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Wolfstage

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09.06.2017
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Wolfstage

Als das Schloss klickt, sehe ich Vanessa durch die Glasscheibe am Empfang gestikulieren. „Der Chef will dich sprechen."
„Hat er gesagt, worum es geht?", frage ich atemlos und winde mich aus meinem Poncho.
Sie schüttelt ihre blonde Mähne und wendet sich wieder dem Poststapel zu. Ich habe weiche Knie, meine Probezeit ist noch nicht um.
Ulf kommt um die Ecke und beugt sich zu Vanessa. „Hab gehört, die holen Wolf aus München zurück."
„Oh Mann", höre ich sie murmeln. „Als ob wir den Irren hier bräuchten."

Meine Hände zittern.
Zum Chef.
Ich biege kurz ab, beuge mich übers Waschbecken und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Vielleicht habe ich es in Ulfs Projekt übertrieben, meine Kompetenzen überschritten. In der Hektik der letzten Wochen habe ich einen Plan aufgestellt und koordiniere seitdem den Softwaretest. Sie lassen es zu - er und das gesamte Team. Ich glaube, dass es am besten funktioniert, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.

Ich klopfe an Carls Tür und trete ein. Er steht mit durchgedrücktem Rücken am Fenster, dreht sich um. So leise wie möglich schließe ich die Tür.
„Morgen."
„Den Leon bring ich um", donnert er los. „Hat sich beim Skifahren verletzt, der Idiot!"
Ich nehme den Stapel Computerzeitschriften vom Stuhl und setze mich.
„Du übernimmst bei Prisma II den Test."
„Gern", sage ich. „Die Testleitung macht ... wer nochmal?"
„Hab ich doch eben gesagt: Du! Das Konzept muss übrigens angepasst werden."
Ich hole tief Luft, Prisma II ist unser größtes Projekt.
„Wolf springt als Projektleiter ein. Um elf ist Telefonkonferenz. Ich mail euch die Sachen." Als Carl ein paar Schritte auf mich zuläuft, weht sein Altherren-Irisch-Moos-Geruch rüber. Mit Mühe widerstehe ich dem Impuls, Richtung Tür auszuweichen.
„Jetzt lächle mal. Damit siehst du schöner aus."
Ich versuche es, fühle eine Art Krampf im Gesicht.
„Na also. Bis elf."

Draußen erwartet mich Vanessa. „Und?"
"Ich brauch erst mal einen Kaffee", murmle ich und schiebe mich an ihr vorbei.
Sie läuft mir hinterher, ich stecke die Kapsel in den Automaten.
„Jetzt sag schon."
„Es ging um Prisma II. Ich soll testen."
„Ach so. Das." Vanessa sieht enttäuscht aus.
Ulf rührt in seinem Kaffeebecher. „Habt ihr das von Wolf gehört?"
„Was ist mit dem?", sagt Bernd. „Ich dachte, der wär jetzt fest in München."
„So wie es aussieht, kommt der zurück." Ulf nimmt einen Schluck. „Ich schätz mal, wegen Prisma II." Er fixiert mich mit zu Schlitzen verengten Augen.
„Wie ist der denn so, der Wolf?", frage ich wie beiläufig. „Ist der nett?"
Für einen Moment wird es still. Vanessa zerknüllt eine Serviette.
„Yoaah ...", sagt Bernd und geht.

Das Material, das Carl gemailt hat, liegt ausgedruckt neben mir, als ich mich einwähle.
„Hallo, hier ist Anouk", sage ich und bemühe mich, so professionell wie möglich zu klingen.
Zwischen Papiergeraschel brummt eine Stimme: „Carl, los, komm. Wähl dich ein."
Dann wird es still. Anscheinend hat er das Mikro stummgeschaltet.
Als ich den zweiten Zettel mit Blümchen bekritzelt habe, klickt es und ich höre Carls Stimme. „So, Leute. Los gehts.“
„Ich glaub, Bernd und Ulf sind noch nicht eingewählt“, werfe ich ein.
„Die können nicht“, sagt Carl. „Also, Wolf, nächsten Donnerstag kommst du zum Meeting. Anouk wird auch da sein. Sie leitet ab jetzt das Testteam."
„Testteam, meine Fresse. Ich brauche mehr Entwickler, das weißt du ganz genau. Und nicht diese Idioten, die ..."
„Ich will, dass du eng mit Anouk zusammenarbeitest. Ist das klar?“
„Auf Deutsch: Die hat erst angefangen und ich muss ihr alles erklären.“
„Sie hat Potential“, sagt Carl. „Ich schick die Einladung rum. Bis dann."
Zweimal macht es Klick.
„Sie sind der einzige Teilnehmer im Konferenzraum“, sagt die Computerstimme.

Kurz vor zehn - Vanessa ist gerade dabei, Milch und Zucker neben dem Kaffeeautomaten zu arrangieren - betrete ich den Meetingraum. Ich wähle einen Platz mit dem Rücken zum Fenster. Aus dem Flur dringen Männerstimmen, kurz darauf kommen sie zu viert in den Raum. Bernd, der Charmeur mit dem kratzigen Dreitagebart, umarmt mich wie immer. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
Ulf zwinkert mir zu und lässt sich auf den Platz gegenüber fallen. „Moin."
„Anouk, das ist Wolf", sagt Carl und gestikuliert zu einem Mann in Jeans und dunklem Rollkragenpullover, der im Türrahmen steht.
Sein Haar ist militärisch kurz geschnitten, der dünne Vollbart kann die Aknenarben nicht kaschieren. Er hebt die Augenbrauen und lässt seinen Blick unruhig durch den Raum wandern. Etwas stimmt nicht mit ihm, denke ich. Ungelenk umrundet er den Tisch und setzt sich neben mich. Zu dicht.
Carl stellt Leons Projekt vor, ab und zu unterbrochen durch unsere Fragen. Ich versuche, die wichtigen Informationen mitzuschreiben. Alles ist im Verzug, auch die Hardware aus China.
„Kina“, sagt Wolf und verzieht dabei den Mund.
Die Besprechung verläuft konstruktiv. Was er sagt, hat für mich Hand und Fuß, anscheinend hat er schon Projekte dieser Größenordnung geleitet. Das beruhigt mich.

Die Tür öffnet sich einen Spalt und Vanessa winkt Ulf und Bernd zu sich heraus. Als Carl auf den Balkon geht, um eine zu rauchen, wirbelt eine Windböe Staub durch den Raum. Mein Auge sticht, ich kann nicht aufhören, zu blinzeln. Während ich halbblind in meiner Handtasche wühle, streicht etwas meinen Oberschenkel entlang. Falls die Tränen den Fremdkörper nicht wegspülen, muss ich die Kontaktlinsen rausnehmen. Mit zittrigen Händen öffne ich die Dose und das Fläschchen mit der Desinfektionslösung. Wolfs schlanke Finger ruhen auf meinem Bein. Als ich seinen Atem auf mir spüre, steigt Wärme in mir auf. Mein Auge brennt wie die Hölle.
„Nimm die Hand da weg!", sage ich leise, während ich an Wolf vorbei Richtung Balkon blinzele.
Tränen strömen über meine Wange. Carl hat uns den Rücken zugewandt, schaut runter zum Park und bläst Rauchringe in die Luft.
„Ich zeig dich an.“
„Das wirst du nicht tun“, entgegnet Wolf ruhig.
Meine Ohren rauschen, während ich nach Worten suche und keine finde. Sein Blick brennt tief.
Als Ulf und Bernd zurückkommen, rückt Wolf von mir ab und nimmt einen Schluck Kaffee. Carl schließt die Balkontür und stellt das nächste Programmpaket vor. Alles in mir kribbelt, ich höre nur noch mit halbem Ohr zu.

In der Nacht liege ich mit trockenem Mund im Bett und lausche dem Ehestreit meiner Nachbarn. Ich erfahre, dass er überall in der Wohnung seine Kleidung rumliegen lässt und dass sie ein Flittchen ist. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und fahre mein Notebook hoch. Während der Minztee zieht, durchforste ich Stellenanzeigen und formuliere erste Anschreiben. Der abgewetzte Teddy auf meinem Bett schaut stumm vor sich hin. Vielleicht melde ich mich morgen krank, rede ich mir zu, während ich auf das Waschbecken starre und mich frage, worauf ich eigentlich warte. Weder kann ich seine Berührung abspülen noch erbrechen. Ich lege eine alte Sting-CD auf, stürze den kalten Tee hinunter und verschicke fünf Bewerbungen - mehr kann ich nicht tun.

Laut Office-Kalender ist Wolf heute in München, stelle ich erleichtert fest, und in nächster Zeit mehrmals pro Woche. Wenn er hier im Haus ist, geistert er meistens bei den Entwicklungsteams im Stockwerk unter uns rum. Gestern um 21:49 Uhr hat er mir mein Testkonzept zurückgemailt. Er hat es umgeschrieben und mit detaillierten Erklärungen am Rand versehen.
In der Mittagspause surfe ich auf dem Smartphone, beginne eine E-Mail an Henning vom Betriebsrat und lösche sie wieder.

Je mehr ich mich in Prisma II vertiefe, desto weniger traue ich meiner Erinnerung. Ich werde die Sache auf sich beruhen lassen und nicht mehr daran denken. Womöglich habe ich überreagiert. Hoffentlich vergisst er es auch.

„Berufsanfänger ... packt die nicht“, höre ich, als ich um die Ecke biege. Das Grüppchen am Kaffeeautomaten verstummt und sieht mich an. Ich öffne den Kühlschrank, um die Milchpackung zu holen. Bernd kommt gutgelaunt mit großen Schritten angefegt, angelt eine Flasche aus dem Wasserkasten und flüstert Jamil etwas ins Ohr. Der verzieht keine Miene. Manchmal frage ich mich, was in diesem dunkelhäutigen, feingliedrigen Mann vorgeht, der auf mich wie ein halbes Kind wirkt.
„Na, Anouk, alles klar? Wie läufts?“, sagt Ulf.
„Bis jetzt gut“, murmle ich und stelle mich neben Vanessa, die für mich ein Stück zur Seite rückt. Zumindest hoffe ich das, eine Rückmeldung habe ich nicht. Wolf ist ständig unterwegs, wir kommunizieren nur per E-Mail und Telefon.

Korsika. Obwohl es kühl ist, liegen wir am Kieselstrand. Wir kuscheln eng aneinander, seine Hände sind überall auf mir. Er bedeckt mich mit Küssen, ich spüre seinen kratzigen Bart, bade in seinem intensiven Blick. Ich sehe, wie seine Lippen sich bewegen, aber es kommt kein Ton - seltsam. Mit einer linkischen Handbewegung streicht er mir eine Strähne aus der Stirn. Darüber legt sich der Klang von Mülltonnen, die gerade entleert werden. Heute ist Mittwoch. Als ich aus dem Bett springe, sacken mir beinahe die Knie weg. Mein Puls rast und eine Welle von Übelkeit überrollt mich. Ich muss duschen.

„Schön, dass du da bist“, empfängt mich Vanessa auf dem Sommerfest und drückt mir ein Glas Sekt in die Hand. Ich sehe mich auf der Dachterrasse um. Ein paar aus meinem Team sind auch da, Gott sei Dank. Ganz hinten sehe ich Bernd, der zum Gruß die Bierflasche hebt. Wie immer steht er dicht neben Jamil, unserem jüngsten Entwickler. Ich habe vergessen, wo der herkommt, aus Aserbaidschan, glaube ich. Bernd zauselt ihm durchs Haar.
„Anouk, Schätzchen!“, reißt mich Carl aus meinen Gedanken. „Jetzt erzähl mal. Wie läuft Prisma II?“
Achtung, Fangfrage.
Ich nippe am Sekt und streiche eine imaginäre Fluse von meiner Jeans. „Was willst du wissen?“
„Ob ihr die Timelines haltet.“
„Also, das fragst du besser Wolf“, sage ich schnell.
„Okay. Dann formulier ich es anders: Was ihr zum Testen bekommt, taugt das was?“
Zögernd nehme ich einen Schluck. Wolf macht das Beste aus dem unterbesetzten Projekt und nimmt sich im größten Stress die Zeit, mir alles zu erklären: Wie er plant und wie er Prioritäten setzt. Die Fehlerraten im Test sind hoch, aber ich will ihn nicht reinreiten.
Wenn man vom Teufel spricht.
„Hi!“ Wolf erscheint im Türrahmen. „Gibts auch Hefeweizen?“
Er sieht müde aus, hat Ringe unter den Augen. Vanessa reicht ihm ein Erdinger und er stellt sich dicht neben mich. Ich trete zwei Schritte zur Seite.
„Ist was?“, sagt er und blickt in die Runde.
Bernd kommt angeschlendert, er ist schon angeschickert und legt den Arm um meine Schulter. „Und, wie gefällts dir bei uns, Anouk?“
Ich winde mich aus seinem Griff und stelle mein Glas etwas fester als beabsichtigt auf dem Tisch ab.
„Du bist Jungfrau, oder?“, sagt Bernd zu mir.
Wolf verschluckt sich und beginnt, zu husten.
„Das Sternzeichen, mein ich“, sagt Bernd. „Jungfrauen sind die perfekten Softwaretester, wusstest du das?“
„Sorry, aber ich glaub nicht an Horoskope“, murmle ich und rücke näher an Wolf heran.
Carl erzählt von dem neuen Projekt namens Lava, das er an Land gezogen hat. Aus dem Augenwinkel beobachte ich Wolf, der am Etikett seiner Bierflasche pult und etwas vor sich hinmurmelt, das wie „Streichkonzert“ klingt.
Ich zwänge mich an ihm vorbei und laufe zur Treppe. In der Toilette grimassiert Bea vorm Spiegel und zieht Make-up nach. Ich verschließe meine Kabine und checke E-Mails. Bisher haben zwei Firmen den Eingang meiner Bewerbung bestätigt. Ich setze mich auf den WC-Deckel, surfe im Internet. Meine Probezeit ging gestern zu Ende. Vielleicht sollte ich mich in anderen Branchen umsehen? Oder umschulen auf ... was weiß ich ... Töpferin? Schäferin auf Korsika?
Die Tür geht.
„Warst du schon bei Henning?“, höre ich Beas Stimme.
Jemand schnäuzt die Nase.
„Wieso nicht?“, fragt Bea.
Ich schließe die Augen, wünschte, ich wäre ganz weit weg.
„Da ist jemand“, flüstert eine Stimme.
Als ich die Kabine verlasse, läuft Bea auf den Flur.

Die Tür zu Carls Zimmer ist geschlossen, als ich auf dem Weg zum Kaffeeautomaten bin. Zum ersten Mal höre ich Wolfs Stimme in Maximallautstärke.
„Ist mir scheißegal, deine Lavascheiße, ehrlich gesagt.“
Was Carl antwortet, kann ich nicht verstehen. Die Tür wird aufgerissen und plötzlich steht Wolf mit finsterer Miene vor mir.
„Anouk, kommst du mal bitte zu mir“, ruft Carl.
Ich betrete sein Zimmer und schließe die Tür.
„Hast du Lust, den Test bei Lava zu übernehmen?“, fragt er und lümmelt sich auf seinem Ledersessel mit der hohen Lehne nach hinten.
„Geht das denn? Eigentlich bin ich mit Prisma II voll ausgelastet.“
„Dafür würden wir eine Lösung finden“, sagt Carl mit einem Sphinxlächeln. „Ich mail dir die Infos über Lava und du schaust es dir an.“
Er beugt sich über seine Tastatur und ich verlasse den Raum. In meinem Kopf dreht sich ein Karussell. Prisma II ist auf einem guten Weg. Ich gebe alles für Wolfs Projekt. Er gibt alles.
Irgendwann einmal werde ich Schafe hüten auf Korsika. Aber bis dahin teste ich Software. Witzig eigentlich, das ist wie ein Lauf gegen die Uhr, wenn die Überstunden wie im Flug vergehen, bis die verdammte Software endlich funktioniert.
Bin ich nun aus Prisma II abgezogen oder nicht?

In der Ecke mit der Riesenpalme, hinter der Säule vorm Abstellraum hat er auf mich gewartet. Wolf stützt sich mit der Hand an der Wand ab, dass ich eingekesselt bin. Während er sich über mich beugt, rieche ich seinen Zwiebelminzeatem, sehe direkt in seine funkelnden Augen.
„Was hast du Carl erzählt?“, fragt er heiser.
„Lass mich vorbei.“
Ich wünschte, meine Stimme klänge anders. Nicht so piepsig.
„Erst beantwortest du meine Frage.“
Wolfs Blick ist nicht zu ertragen, ich will zu Boden sinken. Oder zur Seite schauen. Er nimmt seine Finger und hebt mein Kinn, zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen. In meinem Kopf dröhnt es, als schlügen unentwegt Stahlplatten aufeinander. Ich gebe einen Angstlaut von mir und verachte mich selbst dafür. Es war falsch, sich nicht an Henning zu wenden. So falsch.
„Du miese, kleine ...“, fängt Wolf an. Abrupt dreht er sich um und lässt mich stehen.

Ich sitze mit Kaja im Straßencafé und löffele die Crema von meinem Cappuccino. Es war ein Fehler, meiner Schwester davon zu erzählen.
„Du kannst ihn immer noch anzeigen“, sagt sie mit Bestimmtheit. „Das solltest du sogar tun.“
„Morgen hab ich ein Vorstellungsgespräch bei der IT-Leiterin einer Umweltorganisation, vielleicht wird das was.“
Dass es unterirdisch bezahlt ist und auf ein halbes Jahr befristet, unterschlage ich.
„Der Täter muss weg, nicht du.“ Sie beugt sich nach vorne. „Wegen Frauen wie dir machen diese Typen immer weiter. Du musst jetzt handeln.“
„Jetzt lass doch mal die Kirche im Dorf, er hat mich ja nicht ..., nicht vergewaltigt.“
Kaja schnappt nach Luft. „Was du mir erzählst, reicht locker für eine Anzeige. Schon ein anzüglicher Witz würde genügen.“
„Weißt du ... das war irgendwie komisch, ich hatte was im Auge und war abgelenkt.“
„Siehst du!“, sagt sie. „Der hat das ausgenutzt. Statistisch gesehen trifft es meist die Schwächsten: Leute in der Probezeit, Ausländer und Behinderte.“
„Das verstehst du nicht“, sage ich. „Etwas Besseres als Prisma II konnte mir karrieremäßig nicht passieren.“
Kaja winkt den Kellner herbei und wir bezahlen. Schweigend machen wir uns auf den Heimweg.

Wolf ist nicht an seinem Platz, Jamil auch nicht. Ich habe Fragen wegen dem neuen Release und gehe vor zum Empfang.
Vanessa zieht mich zur Seite und blickt umher, bevor sie in mein Ohr flüstert: „Wolf ist bei Carl drin. Die haben sich wieder angebrüllt.“
„Warum das denn?“
Sie zuckt die Schultern.
„Weißt du, wo Jamil ist?“, will ich wissen.
„Der kommt nicht mehr. Hat gekündigt.“ Vanessa mustert mich eingehend. „Steht dir übrigens gut, die neue Brille.“
„Danke“, murmle ich und verfluche im Geiste die Entzündung, die mich dazu zwingt, mit den Kontaktlinsen auszusetzen. Ich fühle mich unwohl mit dem schweren Ding auf der Nase und ständig kommentiert jemand mein Aussehen.
Meine Gedanken wandern zu Jamil. Er ist ein stiller Typ, arbeitet genau. Wolf hat ihn fair behandelt, soweit ich das mitbekommen habe, hat sein Talent gefördert und ihm nach und nach mehr Verantwortung übertragen. Weißt du, warum er gekündigt hat, liegt mir auf der Zunge zu fragen, und dann sehe ich wieder Bernd vor mir, wie er Jamil auf dem Sommerfest belagert hat.

Carl hat mir eine Nachricht geschickt, ich soll in sein Büro kommen. Als ich eintrete, fläzen sie sich auf ihren Stühlen, trifft mich Wolfs Blick mit voller Wucht.
„Anouk, Schätzchen. Setz dich“, sagt Carl und zeigt auf den Platz neben sich.
Ich ziehe den Stuhl vom Tisch weg, um den Abstand zu den beiden zu vergrößern, und lasse mich nieder. Hoffentlich kommt jetzt kein Spruch wegen meiner Brille.
„Hast du dir die Unterlagen für Lava angeschaut?“, fängt Carl an.
Ich nicke.
„Und? Wär das was für dich?“
„Klingt interessant, aber ich bin mit Prisma II ausgelastet. Beides gleichzeitig schaffe ich nicht.“
Carl runzelt die Stirn. „Ist dir Prisma II so wichtig? Möchtest du das gerne weitermachen?“
„Ja klar. Ich will das Projekt auf jeden Fall zu Ende bringen.“
Wolf richtet sich in seinem Stuhl auf. Sehe ich da den Anflug eines Lächelns?
Carl seufzt. „Also gut. Ihr habt mich überzeugt.“ Er steht auf und gestikuliert zu Wolf. „Der hier hätte alles hingeworfen, wenn ich dich zu Lava abgezogen hätte. Ab mit euch zweien.“
Wolf und ich erheben uns gleichzeitig. An der Tür lässt er mir mit einer knappen Handbewegung den Vortritt.
Als ich eine Kapsel in den Kaffeeautomaten stecke, holt er die Milch aus dem Kühlschrank und reicht sie mir. „Kommst du dann bitte mit in mein Büro.“

Ich stehe am Fenster und schlürfe meinen Kaffee. Wolf schließt die Tür, setzt sich mit verschränkten Armen hin und betrachtet mich eine Weile.
„Ich hab Carl gesagt, dass ich mit deiner Arbeit sehr zufrieden bin, Anouk. Dass du Prisma II voranbringst, dass wir dich brauchen. Und deshalb bin ich froh, dass du bleibst. Also, danke.“
„Ist das alles?“
Er kaut auf der Unterlippe. Ich trinke den letzten Schluck und knalle meine Kaffeetasse auf die Fensterbank, dass er zusammenfährt.
„Wegen dir hab ich meine Freizeit damit zugebracht, mich auf mies bezahlte Langweilerjobs zu bewerben.“ Ich mache ein paar Schritte auf ihn zu. „Wegen dir habe ich mir von meiner Schwester diese Scheiße anhören müssen, dass ich unsolidarisch handele, wenn ich dich nicht anzeige!“
Auf dem Weg zur Tür fällt mein Blick auf ein Foto auf seinem Schreibtisch, das ein Paar mit zwei Mädchen im Grundschulalter zeigt. Ohne Bart hätte ich ihn fast nicht erkannt.
„Deine Töchter, hm?“, schnappe ich. „Wie alt sind die jetzt?“
Ohne die Antwort abzuwarten, gehe ich raus in den Flur und schließe die Tür mit Nachdruck.

Am späten Abend verlasse ich das Büro. Als ich meine brennenden Augen reibe, schlüpft Wolf im letzten Moment zu mir in den Aufzug zur Tiefgarage. Falls er jetzt meine Brille kommentiert, erwürge ich ihn. Umständlich holt er seinen Schlüssel aus der Jackentasche und ein paar Mal habe ich das Gefühl, er setze an, etwas zu sagen, oder vielleicht bilde ich es mir nur ein.

 

Hi Anne49,

ich fand deinen Text flott und unterhaltsam zu lesen, ich hab diese vielen Leute alle klar vor Auges stehen gehabt. Auch die Dialoge sind mir nicht gekünstelt erschienen, soweit also alles gut.
Auf der andern Seite habe ich den Eindruck, du präsentiert verschiedene feine Schnipsel mehrerer Geschichten, und die Entscheidung steht noch aus, welche es am Ende wird.

Zum einen hat das sicher mit den viele Personen zu tun, da frage ich mich, ob ich die nicht teilweise killen würde. Diese Vanessa zum Beispiel: Braucht's die wirklich? Es ist klar, dass sie als Mensch ihren Platz in der Konstellation hat, wenn ich sie mir real denke. Aber als Figur in der Geschichte? Ist sie da nicht doch zu sehr Projektionsfläche für Dinge die die Ich-Erzühlerin (und die Autorin) gerade loswerden will? Das sind letztlich keine rhetorischen Fragen. Ich hatte so ein Gefühl, dass mir die Nebenhandlungen etwas zu viele sind, aber an welcher Stelle genau ist mir noch nicht ganz klar geworden. Umgekehrt gilt auch: die Nebenhandlungen geben der Sache Farbe.

Zum anderen scheinen mir da mehrere Geschichten drinzustecken was die Beziehung zwischen der Ich-Erzählerin und dem Wolf angeht. Eine Auswahl:
1.) Er belästigt sie, sie findet das widerlich, Punkt.
2.) Er belästigt sie, sie findet das widerlich, aber auch reizvoll.
3.) Er hat sie gar nicht wirklich belästig; und er Folge: 3a) bis 3n): Aus welchen mehr oder weniger komplizierten Gründen sie es dennoch meint bzw.
4.) Es bleibt für sie (und den Leser) unklar, ob er sie wirklich belästigt hat.
5.) Die beiden lernen sich durch das Projekt kennen.
6.) Sie sind sich schon mal begegnet; und in der Folge 6a) bis 6n): welche Vorgeschichte sie haben.
Usw.

Gerade zu dem letzten Punkt fand dich immer wieder halbe Hinweise, z.B. als sie "wie beiläufig" fragt, wie er denn sei - könnte man so lesen als wollte sie überspielen, dass sie den schon kennt. Schien mir noch an ein paar anderen Stellen so, weiß gerade nicht genau welche, ach, doch, z.B. der Traum am Strand: ob das nicht eine Erinnerung sein könnte? Und noch eins: Als er sagt "Das wirst du nicht tun." So, als wäre das nicht das erste Mal passiert (und sogar so als würde er an eine frühere Vertraulichkeit anknüpfen.).

Mir gefällt es ja, wenn die Verhältnisse am Ende nicht so sind, wie sie scheinen. Ich fände demnach alle diese komplizierten Möglichkeiten gut (Sie kennen sich schon; sie weiß nicht, ob sie ihn widerlich findet oder anziehend; die Belästigung hat es vielleicht gar nicht gegeben), aber ich würde mir trotzdem wünschen, eine davon klarer zu sehen.

„Hat er gesagt, worum es geht?", frage ich atemlos
"atemlos" erschließt sich mir nicht ganz. Ist sie gerannt? Warum? Oder ist sie nur erschreckt, weil der Chef sie sprechen will? Dann ist "atemlos" vielleicht nicht ganz das treffend Wort. Für mich ist der Bildaufbau da etwas gestört. Sonst schöner Anfang!

Sie schüttelt ihre blonde Mähne
Wenngleich eine Löwin in einer Geschichte, die vom Wolf handelt, gut hineinpasst, ist die Formulierung doch ein bisschen abgegriffen ...

Vielleicht habe ich es in Ulfs Projekt übertrieben, meine Kompetenzen überschritten. In der Hektik der letzten Wochen habe ich einen Plan aufgestellt und koordiniere seitdem den Softwaretest. Sie lassen es zu - er und das gesamte Team. Ich glaube, dass es am besten funktioniert, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.
Könnte das nicht weg? Sie ist aufgeregt, das hab ich verstanden. Der Rest ist doch erst mal egal. Dass sie Software testet, erfährt man nachher noch, hier geht es in der unerwarteten Fülle von Infos fast unter.

Ich hole tief Luft. Prisma II ist unser größtes Projekt, für einen unserer wichtigsten Kunden.
"einer unserer wichtigsten Kunden" - klingt nebulös. Ich würde den entweder beim Namen nennen, oder auch streichen. Das größte Projekt wird schon nicht für den unwichtigsten Kunden sein.

„Ach so. Das." Vanessa sieht enttäuscht aus.
Vielleicht hart sie sich eher enttäuscht an? Klingt aber wohl blöd. Aber es ist ja so: Die Enttäuschung ist bestimmt leichter zu hören als zu sehen. Übrigens: Was hat sie denn erwartet?

„Wie ist der denn so, der Wolf?", frage ich wie beiläufig. „Ist der nett?"
Fragt die das, nachdem sie gehört hat, wie sich die andern auf den Irren freuen?

„Sie betreten den Konferenzraum. Es befinden sich bereits Teilnehmer darin", sagt die Computerstimme.
Fänd ich evtl. schöner, wenn die Stimme nur zum Abschluss vorkommt. So originell sind die Sätze der Stimme ja nicht, dass sie unverzichtbar wären. Am Schluss:
„Sie sind der einzige Teilnehmer im Konferenzraum“, sagt die Computerstimme.
ist das aber was anderes, da hat das fast auch was witziges, wie die Stimme ihr so unbeeindruckt sagt, dass sie allein gelassen wird. Jedenfalls ist es mehr, als dass die Stimme nur da ist, um die Konferenzsituation möglichst realistisch zu simulieren. Das finde ich nämlich ein wenig ungelenk, klappt eh nicht und ist auch nicht nötig.

Die Besprechung verläuft konstruktiv. Was er sagt, hat für mich Hand und Fuß, anscheinend hat er schon Projekte dieser Größenordnung geleitet. Das beruhigt mich.
und ich nicht schlecht, wie hier die zwei Seiten nebeneinander gestellt sind: der Typ ist merkwürdig, kommt ihr zu nahe; kennst sich aber aus, und das ist für sie wichtig.

„Nimm die Hand da weg!", sage ich leise, während ich an Wolf vorbei Richtung Balkon blinzele.
Hier noch so ne Stelle: da dacht ich erst, die kennen sich besser, als die ICh-Erzühlerin nach außen hin zeigen will. Sie spricht leise und blinzelt zu den anderen - will also nicht auffallen, oder? Nachher zerschlägt sich diese Lesart so ziemlich. Schade eigentlich :)

Tränen strömen über meine Wange.
Strömen? Und das merken die anderen nachher nicht?

Je mehr ich mich in Prisma II vertiefe, desto weniger traue ich meiner Erinnerung. Ich werde die Sache auf sich beruhen lassen und nicht mehr daran denken. Womöglich habe ich überreagiert. Hoffentlich vergisst er es auch.
Find ich als Idee gut, wie gesagt, aber so ist es mir zu blass.

„Anouk, Schätzchen!“, reißt mich Carl aus meinen Gedanken. „Jetzt erzähl mal. Wie läuft Prisma II?“
Gedanken kann man das ja kaum nenne, sie hat halt ein bisschen rumgekuckt ... A propos: Ich fänd's nicht schlimm, wenn du Vanessas vorangehenden Dialogpart streichen würdest. Das wäre ein Beispiel für sie ein Stelle, wo mir die Nebenhandlung letztlich zu viel ist. Der Dialog mit Carl dagegen bringt die Handlung weiter, de find ich gut (auch wie er abläuft).

Wenn man vom Teufel spricht.
Schon auch ziemlich abgegriffen, oder?

„Sorry, aber ich glaub nicht an Horoskope“, murmele ich und rücke näher an Wolf heran.
Ja, genau: Schönes Signal, dass er eben doch vielleicht nicht so widerlich sein könnte.

In der Toilette grimassiert Bea vorm Spiegel und zieht Make-Up nach.
Hups, wer ist die denn? Kam die schon mal vor?

„Was hast du Carl erzählt?“, fragt er heiser.
Was sollte sie ihm denn erzählt haben? ich dachte, der Wolf fidel die Lavascheiße doof und will von sich aus nicht daran arbeiten?


Ich wünschte, meine Stimme klänge anders. Nicht so piepsig.
Ich fänd es ja fast schüren, wenn se sich seine Stimme nicht so piepsig wünschen würde. Er ist mir in dem Abschnitt wirklich zu selbstsicher und sie zu vertuscht. Das Klischee hätte ich gern etwas aufgebrochen gesehen.

Ich sitze mit Kaja im Straßencafé
Kajak - jetzt also auch noch die. Hm, willst du nicht eine der vielen Figuren nehmen, die du schon im Spiel hast? Oder lass doch sogar den ganzen Dialog weg. die Ich-Erzählerin will bei dem Projekt bleiben - das ist eigentlich das einzige, was zur Handlung gehört. Den Rest bzw. die rechtlichen Aspekte weiß man schon aus zahlreichen Zeitungsartikeln.
Und dass ihr Prisma II so wichtig ist, also das einzige wirklich Wichtige, ist dann zwischen dem Übrigen nicht besondre elegant präsentiert, finde ich. Man merkt nicht, warum ihr das wichtig ist, sie sagt es nur mal so.

Die Konfrontation zwischen dem Wolf und er Ich-Erzählerin finde ich an sich nicht schlecht, aber dann ist sie vorbei und ich denke mir doch auch: Wie, ist das alles? Er lobt sie, das Projekt ist wichtig, und dann ist es wieder gut? Da dürfte es gerne nachhaltiger prickeln. Vielleicht magst du ja die Ansage rausnehmen und dafür die Aufzugszene ausbauen? Nee, wahrscheinlich nicht ...

Ich muss mal wieder hier weg.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo Anne49,

frohes Neues Jahr erst einmal.

Zu Deiner Geschichte hast Du ja schon sehr viele Kommentare bekommen, sodass ich es eher kurz mache, weil ich befürchte, dass Du alles, was ich sage, eh schon fünfmal gelesen hast.

Ich finde die Ich-Perspektive + Präsens problematisch, aber das blende ich mal aus, auch wenn ich immer wieder an Widersprüchen hängenbleibe.

Eine kleine Textsache: "Zwiebelminzeatem" finde ich nicht nur schwer zu lesen - vielleicht besser "Zwiebel-Minze-Atem" oder sowas -, aber ich finde es auch unrealistisch, dass Anouk in der Situation die Zusammensetzung des Atems analysiert.

Ich finde den Text flüssig geschrieben und auch flott zu lesen, aber womit ich echt Schwierigkeiten habe, ist die Nachvollziehbarkeit.

Der Wolf sieht zum ersten Mal Anouk, setzt sich neben sie und betatscht sie. Das halte ich für absolut unglaubwürdig, noch dazu in der Situation. Wolf erscheint mich auch nicht so selbstherrlich, dass er sich einfach alles nimmt, sondern er wirkt sogar eher zurückhaltend und schüchtern auf mich.

Deswegen ist das Verhalten vom Wolf für mich unglaubwürdig.

Aber auch das Verhalten von Anouk ist für mich nicht nachvollziehbar. Sie hat einfach keine klare Haltung und für mich auch keine klare Persönlichkeit. Sie eiert rum, zwischen Extremen, nämlich sich alles gefallen zu lassen und Anzeigen. Was ist sie jetzt: die schüchterne, devote Maus oder die Powerfrau, die dem Wolf das Fell runterreißt?

Dadurch wird sie für mich leider auch unglaubwürdig.

Die Glaubwürdigkeit wird für mich auch nicht dadurch besser, dass sich Anouk von Carl als "Schätzchen" bezeichnen lässt. Auch hier fehlt jegliche Haltung von ihr, das geht nämlich gar nicht. Kann man den ersten Griff aufs Bein von Wolf noch als plumpe Anmache verstehen (was angesichts des Machtgefälles sehr problematisch ist), untergräbt das "Schätzchen" Anouks Kompetenz und Autorität in höchstem Maße - und das in aller Öffentlichkeit.

Damit hat sie aber kein Problem?

Da kann ich nur den Kopf schütteln.

Naja, ist auch ein schwieriges Thema und alleine die aktuellen Diskussionen zeigen, wie emotionsgeladen, vielfältig und schwierig dieses Thema ist. Aber genau deswegen finde ich es umso wichtiger, dass man Figuren entwickelt, die nachvollziehbar handeln.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo erdbeerschorsch,

da hast du meinen Text aber hübsch filettiert! :)

Zu viel Personal - es ist gut, das du mich daran erinnerst. Diese Kritik kam zwar schon mal im Thread, aber irgendwie war sie vermengt mit Geschmacksurteilen oder ich weiß auch nicht, jedenfalls hatte ich das nicht mehr so auf dem Schirm. Kann man als handwerklichen Mangel der Geschichte sehen.

Vanessa zum Beispiel: Braucht's die wirklich? Es ist klar, dass sie als Mensch ihren Platz in der Konstellation hat, wenn ich sie mir real denke. Aber als Figur in der Geschichte? Ist sie da nicht doch zu sehr Projektionsfläche für Dinge die die Ich-Erzühlerin (und die Autorin) gerade loswerden will?

Man kann in einer Kurzgeschichte Nebenfiguren reduzieren, indem man die wenigen Nebenfiguren mit möglichst vielen Funktionen versieht, ‚Multifunktionsfiguren‘ erschafft.
Das, was du schreibst, klingt eher so, dass ich Vanessas Dialoge durch Gedankenströme des Ichs ersetzen soll.
Der übertrieben hohe Dialoganteil war mir von Anfang an bewusst und Achillus hat das ebenfalls kritisiert. Ich glaub, Dialog liegt mir und da war es Reflex, die Mittelchen einzusetzen, bei denen ich mich schon sicher fühle, und auf einmal steh ich mit zu viel Personal da.
Aber ich hab mal gezählt: Allein das Wort Vanessa taucht zwölfmal auf, sie spielt in acht(!) Szenen mit.
Wenn ich die Vanessa töten wollte, müsste ich den Text neu konstruieren. Sei mir nicht böse, aber so ein Herzensprojekt ist diese Geschichte nicht. :shy:

Mir gefällt es ja, wenn die Verhältnisse am Ende nicht so sind, wie sie scheinen. Ich fände demnach alle diese komplizierten Möglichkeiten gut (Sie kennen sich schon; sie weiß nicht, ob sie ihn widerlich findet oder anziehend; die Belästigung hat es vielleicht gar nicht gegeben), aber ich würde mir trotzdem wünschen, eine davon klarer zu sehen.

Ad 1:
Dass Anouk und Wolf sich schon von früher kennen, auf die Idee ist vor dir noch keiner gekommen. Also jedenfalls nicht, dass ich davon wüsste.
Jemand wie du, der so fein Hinweise streut (oder eben nicht; glaub bloß nicht, mir wäre dein geschlechtsneutrales Ich in ‚Gegenstücke‘ nicht aufgefallen ;) ), der liest sehr analytisch und hinterfragt alles. War sehr spannend für mich, zu sehen, an welchen Stellen du diesen Verdacht hattest.
Das war nicht meine Intention.

Ad 2:
Dass Anouk Wolf nicht nur widerlich, sondern auch anziehend findet, das ist ganz glasklar von mir beabsichtigt, daher der Traum am korsischen Strand. Das soll das Ambivalente und Schillernde der Anouk sein. Eine eigenartige Stimmung am Arbeitsplatz, irgendwo zwischen Übergriffigkeit und Eigentlich-ist-er-ja-auch-charismatisch-der-Wolf.

Ad 3:
Dass es die Belästigung vielleicht gar nicht gegeben hat, das war wiederum nicht meine Intention. Mit etwas zeitlichem Abstand fragt sie sich zwar, wie schlimm es nun genau war, aber da sind so subtile Verdrängungsmechanismen am Werk. Gerade wegen seiner Unverfrorenheit beim ersten Meeting, dieser Ungeheuerlichkeit, und in den Wochen danach verhält er sich korrekt.

"atemlos" erschließt sich mir nicht ganz. Ist sie gerannt? Warum? Oder ist sie nur erschreckt, weil der Chef sie sprechen will?

Als Computer-Nerd ist sie nicht die Sportlichste, kommt gerade vom Treppenhaus reingelaufen, beeilt sich, weil sie Vanessa durch die Scheibe winken sieht.

Sie schüttelt ihre blonde Mähne
Wenngleich eine Löwin in einer Geschichte, die vom Wolf handelt, gut hineinpasst, ist die Formulierung doch ein bisschen abgegriffen ...

Mähne assoziiere ich nicht mit einer Löwin, sondern mit einer gestylten Fönfrisur. Eine Erzählweise, die zu einer weiblichen Erzählfigur passt, hätte ich gedacht.
Erst hat sie nur den Kopf geschüttelt, das hier erschien mir dann visueller.

Vielleicht habe ich es in Ulfs Projekt übertrieben, meine Kompetenzen überschritten. In der Hektik der letzten Wochen habe ich einen Plan aufgestellt und koordiniere seitdem den Softwaretest. Sie lassen es zu - er und das gesamte Team. Ich glaube, dass es am besten funktioniert, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.
Könnte das nicht weg? Sie ist aufgeregt, das hab ich verstanden. Der Rest ist doch erst mal egal. Dass sie Software testet, erfährt man nachher noch

Dieser Absatz hat auch die Funktion, zu zeigen, wie sehr Anouk sich mit dem Job identifiziert, indem sie schon einmal Arbeit an sich gerissen hat. Das ist wichtig für ihre Motivationslage, warum sie Wolf nicht sofort Kontra gibt.

"einer unserer wichtigsten Kunden" - klingt nebulös. Ich würde den entweder beim Namen nennen, oder auch streichen. Das größte Projekt wird schon nicht für den unwichtigsten Kunden sein.

Ja, das habe ich gekillt. Danke.

„Ach so. Das." Vanessa sieht enttäuscht aus.
Vielleicht hart sie sich eher enttäuscht an? Klingt aber wohl blöd. Aber es ist ja so: Die Enttäuschung ist bestimmt leichter zu hören als zu sehen. Übrigens: Was hat sie denn erwartet?

Nee, ich find schon, dass Leute enttäuscht gucken können.
Was sie erwartet hat? Dass Anouk die Probezeit nicht übersteht. Höhö ...

„Wie ist der denn so, der Wolf?", frage ich wie beiläufig. „Ist der nett?"
Fragt die das, nachdem sie gehört hat, wie sich die andern auf den Irren freuen?

Ja, da will sie nochmal nachhören, unauffällig ein paar Infos rauskitzeln.

Sie betreten den Konferenzraum. Es befinden sich bereits Teilnehmer darin", sagt die Computerstimme.
Fänd ich evtl. schöner, wenn die Stimme nur zum Abschluss vorkommt.

Danke, habe ich gekillt.

Strömen? Und das merken die anderen nachher nicht?

Mit Staub unter der Kontaktlinse passiert das schon mal bzw. ist es ein Erlösung, wenn es dann strömt, weil es den Staub rausspült. Das kann Anouk schnell wegwischen und damit sieht sie nicht so verheult aus, wie wenn sie jetzt zehn Minuten lang wegen irgendeiner Sache (emotional) geweint hätte. Also, ich glaub, das geht.

Ich fänd's nicht schlimm, wenn du Vanessas vorangehenden Dialogpart streichen würdest. Das wäre ein Beispiel für sie ein Stelle, wo mir die Nebenhandlung letztlich zu viel ist. Der Dialog mit Carl dagegen bringt die Handlung weiter

Viel würde ich da aber nicht streichen wollen. Also, das bleibt erstmal so. Bernd und Jamil zum Beispiel brauche ich an der Stelle definitiv. Dass bei den Zweien irgendwas (schief)läuft, soll durch die gesamte Geschichte durchsiffen.

Wenn man vom Teufel spricht.
Schon auch ziemlich abgegriffen, oder?

Mag sein, da war ich immer mal am Hin- und Herüberlegen. Finde es aber auch hübsch hier an der Stelle, weil sie sich ja dann in Folge vor dem angeschickerten Bernd ausgerechnet wieder bei Wolf (dem Teufel) in Sicherheit bringt.

„Was hast du Carl erzählt?“, fragt er heiser.
Was sollte sie ihm denn erzählt haben? ich dachte, der Wolf fidel die Lavascheiße doof und will von sich aus nicht daran arbeiten?

Wolf befürchtet, dass Anouk dem Carl gesagt hat, dass Wolf sie angefasst hat und dass Carl sie deshalb von Prisma II abzieht und stattdessen im Lava-Projekt einsetzt. Wolf will Anouk in seinem Projekt behalten, er hat sie gecoacht, also in sie investiert.

Kaja - jetzt also auch noch die. Hm, willst du nicht eine der vielen Figuren nehmen, die du schon im Spiel hast? Oder lass doch sogar den ganzen Dialog weg. die Ich-Erzählerin will bei dem Projekt bleiben - das ist eigentlich das einzige, was zur Handlung gehört. Den Rest bzw. die rechtlichen Aspekte weiß man schon aus zahlreichen Zeitungsartikeln.
Und dass ihr Prisma II so wichtig ist, also das einzige wirklich Wichtige

Der Dialog hat für mich noch eine weitere Funktion: Die Schwester ist so eine moralisch Empörte, die dazu auffordert, sich mit aller Kraft zu wehren - einfach aus Prinzip - und mit allen Mitteln zu kämpfen, ohne an die negativen Aspekte zu denken, die das nach sich zieht, dass das den Job kosten, sehr kräftezehrend und langwierig sein kann. Das sagt sich halt leicht, wenn man nicht selbst betroffen ist.

Die Konfrontation zwischen dem Wolf und er Ich-Erzählerin finde ich an sich nicht schlecht, aber dann ist sie vorbei und ich denke mir doch auch: Wie, ist das alles? Er lobt sie, das Projekt ist wichtig, und dann ist es wieder gut? Da dürfte es gerne nachhaltiger prickeln. Vielleicht magst du ja die Ansage rausnehmen und dafür die Aufzugszene ausbauen? Nee, wahrscheinlich nicht ...

Nee, ist natürlich nicht wieder alles gut. Punktsieg für Anouk, that’s it. Ich geh nur irgendwann raus aus der Geschichte. :Pfeif:
(Wobei ich da im Laufe der Zeit immer mehr gekürzt habe, eben habe ich noch den idiotischen Satz mit der automatischen Tür gekillt.)

Die Ansage ist mir wichtig, weil sie den Hinweis auf seine Töchter enthält.
Nur, was macht frau mit Belästigern, die keine Töchter haben?? :hmm:

Lieber erdbeerschorsch, ich weiß gar nicht, wie ich mich bedanken soll für deine Analyse, die war sehr aufschlussreich!

Beste Grüße
Anne


* * *​

Hallo Geschichtenwerker,

Dir auch ein frohes Neues Jahr!

Die Schärfe, in der du die Unglaubwürdigkeit beider(!) Hauptfiguren kritisierst, hat mich etwas überrascht. Ich nehme das auf und lasse das so stehen. Ich denke, es hat wenig Sinn, darüber zu diskutieren. Da Ganze hat viel mit Macht zu tun. Und es sind Menschen ... Ich musste Entscheidungen treffen, wie ich meine Figuren handeln lasse, damit es eine Story wird. Natürlich haben da eigene Erfahrungen mit reingespielt, aber die Geschichte ist keine Betroffenheitsliteratur.

Ich finde die Ich-Perspektive + Präsens problematisch, aber das blende ich mal aus, auch wenn ich immer wieder an Widersprüchen hängenbleibe.

Ich find das Thema, den Thread nach wie vor spannend, sehe das durchaus auch zwiespältig. Ich habe mir vorgenommen, abzuwechseln. Bei meinem aktuellen Schreibversuch bin ich wieder in der dritten Person Präteritum.

Eine kleine Textsache: "Zwiebelminzeatem" finde ich nicht nur schwer zu lesen - vielleicht besser "Zwiebel-Minze-Atem" oder sowas -, aber ich finde es auch unrealistisch, dass Anouk in der Situation die Zusammensetzung des Atems analysiert.

Ja, hatte ich erst auch. Ich wollte dann dem Duden gehorchen. Finde auch schon, dass man diese Zweiermischung riechen kann: Jemand hat was mit Zwiebeln gegessen und versucht, das mit einem Pfefferminzbonbon zu übertünchen. Netter Versuch, funktioniert aber in den seltensten Fällen ... :D

Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Einschätzung!

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Anne49,

Die Schärfe, in der du die Unglaubwürdigkeit beider(!) Hauptfiguren kritisierst, hat mich etwas überrascht. Ich nehme das auf und lasse das so stehen. Ich denke, es hat wenig Sinn, darüber zu diskutieren. Da Ganze hat viel mit Macht zu tun. Und es sind Menschen ... Ich musste Entscheidungen treffen, wie ich meine Figuren handeln lasse, damit es eine Story wird. Natürlich haben da eigene Erfahrungen mit reingespielt, aber die Geschichte ist keine Betroffenheitsliteratur.

Klar entscheidest Du, aber ich fand meinen Kommentar ehrlich gesagt nicht so scharf. Also fühle Dich bitte nicht auf den Schlips getreten.

Ich habe auf Deine Bemerkung hin auch die anderen Kommentare überflogen und musste feststellen, dass einige sowohl Wolfs als auch Anouks Verhalten nicht nachvollziehen konnten.
Fliege resümierte z. B.:

Ja, ich komme nicht zurecht. Ich krieg das psychologische Profil dieser Frau einfach nicht zusammen. Das ist wie Welchselbäder.

Also insofern verwundert mich Deine Überraschung, dass ich beide Hauptfiguren nicht in ihrem Verhalten als nachvollziehbar sehe.

Trotzdem verstehe und respektier ich natürlich, dass Du keine Lust auf diese Diskussion hast (auch wenn Du durch die Wahl des Themas genau diese Art von Diskussion auslöst).

Übrigens erlaubt der Duden, so wie ich es verstehe, dass Du z. B. "Zwiebelminze-Atem" schreibst.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

bitte entschuldige, da habe ich mich wohl etwas nebulös ausgedrückt! Ich fühle mich kein bisschen auf den Schlips getreten durch deinen Kommentar, alles gut! Und du hast Recht: Komplett überraschend war das auch nicht.

Im Thread wird Anouks Ambivalenz aber auch als Stärke des Textes wahrgenommen, etwa von Novak (#19) und barnhelm (#20). Natürlich freue ich mich wie eine Schneekönigin über diese Lesart, denn sie entspricht meiner Intention als Autorin.

Das Ding ist, ich möchte die Geschichte jetzt nicht umschreiben, damit sie für dich und Fliege glaubhafter wird.

Eine weitere Diskussion mit dir möchte ich nicht abwürgen. Schreib mir gerne, wie du das aufgezogen hättest. Ich freu mich drauf! (Solange du nicht von mir erwartest, dass ich das dann umsetze, ist alles gut. :D )

Für mich als Autorin liegt aktuell der Fokus darauf, Feinschliff am Text zu betreiben und nicht, ihn neu zu plotten.

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Anne49,

Ich fühle mich kein bisschen auf den Schlips getreten durch deinen Kommentar, alles gut!

Da bin ich aber beruhigt.

Wer sagt etwas von Umschreiben und noch dazu für mich?

Für mich als Autorin liegt aktuell der Fokus darauf, Feinschliff am Text zu betreiben und nicht, ihn neu zu plotten.

Ich verstehe Dich, aber aus meiner Sicht kann man dem Text nur dann einen feinen Schliff verpassen, wenn man die Figuren versteht und Deine Figuren verstehe ich nicht, weil sie sich für mich erratisch verhalten.

Was will Wolf denn von Anouk? Ich kann diese Frage anhand des Textes nicht beantworten.

Genauso wenig kann ich anhand des Textes beantworten, was Anouk wirklich möchte, welches Verhalten sie von Männern erwartet.

Vielleicht willst Du das aber auch genauso nebulös haben.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Manlio,

interessanter Kommentar, den du mir da geschrieben hast! :)

Auf der anderen Seite hat der Text leider handwerkliche Probleme.

Das ist wohl wahr. Allerdings sehe ich die handwerklichen Probleme an ganz anderen Stellen. Nicht an denen, die du rausgepickt hast!

was ich spannend finde, ist die Aktualität von "Wolfstage". Hut ab, ich selbst bin nie in der Lage, so zeitkritische Themen anzupacken, finde das aber großartig, wenn jemand sich das traut.

Die Auswirkung der Aktualität des Themas auf die Rezeption wurde im Thread auch kritisch diskutiert, v. a. in den lesenswerten Kommentaren von Kubus (#17) und Achillus (#43), falls es dich interessiert.

Als Autorin fände ich es schwierig, über Themen zu schreiben, die ich mit persönlichen Niederlagen oder starken Emotionen/Schuldgefühlen verknüpfe. Aktualität spielt da für mich keine Rolle!

Für mich ist der Text sprachlich oft unpräzise. Du schreibst aber sehr spannend, sehr klar, hast großes Potenzial in meinen Augen.

Unpräzise ... und sehr klar - wie geht das zusammen? Unpräzise wären für mich schlampige Formulierungen, die in sich unlogisch sind und keinen Sinn ergeben.

Ich denke, ‚Wolfstage‘ ist ein dichter Text. Es wird nicht alles kleinschrittig beschrieben. Das verlangt vom Leser Konzentration und etwas Vorstellungskraft, um die sich auftuenden Leerräume zu füllen.

Ich schaue vor allem, ob ein Detail wichtig ist für den Konflikt, für das, was die Geschichte trägt. Im Einzelnen:

Als das Schloss klickt
Bereits hier: was soll das sein? Das finde ich zu nebulös formuliert. Eine Tür fällt ins Schloss, aber das meinst du nicht. Dadurch, durch dieses eigenartige Bild, raubst du dem zweiten, wichtigen, weiterführenden Satzteil viel Kraft.

Stört es dich, nicht zu wissen, ob hier das Klicken beim Öffnen (mit Chipkarte) oder beim Wiederzugehen der Tür gemeint ist?
Ist das denn für die Handlung relevant?

„Der Chef will dich sprechen."
Das ist unglücklich konstruiert. Sie sieht die Vanessa gestikulieren, wie soll sie jetzt die Worte hören können? Machst du hier einen Zeitsprung?

Die Glastür ist jetzt auf, deshalb hat das Schloss ja geklickt, und deshalb kann Anouk Vanessa hören. Klar schreitet die Zeit mit dem Text voran, mal schneller, mal langsamer.

„Als ob wir den Irren hier bräuchten."
Das ist ein starkes Wort an prominenter Stelle, vorn im Text. Aber als Foreshadowing taugt es nicht, denn Wolf ist bestimmt viel, aber irre kommt er nicht gerade herüber. Sowas müsste sich, finde ich, dann schon im Verlauf bewahrheiten.

Klar drückt sich Vanessa hier drastisch aus. Inwieweit sich das dann bewahrheitet, das kann man so und so sehen. Das Rumgebrülle mit Carl (‚Lavascheiße‘) zeigt jedenfalls, dass Wolf sich nicht immer im Griff hat.

Meine Hände zittern.
Zum Chef.
Den zweiten Satz würde ich streichen. Du bringst viele kurze Sätze, aber diese Absätze - das ist mir auch zu viel, zu viel "Drama Baby".

Ich nehm deinen Einwand dankbar zur Kenntnis, aber das bleibt so.

Ich glaube, dass es am besten funktioniert, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.
Das passt hier nicht so richtig hin. Für solche Überlegungen hat die Anouk, glaube ich, in dem Moment keine Muße.

Könnte ein Problem sein, dass ich im Präsens erzähle. Muss ich mal drüber nachdenken.

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Manlio

vielen Dank für deine Erläuterungen - beinahe hätte ich geschrieben: Präzisierungen ... ;) Da will ich noch mal eine Antwort versuchen.

Als das Schloss klickt
ist für die Handlung von untergeordneter Bedeutung, genau. Ausgesagt wird nur, dass Anouk ankommt. Du baust aber ein großes Fragezeichen auf. Was für ein Schloss, was klickt da genau, das Schloss von welcher Tür. Das ist nicht stimmig.

Als ich die Eingangshalle betrete, kommt Vanessa mir entgegen. 'Der Chef will dich sprechen.'

Kein toller Beispielsatz, aber er räumt alle Verständnisprobleme aus, was zur Folge hat, dass Vanessas Aussage ihre Kraft entfalten kann.


Na ja, das ist halt die Frage, wo ich mit meinem Text hinwill.

Wenn ich einen Text in einfachem Deutsch schreiben wollte, es gibt ja solche Websites für Menschen mit kognitiven Schwierigkeiten, klar, da würde ich das anders schreiben. Oder, beruflich schreibe ich u. a. Texte, die sich an Patienten richten. Natürlich kommt es da auf maximale Verständlichkeit an, da muss der Text funktional sein. Oder eine Gebrauchsanweisung. Oder - um wieder zum Literarischen zurückzukehren: ein Romanexposé, eine inhaltliche Zusammenfassung.

Aber hier, bei einer Kurzgeschichte, da habe ich doch ganz andere Ziele. Da will ich mit Sprache spielen.

Ich habe viele Rückmeldungen von Lesern hier im Forum, die über diesen ersten Satz nicht stolpern. Handwerklichen Mangel sehe ich in dem Satz nicht.

Was mache ich? Ich beschreibe Sinneseindrücke: Ein kaltes, technisches Geräusch (Klicken) und dann etwas Visuelles, eine lebhafte Bewegung (das Gestikulieren). Und während der Leser weiterliest, wird schnell klar, dass das ein Büro ist, ein Alltagssetting. Also, wenn das jetzt eine Science-Fiction-Geschichte wäre, da müsste ich genauer beschreiben. Ein Büro werden die meisten Leser schon einmal gesehen haben. Den Planeten ‚Dageba Z‘ noch nicht, vom Autor würde ich erwarten, dass er mir da die Tür genauer beschreibt.

Der Unterschied zwischen meinem Satz und deinem Beispielsatz hat auch damit zu tun, wie nahe ich mit meiner Erzählstimme an meiner Figur Anouk und ihrem jetzigen Erleben (Präsens!) dran bin. Anouk denkt in dem Moment nicht: Soooo, jetzt betrete ich die Eingangshalle. Die hört das Klicken, die sieht das Gestikulieren, da bin ich ganz dicht an ihr dran.

„Als ob wir den Irren hier bräuchten."
Ich sehe das als eine Vorausdeutung. Präzise in meiner Vorstellung wäre sie, wenn Wolf ein verrückter Typ wäre, der ständig durcharbeitet, alle anschreit, den Unternehmenserfolg über alles stellt . So kommt er nicht rüber. Eher wie ein normaler leitender Angestellter.
Außerdem: dass Wolf irre ist, ist gesamtfiktional unwichtig. Wichtig ist, dass er Anouk angrabscht.

„Oh Mann", höre ich sie murmeln. „Als ob wir den Arsch hier bräuchten."

Um klar zu machen, was Vanessa von Wolf hält.


Arsch, Irrer - beide Wörter haben eine Originalbedeutung und können darüberhinaus als Beschimpfung verwendet werden. Hm, was hat das mit Präzision zu tun? Ich denke, hier sind wir bei Geschmacksfragen angelangt.

Irrer ist auch für mich keine Vorausdeutung, sondern das, was Vanessa von Wolf hält. Das, was ich im obigen Zitat fett markiert habe, kommt Wolfs Verhalten schon ziemlich nahe. Im ganzen Text sind Hinweise darauf verstreut, dass er wie ein Besessener arbeitet, er schreibt ihr um 21.49 Uhr eine E-Mail usw.

Apropos wichtig ist, dass er Anouk angrabscht: Die Art und Weise, wie er das macht, nämlich hoppladihopp, wird ja auch von einigen Lesern als unglaubwürdig kritisiert (huhu Geschichtenwerker!). Umso wichtiger ist es doch, ihn schon mal als Irren voranzukündigen, oder etwa nicht?

Beste Grüße!
Anne

 

Moin Anne,

auch Deine Geschichte geistert mir schon seit einigen Wochen durch den Kopf, warst Du ja auch eine der ganz Schnellen bei der Challenge.

Das mir ein Kommentar so schwer fällt, liegt nicht an Deiner wirklich gut geschriebenen Geschichte, sondern einfach daran, das ich die Prot. andauernd nehmen und schütteln will. Wir Menschen ticken ja nun mal sehr unterschiedlich. Und Deine Geschichte ist ganz weit weg, von meinen eigenen Erlebnisbereichen.
Daher nur ein allgemeiner Eindruck, sei nicht bös.

Du schaffst es mit ganz vielen guten Details und trotzdem klarer Sprache Deine Prots darzustellen. Die Dialoge waren für mich sehr glaubhaft, absolut passende Sprache, soweit ich das beurteilen kann. Durch die Dialogstärke treibst Du die Handlung super vorwärts, ich war immer dran, nie abgelenkt oder am schräglesen. Ja, ich denke Deine Dialoge haben es mir echt angetan, ich muss nur mal eine andere Geschichte zum "Abgucken" aussuchen.

Also Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut, der Gegenwind war mir hier zu lau bzw. unbeständig, aber Menschen reagieren halt nicht alle gleich. Ich schau mal, ob ich mich nicht mit einer anderen Geschichte von Dir aussöhnen kann ...

Beste Grüße
witch

 

Hallo Anne49,

Ich hab deine Geschichte gleich als du sie gepostet hast mal gelesen und wollte jetzt, wo es ums Abstimmen geht, nochmal drüber lesen und irgendwie bilde ich mir ein, hat sie sich noch verändert, oder?
Gut, der Grund warum ich nicht gleich kommentiert habe...ich wusste einfach nicht, was ich konstruktives beitragen hätte können und weiß es noch immer nicht wirklich, wie so oft, wenn ich die Texte eigentlich von Anfang an gut finde.
Ich probiere es trotzdem: Die Stellen, die mich gestört haben, sind die, wo sich Anouk irgendwie passiv benimmt. Diese ganzen unangenehmen Anzüglichkeiten...irgendwie schafft sie es nicht zu kontern. Das hat mich eigentlich am meisten geärgert, aber es soll ja Frauen geben, die erst nach Jahren damit rausrücken....also ist deine Story, ganz im "me too"-Style ziemlich aktuell. Und nur weil mir das Verhalten deiner Prot. zu streichelzahm ist, heißt das ja noch lange nicht, dass deine Geschichte nicht trotzdem gut erzählt ist. Denn sie ist leicht und flüssig zu lesen und wird auch nicht langweilig. Tut mir leid, dass da nicht mehr Kritik von mir kommt.
Liebe Grüße Sabine

 

Moin greenwitch,

Das mir ein Kommentar so schwer fällt, liegt nicht an Deiner wirklich gut geschriebenen Geschichte, sondern einfach daran, das ich die Prot. andauernd nehmen und schütteln will.

Hehe, das ist ja schon mal ein gutes Zeichen, wenn du die Anouk schütteln willst! Ich freu mich natürlich über dein Lob. Wobei es schon ein paar Dinge gibt, die ich bei meiner nächsten Story besser machen will ...

Du hast Recht, Wolf und Anouk verhalten sich beide nicht optimal. Aber wie wollte ich eine Geschichte schreiben, wenn alle Figuren ideal agierten? Da wäre ich schnell am Ende, oder?

Die Dialoge waren für mich sehr glaubhaft, absolut passende Sprache, soweit ich das beurteilen kann. Durch die Dialogstärke treibst Du die Handlung super vorwärts

Freut mich! Manchmal denke ich, Dialog ist das einzige, was ich kann. Vielleicht sollte ich lieber Drehbücher schreiben?

Na ja, apropos die Handlung vorantreiben, die Szenen verknappe ich manchmal so sehr, da verliert der eine oder andere Leser schon mal die räumliche/zeitliche Orientierung. Da muss ich aufpassen. Ich habe einfach wahnsinnige Angst davor, zu geschwätzig zu sein und Leser zu langweilen.

Liebe grüne Hexe, ich danke dir für deinen Besuch!

Beste Grüße
Anne


* * *​

Hallo Sabine P,

bilde ich mir ein, hat sie sich noch verändert, oder?

Jein, am Ende hab ich die düstere Tiefgarage mit der flackernden Neonröhre und den hallenden Schritten gestrichen. Ich geh jetzt früher raus aus der Geschichte. Ansonsten gab es keine relevanten Änderungen, nur ein bisschen stilistische Kosmetik hier und da.

Die Stellen, die mich gestört haben, sind die, wo sich Anouk irgendwie passiv benimmt. Diese ganzen unangenehmen Anzüglichkeiten...irgendwie schafft sie es nicht zu kontern. Das hat mich eigentlich am meisten geärgert

Ja, da bist du nicht die Einzige! Es hagelt Beschwerden, dass Wolf zu fix und zu unverschämt ist und Anouk zu passiv. Andererseits denke ich mir wieder, bei dem brandaktuellen Thema hätte ich plotten können wie ich will, es wäre wohl immer falsch gewesen.

Liebe Sabine, auch dir vielen Dank für deine Rückmeldung!

Beste Grüße
Anne

 

Hallo Anne,

zuerst bist Sachen ausm text:

Sie schüttelt ihre blonde Mähne und wendet sich wieder dem Poststapel zu. Ich habe weiche Knie, meine Probezeit ist noch nicht um.
Um die Dramaturgie zu schärfen, könntest du überlegen, diesen Hinweis hier rauszunehmen und erst in die nächste Szene einzubauen
Ich klopfe an Carls Tür und trete ein. Er steht mit durchgedrücktem Rücken am Fenster, dreht sich um. So leise wie möglich schließe ich die Tür.
„Morgen."
„Den Leon bring ich um", donnert er los. „Hat sich beim Skifahren verletzt, der Idiot!"
Ich nehme den Stapel Computerzeitschriften vom Stuhl und setze mich.
„Du übernimmst bei Prisma II den Test."
„Gern", sage ich. „Die Testleitung macht ... wer nochmal?"
„Hab ich doch eben gesagt: Du! Das Konzept muss übrigens angepasst werden."
Ich hole tief Luft, Prisma II ist unser größtes Projekt.
hier hätte ich mir schon etwas Erleichterung gewünscht, immerhin hat sie schon an eine Entlassung gedacht ...

"Ich brauch erst mal einen Kaffee", murmele ich und schiebe mich an ihr vorbei.
kann man so schreiben, ich würde das e aber killen, liest sich flotter. Hast du nochmal im text

„Yoaah", sagt Bernd und geht.
hm , das ist jetzt kein Wort ... da stolpere ich etwas drüber. Ich denke, drei Auslassungsunkte würden das gedehnte spürbar machen

Das Material, das Carl gemailt hat, liegt ausgedruckt neben mir, als ich mich einwähle.
Sätze dieser Länge mit drei Kommas würde ich noch mal auf den Prüfstand stellen

Als ich den zweiten Zettel mit Blümchen bekritzelt habe,
sehr gut :)

„Testteam, meine Fresse. Ich brauche mehr Entwickler, das weißt du ganz genau. Und nicht diese Idioten, die ..."
„Ich will, dass du eng mit Anouk zusammenarbeitest. Ist das klar?“
„Auf Deutsch: Die hat erst angefangen und ich muss ihr alles erklären.“
„Sie hat Potential“, sagt Carl. „Ich schick die Einladung rum. Bis dann."
Zweimal macht es Klick.
„Sie sind der einzige Teilnehmer im Konferenzraum“, sagt die Computerstimme.
sehr gute Szene
würde aber überlegen, da noch Emotionen reinzubringen, ohne ist wie WR etwas mau. Immer gut, wenn man ohne auskommt, hier aber könnte die Szene gewinnen, denke ich ...

„Kina“, sagt Wolf und verzieht dabei den Mund.
hrhr

Mein Auge sticht,
geht das? Kann ein Bein stechen?
Das ist wie mit kratzen und jucken.
Vielleicht fühlt sie einen stechenden Schmerz?

Darüber legt sich der Klang von Mülltonnen, die gerade entleert werden

das ist unfreiwillig komisch. Der Relativsatz kommt zu spät, um das zu retten
Der Klang von Mülltonnen :lol:

er ist schon angeschickert
:susp:

Irgendwann einmal werde ich Schafe hüten auf Korsika. Aber bis dahin teste ich Software.
das gefällt mir

Weißt du, warum er gekündigt hat, liegt mir auf der Zunge zu fragen, und dann sehe ich wieder Bernd vor mir, wie er Jamil auf dem Sommerfest belagert hat.
Kommawahn. Mach mehrere Sätze draus

Ja, ich hab den Text gern gelesen. Du hast eine sympathische Erzählerin und das hat eine Menge Gewicht. Manchmal waren es mir zu viele Personen, gerade in der ersten Hälfte, und ich hab nicht so ganz durchgeblickt wer da wer ist und welche Funktion er erfüllt.
Die Abrechnung am Ende gefällt mir, weil ich das lesen will, weil es das Gerechtigkeitsempfinden bedient. Dennoch bleibt die Frage, was das ausgelöst hat, weshalb sie das in diesem Moment kann. Für mich stellt sich auch die Frage, ob ein Mann vom Typ Wulf, der anscheinend sehr temperamentvoll und aufbrausend ist, das so auf sich beruhen lassen würde, zumal sie allein in einem Aufzug fahren danach.
Aber geschenkt, in der kg handelt er eben so.
Mich überkam auch die Frage, warum deine Protagonisten immer die Aufgaben an den Hals bekommen hat? Arbeiten da sonst nur Luschen? :D


grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer,

willkommen im Wolfsgehege!

"Ich brauch erst mal einen Kaffee", murmele ich und schiebe mich an ihr vorbei.
kann man so schreiben, ich würde das e aber killen, liest sich flotter. Hast du nochmal im text

Ja, verflixt, ich schau in eine Konjugationstabelle und es heißt ernsthaft nur „ich murmle“. Da ist kein E. Danke. Wird verbessert!

„Yoaah", sagt Bernd und geht.
hm , das ist jetzt kein Wort ... da stolpere ich etwas drüber. Ich denke, drei Auslassungsunkte würden das gedehnte spürbar machen

Aber ich mag doch das Lautmalerische! (Bei meinen ersten Texten hier hieß es immer, so etwas sei comichaft, so lange, bis ich es geändert habe.)
Hier bist du der Erste, der das bemängelt. Was meinst du denn mit den drei Auslassungspunkten? Kann Bernd drei Auslassungspunkte sprechen? Das Wort Yoh steht auch nicht im Duden. Und er sagt definitiv nicht Ja. Ich verstehe nicht, wie ich es ändern müsste, dass du zufrieden wärst. :confused:

„Testteam, meine Fresse. Ich brauche mehr Entwickler, das weißt du ganz genau. Und nicht diese Idioten, die ..."
„Ich will, dass du eng mit Anouk zusammenarbeitest. Ist das klar?“
„Auf Deutsch: Die hat erst angefangen und ich muss ihr alles erklären.“
„Sie hat Potential“, sagt Carl. „Ich schick die Einladung rum. Bis dann."
Zweimal macht es Klick.
„Sie sind der einzige Teilnehmer im Konferenzraum“, sagt die Computerstimme.
sehr gute Szene
würde aber überlegen, da noch Emotionen reinzubringen, ohne ist wie WR etwas mau. Immer gut, wenn man ohne auskommt, hier aber könnte die Szene gewinnen, denke ich ...

Hier steh ich ebenfalls auf dem Schlauch: Was möchtest du mir sagen? Vor allem: Was ist WR? :confused:

Darüber legt sich der Klang von Mülltonnen, die gerade entleert werden
das ist unfreiwillig komisch. Der Relativsatz kommt zu spät, um das zu retten
Der Klang von Mülltonnen :lol:

Ja lach du nur. Das heißt so.

Und ‚angeschickert‘ kennst du nicht? Steht im Duden.

Irgendwann einmal werde ich Schafe hüten auf Korsika. Aber bis dahin teste ich Software.
das gefällt mir

Gefallen tut mir das auch, aber das nehme ich Anouk nicht ab, dass sie das irgendwann tun wird. Das redet die sich nur ein.

Kommawahn. Mach mehrere Sätze draus

Also, das ist lustig. Achillus hat schon meine vielen kurzen Sätze bemängelt und allgemein über die Kunst, mittellange und lange Satzkonstruktionen zu schaffen, sinniert. Und jetzt dein Kommentar. Resumée: Schreib längere Sätze und auch noch dergestalt, dass möglichst wenige Kommas benötigt werden? Seufz. :shy:

Ja, ich hab den Text gern gelesen. Du hast eine sympathische Erzählerin und das hat eine Menge Gewicht.

Freut mich. Ich glaub, du bist der Erste, der Anouk sympathisch findet, hehe.

Manchmal waren es mir zu viele Personen, gerade in der ersten Hälfte, und ich hab nicht so ganz durchgeblickt wer da wer ist und welche Funktion er erfüllt.

Ja, die Rückmeldung kam mehrfach, am deutlichsten zuletzt von erdbeerschorsch. Ich lerne dazu: Bei meinem aktuellen Schreibversuch hab ich deswegen gerade eine Nebenfigur gekillt - R.I.P.

Besten Dank für deine interessanten Hinweise, hat mich gefreut!

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Anne noch mal

Yoaah", sagt Bernd und geht.
hm , das ist jetzt kein Wort ... da stolpere ich etwas drüber. Ich denke, drei Auslassungsunkte würden das gedehnte spürbar machen
Aber ich mag doch das Lautmalerische! (Bei meinen ersten Texten hier hieß es immer, so etwas sei comichaft, so lange, bis ich es geändert habe.)
Hier bist du der Erste, der das bemängelt. Was meinst du denn mit den drei Auslassungspunkten? Kann Bernd drei Auslassungspunkte sprechen? Das Wort Yoh steht auch nicht im Duden. Und er sagt definitiv nicht Ja. Ich verstehe nicht, wie ich es ändern müsste, dass du zufrieden wärst.
Also sprechen kann man drei Auslassungspunkte nicht direkt, aber sie sind ein Anzeiger dafür, dass entweder etwas abgebrochen wird, oder dass der Sprecher etwas gewollt auslässt. Und zweitens würde ich hier doch vermuten.
Es ist nur eine Kleinigkeit, aber in meiner Lesegewohnheit, würde das der Bedeutung und damit dem Lesefluss mehr entgegen kommen:
"Yoaah ... ", sagt Bernd und geht.
Das ist klar, dass da etwas unausgesprochenes vorliegt und es würde mir zumindest helfen, mich nicht an einem Kunstwort auszuhängen.

Hier steh ich ebenfalls auf dem Schlauch: Was möchtest du mir sagen? Vor allem: Was ist WR?
Wörtliche Rede

Und ‚angeschickert‘ kennst du nicht? Steht im Duden.
:eek:

Also, das ist lustig. Achillus hat schon meine vielen kurzen Sätze bemängelt und allgemein über die Kunst, mittellange und lange Satzkonstruktionen zu schaffen, sinniert. Und jetzt dein Kommentar. Resumée: Schreib längere Sätze und auch noch dergestalt, dass möglichst wenige Kommas benötigt werden? Seufz
Ich hab das jetzt etwas pauschal gesagt. An diesem Satz zumindest bremsen die Kommas zu sehr aus. Das ist etwas, was man ja eigentlich vermeiden möchte, man will ja, dass der Leser im Fluss bleibt. Lange Sätze und kurze Sätze haben an sich beide ihre Berechtigung. Die bestimmen ja einen Großteil das Tempo der Geschichte, bzw der Szene und können sprechend unterschiedlich eingesetzt werden. Aber der der Lesefluss, der sollte darüber stehen. Lang oder kurz ist da unerheblich.

deswegen gerade eine Nebenfigur gekillt - R.I.P.
kill your darlings heißt es. Ist was dran.

grüßlichst
weltenläufer

 

„Als ob wir den Irren hier bräuchten."

Nee, Du brauchtest (= der natürliche Konj. II von "brauchen", aber keine Bange, bräuchten auch) mich sicherlich nicht. Warum aber schau ich zum - wievielten? - Mal vorbei seit November, k. A., ist auch egal. Wollt nur noch mal sagen, so lange es so oder so ähnlich oder mit ähnlichem Tenor lautet
Bernd, der Charmeur mit dem kratzigen Dreitagebart, umarmt mich wie immer. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
,

liebe Anouk,

wird das Dilemma von hierarchischer Beziehung im Privatesten des Privaten weiterbestehen, ob man will oder nicht. Und der olle Max Weber hat immer noch Recht, wenn er sagt

"Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.“ (Wirtschaft und Gesellschaft)

Hoppla, da kommt mir ein seltsamer Bezug ... Na, der eine mag halt kurze Sätze und ich lieb halt, den Kleist zu geben. Man kann's eh nicht jedem recht machen und selbst wenn man sich bemühte.

Tschüss und bis bald

Friedel

 

Liebe Anne,

ich habe die Kommentare nicht gelesen und steige sofort ein.

Habe beim ersten Erwähnen des Namen Wolf sofort versucht, einen Bezug zum Titel "Wolfstage" zu bilden. Gefällt mir.

Finde gut, wie du da ein Knistern zwischen Wolf und Anouk aufbaust.
Nur, hier finde ich, dass der durch mich vermutete Konflikt wieder schnell abflaut:

Was er sagt, hat für mich Hand und Fuß, anscheinend hat er schon Projekte dieser Größenordnung geleitet. Das beruhigt mich.

Aber dann:
Wolfs schlanke Finger ruhen auf meinem Bein. Als ich seinen Atem auf mir spüre, steigt Wärme in mir auf.
Huch, dachte ich, was ist denn jetzt los?
Der vermutete Konflikt des Nicht-Zusammenarbeiten-Könnens ändert sich in so etwas.

Gestern um 21:49 Uhr hat er mir mein Testkonzept zurückgemailt. Er hat es umgeschrieben und mit detaillierten Erklärungen am Rand versehen.
Hier fehlt mir eindeutig der Zusatz, wie sie das findet, wie sie damit umgeht.

„Jetzt erzähl mal. Wie läuft Prisma II?“
Achtung, Fangfrage.
Hm. Werden da keine regelmäßigen Statusberichte verschickt? Bei dem größten Projekt der Firma? Merkwürdig.

murmele ich
Kommt so wortwörtlich vier Mal vor.
vor sich hinmurmelt
Und wieder in anderer Schrebweise bei einer anderen Person.

Carl erzählt von dem neuen Projekt namens Lava, das er an Land gezogen hat.
Hier vermute ich, es ist eine Softwarefirma, die für Kunden programmiert. Bisher ging ich von einer internen IT-Abteilung eines Unternehmens aus. Spielt vielleicht keine große Rolle, wollte ich dir nur sagen. Wenn doch, könntest du das noch einbringen.

Make-Up
Make-up
Aber Friedel war doch schon da? Das hätte er doch finden müssen, hat er das Gleiche doch auch schon mal bei mir angemerkt, glaube ich. :Pfeif:

Dass Aniuk am Ende so "hart" reagiert, überrascht mich ein wenig. Habe da keine langsame Entwicklung gespürt, bis sie sich zu diesem Schritt entscheidet. Muss jetzt nicht verkehrt sein, da es so spontan wirkt.
Nur: Kann sie ab jetzt mit ihm tatsächlich zusammenarbeiten? Ist das so einfach?

Hat mir gefallen, ich kam gut in den Test, äh Text rein. Klingt alles wie aus dem wahren Leben.

Wünsche dir einen schönen Tag noch.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Friedrichard

liebe Anouk

Lieber Valco von Kürenberg!

„Als ob wir den Irren hier bräuchten."
Nee, Du brauchtest (= der natürliche Konj. II von "brauchen", aber keine Bange, bräuchten auch) mich sicherlich nicht. Warum aber schau ich zum - wievielten? - Mal vorbei seit November, k. A., ist auch egal.

Keinesfalls bist du, Valco Friedel, auch nur halb so irre wie Anne. Außerdem freue ich mich doch immer über deine Kommentare. :)

Also, ein kleines Making-of für dich: Mit dem „bräuchten“, das kam so: Weil der eine Konjunktiv gleichzeitig wie Präteritum Indikativ klingt („brauchten“), war er für Anne nicht konjunktief genug, sie wollte es noch konjunktiefer haben - sich keinesfalls dem Verdacht aussetzen, fahrlässig den gemeinen Indikativ zu benützen (gleich der nächste sinnlose Umlaut, wozu haben wir die Umlaute im Deutschen? Genau: zum Benützen) - und so griff sie gaaanz tief rein in die Tiefen der Konjugationskiste bis zu „bräuchten“. (Verschämt in Klammern: Wie ist das denn mit Konjunktiven, die mit Indikativen identisch sind, die sind doch gar nicht echt, oder?)

Na, der eine mag halt kurze Sätze und ich lieb halt, den Kleist zu geben. Man kann's eh nicht jedem recht machen und selbst wenn man sich bemühte.

Aber Friedel, du kleisterst (und faustusest) doch gar nicht! Da ich außer so hyperquadratische Zahlen wie die 49 auch noch andere Zahlen mag, hier was zur Satzlänge (Wörter pro Satz):

9 Obergrenze der optimalen Verständlichkeit laut dpa.
18 Durchschnittliche Satzlänge in der Westdeutschen Allgemeinen.
31 Durchschnittliche Satzlänge im Dr. Faustus (Thomas Mann).


17,4 Habit, Habitat und Habitäter
8,9 Wolfstage

Guck mal, deine Sätze sind nicht mal doppelt so lang wie meine. Nur fast.

so lange es so oder so ähnlich oder mit ähnlichem Tenor lautet,
Bernd, der Charmeur mit dem kratzigen Dreitagebart, umarmt mich wie immer. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
wird das Dilemma von hierarchischer Beziehung im Privatesten des Privaten weiterbestehen, ob man will oder nicht.

Warum warum warum lässt Anouk sich gerne von Bernd umarmen, aber ungern von Wolf ans Knie fassen? Anne geht davon aus, dass Anouk ähnlich wie Wolf ein klein wenig irre ist - nur auf andere Weise.

Besten Dank fürs erneute Vorbeischauen
und bis demnäx
Anne

 

Hallo GoMusic,

und willkommen im Wolfsgehege!

ich habe die Kommentare nicht gelesen

Komm, jetzt stell dich nicht so an. Es waren doch nur 79.

Nur, hier finde ich, dass der durch mich vermutete Konflikt wieder schnell abflaut:
Was er sagt, hat für mich Hand und Fuß, anscheinend hat er schon Projekte dieser Größenordnung geleitet. Das beruhigt mich.

Da hast du Recht, da flaut es gleich wieder ab! Es geht in dieser Geschichte auch so um Anouks Zwiespalt, dass sie einerseits Wolfs Agieren als Projektleiter und Mentor/Coach sehr schätzt und er sich andererseits übergriffig verhält. Also, Wolf ist nicht durch und durch böse, der hat auch gute Seiten.

Gestern um 21:49 Uhr hat er mir mein Testkonzept zurückgemailt. Er hat es umgeschrieben und mit detaillierten Erklärungen am Rand versehen.
Hier fehlt mir eindeutig der Zusatz, wie sie das findet, wie sie damit umgeht.

Da bist du der Erste, der das hier bemängelt.
An anderer Stelle im Text wird beschrieben, dass Anouk Wolfs Coaching schätzt. (Den Jamil fördert er ja auch.)
Hier an der Stelle muss man es sich zusammenreimen, da steht keine explizite Wertung, stimmt. Ich habe gehofft, es kommt hier raus, dass sein Review von der konstruktiven Sorte ist. Also etwas, was ihr als Autorin des Testkkonzeptes weiterhilft.

Hm. Werden da keine regelmäßigen Statusberichte verschickt? Bei dem größten Projekt der Firma? Merkwürdig.

Hehe. Oder es werden permanent viel zu viele, viel zu lange Statusberichte verschickt, die dann kein Schwein liest. :)

murmele ich
Kommt so wortwörtlich vier Mal vor.

Stimmt, dieses ganze Rumgemurmle ist mir die Tage auch aufgefallen. Das kommt verdammt oft. Eines meiner Lieblingswörter ... Muss ich mal gucken.

Hier vermute ich, es ist eine Softwarefirma, die für Kunden programmiert. Bisher ging ich von einer internen IT-Abteilung eines Unternehmens aus. Spielt vielleicht keine große Rolle, wollte ich dir nur sagen. Wenn doch, könntest du das noch einbringen.

Ja, es soll ersteres sein. Letztlich ist es für die Story aber nicht wichtig. Über das, was die da arbeiten, wollte ich nur das Nötigste bringen. Das hat mit dem Thema der Story nichts zu tun. Das könnte auch in einer Bank oder in einem Autohaus spielen, völlig egal wo.

Make-Up
Make-up
Aber Friedel war doch schon da? Das hätte er doch finden müssen

Herrlich! :lol: Ich bin ja gar nicht mehr selbst für die Rechtschreibfehler in meinen Texten verantwortlich! (Danke, ich habe es verbessert ...)

Dass Aniuk am Ende so "hart" reagiert, überrascht mich ein wenig. Habe da keine langsame Entwicklung gespürt, bis sie sich zu diesem Schritt entscheidet. Muss jetzt nicht verkehrt sein, da es so spontan wirkt.

Ja, dass ich keine organische Entwicklung nachzeichne, wurde mehrfach bemängelt.
Ich glaube, das Thema lag mir jetzt auch nicht soo am Herzen, dass ich da einen halben Roman drüber hätte schreiben wollen. Ich wollte einen knackigen Text, so zack zack ...
Für Anouk ist es einfach der perfekte Moment für die Ansage, nachdem Wolf sich dankbar gezeigt hat, dass sie in seinem Projekt bleibt. Als sie dann das Foto mit seinen Töchtern sieht (der Soft Spot vieler Männer ;)), weiß sie, wie sie ihn drankriegt.

Nur: Kann sie ab jetzt mit ihm tatsächlich zusammenarbeiten? Ist das so einfach?

Nee, weiß ich nicht, dass das so einfach ist. Ich gehe nur aus der Geschichte raus. Mein erstes Ende war noch ein wenig versöhnlicher, da hat er in der Tiefgarage gewartet, bis sie rausfährt, so ein wenig als „Beschützer“. Dann hatte ich mal ein unheimlicheres Ende, mit flackernder Neonröhre und jetzt gehe ich noch früher raus.
„Umständlich holt er seinen Schlüssel aus der Jackentasche und ein paar Mal habe ich das Gefühl, er setze an, etwas zu sagen, oder vielleicht bilde ich es mir nur ein.“ - Mit diesem Schlusssatz bin ich jetzt recht glücklich.

Hat mir gefallen, ich kam gut in den Test, äh Text rein. Klingt alles wie aus dem wahren Leben.

Das wahre Leben, der ganz normale Wahnsinn - so soll es sein.
Vielen vielen Dank für deine Anmerkungen, hat mich sehr gefreut! :)

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo felixreiner,

über deinen Kommentar habe ich mich gefreut, vor allem weil du auf den ‚neuen‘ Schluss eingegangen bist. Insgesamt hat diese Geschichte ja keine radikalen Überarbeitungen erlebt, nur am Ende habe ich ein paar Mal angesetzt und hin- und hergeändert.

Das, was du so wohlwollend als ‚schillernd‘ bezeichnest, hat einen Teil der Leser irritiert: Sie konnten keine schlüssige Figurenzeichnung erkennen. Freut mich, dass die Geschichte so für dich funktioniert.

Liebe Grüße
Anne

 

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