Wunschvorstellung
Augen auf. Die Sonne scheint. Ein neuer Tag will sich mir zeigen. Decke weg. Beine raus. Ab in die Pantoffeln. Auf ins Bad. Augen halb auf. Lörris in der Schüssel. Was ein Duft sich doch über Nacht aufbauen kann. Pasta auf die Zahnbürste und in den Mund. Kräftig schrubben. Ausspucken. Ausspülen. Abtrocknen. Auf ins Wohnzimmer. Gardinen auf. Lichtfetzen dringen ein. Der Magen knurrt. Ab in die Küche. Schrank auf. Teller raus. Schublade auf. Messer raus. Kühlschrank auf. Butter, Salami und die Nutte Ella raus. Und ein Griff in die Brotschale. Zurück ins Wohnzimmer. Zu tragendes auf den Tisch. Handy vom Stecker abgezogen. Lesen, realisieren. "Verdammte Scheiße!" Panik breitet sich im gesamten Haus aus. "Ich habe ja heute ein Date!" Freude und Hoffnung treffen auf Angst und Nervosität. Irgendwie überwiegt das zweite Paket. Absagen? Jetzt noch? Paar Stunden davor? Sehr arschig. Allerdings auch schon vorgekommen. War keine so gute Idee. Das Mädchen war weg. Nein! Dieses Mal ziehe ich das durch! Werde es rocken! Bald ist sie mein! Schnell essen. Auf ins Bad. Hahn aufdrehen. Hahn zudrehen. Handtuch umgeworfen. Schicke Kleidung wird angezogen. Schuhe an und Mantel um. Fix zum Auto gesprintet. Ihre Adresse wird vom Navi dankend verspeist. 22 Minuten Fahrzeit. Passt. Raus aus der Stadt. Über Stock und Stein, Feldweg und Allee, auf zur Herzensdame. Rein in die Stadt. Direkt vor ihrer Tür geparkt, auf dem Behindertenparkplatz. BMW darf das. Überpunktlich. Das Aussehen wird nochmal im Innenspiegel gecheckt. Natürlich kam heute der "Bad-hair-day". Nochmal alles bis zur Verzweiflung richten. Egal, da kommt sie! Die Schönheit. Ich umarme sie zur Begrüßung. Sie strahlt. Ich strahle. Alle strahlen. Außer der Typ, der gerade wild hupt, weil ich ihn zugeparkt habe. Er scheint es wohl eilig zu haben. Wir gehen zum Auto und ich öffne ihr gentlemen-like die Tür. Das gibt Bonuspunkte. Wir fahren los. Der Typ ebenfalls. Grinsend blickt sie auf mich. "Und wo geht's hin?" "Lass dich überraschen." antworte ich. Wir fahren durch die Stadt. Weiter außerhalb ist ein wunderschöner Aussichtspunkt. In der Nähe geparkt, steigen wir aus. Es geht weiter in Richtung Aussichtspunkt. Auf dem Weg dorthin tollen wir herum, lachen und kommen uns näher. "Wow ist das schön", grinst sie über alle Backen. Wir blicken in die Ferne. Stille kehrt ein. Eine gute. eine liebende. "Lass uns Fotos machen", sagt sie. "Ich brauche neue Hintergründe." Da muss ich grinsen. Blitzschnell zieh ich das Handy. 10 minuten lang Fotos gemacht. Auf gehts, zurück zum Auto. Anschließend ins Café. In das beste der Stadt. Es ist zwar ein bisschen teurer, aber sie war es mir wert. Wir sitzen auf dem besten Platz. Der wurde vorher schließlich reserviert. Ich alter Schlaufuchs. Es ist köstlich. Aber noch viel wichtiger: es gefällt ihr super. Die Chemie stimmt. Das merken wir beide. Ich zahle. Wir stehen auf. Gehen Richtung Tür. Ich spüre plötzlich so einen merkwürdigen Druck in meiner Hand. Ein Schlaganfall? Nein. Ich schaue runter und sehe ihre Hand meine Hand fest umschließen. Das muss ein gutes Zeichen sein. Anschließend fahre ich sie nach Hause. Wir verplappern uns vor ihrer Haustür. Ca. 30 Minuten. Es ist schön. Sehr sogar. Plötzlich ruft ihre Mutter an und fragt, wo sie steckt. Das ist wohl das Zeichen. Wir gehen zur Tür. Mit jedem weiteren Meter zog eine leichte Traurigkeit mehr und mehr ein. Es heißt Abschied nehmen. Küssen? Beim ersten Date? Nee. Sie umarmt mich. Ganz fest. Und länger als normal. Also länger als 3 Sekunden. Deutlich länger. Obwohl, der Kuss ist doch drinne. Ich setze alles auf eine Karte. Die Umarmung ist vorbei. Sie entfernt sich von meinem Körper. Ich ziehe sie wieder zu mir ran. Ich küsse sie. Adrenalin pur. Freie Radikale. Der Kuss. Ein Traum. Chemie? Stimmt. Die Tür fällt zu. Das Licht im Treppenhaus neigt sich langsam dem Ende zu. Ich steig in mein Auto und fahr wieder nach Hause. Hammer geil! Freude breitet sich aus! Das Radio wird aufgedreht. Die beste Rückfahrt meines Lebens. Zu Hause bin ich nur am Grinsen. Die rosarote Brille steht mir gut. Vorm Schlafen gehen schreibt sie mir noch, wie schön es für sie war. Ich bin überglücklich. Das ist der Anfang von etwas Großem. Die Augen fallen zu.
Der Notfallwecker klingelt. Augen auf. Ich muss eingeschlafen sein. Auf dem Sofa. Zu Teleshopping. Wow.
Noch eine Stunde bis zum Date. Die Nervosität steigt. "Du verkackst das", sagt mein Kopf. "Du bist total hässlich." "Du bist nicht in ihrer Liga." Die Freude ist weg. Stattdessen gibt es Angstnachschlag. Schnell das Handy zucken. Ein "Tut mir leid. Mir gehts total scheiße. Es geht heute leider nicht" erreicht ihr Handy. Die Angst hat gewonnen. Ab ins Bett. Die Traurigkeit und den Scham wegschlafen. "Ach ja, wie sähe meine Zukunft aus, wenn ich nicht abgesagt hätte?"