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Weihnachtsbreit
„Komm schon, du schaffst es!“ brüllte Sascha, von der anderen Seite, des kleinen Baches, der ihn und Jens voneinander trennte. Es war Winter, aber nicht so kalt, wie man es um diese Jahreszeit erwartet hätte, darum war das Wasser auch nicht gefroren. Der ca. anderthalb Meter weite Sprung barg dadurch natürlich ein gewisses Risiko, für die nagelneuen Klamotten von Jens. Der atmete noch einmal tief durch, nahm Anlauf und sprang. Geschafft! Nur das linke Hosenbein von ihm wurde etwas nass, aber das reichte ihm auch schon: „Kacke, die ganze Hose ist versaut!“ Sascha schüttelte ungläubig den Kopf: „Du bist so ein vermemmtes Weichei, die paar Spritzer wirst du schon überleben und jetzt komm!“ Jens, der Sascha schon eine ganze Weile gefolgt war, hatte langsam die Nase voll und ließ seiner schlechten Laune freien Lauf: „Über eine halbe Stunde latschen wir schon durch die Pampa, wenn wir nicht bald da sind, dreh ich um und du kannst deinen Scheiß alleine machen.“
„Dann hau doch ab! Nicht einmal deine bescheuerte Mutter meckert so viel, wie du, Penner!“
„Dafür lässt sich deine, vom Müllmann ficken!“
„Ja, na und? …mein Vater ist nun mal Müllmann, du Arsch. Junge, ich glaub’ beinahe, du brauchst wirklich mal ein Paar auf’ s M… “ Sascha brach mitten im Satz ab und hielt sich den Zeigefinger vor den Mund: „Psst, wir sind da, hinter dem Hügel hier, ist es…“ Jens war sofort still und ohne an seine gute Hose zu denken, robbte er mit Sascha den Hügel hinauf,. um dann vorsichtig, mit ihm, in die dahinter liegende Senke zu spähen. Er traute seinen Augen nicht, dort unten befand sich ein großes Gewächshaus, das sich mindestens auf über 300 Quadratmeter erstreckte: „Scheiße, das gibt es ja gar nicht! …und das hast du entdeckt, als dir Benni abgehauen ist?“
„Ja, der verdammte Köter ist immer weiter gelaufen, bis nach da Hinten, wo der Kasten aufhört…,
konnte nur einen kurzen Blick durch die Scheiben werfen und musste dann gleich wieder los,
weil meine Ma, schon mit dem Essen zu Gange war und ich noch die Zutaten für den Kuchen besorgen sollte.“
„Ach so, …letzten Samstag, als dein Paps Geburtstag hatte.“
„Exakt.“
„Was gab’ s denn, Apfel oder Abfallkuchen?“
„Du kannst ja so ein Wichser sein, Jens…“
„Ist ja gut, ich lass es. Äh, worauf warten wir hier eigentlich?“
„Wer mitten im Nirgendwo, solche Pflanzen hochzieht, hat bestimmt keinen Bock auf unerwarteten Besuch, du Genie. Also sehen wir nach, ob die Luft rein ist, wie es so schön heißt.“
„Das Leuchtet ein. Mh, …sieht doch O.K. aus. Dann los?“
„Los!“
Die Beiden liefen den Hang hinunter und bremsten scharf vor der Stirnseite des Gewächshauses dessen Glasscheiben von außen beschlagen waren. Jens wischte sie mit seinem Ärmel frei, um hindurch zu sehen: „Scheiße, Sascha…“
„Was ist denn?“
„Du hattest Recht, Weed! …Überall! …der ganze Schuppen ist randvoll!
„Yeah! Hab ich’ s nicht gesagt? JUUUH!
„JAAAH“ Jens und Sascha fassten sich an die Schultern, tanzten im Kreis und jubelten, bis…
„Alles klar, Saschi, lass uns da rein, “ Jens rieb sich theatralisch die Hände.
„Ähm ja, schon klar, …die Tür ist wohl …ähm, auf der anderen Seite, …tia, dann geh ich mal rum und du hältst hier die Stellung, …bis gleich.
Ungefähr sieben Minuten später kam Sascha zurück: „Kacke, Mann, da ist kein beschissener Eingang, hab Alles von Außen abgesucht.“
„Ach was…, den hast du bestimmt nur übersehen, geh einfach noch einmal herum und schau etwas genauer hin.“
„Meinst du?“
„Klar doch!“
Als Sascha, der erneut Hinten angelangt war, gerade um die Ecke biegen wollte, hörte er ein lautes Klirren von Vorne und lief sofort, wutentbrannt zurück.
„Jens, du Volltrottel! Das ist Sachbeschädigung! Du hast sie doch nicht mehr Alle…, wenn das jetzt Irgendwer gehört hat…“
„Oh ja, ich kann mir das bildlich Vorstellen: Frau Wegemann, ist ihr Sohn da? Ein erboster Hanffarmer hat uns darüber informiert, das er zusammen mit einem anderen Jugendlichen, die Frontscheibe, seines illegalen Drogentreibhauses demoliert hat, wir müssen ihn leider in Gewahrsam nehmen…“
„Du, Armleuchter, als wenn es dabei um die Bullen geht…“
„Dazu kann ich nur sagen…, Je schneller unsere Rucksäcke gefüllt sind, desto schneller können wir nen Abflug machen.“
„Da haste mal ein wahres Wort gesprochen…“
Kaum im Inneren angelangt stopften die Zwei so viele trächtige Pflanzen in ihre Rucksäcke, wie in diese hineinpasste, da fiel Sascha auf einmal etwas recht Interessantes auf: „Irgendwas ist komisch, an dem Zeug hier…“
„Was meinst du? Es riecht gut, sieht gut aus…“
„Das schon, aber es ist irgendwie etwas bläulich, findest du nicht? Und auf der Rückseite von den Blättern ist so ein merkwürdiger Rotstich an den Rändern“
Vielleicht ne neue Züchtung, oder was weiß ich…, ich wünschte, wir wären schon bei dir und könnten es testen“
„Viel Spaß, so feucht, wie der Rotz hier ist…“
Bevor die Beiden ihre Botanikkenntnisse vertiefen konnten, hörten sie ein brummendes Motorengeräusch, das sich rasch näherte. Sofort rannten sie los. Kurz, nach dem sie über dem Hügel waren, blieb Jens abrupt stehen: „Verfluchter Mist, mein Handy liegt noch da, hab’s vorhin kurz aus dem Rucksack gepackt, um das Gras zu verstauen.“
„Lass doch!“
„Nein Mann, die kriegen meine Adresse heraus und mich am Arsch, warte eben!“
Er lief los… Eine Minute später…, Sascha sah gerade noch Jens Kopf hervorlugen, als dieser über den Hang geklettert kam, da fielen plötzlich drei Schüsse… Jens verdrehte die Augen und sein Kopf kippte zurück. Er war tot, einfach so, ohne Vorwarnung erschossen. Dann hörte Sascha wie Jens dumpf, auf der anderen Seite herunter rollte. Sascha rannte,…wie er noch nie in seinem Leben gerannt war, vermutlich wäre er noch schneller gewesen, ohne seinen Rucksack, den er einfach nicht mehr Wahr nahm… Obwohl er nichts hinter sich hörte, das nach irgendwelchen Verfolgern klang, konnte er erst wieder aufatmen, nach dem sich die Wohnungstür hinter ihm schloss und er sich in seinem Zimmer verbarrikadiert hatte. Seine Eltern waren an diesem Wochenende, bei seiner Tante zu Besuch, aber nun, sehnte er sich mehr als je zuvor nach Ihnen.
„Ich muss sofort die Bullen anrufen…Moment, nein.“ Sascha bemerkte jetzt erst den prall gefüllten Rucksack auf seinem Rücken… Er schrie: „Alles wegen dieser Scheiße hier!“ und
schmiss ihn mit aller Wucht, gegen seine Schrankwand, dabei öffnete sich der marode Verschluss und der gesamte Inhalt flatterte wie Herbstlaub durch sein Zimmer.
Wütend nahm er’ s, und stopfte es eilig zurück. Erst jetzt registrierte Sascha, wie unglaublich trocken das Weed schon war. „Was für ein Zeug, ist das nur?“ Als er fertig war, griff er zum Telefon und wählte die Polizei an. Die Leitung war tot, natürlich,… sein Vater hatte drei Tage zuvor den Plan gefasst, das Telefonkabel aus irgendeinem raumgestalterischen Grund, der von seiner Mutter herrührte, in eine andere Ecke zu verlegen. Irgendetwas ging aber schief. Sein Vater wollte es jedenfalls sofort, nach dem Wochenendtrip, in Angriff nehmen. Sascha hatte zumindest noch sein Handy in der Jacke – Akku leer, war ja klar. Als er versuchte das Ladekabel in die Dose zu bugsieren, stellte er fest, wie unglaublich nervös er war, das panische Gefühl hatte ihn wieder gepackt, er bibberte. Sascha musste sich irgendwie beruhigen. Er dachte an Jens und an all das, was er zuletzt gesagt hatte, dabei stieß er auch auf: “…ich wünschte, wir wären schon bei dir und könnten es testen.“ – „Nein, mein Freund, leider kannst du das nicht mehr, aber verdammt, Mann, …ich bin es dir einfach Schuldig. Ich werde einen Letzten auf dich qualmen, damit ich dir später im Himmel erzählen kann, wofür du eigentlich gestorben bist, …ich weiß, das würdest du auch für mich tun…, und wahrscheinlich öfter…, wie ich dich kenne“ Sascha lachte und weinte zugleich, er rollte das Ding eher Schlecht, als Recht zusammen. Dann dachte er wieder an den Rucksack. Er warf ihn, in die mit Laub gefüllte Regentonne, die sich genau unter seinem Fenstersims befand und ließ das Fenster geöffnet, da er sich ja noch den Joint einverleiben wollte. Später würde er das stark ausdünstende Gras einfach auf den Kompost schmeißen. Er zündete den Joint an…, es roch irgendwie eigenartig nach Tanne und schmeckte aromatisch, mild und kratzte überhaupt nicht. Und es schlug unvermittelt an. Sascha musste sich zurück lehnen. Er schloss die Augen, …außer, tiefes Schwarz, brachte seine Vorstellungskraft nichts hervor. Dann, hörte er eine ihm wohl bekannte Stimme: „Kacke, die ganze Hose ist versaut!“
Sascha stimmte in seine Phantasie mit ein: „Du bist so ein vermemmtes Weichei, die paar Spritzer wirst du schon überleben und jetzt komm!“
„Willst du mich Verarschen? Die ganze Hose ist voll Matsch. Scheiße, ich hätte dich mal gerne gehört, wenn du dich auf der beschissenen Rutschbahn auf die Fresse gepackt hättest!“
Sascha riss seine Augen auf. Er stand im Wald, wieder. Er drehte sich ungläubig zur Seite, da war Jens, der gerade dabei war, den Schmutz auf seiner Jeans mit Schnee abzureiben,…Schnee? : „Es…es schneit“
„Richtig Sascha, das soll vorkommen im Winter.“
„Aber…, das kann alles nicht sein…“
„Du tust gerade so, als hättest du dir schon das Gras geballert, von dem du die ganze Zeit laberst, hab echt keine Lust mehr durch die Pampa zu latschen. Sind wir denn wenigstens bald da, …ist es hinter dem Hügel dort? Hallo?“
„Ja…äh, nein, NEIN! Da ist gar nichts. Lass uns zurückgehen“
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Du Penner hast mich also doch verarscht.“
„Richtig, das habe ich…das habe ich…“
Jens schimpfe den gesamten Rückweg über, bis sie vor Saschas Haus standen und er sich gewohnt freundlich verabschiedete: „Bis Morgen, du Sackgesicht…, ich schmiede erst mal einen Racheplan…“
Sascha wollte gerade die Tür aufschließen, da wurde sie von seiner Mutter geöffnet.
„Mama, ich dachte, du wärst mit Papa zu Tante Irene gefahren?“
„Ach Sascha, wie soll das funktionieren, wenn doch alle Straßen zugeschneit sind?“
Er ging still an seinem Vater vorbei, der gerade die Telefonleitung geflickt hatte.
„He, gibt es jetzt nicht mal mehr ein “Hallo“ zur Begrüßung?“
„Hallo…“
Als Sascha seine Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte er erst, dass sein Rucksack überhaupt nicht auf seinem Rücken war… Sofort rannte er zu seinem Fenster und blickte hinunter. Tatsächlich, da unten lag sein Rucksack. Er stürmte die Treppe herunter, da klingelte es an der Haustür. Es war ein Polizist, soweit Sascha das durch einen kurzen Blick um die Ecke beurteilen konnte: „Frau Wegemann, ist ihr Sohn da?“
„Worum geht es denn bitte?“
„Ein erboster Hanffarmer, hat uns darüber informiert, dass anscheinend ihr Sohn zusammen mit Jens Bock, die Frontscheibe, seines Treibhauses demoliert hat…“
„Sascha? Ich verstehe nicht ganz, …Hanf?“
„Ähm ja, es handelt sich um eine legale Hanfzucht, der Besitzer kennt Sascha wohl noch aus dem Jugendzentrum, wo er, im Zuge einer Aufklärungskampagne gegen Drogenmissbrauch, zusammen mit der örtlichen Polizei einen Vortrag gehalten hatte, meinte er.
Jedenfalls haben wir das Gewächshaus inspiziert und…“
„Ja und?“
„Wir fanden darin die Leiche von Jens Bock, er wurde vermutlich erwürgt.
Wir vermuten, dass sich die Zwei über die nutzlose Beute gestritten haben…
…wir müssen ihren Sohn leider in Gewahrsam nehmen, um ihn ausführlich über die Angelegenheit zu befragen.“
„SASCHA!“
Sascha erzählte einfach alles, was er erlebt hatte… aber Niemand glaubte ihm. Schon gar nicht der Vernehmungsbeamte: „Junge, wir haben in deinen Rucksack gesehen, da war ganz normales, absolut zum Kiffen untaugliches Hanf drin.“
„W…was?“
Das was uns Sorgen bereitet ist, das dein freiwilliger Lügentest zu deinen Gunsten ausgefallen ist.“
„Sehen sie, ich hab es ihnen doch gesagt…“
„Es ist wahrscheinlich so, das du nach der Tat einen emotionalen Schock erlitten hast und sich dein Verstand diese merkwürdige Geschichte zurecht gesponnen hat. Wir werden dich vorerst in eine psychiatrische Anstalt einweisen, in der man sich mit solchen Problemen, wie du sie hast, bestens auskennt.“
Mit 22 dann, wurde Sascha entlassen
„Wir haben alles so gelassen wie es war…“
Seine Eltern verließen das Zimmer.
Nach ungefähr einer Woche fand Sascha hinter seinem Schreibtisch ein vertrocknetes Hanfblatt, (es war noch nicht einmal zerfallen) hellblau und auf der Rückseite war es leicht Rötlich an den Rändern.
FIN