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Wie die Zeit vergeht …

Beitritt
15.03.2009
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Wie die Zeit vergeht …

“Jetzt sind es schon fünf Monate. Wie die Zeit vergeht! Ich fühle, wie du wächst, wie du meinen Körper veränderst. Manchmal sehe ich dich vor mir: deine Händchen, die Arme, wie du strampelst, dein zartes Gesicht ... Du hast die ehrlichen, schwarzen Augen deines Vaters. Die Pendlerin sagt, du bist ein Junge, und ich glaube, sie hat recht. Ich spüre deine Kraft in mir. Gestern habe ich von dir geträumt. Du warst schon groß, etwa zehn. Wir hatten ein Haus, und ich saβ auf der Veranda und habe dir beim Fußball spielen zugeschaut und mich gewundert, wie schnell du gewachsen bist. Die Zeit vergeht … Du wirst ein schöner, starker Mann werden, wie dein Vater. Er hat sich ja so gefreut, als er von dir erfahren hat, da hat er mich umarmt und ganz fest an sich gedrückt. Es ist wahr, wir haben dir nicht viel zu bieten, nur das Kämmerchen bei meinen Eltern. Doch dein Vater arbeitet hart. Seit es dich gibt, ist er kaum noch zu Hause. Jetzt ist er schon acht Tage weg, aber das Boot wird bald kommen. Morgen oder übermorgen ist er sicher zu Hause. Die Holzfirma hat viel zu tun, und sie bezahlen nicht schlecht. Bald werden wir wirklich ein Häuschen bauen können, nur für uns drei. Schau, was ich für dich gestrickt habe. Ein Mützchen, damit dein kleiner Kopf nicht unter der Sonne leidet. Die Bettdecken sind auch schon fertig, und Tante Gilda hat dir Windeln genäht. Du wirst sehen, alles wird gut werden. Er kommt bald nach Hause, und alles wird gut …”

Der hiesigen Gewohnheit entsprechend war ich eine halbe Stunde später als verabredet mit einer Kiste Bier erschienen. Marisa hatte den Tisch gedeckt. Da standen Reis, Bohnen und Farinha, das trockene Mandiokmehl. Es schmeckt wie Brösel und bleibt zwischen den Zähnen stecken, doch für die Bewohner des Amazonas gibt es keine Mahlzeit ohne Farinha. Fernando brachte das Fleisch vom Grill. Wie üblich hatte er Unmengen davon zubereitet. Marisa rief die Kinder. Antônio war acht, Susan fünf.
“Wascht euch die Hände!”
Susan lief sofort ins Haus, Antônio gehorchte nur trotzig.
“Komm, Tante Elsa! Das Essen ist fertig.”
Ich hatte die Tante zwar beim Hereinkommen begrüßt und wurde ihr vorgestellt, dann vergaß ich aber fast, dass sie da war. Sie saß so still in ihrem Schaukelstuhl in der Ecke. Jetzt blickte sie auf, legte ihr Strickzeug zur Seite und strich mit der Hand ein paar Mal über ihren Bauch. Dann erhob sie sich gebrechlich und kam zu Tisch.
Es schmeckte ausgezeichnet. Fernando hatte Caipirinha serviert und wir plauderten. Marisa und Fernando wollten mehr über die österreichische Küche erfahren. Ich erzählte ihnen von Mehlspeisen und Knödeln.
Die Tante beteiligte sich nicht am Gespräch, blickte tief in ihr Teller hinein, und verschlang löffelweise Farinha. Ich wunderte mich wieder einmal, wie die Leute von hier das Zeug so trocken runterschlucken konnten.
Erst als die Frau verstand, dass ich von auswärts kam, fragte sie mich:
“Sind Sie mit dem Boot gekommen?”
Auf meine Antwort hin, ich sei mit dem Flugzeug aus Manaus gekommen, wurde ihr Blick wieder leer und fixierte sich auf das Häufchen Reis vor ihr. Sie streichelte unentwegt ihren Bauch und lächelte dabei.
Ich erzählte Antônio und Susan vom Schnee, ein Thema, das Kindern in den Tropen stets die Augen weitet. Es fiel mir nicht leicht, ihnen Rodeln oder Schifahren zu schildern. Antônio war begeistert von der Idee, eine Schneeballschlacht zu veranstalten. Für Susan zeichnete ich einen Schneemann.
Da wurde Tante Elsa wieder gegenwärtig und hakte ein:
“Haben Sie Kinder?”
Ich verneinte.
Sie musterte mich von oben bis unten mit einem bedauernden Blick und fragte mit einer Direktheit, die hierzulande nicht üblich ist, nach meinem Alter. Ich antwortete ebenso direkt und wollte schon die übliche, kulturell akzeptable Erklärung zum Besten geben, wurde aber von Antônio unterbrochen:
“Sag, wie alt du bist, Tante Elsa!”
Marisa schaute ihren Sohn verärgert an.
“Lass das doch, Antônio!”
Doch Tante Elsa schien die Frage nicht zu stören, sie antwortete ohne zu zögern:
“Achtzehn.”
Antônio lachte unter dem vorwurfsvollen Blick seiner Eltern.

Als wir mit dem Essen fertig waren, brannte die Sonne schon unbarmherzig auf die Veranda herunter, also machten wir es uns auf der Rückseite des Hauses gemütlich, wo es noch schattig war. Die Kinder liefen auf die Straße zum Spielen, und die Tante blieb bei ihrem Strickzeug. Fernando mixte noch ein paar frische Caipirinhas und erzählte mir dabei Tante Elsas Geschichte:
“Sie ist die ältere Schwester meiner Mutter. Hat bereits in ihrer Jugend den Verstand verloren. Seit meine Mutter starb, wohnt sie bei uns. Es muss schon an die vierzig Jahre her sein, dass sie so geworden ist. Sie war frisch verheiratet, als es passierte - und sie war schwanger. Ihr Mann arbeitete als Holzfäller in der Nähe von Tapauá und wurde dabei von einem Baum erschlagen. Als sie die Nachricht erfuhr, verlor sie das Kind. Da blieb ihr Leben stehen. Kein Arzt oder Psychologe hat es je fertiggebracht, sie in die Gegenwart zurückzuholen. Manchmal denke ich, ihr geht es besser, da wo sie ist. Meistens schaut sie direkt glücklich aus. Nur wenn meine Freunde vorbeikommen, Männer aus der Stadt, wird sie aufgeregt und fragt andauernd, wann das Boot aus Tapauá endlich kommt.”

Beim Heimgehen verabschiedete ich mich von Tante Elsa und legte meinen Arm um ihre Schulter. Sie lächelte mich an. Mein Blick fiel auf die himmelblaue Babymütze, die sie schon fast fertiggestrickt hatte.

 
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Guten Tag, Elisabeth Wilhelm,

nachdem ich zuerst dachte: Oh weh, ein schmalziger Schwangerschafts-Glückshormontext mit Pendlerin und Brüsten, war ich erleichtert über die nüchtern und einfach erzählte Geschichte, die danach kam.
Jetzt hab ich aber folgendes Problem:
Das Kursive am Anfang kam mir, nachdem ich den Rest gelesen hatte, nicht besser vor, sondern noch viel schlimmer. Ich fragte mich: Hat die Tante sowas erzählt? Unwahrscheinlich. Falls doch, wird es nicht erwähnt.
Eher hat die erzählende Person diese Gedanken in Tante Elsa hineingedichtet, damit's rührend wird. Das ist melodramatisch und irgendwie schamlos; versteh mich nicht falsch, ich hab nur ein unbehagliches Gefühl, als werde Tante Elsa mißbraucht, indem ihre persönliche Tragödie romantisch verklärt im Kursiv (und in der ersten Person!) daherkommt, um eine Reiseanekdote aufzupeppen, die sich, was tatsächliche Erlebnisse angeht, auf Essen,Trinken und bißchen Tischgespräch beschränkt.
Ich würde auf jeden Fall den gesamten Kursivtext streichen. Dann bleibt freilich nicht mehr viel übrig, aber besser wäre es trotzdem. Vielleicht gibt es ja andere, ehrlichere Wege, um den Leser zu rühren und die Geschichte anzufetten.

Mit freundlichem Gruß,
Makita.

 

Hallo Makita,

Vielen Dank für Dein Feedback. Hast mich da ganz schön zum Grübeln gebracht. Dass der Paragraph in Kursiva rüberkommt, wie eine billige Masche, um auf die Tränendrüsen zu drücken, wär mir nie eingefallen. Es war ein Versuch, mich selbst (und somit den Leser) in die Gedankenwelt der Frau zu versetzen, damit sie mehr ist, als eine alte verrückte Frau, die in der Ecke sitzt und strickt und die ihr Alter nicht weiss. Ich wollte auch einen Kontrast schaffen zwischen Tante Elsas Welt und der "wirklichen" Umgebung. "reingedichtet" - hat die Gedanken die Autorin, nicht die Erzählerin. Aber wenn ich das erklären muss, dann ist es mir offensichtlich nicht gelungen.

Auch hatte ich keine Absicht, eine Reiseanektote zu schreiben, sondern es geht eigentlich nur um diese Frau, die sich weigert, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen, und die Zeit anhält. Dass die Geschichte im Amazonas spielt, ist reiner Zufall. Sie könnte sich überall abspielen. Vielleicht sollte ich den Handlungsort neutraler gestalten, um wenigstens den Reiseanektoteneffekt loszuwerden. Dann müsste man sie aber komplett neu schreiben.

Ich bin mir nicht so sicher, was du mit "ehrlichen" und "unehrliche" Wegen meinst, die Leser zu "rühren". Wäre dankbar, wenn Du mir das erläutern könntest.

Gruss

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth,
meine Meinung, zu deinem Text:
Den kursiven Teil finde ich sehr einfühlsam geschrieben, in einer guten Sprachmelodie mit nur ganz kleinen Stolperstellen.
Er ist für mich eine glaubhafte Beschreibung von Gedanken und Gefühlen eines glücklichen und besorgten Menschen. Wie der Weg der Geschichte weiter geht, bleibt noch unklar.
Ohne diesen Teil ergäbe der nachfolgende keinen Sinn.
Und dieser sorgt in seiner anderen, einfachen Sprache für eine glaubwürdige Auflösung. Nicht mehr, und nicht weniger. Die Geschichte erzählt, was du erzählen magst.
Ich finde, dies ist dir gut gelungen.

Einige Annmerkungen:
Zwischen Text und den drei Pünktchen ... solltest du immer ein Lerzeichen lassen, beginnend beim Titel.

Dein Verwenden von direkter Rede und Zeilenumbruch:

Beispiel:

Da wurde Tante Elsa wieder gegenwärtig und hakte ein:
“Haben Sie Kinder?” Ich verneinte.
Erwarten würde ich:

Da wurde Tante Elsa wieder gegenwärtig und hakte ein: “Haben Sie Kinder?”
Ich verneinte.

Aber vielleicht ist es ja ein Stilmittel.

Liebe Grüße
Jürgen

 

Hallo Jürgen,

Vielen Dank für Dein Kommentar. Hat mich gefreut, dass Du Tante Elsa glaubhaft fandst und rüberkam, was ich erzählen wollte.

Habe Deine Anmerkungen dankbar eingefügt, auch den Zeilenumbruch geändert. Ob das jetzt ein Stilmittel ist, weiss ich nicht so genau, aber irgendwie gefällt's mir halt besser, wenn die direkte Rede am Zeilenanfang steht.

Liebe Grüsse

Elisabeth

Wäre einer der Moderatoren bitte so nett, beim Titel den Abstand vor den Pünktchen einzufügen? Danke!

 

Hallo Chausie,

Hat mich sehr gefreut, dass Dir die Geschichte gefiel.

Vielen Dank für Dein Kommentar und für das Herausheben der Stolperstellen. Muss mir noch überlegen, wie ich die ausbügle.

Liebe Grüsse

Elisabeth

 

@ Chausie
Mit Pendlerin meint Elisabeth eine Frau, die das Geschlecht ausgependelt hat, keine Reisende.


Hallo Elisabeth,

zu allerst einmal: Die Geschichte hat mir - mit Einschränkungen, auf die ich noch eingehe - sehr gut gefallen. Besonders auch, weil sie für mich einen Mehrwert hat und das sind die Texte, die eben nicht grade mal so ein Abwechslungshappen zwischendurch sind, sondern auch etwas bewirken.

Dieser Mehrwert besteht bei mir, künftig alten Leutchen, mit denen man ja immer wieder zu tun hat, noch mit mehr innerem Respekt entgegenzutreten, auch wenn sie z.B. schon in der Demenz versunken sind oder ähnlichem.

Dieser Effekt konnte natürlich nur durch den kursiven Teil entstehen, trotzdem habe ich an dem herumzukritteln: Mir ist er zum einen zu lang und zum anderen zu süßlich. Ich habe auch schon zwei Schwangerschaften hinter mir, aber so duddeldeimäßig habe ich mich gedanklich nie mit meinen ungeborenen Kindern unterhalten, deswegen ist mir das auch sehr fremd und spricht mich nicht an.
Die Gedankengänge resp. Ansprachen an das Kind empfinde ich teilweise als kitschig, das suche ich dir folgend noch raus.

Dann würde ich dir vorschlagen, aus dem 5. Schwangerschaftsmonat den 7. zu machen. Da wir ja im Amazonas sind, gibt es keine Frühchenstation (war ja auch schon Jahrzehnte her) und auch ein Siebenmonatskind würde also auch da kaum eine Überlebenschance haben.

Im fünften Monat ist die Tatsache noch nicht so gegenwärtig, gerade, dass man das Kind evtl. ! mal spüren kann, der Bauch ist noch nicht so richtig schwangerschaftsgerundet, da fängt man erstmal an, sich richtig damit auseinanderzusetzen. So, wie du die die Frau darstellst, müsste sie eigentlich schon länger schwanger sein.

Beim darauffolgenden Abschnitt nach dem Kursiven habe ich als Leser erst einmal ein Orientierungsproblem:

Das Kursive ist in der ersten Person. Dann wird eine ganze Familie namentlich vorgestellt, die Tante kommt auch noch und in dem Zuge erfährt man von der zweiten Ich-Erzählerin. Das finde ich für mich als Leser schwierig zuzuordnen. Vielleicht findest du da eine bessere Variante, diese zweite Person vorzustellen.

Die süßlichen Sätze:

Schau, wie groβ meine Brüste geworden sind. Bald wirst du daran saugen.

Manchmal sehe ich dich vor mir: deine Händchen, die schwachen Arme, wie du strampelst, dein Gesicht, sehe deine Augen vor mir. Obwohl sie noch nicht ganz entwickelt sind, schaust du mich fragend an.
Dieser erste Satz ist meiner Ansicht nach zudem etwas ungelenk. Wieso die Betonung auf schwache Arme? Dann eine Wortwiederholung mit sehe.

Da haben wir uns so tief und innig geküsst wie nie zuvor.

Ich könnte mich Tag und Nacht mit deinen Sachen beschäftigen.
Er kommt bald nach Hause und alles wird gut, alles wird gut …
Im Satz vorher hatten wir das ja auch schon.


Das paßt:

Du hast die ehrlichen, schwarzen Augen deines Vaters. Die Pendlerin sagt, du bist ein Junge, und ich glaube, sie hat recht. Ich spüre deine Kraft in mir.

Den folgenden Part würde ich rausschmeißen, damit dieser Gesamtkursivtext kürzer wird:

Gestern habe ich von dir geträumt. Du warst schon groβ, etwa zehn. Wir hatten ein Haus, und ich saβ auf der Veranda und habe dir zugeschaut. Du hast auf der Straβe mit den Kindern Fuβball gespielt. Du warst so flink und so schön. Ich konnte meine Augen nicht von dir losreiβen. Du hast ein Tor geschossen, bist vor Freude in die Luft gesprungen. Dann hast du zu mir rübergeschaut, hast gelacht und mir zugewunken. Da schoss ein Junge den Ball zu dir, und er knallte dir direkt ins Gesicht. Du hast geweint und bist zu mir hergelaufen. Ich bin aufgestanden, habe dich im Arm gehalten, ganz fest gehalten. Ich habe mich gewundert, wie schnell du gewachsen bist. Die Zeit vergeht …


Da standen Reis, Bohnen und die übliche Farinha, das trockene Mandiokmehl, das wie Brösel schmeckt und zwischen den Zähnen steckenbleibt, ohne das die Bewohner des Amazonas keine Mahlzeit zu sich nehmen.
Den Satz finde ich zu kompliziert. Mache zwei draus oder stelle logischer um.
Fernando hatte Caipirinha gemacht und wir plauderten.
Caipi machen liest sich nicht schön. Vielleicht eher serviert ?
Es fiel mir nicht leicht zu beschreiben, worin Rodeln oder Schifahren besteht.
worin ... besteht liest sich komisch. Vielleicht ganz schlicht: Es fiel mir nicht leicht zu beschreiben, wie man schifährt oder rodelt.

Dann erzählte er mir die Geschichte:
Schöner fände ich: ... mir Elsas Geschichte:
“Sie ist die ältere Schwester meiner Mutter. Hat als junges Mädchen den Verstand verloren. Seit meine Mutter starb, wohnt sie bei uns.
... meine Mutter gestorben ist, wohnt ...

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Bernadette!

Vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ja, bei mir selbst weckte der erste Paragraph auch schon Verdacht auf Kitschalarm, was sich nach Makita's Kommentar noch verstärkte. Bin Dir sehr dankbar für Deine Mühe, mir die allzu süsslichen Stellen herauszuheben. Oohh! And der Traumszene hänge ich leider irgendwie, wenn auch kitschig. Auch kommt Elsa von wo her, wo Frauen Fernsehserien verschlingen, bei denen der Honig vom Bildschirm fliesst, auch wenn's in Elsa's Jugend vielleicht noch gar kein Fernsehen gab. Trotzdem sollte das wohl einem Europäischen Leser nicht die Haare sträuben vor Schmalz. Muss da einiges noch mal übergrübeln, auch was ich mit der Erzählerin mache.

Besonders dankbar bin ich Dir zu den Bemerkungen, was die Schwangerschaft angeht. War ich noch nie und mir bewusst, dass ich da voll daneben liegen könnte.

Dankbar auch für das hier:

@ Chausie
Mit Pendlerin meint Elisabeth eine Frau, die das Geschlecht ausgependelt hat, keine Reisende.

Hatte Chausie's Bedeutung ebenso wenig kapiert, wie umgekehrt. Jetzt fiel der Groschen bei mir... (@ Chausie: ;))

Dieser Mehrwert besteht bei mir, künftig alten Leutchen, mit denen man ja immer wieder zu tun hat, noch mit mehr innerem Respekt entgegenzutreten, auch wenn sie z.B. schon in der Demenz versunken sind oder ähnlichem.

:) Da bin ich ganz aus dem Häuschen vor Freude!

Danke für das Lob und noch mehr fürs "Herumkritteln"

Liebe Grüsse

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth Wilhelm,

eine schwangere Frau macht sich Gedanken über ihr ungeborenes Kind, über seine Zukunft und – so schließt sich der Kreis über die Welt, in die das Kind hineingeboren wird. Diese ist zwar ärmlich, aber das Bestmögliche soll geschehen, dass es dem Kind einmal gut gehen wird.
Man kann dies durchaus für die Gedanken einer schwärmenden einer Mutter halten, einer naiven, verniedlichenden auch besorgten. Betrachtet man aber den gesamten Text wird klar, wie sehr die Frau in einer selbstbezogenen Realität erstarrt ist. Grund hierfür ist der beschriebene Schicksalsschlag. (Ich vermute jedenfalls, der Schlüssigkeit wegen, das der kursive Text zeitnah zu verstehen ist).

Diese ‚Konstruktion’ ist ansprechend, auch das Lokalkolorit, mit dem die beschrieben Situation untermalt ist.

Hier die Stelle, an der die Erzählerin von der ‚Schwangeren’ angesprochen wurde:

„Die Tante beteiligte sich nicht am Gespräch, blickte tief in ihr Teller hinein, und verschlang löffelweise Farinha. Ich wunderte mich immer wieder, wie die Leute von hier das Zeug einfach so runterschlucken konnten.
Nur als die Frau verstand, dass ich von auswärts war, fragte sie mich:
“Sind Sie mit dem Boot gekommen?”
Auf meine Antwort hin, ich sei mit dem Flugzeug aus Manaus gekommen, wurde ihr Blick wieder leer“

Bis dahin hatte die Erzählerin noch nichts Außergewöhnliches an der Tante bemerkt stille Menschen gibt es oft), jetzt heißt es plötzlich „Nur als …“ und der Blick wurde „wieder“ leer.
Das setzt eine vorherige Kenntnis einer Anormalität voraus.

Fazit: Eine gut lesbare Geschichte mit Sachlichkeit geschildert trotz des emotionalen Hintergrunds.

Noch zwei Kleinigkeiten:

„sehe deine Augen vor mir. Obwohl sie noch nicht ganz entwickelt sind, schaust du mich fragend an.“

Das rationale „obwohl sie noch nicht entwickelt sind“ sticht aus dem übrigen Text heraus, passt nicht unbedingt zu dem emotionalen, naiven Rest.


„Ich hatte die Tante zwar beim Hereinkommen begrüβt und wurde ihr vorgestellt, dann vergaβ man aber fast, dass sie da war.“

Vielleicht ‚vergaß ich’? Sie weiß ja nicht, was die anderen denken.

LG,

Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Woltochinon,

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Hat mich sehr gefreut, Deine positive Kritik.

Ja, der kursive Text ist "zeitnah" aufzufassen, Tante Elsa lebt noch immer da, wo sie mit 18 stehenblieb. (Es gibt diese Frau übrigens.)

Du bist der Erste, der mir sagt, dass ihm der Handlungsort gefällt. Das freut mich. Hatte mich schon gefragt, ob dadurch die Aussage verloren geht. Von Deinem von mir kommentierten Text zu schliessen, scheinst Du ein Weltenbummler zu sein. Vielleicht hat es damit zu tun.

Danke auch für den Hinweis auf den unpassenden Ausdruck "obwohl sie noch nicht ganz entwickelt sind" - Glaube, Du hast recht damit. - und die Bemerkungen dazu, was die Erzählerin schon weiss oder ahnt und in andere Anwesende hineininterprätiert.

Bin mir bewusst, dass der Text noch Überarbeitung braucht, aber sehr unschlüssig, wie dabei vorgehen.

Vielen Dank

Elisabeth

@ Bernardette

Neulich sprach ich mit einer Frau, die im 4. Monat schwanger ist, und bereits innere Dialoge mit dem Nachwuchs hat. Ist wohl bei jedem etwas anders und bei Brasilianerinnen, grob verallgemeinert, vielleicht emotioneller (oder kitschiger) als bei Deutschen.

Werd mal all Eure Kommentare einsinken lassen und dann weiterschaun, was ich eigentlich wirklich mit dem Text machen will. Kürzen, nur ein paar Änderungen einfügen, entkitschen... :confused:

Danke Euch allen nochmals

Liebe Grüsse

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth,

insgesamt hat mir Deine Geschichte gut gefallen.
Die kursiven Gedanken am Anfang empfand ich als zu lang und zu ausschweifend, da solltest Du ein bisschen kürzen, dadurch würde der Text insgesamt gewinnen, finde ich.

Beim zweiten Teil musste ich mich erst mal zurechtfinden. Das war nicht ganz leicht, denn die vielen Figuren muss man als Leser erst mal kennenlernen und einordnen. Eigentlich bin ich erst ganz am Ende durchgestiegen und das finde ich etwas schade. Ich hätte gerne von Anfang an mehr Durchblick in Deiner Geschichte.

Das Thema gefällt mir sehr gut, sowohl die Demenzerkrankung der Tante als auch deren Trauer um den verstorbenen Mann und das tot geborene Kind. Die Flucht in diese Welt war für mich gut nachvollziehbar, das Warten auf das Schiff, das den geliebten Mann heimbringt.

Wenn Du den zweiten Teil ein wenig "entwirren" könntest, würde mir die Geschichte noch viel besser gefallen.

Liebe Grüße
Giraffe :)

 

Hallo Giraffe,

Vielen Dank für Dein Feedback. Hat mich sehr gefreut, dass Dir die Geschichte gefiel. :)

Ich kann Deine Kommentare gut nachvollziehen. Werde mal versuchen, den ersten Teil etwas zu kürzen.

Ja, die Geschichte ist so aufgebaut, dass man erst am Ende versteht, was hier eigentlich abläuft. Ob ich das ändern will, weiss ich noch nicht. Bin mir nicht so sicher, ob da dann genug Motivation zum Weiterlesen dawäre. Würde auch gern versuchen, den zweiten Teil zu entwirren, wäre Dir dankbar, wenn Du mir sagen könntest, was einen da genau durcheinander bringt. Die Personen sind eigentlich für die Geschichte nicht so wichtig - ausser der alten Frau - es ist halt ganz eine normale Familie: Mutter, Vater und zwei Kinder, bei denen die Tante wohnt. Ist es der Wechsel der Erzählerin, der schon in anderen Kommentaren erwähnt wurde, der einen verwirrt?

Hoffe, ich komme bald dazu, mich mit der Geschichte noch mal auseinanderzusetzen.

Danke und liebe Grüsse

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth,

was mich ein bisschen durcheinander gebracht hat, waren die Namen Marisela und Marisa. Ist damit dieselbe Person, also die Mutter der Kinder, gemeint?
Könnte Marisela die Verniedlichung von Marisa sein? Solche Gedanken habe ich mir während des Lesens gemacht. Das hat mich etwas verwirrt.

Der Wechsel der Erzählerin kommt auch noch dazu. Da war ich mir im ersten Moment nicht mehr sicher, wer jetzt erzählt.

Liebe Grüße
Giraffe :)

 

Hallo Giraffe,

Hui, du liebe Zeit. Marisela und Marisa - nein, das ist einfach nur ein bescheuerter Fehler von mir, den ich nach oftmaligem Durchlesen noch immer nicht bemerkt hatte. Hab der Frau tatsächlich zwei verschiedene Namen gegeben. :Pfeif: Wo war nur meine Aufmerksamkeit?

Vielen Dank für den Hinweis, das werd ich sofort ausbügeln. Was ich mit der Erzählerin mache, weiss ich aber immer noch nicht.

Hat mich gefreut, Deine Rückmeldung.

Danke nochmals, liebe Grüsse

Elisabeth

 

ich finde die Geschichte sehr schön. Und das Kursive kam mir eher so rüber, als würde sie gerade einen Brief schreiben. Ich habe mich viele Jahre zurückversetzt gefühlt. Damals haben die Leute, aus viellangeweile, Tagebuch geschrieben um auch später den Kindern draus vor zu lesen. und das Kursve war so etwas für mich. Man konnte ihre Empfinden richtig nachfühlen und fande dann den schluss ganz toll, da man dann wusste das es nur ihre Welt war. Aber natürlich auch ein sehr trauriger schluss. eine tolle Idee finde ich.

 

Hallo Frl. Jett,

Herzlich willkommen hier! Dein Lob hat mich sehr gefreut, vor allem, dass Du die Gefühle nachvollziehen konntest.Der Hinweis mit dem Tagebuch ist auch sehr wertvoll für mich.

Ich kam vor kurzem endlich dazu, ein paar Änderungen vorzunehmen und vorhergehende Kommentare zu berücksichtigen. Dein Komm war der erste seit dem, daher besonders hilfreich. Schön, dass Du die Story noch mal ausgegraben hast. :)

Für die Idee kann ich mich nicht rühmen, denn die Realität ist oft interessanter - in diesem Fall trauriger - als das, was man so erfinden kann.

Danke für Lesen und Kommentieren

Liebe Grüße

Elisabeth

 

Hallo Elisabeth,

in klarer Sprache und mit einem klaren Konzept ist dir hier eine sehr gute und dichte Kurzgeschichte gelungen. Meines Erachtens bietet sie genau das, was eine gute Kurzgeschichte beinhalten sollte. Du schaffst es, ohne ausufernde Beschreibungen Atmosphäre zu erzeugen und einem menschlichen Schicksal trotz der Kürze der Geschichte erstaunlich viel Raum zu verschaffen. Gerade durch den kursiven Einstieg gewinnt die Tragik, die sich im weiteren Verlauf um das Schicksal der Tante rankt, viel Tiefe und gibt der Figur Charakter und Seele. Sie kann ich als Leser am Ende den Schmerz über den Verlust stark mitempfinden und auch die ungesagte und ungeschilderte Tragik des Lebens in meiner Fantasie nachvollziehen. Sehr gern gelesen.

Rick

 

Hallo,

ich finde die Geschichte sehr schön geschrieben und gut zu lesen. Zumindest, hab ich nicht vor dem Ende aufgehört :-)

Liebe Grüße

 

Hallo Rick,

:) Dein Lob freut mich riesig. Danke Dir für's Lesen und Kommentieren.

Liebe Grüße

Elisabeth


Hallo Lovecoach,

Dir auch herzlichen Dank. Freut mich, dass Dir die Geschichte gefiel und Du bis zum Schluss dranbliebst. ;)

Liebe Grüße

Elisabeth


Hab die Geschichte noch mal überarbeitet und die meisten Eurer Vorschläge miteinbezogen. Scheint sich gelohnt zu haben. Hoffe, sie ist jetzt etwas weniger kitschig. Also danke nochmal allen, die zu der Geschichte beigetragen haben. Freue mich über weitere Kommentare und Kritiken.

 

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