Wie im Traum
Sie öffnet schlaftrunken ihre Augen, nimmt noch nicht wirklich wahr, dass der nächste Tag bereits begonnen hat. Es ist kurz vor Mittag, doch sie hat Zeit. Sie haben Zeit.
Langsam dreht sie sich zu ihm, auf die andere Seite des Bettes. Als hätte er es bereits geahnt, rutscht auch er ein Stück näher. Ohne die Augen zu öffnen, lächelt er.
Die erste Berührung an jenem Tag. Er streichelt ihr sanft über den nackten Rücken. So sanft, als befürchtete er, dass sogar das Streifen einer Feder sie verwunden könnte.
Ein leises Seufzen ertönt. Sie spürt seinen warmen Atem im Nacken, wie er sich langsam zu ihrem Ohr schleicht. Er bietet ihr die Möglichkeit, es zu verwehren, bittet um Erlaubnis. Sie lässt es zu, gibt sich den Liebkosungen hin, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Und sie lächelt.
Seit langer Zeit ist es endlich wieder da, dieses Lachen, welches ihr Charisma ausmacht. Sie wirkt wieder wie früher, als für sie die Welt noch heil war, als sie noch das kleine, naive Mädchen war: ein wenig unbeholfen, dennoch selbstbewusst, temperamentvoll und etwas frech.
Doch der Schatten der letzten Monate ist noch nicht gewichen. Noch immer ist eine Spur des Schmerzes zu sehen, wenn sie etwas scheu ihren Kopf zur Seite neigt, wenn sie sich abermals in ihre kleine Welt zurückzieht und sich heimlich fürchtet.
Er küsst sie auf die Stirn und murmelt kaum hörbar, „Ach, Schatz...“
Hat sie das alles denn tatsächlich verdient? Nachdem sie sich solange dieser Welt, die ihren Glauben tötete, verwehrt hatte? War sie nun endlich wieder in der Lage, sie selbst zu sein?
Samstag Mittag ist vorüber, doch noch immer fühlt sie sein Streicheln auf ihrem Rücken. Und noch immer lächelt sie. Sie lächelt, ist glücklich und vergräbt ihr Gesicht an seiner Schulter.
Er spürt eine Träne, die auf seine Haut perlt.
„Halt mich fest.“
Er nimmt sie behutsam in den Arm.
„Fester. Noch fester.“, fleht sie.
„Ich tu dir noch weh.“, flüstert er.
„Dann tu mir weh!“
„Wovor hast du nur solche Angst?“, möchte er wissen, „Rede doch mit mir. Rede.“
Sie schaut ihn mit großen Augen an. Ihr Mund öffnet und schließt sich, ohne dass ein Ton herauskommt. Ihr Blick bittet um Verzeihung.
„Wie soll ich es jemals verstehen können, wenn du es mir nicht sagst?“, fragt er und kann die Enttäuschung in seiner Stimme nicht verbergen, „Vertraust du mir nicht?“
„Doch!“, sprudelt es aus ihr heraus, „Natürlich vertraue ich dir...“, ihre Stimme wird mit jedem Wort leiser, als hätte sie Angst, dass er es hören könnte, was sie zu sagen versucht, „Nur...nur lass mich bitte nicht los.“
„Ich hab dich nicht verstanden.“, sagt er. Was soll das? Will er sie etwa zwingen, es abermals zu sagen? Er weiß doch, wie schwer ihr dies ohnehin schon fällt.
„Lass mich nicht los!!!“, ruft sie und klammert sich noch fester an ihn.
Und da ist es wieder. Dieses kleine hilflose Mädchen, das danach verlangt, beschützt zu werden, welches fühlen möchte, dass da jemand ist, der nicht sobald wieder verschwindet.
Und er wiegt sie in seinen Armen, „Pssst.“, hält sie mit sanfter Gewalt fest und wartet auf ihr Lächeln, „Ich bin doch da.“
„Noch.“, murmelt sie. Sie weiß, dass es nicht für immer sein wird. <Die ewige, wahre Liebe> gibt es wohl nicht. Doch sollte sie nicht die Zeit genießen, solange sie ihr noch vergönnt ist? Wäre es nicht sinnlos, diese kostbare – ja eigentlich glückliche Zeit – durch diese Zweifel zu verschwenden?
Als er sie so anschaut, als wolle er sagen: „Glaube mir.“, stellt sie fest, wie lächerlich der Grund ihrer Tränen ist.
Glauben...wagt sie sich erneut auf dieses dünne Eis? Es ist ohnehin schon zu spät. Sie liegt lächelnd in seinen Armen. Auf ihren Wangen sind noch die Spuren der Tränen zu sehen, die etwas scheu im Licht glitzern.
In diesem Moment, hat sie es aufgegeben, gegen ihre Schwäche anzukämpfen.