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Welten-Parallele

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06.08.2005
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Welten-Parallele

Er kam zufällig vorbei, wenn es so etwas wie Zufälle gibt. Auf jeden Fall war es das erste Mal seit langer, langer Zeit, dass Manfred nach Schuldenfurt zurückkehrte, dem Dorf, in dem er aufgewachsen war und das er als junger Kerl verlassen hatte. Der nächste Zufall: ein Feiertag. Allerheiligen, der Vorabend zu Allerseelen, an denen die Katholiken ihrer Toten gedenken. Wie das Dorf hatte er damals auch die Kirche verlassen mit ihren engen Vorschriften und dem ständigen Druck auf sein Gewissen, der alle Lebensfreude aus ihm zu pressen schien und durch den er sich, noch bevor er erwachsen war, immer mehr verwelkt, verschrumpelt und vermodernd gefühlt hatte.

Er hasste auch den Friedhof, auf dem wohlmanikürte Frauen ihre Hündchen spazieren führten, während sich andere beim Pflanzen und Unkraut jäten lauthals von einem Grab zum anderen unterhielten, ohne das, was unter ihnen lag, zu bedenken. Nur Allerheiligen mit seinen stillen Lichtern und der feierlichen Ruhe zwischen den Gräbern hatte ihm gefallen, hatte ihn tief berührt mit einer Intensität, die für ihn unverständlich war. Schließlich war er Wissenschaftler und würde sich nach seinem Tod verbrennen lassen oder seinen Körper der Forschung zur Verfügung stellen.

Allerheiligen in seinem Heimatdorf. Seine Eltern lebten nicht mehr, und so lag es nahe, das Familiengrab aufzusuchen, wenn er es nach all den Jahren noch finden würde. Natürlich hatte er keine Grablichter gekauft, aber in seinem Kofferraum fand sich Brauchbares: eine Packung Teelichter, die er für den Garten gekauft hatte und die Plastiktüte mit dem Glasmüll. Gut, dass er die Gemüsegläser ausgespült hatte. Er ließ die Flaschen und Schraubverschlüsse im Kofferraum zurück und machte sich mit der Tüte im Arm auf die Suche. Alles hatte sich verändert, Bäumchen und Sträucher waren gewachsen, Gräber neu angelegt oder zu Brachflächen umgewandelt worden, und so suchte er den Weg anhand bekannter Namensschilder. Am großen Findling vom alten „Beimpold“ vorbei, dann bei „Rudolf Bürger“ links abbiegen, dann ... „Friederike Berg“ las er unvermittelt und blieb stehen. „Die gute Rike“, entfuhr es ihm, und ein alter, täglich verdrängter Schmerz bahnte sich den Weg durch seinen Körper. Traumfetzen vieler Nächte, Erinnerungen streiften sein Bewusstsein.

„Warum musst du gehen?“
„Ich muss raus hier, ich halte es nicht mehr aus.“
„Kommst du zurück?“
„Ich weiß es nicht. Ich fange doch ganz von vorn an. Die Uni, die neue Stadt, mein neues Leben ...“
„Und das Kind ändert nichts?“
„Kind? Es ist ein Zellhaufen. Und du willst es doch auch nicht.“
„Nein, nicht jetzt. Und nicht ohne dich!“

Er hatte ihr Geld geben wollen, doch sie hatte von einem natürlichen Mittel gesprochen. Petersilie. Seine Befürchtung damals, dass es nicht wirken würde, und nicht, dass eine Frau sich damit vergiften könnte.

Lang war es her, grau der Grabstein.
Er zog das erste Glas aus seiner Tüte, packte ein Teelicht aus und entzündete es.
„Für dich, Rike. Hab deinen Frieden.“
Gleich in der Nähe war das Familiengrab, und er stellte die übrigen Windlichter auf. Natürlich sah es merkwürdig aus, diese ungefärbten Gläser zwischen den roten und weißen Grablichtern der anderen. „Besser als gar nichts“, dachte er, und grüßte wortlos seine Ahnen.

Dann schlenderte er die Straße hinunter zum Fluss. Sie war heute bebaut, mit Zweitwohnungen und Ferienhäuschen. Ihm fehlte die Vorstellung, warum jemand seinen Urlaub hier verbringen wollte, in diesem Allerweltsdorf ohne geschichtliche Bauten oder Sehenswürdigkeiten. Das einzige Gut, dass es hier gab, war die Natur, eine Weite von Feldern und Wiesen, umrandet von vielen kleinen Waldgebieten. Und die "Schulde" natürlich, die wie eh und je träge durch ihr Bett kroch. Den Fluss hatte er wirklich vermisst, und sein Gurgeln und Plätschern in vielen Nächten erträumt. Er suchte seine Stelle am Ufer, den großen Stein im hüfthohen Gras, das ihn herbstlich gelb und vom Regen erdrückt umringte. Er hockte sich wie früher darauf, mit angezogenen Beinen „wie ein Mädchen“, und sah auf das Wasser vor sich, das stetig in eine Richtung floss.

Was wäre gewesen, wenn ich nicht gegangen wäre damals?, überlegte er. Wenn er die Tischlerlehre bei seinem Vater beendet und dessen Betrieb übernommen hätte? Hätte das etwas genutzt gegen die Konkurrenz der Möbelhäuser, die ganz in der Nähe und unerreichbar billig ihre Waren anboten? Hätte sein Bleiben das Geschäft und das Herz seines Vaters gerettet, womöglich sein Leben verlängert? Und seiner Mutter die Trauer erspart, ihre Verwirrtheit und Angst, sich in der veränderten Welt zurechtzufinden? Er schüttelte den Kopf, heftig, bis ihm der Nacken schmerzte, als wenn er mit der Kopfbewegung die Zweifel in seinem Inneren ausmisten könnte.

Sein Leben war doch in Ordnung, genau so, wie er es geplant hatte. Das Studium, die gutbezahlte Arbeit, gebildete Freunde und ein schönes Heim, ohne Kinder, aber als Krönung von allem Diana, seine Frau. Das waren seine Träume gewesen, und er hatte es geschafft, sie zum Leben zu bringen. Diana war der Grund gewesen, Rike nicht mitzunehmen, sondern ganz neu anzufangen. Sie hatte ihm all die Chancen geboten, die er zu nutzen verstand, mit ihrer gutsituierten Familie, den Beziehungen, dem offenen Weltbild und guten Geschmack. Wie ein Schlag des Schicksals war es ihm erschienen, als sie auf dem Campus ineinandergestolpert waren, und er hatte gewusst: diese Frau, diese Hochschule, diese Stadt musste es sein ... Was wäre gewesen, wenn ...?

Früher hatte er bis spät in den Herbst hinein im Fluss gebadet, und sein magerer Jungenkörper hatte mit der Kälte des Wassers gekämpft. Heute war der Tag der verrückten Ideen, überhaupt schien ihm die Welt ein wenig aus den Fugen mit den Zufällen und Gurkengläsern auf den Gräbern. Sollte er ...? Kein Mensch weit und breit, und so zog er eilig seine Kleidung aus und sprang in die kalten Fluten. Eis umfasste seine Brust, sein Atem stockte, und er schwamm schnell ein paar Stöße, um mit den Muskeln Wärme zu erzeugen. Das hatte er als Junge auch immer getan, und dann war, wie bei einer Feder, sein Atem wieder angesprungen, und seine Haut hatte sich wie glühend angefühlt, wenn er das Wasser verließ. Doch diesmal blieb der Atem aus, und seine Arme ließen sich kaum bewegen, als wenn sie allmählich in Lähmung übergehen würden. Einmal schnappte er gierig nach Luft, doch statt Sauerstoff drang Wasser in seinen Mund und seinen Rachen, und er begann zu husten und zu würgen.

„Papa, was ist...?“ Der Junge neben ihm zog seinen Kopf über das Wasser, so dass er einen Atemzug machen konnte. Dann fasste er ihn von hinten unter die Schultern und zog ihn rückwärts dem Ufer entgegen. Dort wurde er von einer Frau in die Arme genommen und mit einem groben Handtuch gründlich abgerieben.
„Ach, Manfred, immer in diesem kalten Wasser! Ich habe dir doch gesagt, dass es zu spät im Jahr ist. Obwohl ich, ehrlich gesagt, mehr Angst um unseren Sohn hatte.“ Dabei wandte sie sich jetzt lächelnd dem Jungen zu und rieb auch ihn ab. Mit Stolz in der Stimme sagte sie: „Toll hast du reagiert!“
„Rike“, murmelte er, „ich verstehe nicht ...“

Das Piepen und Brummen der Monitore erfüllte das Krankenzimmer.

 
Zuletzt bearbeitet:

Mein Beitrag zu dem, weil mir zu dem nichts einfiel.

Sorry, aber danke an Berg und Dion. ;)

 

Liebe Elisha,

ein starker und atmosphärisch dichter Text. Mit den Parallelwelten hat er nicht viel zu tun - außer dass ein paar Begriffe daraus vorkommen. ;)

Verzeih meine Begriffstützigkeit: Ich habe das Ende nicht gleich verstanden, aber es hat was, dass der eigentlich ungewollte Sohn den Vater rettet. Ein wenig unklar bleibt die Motivation, sich plötzlich in den Fluss zu werfen um eine Runde zu schwimmen. Macht er das aus Sentimentalität?

Lieben Gruß,

Fritz

 

Hallo Elisha,

tolle Geschichte! So was mag ich sehr, und das hast das sehr ansprechend geschrieben. Ich bin ehrlich begeistert, sowohl stilistisch als natürlich auch inhaltlich. Ja, so ein Schluss muss das sein, der einem noch ordentlich was zu Kauen gibt.

Deinen Schluss habe ich übrigens so interpretiert: Was wäre wenn... in der Verknüfung zweier Möglichkeit, wobei der letzte Satz beide Möglichkeiten offen hält.

Grüße von Rick

 

Hallo Berg,

ein starker und atmosphärisch dichter Text.
Danke! Wobei ich immer noch Ersatz für Ausdrücke wie "kalte Fluten" suche; für Vorschläge bin ich sehr dankbar.

Mit den Parallelwelten hat er nicht viel zu tun - außer dass ein paar Begriffe daraus vorkommen.

Mehr als du meinst! ;) Zum einen der Titel und der erste Satz. Dann war ja Dions Vorschlag Ideengeber:
Wenn man schon eine Herausforderung in dieser Richtung sucht, dann sollten vielleicht nur Personal und Ort vorgegeben werden – zum Beispiel: Ein Mann (Protagonist), zwei Frauen und ein Kind (alles nur Nebenrollen, doch sie müssen wichtig sein), dazu beliebiges Personal, das jedoch keine tragende Rolle spielen darf; dann ein Dorf an einem Fluß (beides ist wichtig), dazu andere unwichtige! Orte nach Belieben - auch alles andere (z.B. Zeit) ist beliebig.

Und die beiden Frauen ... Ich hoffe, guter Fritz, du verzeihst mir, dass ich die die gute Friederike Berg habe sterben lassen ... oder auch nicht, je nach Interpretation.

Ein wenig unklar bleibt die Motivation, sich plötzlich in den Fluss zu werfen um eine Runde zu schwimmen. Macht er das aus Sentimentalität?
:Pfeif: Manche Leute finden das einfach geil, die baden in kalten Seen und fühlen einen inneren Drang, bevor sie zwei Tage nach Allerheiligen das Becken im Garten abbauen, nochmal reinzuspringen. An die habe ich dabei gedacht. :Pfeif: Aber natürlich ist auch Sentimentalität dabei.

Danke für den Kommentar.

Gruß, Elisha

P.S. Ich muss leider (nö, nicht leider, is ja zum Yoga, egal) weg, also kommt der an Rick später.

 

Hallo Elisha

Vielleicht muss ich erst älter werden, um deine Geschichten gut zu finden.
Noch ist mir auch diese hier zu langweilig. Was hier sprachlich und stilistisch so toll sein soll, erkenne ich nicht. Vielleicht mag es mir ja jemand erklären.
Sei nicht sauer, so schlecht finde ich den Text auch nicht, nur zieht er mich in keinster WEise mit sich, noch erzeugt er irgendein Bild in mir.

Die Aufgabe, der du dich hier gestellt hast, ist sicherlich interessant, und rein praktisch hast du das auch gut umgesetzt.

lieben Gruß

 

Hi Elisha,

die fruchtlosen Fragen nach dem "was wäre wenn" kennen wir Älteren sicherlich alle. Da ist dann auch die Parallele Welt oder die Weltenparallele, die im Titel versprochen ist. Wenn auch nur in der Fantasie und sofort durch deinen Protagonisten von sihc geschüttelt. Es hätte nicht schöner kommen können.
Zum Ende rettet ihn das Kind, das er nicht retten wollte, die Frau, die sich mit Petersilie vergiftet hat. Da ist die zweite Weltenparallele, eine mystische, auch in seinem Kopf, fast angeschlossen an den Maschinen, die ihn am Leben halten. Man könnte es als das was bei aller Zufriedenheit fehlt, interpretieren. Ein Kind, etwas, das weiter lebt, wenn es mal so weit ist und niemand ihn aus dem Wasser zieht. Wären Piepen und Brummen im Krankehzimmer nicht, hätte man auch vom Sterben als Revanche der Natur reden können. Dann wäre das Weiterleben durch den Nachwuchs körperlicher gewesen.
Soweit gefällt mir der Text auch.

Details:

der alle Lebensfreude aus ihm auszupressen schien
da reicht aus ihm zu pressen schien
und er sich, noch bevor er erwachsen war, immer mehr verwelkt, verschrumpelt und vermodernd gefühlt hatte.
hier finde ich den grammatischen Bezug nicht, der inhaltlich ist ist mir klar. Durch den Druck hat er sich verwelkt ... gefühlt. Aber die Überleitung "durch den" scheint mir zu fehlen.
auf dem wohlmanikürte Frauen ihre Hündchen spazieren führten oder beim Pflanzen und Unkraut jäten sich lauthals von einem Grab zum anderen unterhielten
na, nach dem Unkraut jäten bleibt von der wohlen Maniküre wohl nicht so viel übrig. :D
Wenn er die Tischlerlehre bei seinem Vater beendet und seinen Betrieb übernommen hätte?
und dessen Betrieb übernommen hätte. Nach der Übernahme wäre es dann seiner gewesen.

Lieben Gruß, sim

 

Hey Elisha,


Wie das Dorf hatte er damals auch die Kirche verlassen mit ihren engen Vorschriften und dem ständigen Druck auf sein Gewissen, der alle Lebensfreude aus ihm auszupressen schien und er sich, noch bevor er erwachsen war, immer mehr verwelkt, verschrumpelt und vermodernd gefühlt hatte.
Ich verstehe den grammatikalischen Anschluss des „und er sich … gefühlt hatte“-Teils nicht.
Sieht für mich sehr schräg aus.

ohne das, was unter ihnen lag, zu bedenken.
Ohne denen, die unter ihnen lagen, zu gedenken?

Was wäre gewesen, wenn ich nicht gegangen wäre damals?,
Vielleicht ein Gedankenstrich vor dem damals oder: wenn ich damals nicht…

sie zum Leben zu bringen
„Bringen“ passt nicht so richtig. Hatte seine Träume verwirklich, hatte sie zu Realität werden lassen, vielleicht (und zur Not): Hatte sie zum Leben erweckt.

Hm, die Pointe kommt für mich ein bisschen mit dem Holzhammer daher und läutet das Ende zu früh ein. Eine Entscheidung, zwei Lebensentwürfe und er trauert dem anderen ein wenig nach, dann springt er in den See und die beiden Lebensentwürfe kreuzen sich. Okay. Das ist so ein bisschen diese „Was wäre wenn?“ - Weihnachtsengel-Nummer.
Aber: wie geht’s weiter? Warum war’s das schon? Du hast den Charakter gerade zu Ende gezeichnet und dann ist die Geschichte auch schon zu Ende?

Stilistisch und inhaltlich kann ich –wie Aris- auch wenig Besonderes erkennen. Der Stil ist schlicht, die Motive und Bilder (der Friedhof, die Windlichter, der Fluss) sind althergebracht. Die Charaktere sind auch noch relativ blass. Der Erzähler ist auf dem Nostalgie-Trip und ein bisschen melancholisch, aber hat sonst keine erkennbaren Eigenschaften.
Die Stelle mit der Petersilie fand ich sehr seltsam, hat mich irgendwie an Seinfeld erinnert, als Georges Verlobte hunderte von Hochzeitseinladungen verschicken wollte, sie in Briefumschläge gesteckt und abgeschleckt hat und dann an dem giftigen Briefumschlagskleister gestorben ist. Sehr seltsam. Petersilie? Wie viel Kilo muss sie sich denn da reinhauen?

Gruß
Quinn

 
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Hallo Rick,

tolle Geschichte! So was mag ich sehr, und das hast das sehr ansprechend geschrieben.
Vielen Dank für das Lob und die Empfehlung. :kuss:

Deinen Schluss habe ich übrigens so interpretiert: Was wäre wenn... in der Verknüfung zweier Möglichkeit, wobei der letzte Satz beide Möglichkeiten offen hält.
So war es gedacht. Die Lebensentwürfe sind Parallelen, die sich ja bekanntlich in der Unendlichkeit kreuzen ;) , und so gibt es verschiedene Möglichkeiten der Interpretation:

- Wie beschrieben besucht Manfred sein Heimatdorf und landet durch einen Schwimmunfall im Koma; dann sind Rike und sein Sohn nur Einbildung.
- Anderes Setting: Er hat sich damals doch für Frau und Kind entschieden, geht mit seinem Sohn schwimmen, hat einen Unfall und entwickelt im Koma einen Gegenentwurf
- Oder ...
Und immer ist die Frage: Was wäre, wenn ...?

War das deine Interpretation? Oder noch eine andere?

Hallo Aris,

Vielleicht muss ich erst älter werden, um deine Geschichten gut zu finden.
Möglich. ;)

Was hier sprachlich und stilistisch so toll sein soll, erkenne ich nicht.
Der Satz hat mich gewundert, bis ich Ricks Empfehlung gesehen habe.

Sei nicht sauer, so schlecht finde ich den Text auch nicht, nur zieht er mich in keinster WEise mit sich, noch erzeugt er irgendein Bild in mir.
Das ist schade. Dabei habe ich diesmal doch relativ viel Handlung (für meine Begriffe *g*) drin.

Die Aufgabe, der du dich hier gestellt hast, ist sicherlich interessant, und rein praktisch hast du das auch gut umgesetzt.
Ja, ich würde mich freuen, wenn Dions Vorschlag noch jemanden inspirieren würde. Wie wäre es, Monsieur Rosentrehter?

Gruß, Elisha


P.S. Euch anderen antworte ich später. Vielen Dank schon mal.

 

Wie das Dorf hatte er damals auch die Kirche verlassen mit ihren engen Vorschriften und dem ständigen Druck auf sein Gewissen, der alle Lebensfreude aus ihm auszupressen schien und er sich, noch bevor er erwachsen war, immer mehr verwelkt, verschrumpelt und vermodernd gefühlt hatte.
Wie wirkt sich das auf ihn aus? Lass deinen Prot mehr handeln und erzähle weniger selbst.
„Papa, was ist...?“ Der Junge neben ihm zog seinen Kopf über das Wasser, so dass er einen Atemzug machen konnte. Dann fasste er ihn von hinten unter die Schultern und zog ihn rückwärts dem Ufer entgegen. Dort wurde er von einer Frau in die Arme genommen und mit einem groben Handtuch gründlich abgerieben.
„Ach, Manfred, immer in diesem kalten Wasser! Ich habe dir doch gesagt, dass es zu spät im Jahr ist. Obwohl ich, ehrlich gesagt, mehr Angst um unseren Sohn hatte.“ Dabei wandte sie sich jetzt lächelnd dem Jungen zu und rieb auch ihn ab. Mit Stolz in der Stimme sagte sie: „Toll hast du reagiert!“
„Rike“, murmelte er, „ich verstehe nicht ...“
Dieser Abschnitt gefällt mir richtig gut. Hier lässt du deine Charaktere selbst handeln.

Hi Elisha,

dein Prot erinnerte mich beim Lesen irgendwie an Faust. Er ist Wissenschaftler, kehrt der Kirche den Rücken und verlässt eine schwangere schlecht gebildete Frau wegen der Wissenschaft.
Und wie gesagt, der Schluss gefällt mir sehr gut.

Ciao MiK

 

Gern gelesen

Hallo,

dein Stil hat mich entfernt an Hesse erinnert (»Unterm Rad«). Ich mag vor allem die Naturbeschreibung in Verbindung mit dem Gefühlsleben des Protagonisten – nun, bin anscheinend romantisch veranlagt.

Interessant finde ich die Plotstruktur: Wie du die hypothetische Variante (narrative Wirklichkeit?) des bleibenden Prot und die narrative Wirklichkeit (hypothetische Variante?) zum Ende ineinander überführst und gleichwertig erscheinen lässt. So ist es wie mit der Kippfigur der alten und der jungen Frau, man kann die Geschichte so lesen oder so.


-- floritiv.

 

Daß auf einem Dorffriedhof früher „wohlmanikürte Frauen ihre Hündchen spazieren führten“, Elisha, das kann ich mir kaum vorstellen, eher schon, daß sie vor Allerheiligen, wie in allen Dörfern, pflanzen und jäten, allerdings haben sie dann kaum manikürten Hände gehabt, damals, als dein Prot Tischlerlehrling war und sein Mädchen Rike schwängerte, sich dann aus der Verantwortung stehlen wollte und nicht schaffte. Statt dessen heiratete er sie, oder besser, er mußte sie heiraten und das Geschäft des Vaters übernehmen, sicher keine schlechte Entscheidung, denn der Handwerk hat immer noch den goldenen Boden, doch Rike, seine Jugendliebe, ist nicht so, wie er sie gern hätte – und er nicht so, wie sie ihn gern hätte! -, also flüchtet er sich in eine Traumwelt hinein, wo es eben diese Frauen und Freunde mit Bildung gibt, die er gern gehabt hätte, tja, so ist das Leben, niemand lebt von Brot allein – das Baden im kalten Fluß ist ein solcher Luxus, ebenso das Träumen von Klassefrauen und dem Tod seiner eigenen Frau, doch statt dessen rettet ihn sein und ihr Sohn vor dem Ertrinken, deswegen liegt er jetzt im Krankenhaus und kann das alles nicht mehr auseinander halten ...

Die „Vorgabe“ hast du gut umgesetzt, Elisha, wenn auch ich anfangs ein wenig ratlos davor stand. Doch der letzte Satz brachte Klarheit, das Puzzle war keins mehr, ja, so könnte es gewesen sein, damals, mit ihm, im Dorf, am Fluß, mit den zwei Frauen und dem Kind.

Habe sie gern gelesen, Elisha, deine Geschichte nach meinen dürftigen Angaben – hätte nicht gedacht, daß daraus etwas werden würde.

Dion

 

Hallo Elisha,

bin gerade erst hierüber gestolpert, sorry für die PM, bitte ersatzlos löschen. Nachdem die Idee ja war, über die Sprache zu diskutieren sage ich nichts zum Inhalt, außer dass ich bestimmte Teile mehrfach lesen musste, um sie zu kapieren. So ganz begriffen habe ich aber dennoch nicht alles, z.B. das mit dem Grab der Verflossenen.

Ebenso spare ich mir die üblichen Anmerkungslisten, wo am Text sich noch feilen ließe, denn auch darum geht es nicht.

Insgesamt finde ich es sprachlich recht gelungen, was du hier abgeliefert hast. Es ging dir offensichtlich um die implizite Charakterisierung des Protagonisten und diese ist in weiten Zügen gut gelungen. Ich finde ebenfalls, dass du den rechten Kompromiss zwischen lyrisch stimmungsvoll und faktenbezogen gewählt hast. Dies spricht auch aus dem eingestreuten Dialogteil, in welchem der Prot. in voller Nüchterheit (und Menschenverachtung) durchkommt. In dem Nachfolgenden Abschnitt mit der Petersilie greifst du seine Intention mit der rechten Portion Zynismus auf, eines der Highlights in dem Text.

Einweiteres Highlight ist


Wie das Dorf hatte er damals auch die Kirche verlassen mit ihren engen Vorschriften und dem ständigen Druck auf sein Gewissen, der alle Lebensfreude aus ihm auszupressen schien und er sich, noch bevor er erwachsen war, immer mehr verwelkt, verschrumpelt und vermodernd gefühlt hatte.

wenn du noch vermodert aus dem vermodernd machst ...

Gut ist auch der Gag mit der Schulde, der Ortsbezeichnung, die eigentlich seinen Gemütszustand wiedergibt. Ein dickes Lob für alle weiteren verpackten Tiefsinnigkeiten wie Unkraut jäten und sich unterhalten dabei oder das Ansprechen der Zufallsthematik, denn natürlich treibt ihn kein Zufall sondern die Vergangenheit zurück.

LG,

N


P.S.: Die Geschichte ist mehr als das Ergebnis unseres Experimentes, sie wäre es wert bezüglich der verbleibenden Kleinigkeiten aufpoliert zu werden

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Elisha,

meine Interpretation ist ganz klar, es sind beide Leben denkbar. Der Badeunfall im Fluss ist deren Schnittstelle. Vor diesem Moment können beide Leben realistisch gewesen sein. Eines davon hat der Prot nur in seiner Fantasie "ausgelebt" und wenn er wieder zur Besinnung kommt, wird er sehen, wie seine Realität ist. Und ich als Leser kann ich mir die für mich sympathischere Variante überlegen. Oder die, die mir glaubwürdiger erscheint.

Ich mag solche Gedankenspielereien, die ja in dem Film "Butterfly-Effect" absolut genial variiert werden. Falls du den nicht kennen solltest: ANSEHEN!!! Da geht es nur um die Thematik, in einer äußerst verblüffenden Geschichte.

Grüße von Rick

P.S.: Jetzt bin ich überhaupt erst über den Thread und Dions Ausführungen gesolpert, die dann zu deiner KG geführt haben. So ist die also entstanden! Respekt, was du da aus den paar Rahmenbedingungen "gebastelt" hast.

 

Hallo Sim,

danke für deine Anmerkungen. Die stilistischen Vorschläge habe ich übernommen.

auf dem wohlmanikürte Frauen ihre Hündchen spazieren führten oder beim Pflanzen und Unkraut jäten sich lauthals von einem Grab zum anderen unterhielten
na, nach dem Unkraut jäten bleibt von der wohlen Maniküre wohl nicht so viel übrig.
Stimmt. Das sollten nicht dieselben sein, aber so, wie ich es geschrieben habe klingt es so.
Ich war eh unsicher, weil die "wohlmanikürten Damen mit den Hündchen" wohl eher städtisch sind als dörflich, aber dann habe ich mit den Feriengästen beruhigt. ;) Ich werde es umschreiben in eine andere Art von Friedhofsbesuchern.


Hallo Quinn,

danke für deinen Kommentar. Bei deinen stilistischen Anmerkungenbin ich unsicher und denke nochmal drüber nach.

sie zum Leben zu bringen
„Bringen“ passt nicht so richtig. Hatte seine Träume verwirklich, hatte sie zu Realität werden lassen, vielleicht (und zur Not): Hatte sie zum Leben erweckt.
Da gefallen mir deine Vorschläge nicht so richtig, weil es ja durch die Parallelität in der Geschichte darum geht, dass seine Träume "lebendig gemacht" wurden (Merkwürdig ausgedrückt, um zu zeigen, worauf es mir ankam). :hmm:

Aber: wie geht’s weiter? Warum war’s das schon? Du hast den Charakter gerade zu Ende gezeichnet und dann ist die Geschichte auch schon zu Ende?
Ich bin erstaunt, dass dir da noch was fehlt. Nach meinem Gefühl hab eich alles erzählt, das mir wichtig war.

Die Stelle mit der Petersilie fand ich sehr seltsam, ... Petersilie? Wie viel Kilo muss sie sich denn da reinhauen?
Ja, so würde der Prot das ja auch sehen. Es geht aber nur um ein bis zwei Esslöffel, die man in die Scheide einführen muss. Aber die Reaktion auf die Dosis ist von Frau zu Frau unterschiedlich; was bei der einen noch nicht mal zu Übelkeit führt, bringt die andere schon um.
:klug: Also Mädels, nicht nachmachen. :klug:


Gruß, Elisha

So, die nächsten Antworten später. Leider entscheidet Arcor oder unser Router darüber, wann ich ins Netz darf. :xxlmad:

 

Hallo MiK,

Lass deinen Prot mehr handeln und erzähle weniger selbst ...
Dieser Abschnitt gefällt mir richtig gut. Hier lässt du deine Charaktere selbst handeln.
Mir ist auch aufgefallen, dass ich viel erzähle, aber ich dachte, das schaffe einen ruhigen Ton. Ich hatte vor, Diana auch handeln zu lassen, habe das zwischendurch dann gelassen, aber ich werde das Kennenlernen als Szene umbauen.


Hallo floritiv,

dein Stil hat mich entfernt an Hesse erinnert
Wow, MiK denkt an Faust, du an Hesse ...

Interessant finde ich die Plotstruktur: Wie du die hypothetische Variante (narrative Wirklichkeit?) des bleibenden Prot und die narrative Wirklichkeit (hypothetische Variante?) zum Ende ineinander überführst und gleichwertig erscheinen lässt. So ist es wie mit der Kippfigur der alten und der jungen Frau, man kann die Geschichte so lesen oder so.
Toll ausgedrückt!


Hallo Dion,

Daß auf einem Dorffriedhof früher „wohlmanikürte Frauen ihre Hündchen spazieren führten“, Elisha, das kann ich mir kaum vorstellen, eher schon, daß sie vor Allerheiligen, wie in allen Dörfern, pflanzen und jäten, allerdings haben sie dann kaum manikürten Hände gehabt
Wie ich Sim schon geschrieben habe, nehme ich sie raus.

damals, als dein Prot Tischlerlehrling war und sein Mädchen Rike schwängerte, sich dann aus der Verantwortung stehlen wollte und nicht schaffte. Statt dessen heiratete er sie, oder besser, er mußte sie heiraten
Du hast dich also für eine Version entschieden. Warum überrascht mich deine Wahl nicht? Andererseits, eigentlich müsstest du doch zu Diana halten, so wie der gute Fritz zur guten Friederike. ;)

Habe sie gern gelesen, Elisha, deine Geschichte nach meinen dürftigen Angaben – hätte nicht gedacht, daß daraus etwas werden würde.
Und, hast du auch Lust, zu deiner Vorgabe etwas zu schreiben?


Hallo Nicole,

Nachdem die Idee ja war, über die Sprache zu diskutieren sage ich nichts zum Inhalt, außer dass ich bestimmte Teile mehrfach lesen musste, um sie zu kapieren. So ganz begriffen habe ich aber dennoch nicht alles, z.B. das mit dem Grab der Verflossenen.
Da mir zu Bergs Aufgabe nichts einfiel, habe ich diese Geschichte hier normal unter "Seltsam" gepostet; also stelle ruhig deine Fragen zum Inhalt (könntest du natürlich auch zu Bergs Geschichte, fällt mir gerade ein :shy: ).

Ich finde ebenfalls, dass du den rechten Kompromiss zwischen lyrisch stimmungsvoll und faktenbezogen gewählt hast. Dies spricht auch aus dem eingestreuten Dialogteil, in welchem der Prot. in voller Nüchterheit (und Menschenverachtung) durchkommt. In dem Nachfolgenden Abschnitt mit der Petersilie greifst du seine Intention mit der rechten Portion Zynismus auf, eines der Highlights in dem Text.
So negativ sehe ich ihn gar nicht; eher ambivalent.

Einweiteres Highlight ist
Zitat:
Wie das Dorf hatte er damals auch die Kirche verlassen mit ihren engen Vorschriften und dem ständigen Druck auf sein Gewissen, der alle Lebensfreude aus ihm auszupressen schien und er sich, noch bevor er erwachsen war, immer mehr verwelkt, verschrumpelt und vermodernd gefühlt hatte.
wenn du noch vermodert aus dem vermodernd machst ...
Seit du das gepostet hast, grüble ich darüber nach, was mir besser gefällt: vermodernd oder vermodert? :hmm:

Gut ist auch der Gag mit der Schulde, der Ortsbezeichnung, die eigentlich seinen Gemütszustand wiedergibt. Ein dickes Lob für alle weiteren verpackten Tiefsinnigkeiten wie Unkraut jäten und sich unterhalten dabei oder das Ansprechen der Zufallsthematik, denn natürlich treibt ihn kein Zufall sondern die Vergangenheit zurück.
Schön, dass du das bemerkt hast. Namen sind klasse, nicht?


Hallo Rick nochmal,

Ich mag solche Gedankenspielereien, die ja in dem Film "Butterfly-Effect" absolut genial variiert werden. Falls du den nicht kennen solltest: ANSEHEN!!! Da geht es nur um die Thematik, in einer äußerst verblüffenden Geschichte.
Klar, sowas interessiert mich. Hab ich sogar im Kino gesehen.

P.S.: Jetzt bin ich überhaupt erst über den Thread und Dions Ausführungen gesolpert, die dann zu deiner KG geführt haben. So ist die also entstanden! Respekt, was du da aus den paar Rahmenbedingungen "gebastelt" hast.
:lol:


Vielen Dank an euch alle fürs Lesen und eure Geduld.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

zugegeben brauchte ich etwas, um die Geschichte zu verstehen. Jetzt aber, da ich sie durchdrungen zu haben glaube, finde ich sie einfach nur fantastisch. Ganz nach meinem Geschmack, die Verzahnungen der "Parallelwelten".

Sprachlich gibt es nichts zu bemängeln, auch die Länge korrespondiert wunderbar mit dem Inhalt.
Nicht sonderlich konstruktiv, ich weiß, aber dafür umso lobender...

grüßlichst
wetenläufer

 

Elisha schrieb:
Du hast dich also für eine Version entschieden. Warum überrascht mich deine Wahl nicht? Andererseits, eigentlich müsstest du doch zu Diana halten, so wie der gute Fritz zur guten Friederike. ;)
Meine Entscheidung hat formale bzw. logische Gründe, Elisha, denn entweder stimmt der Satz, daß der Prot nach langer Zeit in „sein“ Dorf zurückkehrte, oder aber der Satz, daß der Prot den Friedhof haßte, auf dem „wohlmanikürte Frauen ihre Hündchen spazieren führten“. Da der zweite Satz nur dann einen Sinn hat, wenn er die Wandlung vom Dorf zu Zweitwohnung- und Ferienhäuschenparadies und den damit verbundenen Bevölkerungsstruktur (manikürte Frauen mit Hunden) real miterlebte, kann die Schlußfolgerung nur sein: Er lebt nach wie vor im Dorf – das Weggehen und das Was-wäre-wenn samt Diana existiert nur in seinem Wunschtraum.

Dion

PS: Ob ich eine kg nach den Vorgaben schreibe, weiß ich noch nicht – hatte dabei an nichts Bestimmtes gedacht und habe auch jetzt keine Idee, was ich da schreiben könnte.

 

@weltenläufer

zugegeben brauchte ich etwas, um die Geschichte zu verstehen. Jetzt aber, da ich sie durchdrungen zu haben glaube, finde ich sie einfach nur fantastisch. Ganz nach meinem Geschmack, die Verzahnungen der "Parallelwelten".
Schön, dass du dich zu einer unkonstruktiven Kritik durchgerungen hast. ;) Nee, wirklich danke für das Feedback.


@Dion

Meine Entscheidung hat formale bzw. logische Gründe
Die Geschichte ist so konstruiert wie eins von Eschers Bildern - wenn man konsequent eine Version durchspielt, passt irgendwas nicht. Bei beiden Versionen, und absichtlich so, damit beide möglich sind. Aber ich verstehe deine Argumentation.

PS: Ob ich eine kg nach den Vorgaben schreibe, weiß ich noch nicht – hatte dabei an nichts Bestimmtes gedacht und habe auch jetzt keine Idee, was ich da schreiben könnte.
Wenn, dann erwarte ich mal deine PM.

Gruß, Elisha

 

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