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Waldmond

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24.06.2002
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Waldmond

Im einem großen Wald lebte einst ein junger Mann in einem kleinen Dorf. Ihn unterschied nicht viel von den anderen Leuten: er ging fischen und jagen und trug wie alle anderen zum Überleben der Menschen bei. Doch in einer bestimmten Nacht eines jeden Monats, in der Nacht, in der der Mond in seiner vollen Gestalt zu sehen ist, wenn die meisten anderen friedlich in ihren Hütten schliefen, machte er sich auf und schlich sich auf verschlungenen Pfaden zu einer versteckten Lichtung. Dort saß er dann oft stundenlang, bis ein wunderschönes Wesen auftauchte um zu singen und zu tanzen - eine Nymphe, schöner, als Menschen es sich vorstellen können. Dort saß er dann, bis die Sonne wieder aufging, und die Nymphe ihres Tanzes müde geworden war und dorthin verschwand, wo sie herkam. Dann erst schlich auch er sich wieder zurück, legte sich kurz auf sein Lager, und stand kurze Zeit später wieder auf und verrichtete sein Tagwerk.
Er erinnerte sich noch ganz genau an den einen Tag, den Tag, den er nie vergessen würde, als er die Nymphe zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte zusammen mit seinen Freunden im Wald gespielt. Dabei waren sie immer weiter in die Tiefen des Waldes vorgedrungen, bis er schließlich seine Freunde aus den Augen verloren hatte. Lange war er schon umhergeirrt, als er - es war schon dunkel geworden - an eine Lichtung kam und sie das allererste Mal erblickte. Seine wunderschöne Nymphe, die nicht von dieser Welt zu sein schien und ihn mit ihren Bewegungen und ihrer Stimme verzauberte. Sie sang in einer fremden Sprache, doch war ihm sofort klar, so als würde er jedes Wort klar und deutlich verstehen, das sie dem grossen, hell leuchtenden Mond ein Liebeslied sang.
Als sie ihn jedoch nach kurzer Teit bemerkte, schrak sie zusammen und war innerhalb eines Herzschlags verschwunden. Doch schon dieser kurze Moment hatte ausgereicht, ihm den Atem zu rauben und völlig aus der Fassung zu bringen. Er hatte zwar schon von diesen Wesen gehört. Seine Großmutter hatte ihm abends, wenn sie vor seinem Lager saß und er nicht schlafen wollte, oft Geschichten erzählt von den Nymphenwesen, die tief im Wald lebten, wo noch nie ein Mensch seinen Fuß hingesetzt hatte. Sie sollten eins sein mit dem Wald und der Natur und würden nur leben, solange auch der Wald lebte. Er hatte diesen Geschichten nie glauben geschenkt und sie immer für Erfindungen der alten Menschen gehalten, zumal niemand, den er kannte, schon einmal so eine Nymphe gesehen hatte. Zwar wurde sich erzählt, dass es in früheren Zeiten oft Begegnungen zwischen Menschen und den Nymphen gegeben habe, doch hätten die Nymphen sich schon seit mehreren Generationen tief in die Wälder zurückgezogen und mieden die Menschen, da es sie es nicht etragen hätten mitanzusehen, wie immer mehr Bäume von den Menschen gefällt worden wären, um den fruchtbaren Waldboden für den Ackerbau nutzbar zu machen. Und jetzt hatte er tatsächlich eine der Nymphen gesehen - und dass es eine Nymphe gewesen sein musste, stand für ihn außer Frage, hatte ihm seine Großmutter doch von der überirdischen Schönheit der Wesen berichtet. Völlig verwirrt stolperte er von der Lichtung weg und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
Noch Stunden später, als er endlich erschöpft zu Hause angekommen war, hatte er ihr Gesicht vor Augen, ihre sanften Gesichtszüge, ihre anmutigen Bewegungen und ihre süsse Stimme. Am nächsten Morgen wachte er auf, und dachte darüber nach, ob er das Gesehene vielleicht nicht doch nur geträumt hatte und ihm seine übermüdeten Sinne lediglich einen Streich gespielt hatten. Doch dann erinnerte er sich an ihre sphärische Schönheit und wusste, dass es echt gewesen musste, da er nicht in der Lage gewesen wäre, sich etwas derartiges nur vorzustellen. Seinen Eltern und Freunden erzählte er nichts von dieser Begegnung, er wusste selbst nicht genau, wieso. Vielleicht nahm er an, sie würden ihm nicht glauben und ihn als einen Träumer und Spinner belächeln, vielleicht wollte er aber auch dieses Erlebnis nicht mit jemand anderem teilen, sondern es ganz für sich allein in seinem Herzen bewahren.
Er wusste, dass er unbedingt wieder zu der Lichtung musste, um die Nymphe noch einmal zu sehen, ihm war klar, dass er es nicht ertragen könnte, wenn er sie nicht wiedersähe. Und aus einem unbestimmten Grund wusste er, dass er sie nur sehen würde, wenn er sich bei Vollmond auf die Lichtung begeben würde, er ahnte, dass dies der Grundd für die Nymphe gewesen sein musste, auf die Lichtung zu kommen und zu tanzen. So machte er sich einen Monat später heimlich auf den Weg, um zur Lichtung zu gehen. Er wartete bis zum Morgengrauen, immer hoffend, dass sie doch noch erschiene, aber er wurde enttäuscht. Müde machte er sich auf den Heimweg, wohl wissend, dass er es beim nächsten Vollmond erneut versuchen würde. Doch auch beim nächsten Mal, dem darauf folgenden und noch vielen weiteren Malen ließ die Nymphe sich nicht blicken. Er war schon fast so weit, aufzugeben, das einmal Erlebte als Unwiederbringlich zu akzeptieren, als er eines Nachts merkte, dass irgendetwas anders war als sonst. Es überkam ihn das Gefühl, das man hat, wenn man weiss, dass man von jemandem beobachtet wird, jedoch nicht weiss, von wem. Sofort schöpfte er neue Hoffnung, dass sie es vielleicht sei, die in der Nähe wäre, es aber noch nicht wage, sich ihm zu zeigen. Diese Hoffnung reichte ihm aus, um Monat für Monat wiederzukommen, wobei ihn das Gefühl des Beobachtetwerdens nicht mehr losließ.
Und endlich, nach vielen weiteren Monden, als er schon beinahe zum Manne gereift war, kam sie auf die Lichtung, zeigte sich ihm und begann zu tanzen. Zuerst ganz scheu, zögernd und vorsichtig, doch dann, als sie verstand, dass er ihr nichts tun würde und ihr lediglich zuschauen wollte, genau so bezaubernd und faszinierend wie bei ihrer ersten Begegnung. Der Mann weinte hemmungslos, so sehr bewegte sie ihn. Seine ewige Hoffnung hatte sich erfüllt, und ein nie zuvor gekanntes Glücksgefühl durchströmte ihn.
Sein Dorf, das ihn sonst nur als stillen, in sich gekehrten Menschen kannte, wunderte sich am nächsten Morgen, wieso er auf einmal so fröhlich und offenherzig war. Er spazierte umher, lächelte, machte Scherze und schäkerte sogar ein wenig mit den Frauen, etwas, was vorher noch nie vorgekommen war. Einige dachten bei sich, dass der Mann nun wohl doch endlich normal werde und sich eine Frau suchen würde, die für ihn sorgen würde. Doch in dieser Hinsicht irrten die Dorfbewohner. Der Mann dachte nicht nur im entferntesten daran, eine Frau aus dem Dorf zu heiraten, da keine von ihnen es an Schönheit und Anmut mit der Nymphe aufnehmen konnte. So mancher Vater im Dorf hätte sich gefreut, wenn er ihm seine Tochter zur Frau hätte geben können. Wenn er auch als ein wenig selsam und eigenbrötlerisch galt, so war er doch ein ausgezeichneter Jäger und Fischer, und das wog in den Augen der meisten Dorfbewohner die eigenwillige Art des Mannes mehr als auf. Trotzdem tuschelten sie über ihn, da sie nicht verstanden, dass er an keiner Frau Interesse fand, wie sollten sie es auch verstehen. Schließlich wusste keiner von den einsamen und einseitigen Liebesbanden, die ihn mit der Nymphe verknüpften.
Ein einziges Mal, als er Tags zuvor so viele Fische wie noch niemals zuvor aus dem Fluss gefischt hatte und den ganzen Tag in einer eigentümlichen Hochstimmung gewesen war, begnügte er sich nicht allein damit, sie nur zu betrachten und ging auf sie zu, um sie anzusprechen. Doch schon als er sich ihr näherte, merkte er, dass sie unruhig wurde und sich eine gewisse Vorsicht und Angespanntheit in ihren Bewegungen bemerkbar machte. Da verließ ihn der Mut, und er kehrte zurück an den Rand der Lichtung. Zu groß war seine Angst, dass er sie verlieren könne und sie vielleicht nie wiedersehen würde.
Es vergingen weitere Jahre, der Mann wurde alt, konnte
nicht mehr so gut jagen wie einst und merkte, dass seine Kräfte weniger wurden. Und schließlich, eines Abends, als er sich gerade unter Mühen auf den Weg machen wollte, sie zu sehen, da verließ ihn vollends die Kraft, er sank aufs Moos und starb.
Die Nymphe aber kam wie jeden Vollmond zur Lichtung und begann zu tanzen und ihre Lieder zu singen.
Einen kurzen Moment wunderte sie sich, wo der Mann geblieben sei, der ihr so oft zugeschaut hatte, doch dann besann sie sich, wieso sie zu diesem Ort gekommen war und begann ihren ewigen, verwirrenden Tanz für Wald und Mond.

[ 27.06.2002, 20:18: Beitrag editiert von: Mr. Twista ]

 

Hi, Mr. Twista, ein herzliches Willkommen auf KG.de!
Du hast eine schöne Atmosphäre geschaffen, auf der sich eine gute und spannende Geschichte aufbauen ließ. Allein schon beim Anfang dachte ich, es würde sich um eine längere Geschichte handlen, bis ich den (recht langen) Scrollbalken rechts gesehen habe.
Ein Volk, das ich als ein von Mythen gelenktes betrachtete; ein einzelner Mann, der sich entgegen der Erwartung der Gesellschaft verhält...aber die Geschichte ist einfach recht kurz. Sicher, man kann daraus ein moralischen Ton entnehmen, nicht sein Leben auf das eine, wahrscheinlich nicht ereichbare Ziel auszulenken. Aber es fehlt eine weitere, innere Bindung zw. ihm und der Nymphe, ein tieferer Grund, warum es so gekommen ist. Ihre Herkunft, ihre Beweggründe hätten herausgearbeitet werden können, ausser ihrer Schönheit (die ich mir vorstellen kann) mehr Gründe, warum er sich so verhält. Vielleicht auch gesellschaftliche ... regularien ... die sich ihm entgegenstellen, all sowas hätte der Geschichte viel mehr Substanz gegeben. So wirkt sie leider nur wie ein kurzer Einfall, ein schnelles Gefühl, dem Du Dich higegeben hast. Wobei ich nicht sagen will, dass Deine Art, zu beschreiben, schlecht ist. Allein der letze Satz sagt schon, das Du mit Worten umgehen magst.
Ich würde sagen, mach doch mehr daraus.

Gruß, baddax

[ 25.06.2002, 17:44: Beitrag editiert von: baddax ]

 

Hi baddax, du hast recht, die geschichte war wirklich nur ein kurzer einfall, den ich recht spontan verarbeitet habe, vielen Dank für Deine konstruktive Kritik!

 

Hallo Mr. Twista,

nette Idee, aber deine Geschichte wirft bei mir einige Fragen auf, über die ich beim Lesen gestolpert bin.

Seit dieser Nacht kam er jedesmal bei Vollmond auf die Lichtung
Woher weiß der junge Mann, dass die Nymphe ausgerechnet immer bei Vollmond auftaucht? Nur weil er sie einmal gesehen hat und da zufällig Vollmond war?
Vielleicht könnte die Nymphe in ihrem Lied über den Mond singen, so dass dein Protagonist eine Verbindung zwischen ihrem Erscheinen und dem Vollmond herstellen kann. Nur ein Vorschlag.

Doch dann eines Nachts, er war schon beinahe zum Manne gereift, sah er sie erneut. Zuerst ganz scheu, zögernd, als sie ihn bemerkte, doch schließlich genau so bezaubernd und faszinierend tanzend und singend wie bei ihrer ersten Begegnung
Die Nymphe ist bei der ersten Begegnung mit ihm so verschreckt, dass sie jahrelang wartet, bis sie wieder auftaucht. Dafür taut sie dann aber überraschend schnell auf, finde ich.
Einen kurzen Moment wunderte sie sich, wo der Mann geblieben sei, der ihr so oft zugeschaut hatte, doch dann besann sie sich, wieso sie zu diesem Ort gekommen war und begann ihren ewigen, verwirrenden Tanz für Wald und Mond.
Warum hat sie ihn in all der Zeit nicht einmal angesprochen (oder er sie)? Das kommt mir ein bisschen komisch vor. Selbst wenn er ahnt, dass sie dann verschwindet – wäre es nicht glaubwürdiger, wenn er versuchte, sich darüber Gewissheit zu verschaffen und sich nicht damit zufrieden gibt, sie jahrelang aus der Ferne zu bewundern?

Wenn du deinen Text im Hinblick auf solche Logikfragen überarbeitetest, könnte eine nette Geschichte daraus werden. :)

Viele Grüße

Cat

P.S.: Schöner Titel!

 

hab die Geschichte ein bißchen überarbeitet, mich würde eure Meinung interessieren!

 

Deine Geschichte wirkt jetzt viel plausibler. Freut mich, dass du meinen Vorschlag mit eingebaut hast. „Liebeslied für den Mond“ finde ich schön. Auch, dass er einmal versucht, sie anzusprechen, kann man gut nachvollziehen.
Eine Kleinigkeit habe ich trotzdem noch zu meckern ;) : In deinen Überarbeitungen hast du sehr viele Tippfehlerchen drin, vielleicht schaust du da noch mal drüber...

Cat

 

Hi!

Wow, die Geschichte ist echt gut! Ungewöhnlich, wie ich finde! Schafft eine wirklich schöne Atmosphäre! Und ich finde es auch sehr gut, daß der Mann und die Nymphe nie miteinander reden, sich also nie näher kommen... Das hat was! Ich dachte nämlich, Du schwenkst um und baust eine Freundschaft mitein - das hätte die Geschichte gewöhnlich gemacht.
Aber so, wie sie jetzt ist, hat sie mir sehr gefallen. Ich werd' noch eine Weile an sie denken müssen, wenn ich Stories hier in "Fantasy" lese!

Gruß,
stephy

 

Hi, habe sie mir auch nochmal durchgelesen...ist jetzt ja schon etwas her.
Die Idee, dass die Nymphen mit dem Wald leben und sterben, sich vor den Menschen zurückziehen, die in ihrer praktischen Art diesen Lebensraum angreifen, gefällt mir auf jeden Fall und gibt der Geschichte eine Basis. Der ergebnislose Versuch, mit ihr zu reden, lässt sein Handeln menschlich erscheinen und bewahrt trotzdem die Unantastbarkeit der Wesen.
Ich finde, Du hast gute Veränderungen getroffen.
Gruß, baddax

 

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