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Warmer Sommerregen
Marie und Thomas trafen sich zum Picknick.
Marie war ganz aufgeregt. Es war zwar ihr drittes, aber eigentlich erst das erste richtige Treffen. Das Erste bestand darin, dass Thomas sie zum Kaffee eingeladen hatte. Marie war völlig verblüfft gewesen, denn sie stand an der Haltestelle und wartete auf den Bus, als Thomas sie plötzlich von der Seite ansprach. Das Zweite war ein begonnenes Essen, aber Marie musste dann los ins Büro. Der Chef hat angerufen, das Geschäft drohte zu platzen.
Prüfend schaute sie an sich herunter. Ja, das Kleid hatte keine Falten. Sie hatte es frisch aus dem Schrank genommen. Gelb-geblümt. Es gefiel ihm. Wie ein Gentleman hatte er sie bei sich einhaken lassen. In Gedanken ging sie noch einmal durch, ob sie auch nichts vergessen hatte. Becher, Teller, Besteck, Salat, Brot, Belag, Bouletten und den Wein. Ja den Wein hatte sie nicht vergessen dürfen. Der wird sie auflockern. Und sie brauchte eine Beruhigung. Ihre Nerven lagen blank.
,,Hier ist ein schöner Ort. Wollen wir die Decke nicht hier hinlegen?”, fragte Thomas mit seiner angenehmen, tiefen Stimme.
,,Ja, ja natürlich”, sagte sie fast erschrocken, denn er riss sie aus ihren Gedanken. Sie schaute sich um. Es war wirklich ein schönes Fleckchen. Die Wiese war ein Meer von saftigem Grün, durchsetzt mit den goldenen Köpfen des Löwenzahns.
Thomas lächelte vor sich hin, konnte nicht die Augen von ihr lassen. Sie sah so schön aus, wie sie da stand. Der laue Wind fuhr durch ihr Kleid. Ihr Haupt glitzerte golden, denn die kleinen Härchen waren in ständiger Bewegung. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte ihn auffordernd an. Es brauchte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass er die Decke immer noch in seiner Hand hielt. Verlegen fing er an sie auszubreiten, jedoch ohne Marie aus den Augen zu lassen. Sie half ihm und er genoss den Anblick ihrer hüpfenden Locken, wenn sie sich bewegte. Schließlich ließen sie sich auf der Decke nieder. Etwas verlegen saßen sie da, taten so, als wollten sie die Natur betrachten und warfen sich heimlich Blicke zu.
Wie gerne würde Marie mit ihren Fingern über seine Muskeln fahren. Deutlich zeichneten sie sich unter seinem T-Shirt ab. Er war Bauarbeiter und seine Haut war gebräunt von der täglichen Arbeit in der Sonne.
Thomas betrachtete ihre Hand, auf die sie sich steif sitzend abstützte. Sie hatte feingliedrige Finger und eine reine, helle Haut. Wie gerne würde er sie berühren und ihre Weichheit spüren. So gerne sie küssen. Wie sollte er es nur machen?
Marie spürte seinen Blick, ihre Hand prickelte, sie konnte sie nicht mehr ruhig halten. Sie griff zu dem Picknickkorb und öffnete ihn. Den Blick starr auf den Inhalt des Korbes gerichtet fing sie an alles auszupacken. Sie holte gerade die Teller raus, die am Deckel befestigt waren, als sie zum Sprechen ansetzte: ,,Ich” ,es war nur ein Flüstern. Sie musste sich räuspern, dann versuchte sie es noch einmal: ,,Ich habe Bouletten und Kartoffelsalat. Das isst du doch, oder Thomas? Ich hab´s auch nicht zu scharf gemacht, nicht das uns der Dampf aus den Ohren pfeift”, sie lachte unbeholfen und errötete. Der Witz war das Blödeste was sie hätte von sich geben können. Da fing er plötzlich herzlich an zu lachen, dass ihm die Tränen kamen. Erst wusste Marie nicht was sie davon halten sollte, ob er sie auslachte. Doch sein Lachen war so anstecken, dass sie nicht mehr an sich halten konnte. Es war so erleichternd. Die dickste Eisschicht war erst einmal gebrochen, dachte Marie.
Sie lachten noch eine Weile gemeinsam, bis sie keine Luft mehr bekamen. Dann lächelten sie sich an. Seine hellblauen Augen blitzten förmlich.
Marie hatte ein bezauberndes Lächeln und ihre dunkelbraunen Augen leuchtete aus unendlichen Tiefen.
,,Ich nehme von dem Kartoffelsalat”, ging Thomas auf ihr vorhin Gesagtes ein.
Marie nahm sich Margarine und Brot: ,,Möchtest du auch eins?”
,,Ja, gerne”, antwortete Thomas. Wie die Königin der Meere saß sie da. Stolz. Ihre Bewegungen waren fließend. Die Strahlen der Sonne erleuchteten ihre goldenen Locken, dass sie aussah wie ein Engel.
,,Es schmeckt hervorragend”, meinte er ehrlich, ,,Ich nehme mir noch etwas, ja?”
,,Nein, warte! Ich mach das”, wand Marie ein.
Sie war schneller. Seine Hand legte sich auf ihre. Es war wie ein Zauber. Der Funke sprang über. Sie sahen sich in die Augen. Jeder versuchte den anderen zu ergründen. Beide wollten das Gleiche, doch keiner war sich des anderen Gefühle genug sicher um zu handeln.
Da verdunkelte sich der Himmel. Ein Schatten fiel über alles. Ein erster Tropfen landete auf ihrer Schulter. Fasziniert betrachtete Thomas wie das Wasser ihr Schulter hinab rann. Da zog sie die Hand weg und schaute nach oben: ,,Oh nein. Nicht das jetzt. Es tut mir leid”, Marie war völlig verstört. Der Regen wurde stärker. Hastig fing sie an wieder alles in den Korb zu packen. Sie hatte es gefühlt. Sie war sich fast sicher gewesen.
Warum musste es so kommen? Hätte es nicht angefangen zu regnen, hätte er den Blick nicht abgewendet. Der Kontakt war buchstäblich unterbrochen worden. Schlagartig hatte sie das Gefühl der Geborgenheit verloren.
Verliebt sah Thomas zu, wie sich das Wasser auf ihrer Haut perlte. Wie sie die nassen Haarsträhnen energisch hinters Ohr schob. Aber er sah auch, dass ihm die Zeit aus den Händen rann. Da wusste er was zu tun war. Er griff ihre beiden Hände, die augenblicklich erstarrten. Langsam führte er seine linke Hand zu ihrem Gesicht und legte sie auf ihre Wange. Kurz zuckte Marie unter seiner Berührung zusammen. Dann neigte sie den Kopf und legte ihn in seine Hand. Rau fuhren seine Hände über ihre Haut. Ein wohliger Schauer überkam sie. Wo er sie berührte bekam sie eine Gänsehaut. Das Gefühl der Geborgenheit kehrte wieder zurück. Glücklich seufzte sie. Er küsste ihren Nacken. Ganz sanft. Und da floss auch noch die letzte Steifheit aus ihrem Körper. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn voller Hingebung auf den Mund.
So sollte es sein, dass sich Zwei fanden und sich eines des Schönsten hingaben, was man aus Liebe machen kann.
Im warmen Sommerregen.