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Weltfrauentag
Ich bin Mutter, Ehefrau und teilzeitbeschäftigt bei einer großen Bank. Herr Wimmer, ein Betriebsratsmitglied steht mit einer Rose vor mir und wünscht einen wunderschönen Weltfrauentag. „Nä, wat schön“, denke ich mir und bedanke mich mit artigem Lächeln. Natürlich bekommt jede Frau in der Bank eine Rose, und Herr Wimmer hat heute noch viel zu tun um seine Rosen los zu werden.
Es ist 13:00 Uhr und ich muss mich beeilen. Der Hort, den meine Tochter nach der Schule besucht, macht heute Betriebsausflug, so dass Lara gleich nach Hause kommt. Eine Kundin fragt mich, ob ich ihr schnell noch was erledigen kann. „Es dauert auch nicht lange, geht ganz schnell“, säuselt sie. Das kenne ich und dann nimmt es doch eine halbe Stunde in Anspruch. Wenn ich jetzt auf eine Kollegin oder gar einen Termin verweise, riskiere ich eine Beschwerde, was für eine faule und unfreundliche Mitarbeiterin ich doch bin. Ich riskier`s dennoch, die Zeit ist knapp bemessen. Ein schnippisches „Na gut“ mit pikierter Mine ist die Reaktion.
Jetzt aber nichts wie weg. Gottlob haben Kollegen und Vorgesetzte Verständnis.
Zu Hause wartet schon Lara und begrüßt mich vorwurfsvoll: „Wo bleibst du denn? Außerdem habe ich eine schlechte Nachricht.“ Ist die schlechte Nachricht die Strafe weil ich fünf Minuten zu spät bin? Bitte nicht schon wieder ein avisierter Anruf von der Lehrerin. „Was ist denn passiert?“ frage ich lahm. „Hier guck doch mal.“ Zur Abwechslung ist Lara mal in einen Kaugummi statt in Hundescheiße getreten. Ich atme fast auf. Allerdings hat sie Sandalen an, so dass nicht nur die Sohle, sondern auch der Strumpf mit der zähen Masse versaut ist.
Bevor wir nach oben gehen, leere ich noch den Briefkasten. Ein Brief von der Deutschen Rentenversicherung: „… beiliegenden Antrag V 800 ausgefüllt zurückzusenden mit den notwendigen Unterlagen.“ Als aufgeklärte Bürgerin habe ich das bereits vor acht Jahren bei der Geburt meiner Tochter erledigt, und weil ich auch eine brave Bürgerin bin, habe ich das vor zwei Jahren bei der ersten Aufforderung erneut getan. Jetzt werde ich eine ungehaltene Bürgerin, insbesondere da man von: „im gemeinsamen Interesse einer zügigen Bearbeitung“ spricht. Der Brief wird schnaubend zur Seite gelegt, die Steuer ist sowieso zuerst dran!
Oben angekommen öffne ich die Tür, und das erste was ich sehe, Klopfer, unser Kaninchen, hat die Tapete angefressen. Wir haben vor vier Wochen das Esszimmer renovieren lassen. „Ich mach dich einen Kopf kleiner, du Mistvieh,“ schreie ich laut. „Du bist gemein, du bist eine richtig gemeine Mutter,“ klagt mich Lara heulend an und heimelt die schwarze Bestie mit den zärtlichen Worten: „Komm, mein kleiner armer Klopfer, komm zu mir, bevor die böse Mama dich kriegt.“ Ab morgen füttere ich euch beide nicht mehr, denke ich gehässig.
Im Schulranzen ist die Trinkflasche ausgelaufen. Ausgerechnet heute habe ich Orangensaft statt Mineralwasser wie sonst eingefüllt. Eine halbe Stunde nimmt die Reinigung des Inhalts in Anspruch.
Das Telefon klingelt, meine Mutter ist am Apparat. Ich habe die besten Eltern, die man haben kann, trotzdem nervt es mich, wenn man von mir dienstags wissen will, was meine Familie Sonntags denn gerne essen möchte. Auf mein keine Ahnung kommt ein beleidigtes Ich-meine-es-doch-nur-gut. Das reizt mich zu der Erwiderung: „Lass uns essen gehen, dann kann jeder essen, was er will,“ aber ich verkneif es mir. Mutter setzt sich durch und wir einigen uns auf Sauerbraten.
Lara soll Hausaufgaben machen, während ich die Wäsche aufhänge. Vier Teile habe ich geschafft, dann höre ich ein verzweifeltes: „Mathe ist ein Arschloch.“ Ich eile zu ihr. Haare raufend sitzt sie vor ihrem Buch und jammert, dass sie nicht versteht, was sie tun soll. Ich studiere die Aufgabe und versteh`s auch nicht. „Mach doch mit deinen Schreibaufgaben weiter, wir zeigen die Matheaufgaben heute Abend Papa.“ Vielleicht reicht sein Ingenieurstudium, wo meine Banklehre versagt.
Die Wäsche muss zu Ende aufgehangen werden. Zu meinem Entsetzen stelle ich fest, dass ich meinen neuen edlen Lancome Lippenstift mit gewaschen habe. Ich lerne: kussecht nicht waschecht!
Es ist 18:30 Uhr und ich will gerade mit Lara noch gemütlich die Kinderstunde im Kika gucken, da kommt Ernst, mein Mann nach Hause. Er begrüßt uns mit einem Kuss und macht mich sofort darauf aufmerksam, dass er da was Komisches am Rücken hat. Er streift sein Hemd hoch und ich sehe tatsächlich einen Pickel. „Kannst du was erkennen? Was ist das?“ fragt er ängstlich. Er baut auf mein, wie jeder Frau von Gott gegebenes, ärztliches Wissen. Wenn ich einfach nur Pickel sage, zieht er das Wissen in Zweifel, also sage ich: „ Eitriges Furunkel.“ Ernst sieht mich gar nicht ernst an, lacht und sagt: „Du bist gemein.“ Dann kitzelt er mich und Lara stürzt sich lachend dazu. Ich krähe und quietsche: „Hey, heute ist Weltfrauentag.“ „Na und,“ sagen die beiden wie aus einem Mund und wir toben zu dritt, bis Lara ins Bett muss.
Die Rose steht in einer Vase auf dem Tisch und ich denke zufrieden: "Was für ein Tag!"