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Was verdienst du, Papa?
„Hey Papa, guck mal da! Da steht, dass jemand 5 Millionen Euro im Jahr verdient. Das ist viel oder? So viel würde ich auch gerne haben.“
Papa lachte.
„Ja, das würde ich auch gerne. Man könnte sich auf jeden Fall sehr viele schöne Sachen kaufen. Viele wollen gerne so reich sein, aber es sind nur wenige.“
„Wie wird man denn so reich?“
„Hmm...“
Eine pädagogisch wertvolle Antwort musste her.
„Man studiert BWL und hat eine Menge Glück.“
Ach verdammt. Super, das gibt deinem Sohn jetzt Ansporn, im Leben etwas erreichen zu wollen.
„Nein, also eigentlich sind das sehr zielstrebige Menschen. Menschen mit genialen Ideen. Solche, die wissen, wann ihre Chance kommt und diese dann auch nutzen. Sie sehen das große Ganze und wissen, dass es nicht so viel ausmacht, wenn sie auf ihrem Weg nach oben ein bisschen tricksen müssen, um besser als ihre Konkurrenten zu sein. Denn darauf kommt es eigentlich an: Du musst dich anstrengen um besser als die anderen zu sein. Deswegen ist es auch so wichtig, dass du deine Hausaufgaben machst und in der Schule aufpasst.“
Puh, Erziehung ist schwer, aber das hatte ja doch einigermaßen geklappt, oder?
Ein zwar schüchterner aber zweifelnder Blick von seiner Frau war das Ergebnis.
Warum hatte er diese Hippie-Tante eigentlich geheiratet? Sein Blick wanderte etwas weiter runter an seiner Frau. Ach ja, das war es. Sie war Vegetarierin und würde so wohl noch länger so schön knackig bleiben. Diese Beine, die Brüste und der wahnsinnig geile...
„Warum können denn nicht alle so reich sein, Papa? Dann müsste auch keiner besser sein, als der andere.“
Was ist denn jetzt los? Will mein Sohn die DDR nachspielen? Ok, erstmal überlegen und dann was sagen.
Ein kurzer Blick auf seine Frau, die an der Spüle stand und Geschirr wusch. Wieder wanderte der Blick.
„Papa?“.
Mist. Konzentrieren!
„Also pass auf. Das Prinzip funktioniert so, dass derjenige, der sich sehr stark anstrengt, auch viel bekommt. Würden alle ohne Anstrengung viel bekommen, dann würde sich keiner mehr anstrengen. Die Waren, die man kaufen kann, wären qualitativ schlechter. Also sie wären z.B. nich so stabil und so weiter.“
Hatte sein Sohn das verstanden? Wie sollte man sonst erklären, dass der Kommunismus, mal abgesehen von der Kacke, wie Stasi und sowieso der Kontrolle sämtlicher Lebensbereiche durch den Staat in der ganzen Sowjetunion, rein wirtschaftlich nicht funktioniert?
„Wie viel verdienst du, Papa?“
Er zögerte.
„72000 Euro im Jahr“.
„Das ist ja ganz schön viel weniger, als der da in der Zeitung. Dann warst du ja immer schlechter als die anderen, Papa.“
„Nein. Das kann man so nicht sagen“, versuchte er zu erklären.
Seine Frau gab ein Geräusch von sich, das wie ein unterdrücktes Lachen klang. Vorsichtshalber wünschte er ihr Gesundheit.
„Danke“, kam zurück.
Sie wandte sich an ihren Sohn: „Dein Vater war einfach nicht so skrupellos wie der aus der Zeitung.“
Na, das wird ihn ja jetzt wohl total verwirren. Also am besten lachen und das, was seine Frau gesagt hatte, als Witz aussehen lassen. Sie soll ja auch eigentlich nur abwaschen und dabei gut aussehen.
Innerlich musste er grinsen.
Man gut keiner kann meine Gedanken lesen.
Sein Sohn schien jedoch noch auf eine ernste Antwort zu warten.
„Du hast schon recht. Der in der Zeitung war besser als ich. Aber nicht so deutlich wie das den Zahlen nach aussehen mag. Im Grunde genommen dürfte er nicht ganz so viel verdienen. Aber das nehmen alle vernünftigen Menschen gerne in Kauf, denn wir haben der Sozialen Marktw..., also dem Prinzip, das ich dir erklärt hab, viel zu verdanken.“
Er sah, dass der Blick von seinem Sohn auf einem Artikel mit der Überschrift ‚Immer mehr Menschen leben in Armut’ ruhte.
Oh man. Das wird kompliziert. Das kann ich nun wirklich nicht erklären.
„Warum macht man das dann nich so, dass alle höchstens 100.000 € verdienen können.“
Vom Regen in die Traufe.
„Das ist zu wenig.“
„Dann 500.000 €. Dann wären das doch viel mehr, die sich freuen könnten, oder?“
„Das is doch mal eine gute Idee!“, gab seine Frau von sich.
Man, was ist mein Sohn neugierig und meine Frau dumm.
„Jetzt halt du doch mal die Schnauze. Also sei doch mal ruhig bitte. Du bist in der Hinsicht schließlich nicht so gebildet wie ich.“
Das tat ihm jetzt leid.
Warum bin ich denn gleich so aufgebracht? Egal. Mein Sohn solle was lernen.
„Das ist nicht so einfach. Wenn wir das in Deutschland so machen würden, dann würden die ganzen Guten zum Beispiel nach Frankreich gehen.“
„Dann müssen die das auch mitmachen!“, beharrte sein Sohn.
„Dann gehen die Guten nach England oder in die USA oder nach China.
„Die müssen auch alle mitmachen!“
„Und das würde dann durch die Vereinten Nationen kontrolliert werden oder wie?“
Er musste lachen. Sogar seine Frau, die zuvor ihre Verärgerung über seinen kleinen Ausbruch doch sehr deutlich durch ihre Mimik ausgedrückt hatte, konnte einen Lacher nicht unterdrücken. Diese Idee war auch ihr sehr absurd vorgekommen.
Ihrem Sohn anscheinend nicht.
„Warum geht’n das nich?“
Papa hatte keine Lust mehr.
„Oh, es ist schon spät! Du musst zur Schule!“
Schit.
So schlecht hatte er selten gelogen. Das hatte selbst sein Sohn durchschaut.
„Aber Papa...!“
„Komm jetzt, zieh dir schon mal die Schuhe an.“
Jetzt den Kleinen - viel zu früh - in die Schule fahren und dann Versöhnungssex mit meiner Frau.