfte ich um ihr Leben; über sie gebeugt hielt ich sie fest umschlungen.
Verzweifelt presste ich mein Hemd auf ihre Wunde und schrie uns beide an: "Nicht Aufgeben!"
Sprechen konnte sie nicht, aber mit ihrem Blick bat sie um Verzeihung, als ob es ihre Schuld sei.
Dann der Schuss!
Doch viel schlimmer als der Knall der Entladung, der die Ereigniskette auslöste, als die Luft, die als Druckwelle durch Mark und Bein schnitt, als ihr Schrei, der ihrem Entsetzen Ausdruck verlieh, als die Kugel, die ihren Körper durchbohrte, war sein Gesicht: entschlossen und gefüllt mit unbändigem Hass.
Entmenschlicht.
„Du Schlampe! Du bist Schande für uns! Isch spucke Disch, du Hure!“, schrie er und drückte ab.
Wo er hin ist, weiß ich nicht. Wo er her kam genauso wenig. Aber er war da gewesen, als wir gemeinsam lachend das Lokal verließen und ich sie küssen wollte.

 

Hey Tiltik,

Kürzestgeschichten haben oft das Problem, dass aufgrund der Kürze der Leser kaum eine Beziehung zu den Protagonisten aufbauen kann. Ausnahmen gibt es natürlich, dass ist dann sprachliche Magie, die von großem Können zeugt.

Aber es gelingt Dir, innerhalb der wenigen Zeilen tatsächlich eine Geschichte zu erzählen. Vorausgesetzt ich verstehe das richtig:

„Du Schlampe! Du bist Schande für uns! Isch spucke Disch, du Hure!“, schrie er und drückte ab.

Dass das fehlerhafte Deutsch als Hinweis auf einen Ehrenmord zu deuten ist. Dann ist natürlich - der Prot. darf nicht im Krankenwagen mitfahren, weil kein Angehöriger; der eigentliche Mörder hingegen dürfte dies, eine starke Aussage.

Emotional vermag sie mich dennoch nicht zu erreichen, weil ich kaum eine Verbindung eingehe. Was schade ist.
Den Einstieg fand ich gelungen. Das hat mir gefallen, dass er da nur die Sirenen hört, die sie von ihm wegbringen. Danach verliert der Text an Intensität (nach meinem Empfinden), durch solche Einschübe:

Auch jetzt ist sie noch bei mir. Sie ist ein Teil von mir geworden. Es war unsere erste Verabredung gewesen – wohl auch die letzte – aber so wie sie hatte mich noch kein Menschen berührt.

Die klingen so gewollt nach schwerem Herz ;)

Beste Grüße Fliege

 
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Hi Tiltik,

also mir gefällt die Geschichte.
Finde es gut, dass die Geschichte quasi komplett rückwärts erzählt wird.

Allerdings gibt es noch ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind.
Hier mal meine Vorschläge:

Mit meinen Gedanken alleine stehe ich auf der nächtlichen Straße
Ich weiß, dass sie da ist ...
bzw.
Auch jetzt ist sie noch bei mir.

Also wie jetzt? Ist er in Gedanken alleine, oder ist sie bei ihm?
-------
Ich höre sie nicht, nur die sich entfernenden Sirenen.
Aus weiter Ferne höre ich noch die Sirenen des Krankenwagens.

Hier finde ich, ist irgendwas doppelt. Vielleicht nur einen der beiden Sätze schreiben oder beide miteinander verbinden.
-------
...aber so, wie sie, hatte mich noch kein Mensch[...] berührt.

-------
Fast schon ich, obwohl sie es war, die man in den Krankenwagen schob und ich rigoros ausgeschlossen wurde.

Tut mir Leid, aber den Satz verstehe ich leider nicht zu 100%.
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der Notarzt versuchte dort weiter zu machen, wobei ich scheiterte: ihr Leben zu retten.

Verstehe auch hier nicht so ganz den Inhalt.
Für mich klingt der Satz so, dass der Protagonist versucht hat sie zu retten, sie dann gestorben ist und dann kommt der Notarzt und versuchte sie weiter zu retten.
Oder meinst du, dass er sie einfach nur Beatmet hat (es fehlt übrigens die Art, wie er um sie kämpft) und dann kommt der Notarzt und macht weiter?

Finde das Wort "wobei" auch nicht ganz glücklich gewählt bzw. ich glaube die Satzstellung ist auch nicht ganz richtig.

am Ende meiner Kräfte, stand ich daneben, als der Notarzt versuchte dort weiter zu machen, wobei ich scheiterte: ihr Leben zu retten.
Man könnte glauben, dass er neben dem Notarzt steht, während dieser irgendwas anderes macht. Und während er steht, scheitert er dabei, ihr Leben zu retten (logisch, weil er ja nur rumsteht.^^). Verstehst du, was ich damit meine?^^
Denke, dass das Wort "wo" an dieser stelle besser gepasst hätte.

Das is jetzt aber wirklich nur ne Kleinigkeit und hoffentlich denkst du jetzt nicht, ich lege alles auf die Goldwage oder so. :D

--------

Ich hatte ihn nicht gerufen [...], dafür hatte ich gar keine Zeit gehabt.

An der Stelle möchte ich noch kurz erwähnen, dass (glaube ich) einige Zeitsprünge in der Geschichte vorkommen, die so nicht geplant waren.^^
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Wo er hin ist, weiß ich nicht. Wo er her kam, genauso wenig.
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Der Schuss!
Jemand anderer muss ihn gehört und Hilfe geholt haben.

...als wir gemeinsam lachend das Lokal verließen...

Hab lange überlegt, ob ich das auch mit auflisten soll. Es ist aber, denke ich, besser, wenn es hier steht.
Wenn man sich den Text 1x durchließt, dann fällt diese kleine Ungereimtheit nicht sonderlich auf. Aber wenn man ihn sich 2-3-4x durchließt, dann schleicht sich unweigerlich ein:"Logisch, wenn man aus einem Lokal kommt. Außer er hatte einen Schalldämpfer drauf."


Naja, ist doch etwas mehr geworden.
Über einiges kann man sicher auch streiten. :-)

Viele Grüße!
Floy89

 
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Hallo Fliege.

Mit dir kann ich etwas anfangen, sogar sehr viel. :)

Die Gesamtaussage ist genau diese.
Das falsche Deutsch soll dabei zwar ein gewisses Klischee bedienen und so durch bereits vorhandene Bilder mein eigenes unterstützen und verstärken. Allerdings wollte ich es auch nicht zu stark aufzeigen, Vorurteile bedienen und mit dem moralischen Zeigefinger wedeln.

Was den Herzschmerz angeht, ging es mir gar nicht so sehr darum.
Ich wollte eher den Schock vermitteln unter dem der Protagonist steht.
Dieser Schock ist an sie gebunden.
Meine Vorstellung, die ich auch vermitteln möchte, ist folgende: Sie wird in seinen Armen erschossen und er versucht sie am Leben zu halten, bis Sanitäter ihn ablösen und zur Untätigkeit verdammen. Dennoch braucht er noch eine Weile, bis er wieder er selbst sein kann, so sehr ist er mental noch dabei ist ihr zu helfen. So stark, dass sie zu einem Teil von ihm wird, der mit ihr sterben wird.

Wenn ihr einen Rat habt, wie ich das besser herausarbeiten kann, immer her damit.

Desweiteren würde mich interessieren, in wie weit die Wechsel der Zeit funktionieren (und ob sie auch korrekt sind), und ob das rückwärtige Erzählen zu viel ist.
Ziel ist es den geistigen Rückblick des Protagonisten in diesem Schockzustand aufzuzeigen.

Ich halte die Geschichte für unvollendet, weswegen ich sie hier gepostet habe und mir freundliche Unterstützung erhoffe.

LG Tiltik

P.S.: Ich weiß auch nicht, ob sie hier oder bei Gesellschaft besser aufgehoben wäre. Krimi lag mir dann näher, da es das offensichtlichere Thema ist.

Auch dir Danke Floy89.

hatte deinen Post erst nach meiner letzten Antwort gelesen.

Über den ersten Punkt muss ich intensiver nachdenken. Unrecht hast du jedenfalls nicht.

Das mit den Sirenen wollte ich doppelt drin haben, da es der erste Punkt ist, an dem die geschichte rückwärts erzählt wird. Vielleicht ein wenig zu subtil. Im ersten Satz sind die Sirenen in weiter ferne, beim zweiten entfernen sie sich gerade.
Ich werde versuchen das zu verdeutlichen.

... aber so wie sie hatte mich noch kein Menschen berührt.
Sie lag sterbend in seinen Armen, gleich bei ihren ersten Date. Ich wünsche mir, dass mich auf diese Weise keine Person je berühren wird, aber wenn, dann würde es mich heftig mitnehmen. So viel zum gedanken dahinter. Ausarbeitung ganz offensichtlich noch mangelhaft.

Fast schon ich, obwohl sie es war, die man in den Krankenwagen schob und ich rigoros ausgeschlossen wurde.
Der Satz darf ruhig verwirren. Dennoch werde ich wohl über Funktion und Sinngehalt nachdenken müssen. Gemeint ist, dass ein Teil von ihm ebenfalls in den Krankenwagen geschoben wird, so sehr ist er befangen.

der Notarzt versuchte dort weiter zu machen, wobei ich scheiterte: ihr Leben zu retten.
Lustig. Wo hatte ich zuerst dort zu stehen und hatte es ins wobei ausgetauscht, damit es nicht umgangssprachlich daherkommt. Schließlich ist es eine Handlung bei der er scheiterte und kein Ort.
Vielleicht wäre es besser nicht ihr Leben zu retten, sondern ihre tödlichen Wunden zu versorgen. Auch ein Punkt für mich zum Nachdenken. Dankesehr.

Die Zeitsprünge sind teilweise gewollt, habe mich damit aber auch wenig selber durcheinander gebracht. Der Protagonist ist mit seinen Überlegungen im Jetzt und versucht sich das gerade geschehende (Vergangenheit) klar zu machen. Dabei kommt es zu überschneidungen, die man nicht ganz zuordnen kann. Der Protagonist wohl auch nicht, aber in dieser Hinsicht, wäre mir das Verständnis wichtiger. Ich schrieb ja bereits, dass ich dabei wohl etwas Hilfe benötige :)

Der Schuss!
Jemand anderer muss ihn gehört und Hilfe geholt haben.
Der Schuss steht meines Achtens genau dort, wo er auch hingehört.
Der zweite Satz soll ein wenig die Ratlosigkeit des Protagonisten wiederspiegeln, der auch nicht genau weiß, wie was genau geschehen ist und wie das eine zum anderen führte, obwohl er dabei war. Ich hatte überlegt ihn ganz weg zu lassen, bin mir aber nicht sicher, ob sich dann nicht der Leser zu Recht fragt, wo denn überhaupt die Helfer her kamen.

Über einiges kann man sicher auch streiten. :-)
Über alles kann man sich streiten. Auf jeden fall werde ich aber über alles nachdenken und sehen, was mich dabei voranbringt, die Geschichte deutlich zu verbessern.

LG Tiltik

 
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Moi Tiltik,

wenn Du nach Gesellschaft möchtest, schreib mir kurz ne PN, ich denke, das würde gut passen.
edit: Danke! Und aus Spannung/Krimi nach Gesellschaft.
:)

Kurzgeschichten sind ja zum Glück ein noch junges Genre, und haben daher einen sehr freien Rahmen - soviel zu der von Dir gewählten Form. Es gibt ebenso keinerlei Konvention, welche Handlung oder Inhalt oder Aussage in einer solchen transportiert werden darf/nicht darf. Das einzige, was eine KG haben muß, um sich als solche zu qualifizieren, sind ein Prot und ein innere und/oder äußere Handlung. Das haben wir hier zweifelsfrei.

Herzlichst,
Katla

 
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So liebe Leser.

Ich habe intensiv über Eure Kritik nachgedacht, auch über jene, die nicht mehr nach zu lesen ist.
Ich habe mich entschlossen den Schockzustand zu verdeutlichen und die noch nicht funktionierenden Sätze überarbeitet.
Ob mir dies gelungen ist, mögt Ihr beurteilen.

Genauer:
Das alleine ist komplett raus und die Doppelung der sirene ebenso. Desweiteren habe ich den ersten Satz komplett überarbeitet und hoffentlich zielorienterter formulieren können.

Die Verständnisschwierigkeiten habe ich versucht zu beseitigen, in dem ich versucht habe den Kern der Aussage klar und deutlich zu formulieren.

Zeitsprünge innerhalb einzelner Sätze sollten nun behoben sein.
Dennoch sind nun Zeitsprünge in der Handlung vorhanden. Einzelne Sätze stehen für unterschiedlich lange Momente. Ich hoffe, dass der Text und seine Wirkung damit härter geworden sind.
Schließlich spielt es keine Rolle, wie lange die jeweilige Situation andauerte, sondern in welcher Reihenfolge und das sie statt fand.

Der Schuss ist weiterhin dort geblieben, wo er auch vorher war. Der Grund ist die zeitliche Abfolge der Ereignisse. Wobei gerade an dieser Stelle mir die Wahrnehmung und Wertung des Protagonisten nach ihrer Wichtigkeit für ihn, wichtiger war, als die exakte chronologische Reihenfolge, da ja Schuss und Täter fast zeitgleich erscheinen.
Durch die rückwärtige Erzählung ist das Wichtigere weiter hinten.

Ich bin gespannt, Eure Meinung dazu zu erfahren. Besonders, wenn sie begründet ist und vielleicht sogar Verbesserungsvorschläge enthällt.
Dennoch ist der Text absichtlich auf das Nötigste Reduziert.
Vielleicht werde ich ihn auch als neue Geschichte wieder aufgreifen und dann weiter ausschmücken. Aber eins nach dem anderen.

LG Tiltik

P.S.: "Der Sanitäter musste mich gewaltsam von ihr trennen, so erbittert kämpfte ich um ihr Leben." ist noch zu stark gekürzt, um die Situation um die Versorgung zu verbildlichen. Ich arbeite da gerade dran. Entschuldige, wohl etwas zu früh die Änderung reingestellt.

 

Find ich besser so!

Ist alles irgendwie klarer und deutlicher. :-)

 

Hi Tiltik,

ich überlege gerade; irgendwie fänd ich's realistischer, wenn der Mörder das Gesagte in seiner Muttersprache sagen würde, statt in seinem (wie er sicher weiß) fehlerhaftem Deutsch.
Das wäre zwar für deutsche Leser doof, aber es wäre m.E. authentischer, denn ein Mord ist ja eine schwerstwiegende Angelegenheit...
Was denkst du?

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hi Maeuser.

Ich denke, dass es so schon passen sollte.

Der Grund hierfür liegt jedoch nicht in der Authentizität, sondern im Informationsgehalt.

Ehrenmord ist nun kein Phänomen, dass irgendeine (Sprach-) Kultur für sich allein gepachtet hätte. Auch in Deutschland war das vor längerer Zeit leider ebenfalls noch üblicher. Nicht in dieser Form, aber z.B.: sind Duelle auch eine Form des Ehrenmords.
Durch Imigranten ist dies leider immer wieder einmal auch Thema in unserer Gesellschaft. Ich bediene mich daher der Sprache eines Imigranten.
Gleichzeitig klage ich aber auf diese Weise keine spezielle Kultur an und auch nicht alle Mitglieder dieser oder jener Kultur, sondern nur die Verfechter einer solchen Tat und bediene mich dabei dem in Deutschland gängigen Klischee, um es verständlicher zu machen.

Zudem wird in den Imigrantenvierteln und entsprechenden Millieus häufig ein eigenes Deutsch gesprochen und viele der dort lebenden Menschen sprechen weder die eine Sprache, noch die andere. Sie bedienen sich einem Mischmasch beider Sprachen.
Da ich dies jedoch nur vom Hörensagen kenne, aber ich es doch eher Deutsch belassen, als wirklich einen Straßenslang zu gebrauchen, hoffe aber diesen nahe gekommen zu sein.

Desweiteren müsste ich bei einer kompletten Übersetzung in eine andere Sprache den Bezug des Opfers zu dieser Sprache herstellen.
Wie gesagt möchte ich das nicht unbedingt und ist wohl auch kein Teil des Kerns dieser Geschichte.
In einer längeren detaillierteren Version wäre dies aber durchaus etwas, dass ich intigrieren würde. Auch wenn ich dafür etwas Hilfe bräuchte.
Dort hätte ich aber den Raum, um eindeutiger an das Thema heranzugehen.

LG Tiltik

 
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Moi Tiltik,

erstmal finde ich, die Überarbeitung hat dem Text sehr gutgetan. Mit der Kürze habe ich kein Problem, im Gegenteil - es paßt gut zur Härte des Beschriebenen. Denn Du erfaßt darin alles wichtige, sowohl was Handlung wie auch Beziehung zwischen den Personen angeht.

Was Maeuser mit der Muttersprache anmerkt, hatte ich schon beim ersten Lesen gedacht. Fraglich, was man da machen könnte - im Original und dann im Satz danach vllt kursiv die Übersetzung? Schwierig, es soll ja nicht ewig aufhalten, diesen Satz zu lesen. Mir fällt grad auch nix Schlaues ein.

Der Sanitäter musste mich gewaltsam von ihr trennen, so erbittert kämpfte ich um ihr Leben.
Über sie gebeugt hielt ich sie fest umschlungen.
Würde ich - obwohl ich kurze Sätze mag - mit einem Komma oder Semikolon verbunden eleganter finden. Der Sanitäter musste mich gewaltsam von ihr trennen, so erbittert kämpfte ich um ihr Leben; über sie gebeugt hielt ich sie fest umschlungen. Oder mit Punkt getrennt, aber keinesfalls durch Zeilenumbruch - das gehört ja unmittelbar zusammen.

Was mir als einziges gar nicht gefällt sind Zeilenumbrüche nach jedem Satz. Nicht wegen Lyrikchrakter oder so. Aber Absätze strukturieren eine Geschichte, geben ihr einen Rhythmus, und vor allem: Geben abgetrennten Sätzen/Absätzen eine intensivere Bedeutung (als dem, genau, zusammenhängenden Teil). Wenn Du nun nach jedem Satz umbrichst, dann ist es, als würdest Du den gesamten Text in Fettdruck oder Großdruck haben. Nach dem dritten Zeilenumbruch geht die Wirkung völlig verloren - aber dann auch für alles, was danach kommt. Und das ist schade hier. Ich steige dann aus, man stolpert geradezu, will weiter und der Autor drängt einem diese Wichtigkeit auf, die man ja schon selbst fühlen möchte (und würde, durch die Sprache). Großbuchstaben macht man auch eher in Comix, nicht in literarischen Texten, übrigens.

Absätze und Satzverkettungen sind ein wichtiges Mittel, einen Text zu strukturieren und wirken zu lassen.

Nur eine kleine Idee: Du hast zwar den ersten "Absatz" schön von den Sirenen eingeklammert - aber noch mehr in den Text ziehen würde es mich, wenn die ersten beiden Sätze gegeneinander vertauscht wären. Erst ein Schock, dann nochmal ein Zurücktreten durch die Beschreibung des Geräusches des Martinshorns, anstatt erst Erklärung/Weiterführung.

Aber an sich ein kleiner, starker Text, der es in sich hat. Mir war auch die Sache mit dem Mitfahren im Krankenwagen sofort aufgefallen, das hat etwas sehr Brutales, ohne wirklich was Heftiges beschreiben zu müssen.

Ich finde den Titel fast ein bißchen flapsig - was hieltest Du denn von: Vor dem ersten Kuß? Ich meine, es würde dem Inhalt besser gerecht werden. So wirkt das mehr wie eine Teenieromanze.

Schau einfach, ob Du mit den Anmerkungen was anfangen kannst. Bin gespannt auf mehr.

Herzlichst,
Katla

edit:
Mein Komm hat sich mit Deiner Antwort an Maeuser überschnitten. Ich sehe Deine Argumente ein (hatte mir ähnliches selbst gedacht) - allerdings: Ich hab auch lange in Berlin gewohnt, und kenne diesen Deutsch-Fremdsprachenmix gut. Allerdings denke ich, es ist ein Unterschied, ob sich entsapnnt in der U-Bahn unterhalten wird, oder ob Sprache in einer so hochemotionalen Situation verwendet wird. Wird eine Frau so ermordet, muß das auf eine Familie mit strengem Traditionshintergrund hinweisen - und ich würde davon ausgehen, daß in diesem Moment eben nicht die Sprachen gemixt würden. Gerade, weil hier gegen die westlich-sekuläre Kultur agiert wird.

 

Hi Katla.

Danke für die zweite Draufsicht.

Über den Absätzen habe gesessen und hin und her geschoben.
Mir fehlt da ganz klar die Erfahrung, um es genau so zu richten, wie ich das gerne hätte.
Ich hatte nach einer Stunde vorm Text sitzen ohne weiter zu kommen mich dann dafür entschieden. Eine Entscheidung musste ja her. :)

Das mit dem Simikolon ist keine schlechte Idee. Dadurch sollte seine Hilflosigkeit unterschwellig hervortreten, da er ihr nicht helfen kann, außer eben bei ihr zu sein und sie fest zu halten. Gute Sache das. Danke.

Der erste Satz bleibt jedoch erster Satz. Die Ferne und die Warnung sollten ganz oben stehen.

Zum Titel:
Ui, ui, ui, ui, ui, ui Tiffie. Jugendschnulze. :)
Ein wenig hast du Recht. Der Text erfüllt in keinster Weise die Erwartungen des Titels. Andererseits mag ich den Kontrast.
Titel fügte ich als letztes hinzu und wollte damit die Tat extremer gestalten und das Motiv klarer werden lassen. Schließlich hätte sie ihren Mörder mit dem Prot auch betrogen haben können.
Ob vorm oder vor dem, ist glaube ich dabei egal. Bleibt denke Jugendschnulzentitel :)
Das dem könnte darüber hinaus jedoch signalisieren, dass es ihr aller erster Kuss gewesen wäre. Bei aller Abscheu vor einer verdrehten Moral, ist dies denke ich dann aber doch zu viel. Da wird es im Vorfeld schon mehr als einmal gekracht haben, bevor zu solchen drastischen Mitteln gegriffen wird.
Vielleicht wäre Vor dem Kuss noch eine Möglichkeit.
Hier wäre die Jugendschnulze weg und der Kuss ist ja dann auch ein spezieller.
Auch mal drüber nachdenken. Favorisierungen werden aber als Entscheidungshile dankend angenommen.

LG Tiltik

Änderungen folgen...

 

Hallo Tiltik,

der Text ist stark, ich finde ihn rundum gelungen. Klar und auf den Punkt gebracht, kein Wort zuviel, und die einzelnen Informationen sind gut auf die Länge (oder sollte besser Kürze sagen) verteilt. So schnell kann es gehen. Und es geht in meinen Augen auch nicht darum, ins selbe Horn wie ein Theo S. zu blasen, sondern einfach zu schildern wie unglücklich verschiedene Kulturen aufeinander prallen können. Die milieusprachliche Färbung bei

Isch spucke disch, du Hure!
allein reicht als Hinweis dafür, dass es sich hier sehr wahrscheinlich um einen Ehrenmord handelt, wie er typisch ist für den (oder meinetwegen: das westliche Medienbild des) Islam ist.

Ein kleines Detail noch:

Es war unsere erste Verabredung gewesen, aber als ihr Körper in meinen Händen lag, wurde sie zu einem Teil von mir. Beinahe wir, obwohl sie es war, die man in den Krankenwagen schob und ich rigoros ausgeschlossen wurde.
  • "Teil von mir. Benahe wir", das passt irgendwie nicht, grammatikalisch, wenn ich hier nicht falsch verstehe müsste es heißen >> Beinahe uns -- aber auch diese Konstruktion steht semantisch auf wackligen Beinen.
  • "ausgeschlossen" passt auch nicht wirklich, er wird ja nicht aus dem Sanitäterteam ausgeschlossen, sondern mehr davon abgehalten mit einzusteigen.

Viele Grüße,
-- floritiv.

 

Danke Floritiv

Auch wenn der Knilch seinen Anteil hatte, dass ich auf dieses Thema gekommen bin, wollte ich es doch ein wenig anders behandeln.

Das Beinahe wir ist sehr Prot-gefärbt. Es müsste wohl korrekt heißen: Beinahe ein Wir, bei dem das Wir substantiviert ist und die Identifikation mit der anderen Person ausdrücken soll. Allerdings hörte sich Beinahe Wir besser an, sah aber irgendwie blöd aus, deswegen klein. :)
Beinahe Uns ist dann wohl der gleiche Schuh.

Ich habe das wie üblich mehr aus dem Bauch heraus geschrieben, werde mich daher mal ransetzen und gucken, was die heiligen Schriften der Grammatik darüber aussagen, auch wenn ich mich am liebsten auf die künstlerische Freiheit zurückziehen möchte, da mir der Klang sehr gefällt.
Zurückziehen ist aber nicht, solange ich nicht die korrekte Alternative kenne. ;)

Das ausgeschlossen ist jedoch genau das, was ich ausdrücken möchte. Es geht ja um mehr, als nur darum, von der Fahrt mit dem Krankenwagen abgehalten worden zu sein. Er wird ja aus weit mehr ausgeschlossen.
Die Kritik verstehe ich, aber ein abhalten oder aussperren drückt eben weniger aus, als ich an dieser Stelle sagen möchte.

LG Tiltik

 

Der Grund hierfür liegt jedoch nicht in der Authentizität, sondern im Informationsgehalt.
Was ist das für eine Aussage? Klingt eine Geschichte nicht authentisch, kannst du deren Informationsgehalt in der Pfeife rauchen.

Ehrenmord ist nun kein Phänomen, dass irgendeine (Sprach-) Kultur für sich allein gepachtet hätte.
Auch in Deutschland war das vor längerer Zeit leider ebenfalls noch üblicher. Nicht in dieser Form, aber z.B.: sind Duelle auch eine Form des Ehrenmords.
Nur eine Ausrede! Durch das Ansiedeln der Geschichte im Hier und Heute ist jedem Leser klar, wer gemeint ist – was vor 100 und mehr Jahren in Deutschland üblich war, spielt keine Rolle mehr.

Durch Imigranten ist dies leider immer wieder einmal auch Thema in unserer Gesellschaft. Ich bediene mich daher der Sprache eines Imigranten.
Gleichzeitig klage ich aber auf diese Weise keine spezielle Kultur an und auch nicht alle Mitglieder dieser oder jener Kultur, sondern nur die Verfechter einer solchen Tat und bediene mich dabei dem in Deutschland gängigen Klischee, um es verständlicher zu machen.
So ein Schmarrn! Natürlich klagst du hier eine spezielle Kultur an, nämlich die, die Ehre der Familie über das Wohl des Einzelnen stellt. Dagegen ist auch nichts zu sagen, ich finde es nur erbärmlich, wie du das zu negieren versuchst.

Zudem wird in den Imigrantenvierteln und entsprechenden Millieus häufig ein eigenes Deutsch gesprochen und viele der dort lebenden Menschen sprechen weder die eine Sprache, noch die andere. Sie bedienen sich einem Mischmasch beider Sprachen.
Das ist richtig, aber in so einer Situation wird nicht Deutsch gesprochen, sondern in der Muttersprache des Täters und Opfers - es handelt sich schließlich um eine Familienangelegenheit.

Die Lösung muss deswegen heißen: Entweder Originalsprache mit deutschen Wörtern durchsetzt, oder mit nachgereichter (zumindest teilweisen) Übersetzung des Gesagten. Muss dir halt Hilfe holen – vielleicht gibt es hier im Forum jemand, der dir weiter hilft.

Die Geschichte an sich finde ich aber gut. Weil sie sich mit einem seltenen gesellschaftlichen Phänomen beschäftigt, und das in einer sehr kurzen und trotzdem eindringlichen Weise. Jeder Satz bringt Neues, das Notwendige und Wesentliche wird genannt. Es müssen nicht immer Umstände beschrieben und Motive durchleuchtet werden, es darf ruhig auch was vor den Leser hingeknallt werden.

 
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Gebe Dion völlig recht, ich denke, mit dieser Aussage muß man sich nicht verstecken, warum soll die Tat nicht verdammenswert sein, nur weil sie nicht von jemandem aus der westlichen Kultur verübt wird?

Ein Duell ist keinesfalls kein Ehrenmord, denn die Duellanten verabreden sich im Einverständnis - was man von den ermordeten Frauen ja wohl nicht sagen kann.
(Mord benötigt qua Definition: geplant,/heimtückisch, grausam, aus niederen Beweggründen. Letzteres wäre sexuelle Befriedigung, Eifersucht, Habgier oder halt auch ein verquaster Ehrbegriff. Ein Duell ist ... hm, sowas wie eine Auseinandersetzung mit beiderseits einkalkulierter Todesfolge. Hier fehlt ein benötigtes Merkmal für Mord mindestens, nämlich heimtückisch.)

Ohne eine Politdebatte anstellen zu wollen - dieser Eiertanz der deutschDeutschen darum, was in anderen Kulturen noch irgendwie als hinnehmenswerte Tradition angesehen wird, öffnet Radikalen nur Tür & Tor. Und sori, hier leider verdientermaßen. Ein Ehrenmord läßt sich nicht schönreden, ebensowenig wie Beschneidung an Frauen und Zwangsverhüllung, Säureangriffe bla.

Aber sehr zum Glück für die Geschichte ist dort Deine Haltung klar. Wie sie sein sollte. Dafür wird Dich schon niemand in der falschen Ecke vermuten.

P.S. Aber sie ist richtig gut geworden, jetzt auch mit den Absätzen. Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt, dickes Kompliment!

 

Hallo Dion und Katla.

Ersteinmal Danke für euer Kommentar. Besonders:

P.S. Aber sie ist richtig gut geworden, jetzt auch mit den Absätzen. Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt, dickes Kompliment!
Dies geschah aber auch nur durch die Beschäftigung mit Eurer Kritik. So gesehen bin ich da sehr dankbar und gebe das Kompliment an die vorherrschende Kritikkultur in diesem Forum weiter.

Daher möchte ich auch auf die politische Debatte ein wenig eingehen, die durch die Sprachwahl des Täters entstand. Sie gehört nicht zur stilistischen Kritik, aber zur inhaltlichen.

Ich hatte und habe keine Angst davor für meine Meinung in eine Schublade gesteckt zu werden. Da ich mir stets Mühe gebe meine Meinung verständlich aus zu drücken, ist jene Schublade auch meistens recht gut getroffen.

Daher ist der Schmarn auch keine Ausrede für mangelnde Übersetzungsarbeit.
Ich möchte nur eben klar das Prinzip: Moral vs Humanität im Vordergrund wissen und nicht auf einem Sprachkulturraum rumhacken (wobei der Ehrenmord exemplarisch angesehen werden darf). Sicher überschneidet sich die moralische Kultur mit der Sprachkultur weitesgehend (ich bediene mich ja auch der Sprachkultur von Imigranten), aber ich hätte wirklich Probleme damit eine konkrete Sprache aus zu wählen.

Des weiteren ist mein Text in Deutsch und sollte auch vom deutschsprachigen Leser verstanden werden. Fremdsprachen in einem so kurzen Text halte ich wie gesagt für nicht besonders förderlich (Würde ich den Inhalt weiter ausarbeiten, hätte ich mich dem Problem der Sprachauswahl sicherlich gestellt). Eine Übersetztung zieht es unnötig in die Länge, ohne sie fehlt die Information.
Ich widerspreche hiermit der Pauschalaussage:

Klingt eine Geschichte nicht authentisch, kannst du deren Informationsgehalt in der Pfeife rauchen.
Ich gehe mal davon aus, dass unter 1000 Lesern (sollte die Geschichte jemals so viele Leser finden, wäre ich glücklich) sich keine 10 davon die Mühe machen werden, fremdsprachigen Text nach zu schlagen. Eine interne Übersetzung durch inhaltlichen Kontext kann es in der Kürze schwerlich geben, womit man wieder bei einer ausdrücklichen Übersetzung wäre oder bei der Kürzung der Information, in diesem Falle dem Motiv des Täters, womit die Aussage des Textes nicht mehr klar ersichtlich ist.

Dass damit die Authentizität nicht für jeden erfüllt ist, ist mir bewusst.
Ich werde die angesprochene Möglichkeit eines krasseren Kauderwelches in Betracht ziehen. Also die Kernstichpunkte in deutsch und den Rest in einer Sprache, die mit dem Ehrenmord in Zusammenhang gebracht wird.
Aber meine inneres Bauchgefühl spricht sich im Einklang mit meiner Argumentation dagegen aus.

Ich hoffe meinen Standpunkt klar gemacht zu haben.
Denn es geht mir weder darum ein Blatt vor den Mund zu nehmen noch jemanden anzuklagen, der die Anklage nicht verdient hat.

LG Tiltik

P.S.: Das Beispiel mit dem Duell mag nicht glücklich gewählt sein, ist aber auch ein Punkt, über den sich Moral und Humanität streiten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallöle.

Schon krass, wie du es schaffst mit der kurzen Geschichte ein Kopfkino auszulösen. Erst dachte ich, na gut, ganz kurze Geschichte, irgendein Unfall, unerwartet passiert dem Protagonisten etwas Schlimmes und so weiter nach Schema F. Aber das Ende hat es echt rausgerissen. Schade das die Wirklichkeit solche Geschichte (vor-)schreibt. Gut das du es verstehst, die Geschichte ohne erzählerische Kommentare zu schreiben.

Der erste Satz brachte mich aber irgendwie ins stolpern, vielmehr der Genitiv "des Martin-Horns". Liest sich für mich komisch.
Und auch die zweimalige Benutzung von "[...]war gewesen[..]" hat mir nicht so gefallen.
Ach ja: der Satzanfang "Beinahe wir,..." hat mir total gut gefallen, weil er mit zwei Worten die ganze schreckliche Situation einer Liebe beschreibt, die nun doch nicht stattfinden kann.

Grüße

 

Buingiorno SignoreSalami,

schön, dass es für dich keine ganz kurze Geschichte nach Schema F geblieben ist und bei dir das geliebte Kopfkino eine Vorführung zum besten gab. :)

"des Martin-Horns" oder "vom Martin-Horn"? Ja, keine Ahnung mehr, warum ich mich für den Genetiv entschieden hatte. Ich halte ihn für korrekt an dieser Stelle und er isoliert den ersten Satz auch ein wenig, weswegen er den Leser glaube ich ganz gut auf eine angemessene Lesegeschwindigkeit einstimmt.
Soll ja nicht nur überflogen werden. Aber ich bin da gerade etwas ratlos, weswegen ich es wohl so lassen werde, in der Hoffnung, mir etwas ganz wichtiges dabei gedacht zu haben, was ich mittlerweile vergessen habe. :)

Mit den zwei "war gewesen"s hast du allerdings Recht. Das erste muss weg und wird auch gleich korrigiert. Beim zweiten ist es eigentlich auch so, wenn es die Absolutheit nicht unterstreichen würde. "Das war es gewesen!"
Ich versuche nochmal darüber nachzudenken. Vielleicht stört es auch nicht mehr so sehr, wenn es alleine zurückbleibt.

Danke für dein Kommentar.

LG Tiltik

 

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