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Words don´t come easy
Ein letztes Mal sah sich Michaela in ihrem Zimmer um. Hatte sie auch ja alles eingepackt? Die Regale waren leer, der Schrank ebenso.
Leicht bedrückt setzte sie sich ein letztes Mal auf das Bett, in dem sie die letzten Wochen, Monate, ja Jahre geschlafen hatte. Zu Anfang hatte sie Probleme gehabt, sich der neuen Umgebung anzupassen und in diesem kleinen Zimmer zu wohnen – eingeengt zwischen ihren Sachen und den Büchern für das Studium. Dann – wie es nun einmal ist – hatte sie neue Bekanntschaften geschlossen, sich an alles gewöhnt und es lieben gelernt. Nun war das Studium zu Ende, wer wusste, ob sie je wieder eine so schöne Zeit haben würde.
Stunden um Stunden hatte sie in diesem Zimmer verbracht, gelernt, sich durch Bücher gewälzt und geschlafen.
Michaela stand auf und öffnete das Fenster. Man hatte einen schönen Ausblick auf den kleinen Stadtpark, der dem Wohnheim gegenüber lag und den sie so sehr zu lieben gelernt hatte. Ja, man konnte sagen, sie liebte diesen Park mit all seinen Spazierwegen, die sie schon so oft nach manch schwerer Klausur beruhigt hatten.
Spätestens in zwei Stunden würde sie das alles hinter sich lassen. Sie musste nicht, nein. Sie könnte hier bleiben, sie könnte sich eine kleine Wohnung suchen. Warum dann tat sie es nicht?
Den großen Rucksack geschultert und die schwere Tasche in der Hand, bereit, die Zimmertür - und damit diesen Abschnitt ihres Lebens - abzuschließen, sah sie sich plötzlich einem jungen Mann gegenüber. Es war Mark, der ihr, im Durchgang lümmelnd, entgegengrinste. Wie immer stand sein braunes Stoppelhaar nach allen Seiten wild vom Kopf ab.
„Du gehst, ja?“, fragte er und lehnte sich an den Türrahmen.
„Ja.“ Sie lächelte und war froh, dass er doch noch gekommen war.
Mark trat langsam ein und nahm ihr die Reisetasche ab. Er war kein Student, nein, aber er wohnte in der Stadt. Michaela hatte ihn vor knapp zwei Jahren während eines Altstadtfestes kennen gelernt und er war ihr seither immer ein guter Freund gewesen. Den geheimen Wunsch nach mehr hatte sie nie gewagt, ihm zu gestehen. Viel mehr hatte sie darauf geachtet, dass er es nicht bemerken möge.
„Danke.“ Mehr wusste sie in diesem Augenblick nicht zu sagen. Gerne hätte sie gesagt: „Nein, ich will nicht gehen. Ich will bei dir bleiben.“ Doch sie tat es nicht.
Ein letzter Blick durch das Zimmer und sie verließ es. Mark schlenderte neben ihr her, wie er es schon so oft getan hatte. Sie würde gerne bleiben, sollte sie es ihm sagen? Aber das war nun einmal nicht so einfach.
„Ich werde endlich wieder meine Familie öfter sehen können.“, begann sie, während sie die Treppe zum Parkplatz hinab stiegen, doch sie weiß, dass sie sich dadurch nur selber überzeugen wollte, dass sie das richtige tut. Ehe sie sich versah, standen sie bei ihrem Auto.
„Das ist immer gut.“, meinte Mark und hob die Tasche in Michaelas Kofferraum, der daraufhin geschlossen wurde – das Gepäck war verstaut.
Schweigend standen die beiden sich gegenüber, tauschten nur unsichere Blicke.
„Ich… wollte noch einmal in den Park gehen.“, erklärte Michaela schließlich. „Kommst du mit?“
„Gerne.“, erwiderte er und kurz darauf spazierten sie über den mit kleinen Steinen bestreuten Parkweg.
„Bist du dir sicher?“, fragte er plötzlich und blieb stehen. Sofort wusste sie, was er meinte.
„Ja.“, murmelt sie, doch es kam ihr nicht leicht über die Lippen. Sie wich seinem Blick aus. „Weißt du, mich hält hier nichts, außer dem Park. Es müsste nur eine einzige Person zu mir kommen und sagen, ich solle bleiben und ich würde es tun.“ Sie streifte Mark mit einem weiteren unsicheren Blick und ging weiter. „Und so ganz für mich allein wäre es mir zu einsam...", fügte sie hinzu und biss sich schmerzhaft auf die Zunge. War es zu direkt gewesen? Sie wagte nicht ihn anzublicken, als er ihr folgte. Wieder hüllten sie sich in betretenes Schweigen. Dann standen sie vor ihrem Wagen. Der Abschied war gekommen. Plötzlich fürchtete sie sich davor wegzufahren – ohne ihn zu sein. Würde sie ihn vergessen? Wollte sie das überhaupt? Eigentlich nicht.
„Darf ich dich drücken?“, fragte Mark zögernd und lächelte verlegen. Michaela nickte und schlang selber sofort die Arme um ihn.
„Pass auf dich auf. Und geh nicht verloren.“, ermahnte er sie scherzhaft und sah sie lächelnd an. „Es war schön mit dir.“
Das war alles? Sie blickte ihn ein wenig enttäuscht an. Dann nickte sie.
„Ja, es war schön.“ Zögernd ließ sie ihn los, stand unentschlossen da. In ihrem Kopf überschlugen sich die vielen Gedanken. Merkte er denn noch immer nichts? Sollte sie nun etwas sagen, bevor es zu spät war? Sie wartete. Worauf eigentlich?
„Also dann…“ Sie holte die Autoschlüssel aus ihrer Jacke.
„Also dann…“ Auch er rührte sich nicht. Lachen folgte. Ein seltsam erfrischendes Lachen. Schließlich berührte Michaela die Wagentür und öffnete sie. Ein letzter Blick zurück. Er stand da - unsicher und zögernd.
„Jetzt sag doch was.“, bat sie in Gedanken. „Nur ein Wort!“ Doch er schwieg.
Sie setzte sich auf den Fahrerplatz und wollte den Motor schon starten, als Mark plötzlich die Fahrertür aufriss.
„Bleib. Bitte.“