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Wüstenkind

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19.01.2005
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Wüstenkind

Der Knall, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte, hallte noch nach und lies die Wände erzittern. Durch die scheibenlosen Fenster drang bereits die Mittagshitze, und die Luft schien fast ebenso viel Sand zu enthalten wie der Wüstenboden. Langsam stand sie auf. Der Hunger schmerzte in ihrem Bauch, und ihr Hals war trocken, als hätte sie Staub verschluckt. Sie fühlte, wie sich eine bekannte Leere in ihr ausbreitete. Es war ihr fünfter Geburtstag.


Auf dem schmutzigen Küchentisch lagen keine Geschenke, nicht einmal ein Stück Brot. Ihre Kehle brannte vor Durst, doch aus dem verrosteten Hahn kam schon lange kein Wasser mehr. Durch die fehlende Wand betrachtete sie die Überreste der Häuser, die mehr und mehr von Wüstenstaub bedeckt wurden. Seit vor fünf Tagen die Flugzeuge über ihr Dorf geflogen waren und mit viel Getöse alles eingestürzt war, hatte sie niemanden auf der Straße gesehen. Sicher versteckten sich die Leute irgendwo. Sie selbst hatte sich unter ihrem Bett verkrochen, bis der Lärm längst verhallt war und der Boden nicht mehr bebte. Doch als sie gesehen hatte, dass ihre Eltern friedlich in ihrem Bett lagen und schliefen, hatte sie keine Angst mehr gehabt. Wenn die Eltern sich nicht fürchteten, brauchte sie es auch nicht zu tun. Vielleicht waren die Leute ebenfalls eingeschlafen. Sie fragte sich, wann sie wohl aufstehen würden, um ihre Häuser zu reparieren und die Straßen aufzuräumen.


Sie betrat das kleine Schlafzimmer der Eltern, um zu sehen, ob sie von dem Lärm aufgewacht waren. Seit fünf Tagen waren sie nicht aufgestanden, aber heute war ihr Geburtstag; den konnten sie nicht vergessen haben. Doch die Eltern lagen noch immer reglos auf der Matratze. Die Trümmer der eingestürzten Decke lagen um sie herum und bedeckten sie zum Teil, aber es schien sie nicht zu stören. Sie schliefen so fest, dass sie die Bombe nicht gehört hatten. Das Mädchen beschloss, sie nicht zu wecken. Es roch faul im Schlafzimmer, also ging sie zurück in die Küche.


Am Küchentisch wartete sie. Es war ihr Geburtstag, gewiss würden die Eltern heute aufstehen. Die Mutter würde einen Kuchen backen, das hatte sie immer getan. Am Nachmittag würden ihre Freunde kommen und mit ihr spielen. Seit fünf Tagen waren sie nicht mehr da gewesen, aber heute würden sie kommen, ganz sicher. Es war schließlich ihr Geburtstag.

 

Hallo julia1984.

Nein. Kein Kind, auch kein so kleines, angenommen es ist psychisch noch recht gesund, wird fünf Tage lang artig darauf warten, dass seine Eltern aufwachen. Schon am Abend des ersten Tages würde es mindestens wie wahnsinnig umherrennen, nachdem es durch Rütteln und Schreien sich über die Leblosigkeit und einsetzender Leichenstarre vergewissert hat. Ein Mensch hat Überlebensinstinkte, welche bei einem Kind darin bestehen, darauf zu achten, dass die Eltern oder andere Bezugspersonen für es da sind. Ich meine, davon bin ich im Rahmen meiner Menschenkenntnis überzeugt.

Abgesehen von diesem zum Himmel schreienden kurzsichtigen, unempathischen, übertrieben rührseligen Irrealismus, der in deiner Geschichte alles ausfüllt, was hätte Inhalt werden können, bist du zumindest sprachlich und stilistisch sicher. Aber das genügt mir nicht, mir hat deine Geschichte nicht gefallen.


-- floritiv.

 

Hallo floritiv,

danke für's Lesen und für deine Kritik - ich bin schließlich hier, um zu lernen und mich zu verbessern. :-)

Schade, dass dir mein Text so gar nicht gefallen hat. Ich überlege die ganze Zeit, ob das Verhalten des Kindes, wie ich es mir vorgestellt habe, tatsächlich so unrealistisch ist wie du sagst, oder ob es nicht auch möglich wäre:

...Kein Kind, auch kein so kleines, angenommen es ist psychisch noch recht gesund...

Das ist m.E. der Punkt - ist ein Kind, das in so jungen Jahren den Krieg hautnah miterlebt, noch psychisch gesund? Ich hatte mir vorgestellt, dass das Kind unter Schock steht und traumatisiert ist - in so einer extremen Situation reagieren nicht alle Kinder durch lautes Schreien und Weinen, einige werden in sich gekehrt und passiv, um sich vor dem schrecklichen Geschehen um sie herum zu schützen. Das weiß ich (leider) aus Erfahrung. Ob dieses Verhalten auch für ein Kind in der im Text beschriebenen Situation möglich ist, ist natürlich eine andere Frage, die ich nicht abschließend beurteilen kann...

Liebe Grüße,
Julia

 

Hallo!

Mir hat die Geschichte gefallen. Ich finde es auch nicht so abwegig, dass ein Kind so reagiert. Es ist in diesem Zustand dann eben nicht mehr psychisch gesund. Es wurde traumatisiert. Ich kenne, leider, auch Menschen, die ähnlich schlimme Dinge erlebt haben.

Mich stört nur, dass der "Hunger im Bauch brennt", und dann brennt die Kehle. Da brennt zuviel, vielleicht lässt sich das hübscher ausdrücken.

Und die Kategorie mag mir nicht gefallen. Mich hat es gegruselt, und daher würde ich so etwas eher in "Horror" erwarten.

Liebe Grüße,

yours truly

 

Hallo Julia.

Also - ich finde die Geschichte abwegig. Und gefallen hat sie mir trotzdem.
Ich würde das nächste Mal mehr auf die "Glaubwürdigkeit" achten. Wenn du dir vorstellst, dass das Kind traumatisiert ist, müsste das im Text irgendwie zum Ausdruck gebracht werden, damit deine Leser es dir abkaufen.

Ansonsten sind mir mehrere Wortwiederholungen aufgefallen, die sich nicht gut lesen. Das brennen hat yours truly schon genannt. Ich hatte noch (Wüsten)Staub, trocken, aufstehen (in unterschiedlichen Formen), Lärm. Bei einem so kurzen Text ist meiner Meinung nach die zweimalige Verwendung bereits grenzwertig.

Nicht gut der Satz:

Es hatte nah geklungen, aber ihr Dorf war nur von Wüste umgeben; sicher war es einige Kilometer weit entfernt gewesen, im nächsten Ort.
Zunächst hab ich gedacht: Warum ist nah klingen und Dorf von Wüste umgeben überhaupt ein Widerspruch? Dann: Okay, weil Wüste kein geeignetes Ziel für die Bomber ist. (In meinem Heimatkaff sind die meisten Bombenkrater übrigens im Wald daneben, die Zielgenauigkeit ist also so eine Sache. Auch bei den heutigen "Präzisionsbombern", oder wie sich das nennt.) Und letztendlich kam bei mir "Empörung" auf: Nee, eine Fünfjährige wird sich kaum solche Gedanken machen (Also Wüste = kein Ziel).

Irgendwie rührend finde ich die Idee der Geschichte trotz der Sachen, die mich gestört haben.

PS: Für die Horror-Rubrik ist der Text meiner Meinung nach nichts.

 

Hallo ihr beiden,

vielen Dank für eure Kommentare!


@ yours truly:

Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Jetzt, wo du es sagst, fallen mir noch mehr Wortwiederholungen auf (trocken, Trümmer, eingestürzt, ...). Da werde ich mich nochmal dransetzen, und es wird wohl nicht das einzige sein, was ich an dem Text überarbeiten werde. ;-)

Was die Kategorie angeht, finde ich „Gesellschaft“ doch passender. Als Horror hatte ich es auf keinen Fall gedacht, eher als Gesellschaftskritik (auch, wenn sie wohl nicht ganz geglückt ist).


@ Möchtegern:

Ja, mit der Glaubwürdigkeit hast du wohl recht. Wenn ich es schon aus der Sicht eines Kindes schildere, sollte ich das auch konsequent tun, und bei einem Kind würde das Nichtverstehen noch viel weiter gehen. Ich werde das nochmal versuchen, vielleicht kriege ich es ja besser hin ;-) – schwer wird besonders, die Traumatisierung anzudeuten und das ganze aus Kindersicht so zu schreiben, dass der Leser trotzdem versteht, was passiert. Die Wortwiederholungen werde ich dann natürlich auch beseitigen.

Danke für eure Hilfe! Alleine wäre ich wohl nicht darauf gekommen, wo bei dem Text die Knackpunkte (was Mängel angeht) sind. Für die eigenen Texte ist man ja mitunter „blind“. ;-)

Liebe Grüße!
Julia

 

Hallo julia1984,
mir hat deine kleine Geschichte gefallen. Dass das mit den fünf Tagen nicht so realistisch ist, stimmt zwar, hab ich aber einfach mal übergangen, weil mir die Geschichte als stimmungsvolles Fragment gefällt.
Das wars eigentlich auch schon. ;)
LG,
Maeuser

 

So, nun habe ich den Text ein wenig überarbeitet. Freue mich über jeden Kommentar und jede Kritik!

@Maeuser:
Danke für's Lesen und kommentieren! Es freut mich natürlich, dass dir der Text gefallen hat. :-)

 

Hallo,

und lies die Wände erzittern

- ließ

Ansonsten hat mit die Geschichte vorher besser gefallen. Ich kann jetzt natürlich nicht mehr vergleichen, aber ich hatte sie mit mehr Substanz im Gedächtnis.

Schöne Grüße,

yours

 

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