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Zeit, Morgen und Lethargie

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22.03.2010
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Zeit, Morgen und Lethargie

Es ist 6.40 Uhr. Der penetrante Klang einer mir nur allzu vertrauten Melodie, welche ich bereits seit Wochen zu ändern gedachte, geleitet mich unsanft aus meinen angenehmen, wenn auch lückenhaften Träumen hinüber in die Prosa der Realität und damit direkt in mein Bett, das mir dank der über Nacht von meinem Körper an die Decke abgegebenen Körperwärme als eine ernsthafte Alternative zum ersten und voraussichtlich kalten Schritt daraus hervor erscheint.
Ich betätige die Schlummertaste an dieser elektronischen Hundeleine, die mir meine Freundin, wenn auch aus den besten Absichten, geschenkt
(oder angelegt) hat und falle in einen eben so kurzen wie erholsamen Halbschlaf, aus welchem ich jedoch nur kurz darauf, bedingt durch das erneute Ertönen der mittlerweile verhassten Melodie aus den Lautsprechern meines Handys erwache.
In meinem noch vom Schlaf vernebelten Verstand manifestiert sich die Frage, wie es nur möglich ist, dass diese winzigen Lautsprecher einen derart lauten Klang zu erzeugen vermögen, während dieser auch schon durch einen automatisierten Griff meinerseits mit einem letzten knackenden Ton verstummt.
Beinahe simultan drängt sich mir auch schon durch ein gerade noch vernehmbares Läuten der nahegelegen Kirchturmglocke, bei welcher es sich wie mir spontan in den Kopf schießt heutzutage wahrscheinlich auch bereits eher um einen Lautsprecher als eine Glocke handelt, die momentane Uhrzeit auf.
Angesichts dieser entschließe ich mich, mein Bett zu verlassen und mich anzuziehen.
Ich entscheide mich gezwungenermaßen für die am Vortag getragene Kleidung und tausche lediglich die Unterwäsche aus.
Die Auswahl dieser entpuppt sich, da der Großteil meiner Kleidung ungewaschenen einen mich schelmisch anlächelnd zu scheinenden Haufen bildet, als nicht allzu schwierig.
Schwarze Shorts, weißes T-Shirt.
Ein Blick auf meinen Nachttisch, welcher dem Aufheben meines Handys gewidmet war, lässt mich kurzzeitig abschweifen und ein paar Zeilen aus einem neben diesem liegenden, aufgeschlagenen Buch lesen.
Er ahnt nicht, dass schon der einfachste Werteausdruck, wie 20 Ellen Leinwand = 1 Rock, das Rätsel der Äquivalentform zu...
Ich löse mich widerwillig und mit einem leichten, unterbewusst ausgelösten Kopfschütteln von meiner unfreiwilligen Lektüre und eile ins Badezimmer,
wo ich, noch in Gedanken bezüglich des Buches und dank jahrelanger Übung ohne auch nur einen Gedanken daran zu verlieren, die täglichen Dinge, welche man im Bad eben so besorgt, hinter mich bringe.
Erst das unangenehme Knarren der sich hinter mir schließenden Badezimmertür weckt mich aus diesem gedankenverlorenen Zustand und ich mache mich, notgedrungen mal wieder ohne Frühstück, auf den Weg.
Ersatzweise zünde ich mir bereits direkt nach dem Schließen der Wohnungstür, welche nicht weniger rücksichtslos zu knarren pflegt als die restlichen Türen meiner Wohnung, beinahe so zeremoniell eine Zigarette an, als ob diese die fehlende Nahrungsaufnahme zu ersetzen vermöge.
Beim herabsteigen der mir so zahllos anmutenden Stufen, die durch einen schmalen Gang hinunter zur Straße führen nehme mal wieder das Moosgrün der Treppe war.
Hatte ich die schreckliche Farbe dieser Treppen nicht bereits bei meinem Einzug bemängelt?
Hatte ich nicht schon damals angemerkt, dass mich diese an das Grün des Mooses an einem verwitterten Grabstein erinnert?
Wie dem auch sei, ist es mir wohl nicht vergönnt, diese morgendliche Assoziation auf den Friedhof zu verbannen, auf den sie gehört.
Als ich endlich unten ankomme und die letzte Türe, welche mich von der Welt außerhalb meines Domizils trennt, hinter mir schließe, gerate ich schon fast in freudige Erregung als ich vernehme, dass diese, möglicherweise aus Gründen der Emanzipation von den anderen, eher ein Ächzen als ein knarren verlauten lässt.
Mein erster blick nach auf die Straße lässt mich, dank strahlender Sonne, auf einen warmen Tag hoffen. Nur um mich bereits Millisekunden später mit der Erkenntnis zu konfrontieren, dass ich mich zu einem Trugschluss hatte verleiten lassen.
3 Grad C!
Ich lege schnellen Schrittes die knappen 300m zu meinem Auto zurück.
Schwarzer Corsa, rote Sitzbezüge, neu, zumindest die Bezüge.
Kurz nachdem ich in diese Rostlaube, welche ich mein eigen nenne, eingestiegen bin, drehe ich den Schlüssel im Zündschloss herum und mein Radio ertönt.
Kurz gefolgt vom Jammern des anspringenden Motors und dem daraus resultierenden lautstarken Klappern des Auspuffes, den ich schon vor Monaten zu reparieren gedacht hatte.
Ich fahre los.
In Anbetracht der Gefahr plötzlich einsetzenden Sekundenschlafes drehe ich das Radio lauter.
Als ich gerade versuche, den Klängen eines der wohl interessantesten Gitarrensolos, die
Mr. Hendrix seiner Zeit zu schaffen vermochte, zu lauschen, fällt mir die Uhr auf meinem Armaturenbrett und somit auch die vorangeschrittene Zeit auf, welche wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf hängt.
Ich fahre auf die Autobahn, eine der wohl monotonsten Errungenschaften menschlicher Zivilisation.
Gedanken über die anderen Verkehrsteilnehmer und wer im Inneren dieser Hightech Kutschen, welche so mancher paradoxerweise zum Inhalt seiner Existenz erhoben hat, versuche ich zu vermeiden.
Noch während ich, gerade mit einem Gedanken an eine Phrase des letzten Stückes, an dem ich gestern Nacht gearbeitet hatte, endlich die lang ersehnte Ausfahrt erblicke, werfe ich die mittlerweile achtlos zwischen meinen Fingern verglühte Zigarette aus dem Fenster, welches ich, wie ich just in diesem Moment feststelle, mal wieder über Nacht einen Spalt breit offen gelassen haben muss.
Noch ein einige hundert Meter.
Ich fahre an einigen Parkplätzen vorbei, die mir sehr gelegen gekommen wären, hätten sie nicht schon andere belegt.
Da.
Endlich ein freier Platz.
Die Uhr.
Zu spät...

 
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Das hier ist mein absolutes Debüt, sowohl was diese Seite betrifft, als auch bei der Veröffentlichung literarischer Texte allgemein.
Ich hoffe das diese Geschichte, so gewöhnungsbedürftig sie auch sein mag dem einen oder anderen gefällt.

Aus Gründen des Copyright´s sollte ich noch anmerken das, dass kleine Zitat:

„Er ahnt nicht, dass schon der einfachste Werteausdruck, wie 20 Ellen Leinwand = 1 Rock, das Rätsel der Äquivalentform zu... „

Dem Kapital von Karl Marx entnommen ist.

P.S. Ich freue mich über jede abgegebene Meinung sowie jede Art von konstruktiver Kritik bezüglich meines Werkes.

 

Hej Rented,

herzlich willkommen hier!

Du scheinst ein großer Liebhaber des (eingeschobenen) Relativsatzes zu sein. Auf den Fluss der Erzählung wirkt sich das negativ aus, es verleitet außerdem dazu, sich zu verzetteln. Vielleicht könntest Du die Sätze hin und wieder etwas einfacher konstruieren und Dich mehr der Handlung widmen.

Ehrlich gesagt, ich war von den Nebensätzen so dermaßen in Anspruch genommen, dass ich jetzt nicht genau weiß, was eigentlich passiert ist: Anfangs war da ein Wecker, zum Schluss sitzt er im Auto und dazwischen gab es ein Treppenhaus ...

Ich schlage Dir vor, Dich einem Thema zu widmen, nur dem Morgen, nur der Lethargie, nur der Zeit - das ist schwer genug.

Viele Grüße
Ane

 

Danke erstmal.
Schonmal nett du dir die Zeit genommen hast meine, doch recht anspruchsvolle Geschichte zu lesen.:)
Was die Länge der Sätze anbelangt muss ich anmerken, dass mir diese beim ersten Lesen ebenfalls etwas zu lang vorkamen.
Allerdings handelt es sich bei dieser Geschichte, wie bei vielen Kurzgeschichten um ein Exemplar, welches wohl erst bei genauem Lesen wirklich verständlich ist.:read:

Ich schlage Dir vor, Dich einem Thema zu widmen, nur dem Morgen, nur der Lethargie, nur der Zeit - das ist schwer genug.

Was diesen Vorschlag anbelangt, muss man in Betracht ziehen, dass diese Geschichte absichtlich nur über einen sehr minimalistischen Inhalt verfügt und auf Grund dessen, größtenteils von Stil und Sprache lebt.
Sprich: von genau diesen Nebensätzen.

Ich bin allerdings sehr froh deine Kritik erhalten zu haben, da ich diese Anmerkungen wahrscheinlich, besser bereits bei Veröffentlichung des Textes hätte anhängen sollen.:hmm:

 

Hm, über Anspruch lässt sich streiten - ich jedenfall stelle an mich und meine Kgs selbigen eben welchen :-) : dass der etwaige Leser sich gerne und bereitwillig auf den Text einlässt, dass er Spaß am Fluß der Sprache, am Inhalt und an der Weiterentwicklung desselben hat. Kurz: dass er spannend findet, was er grade liest und es gerne tut.
Bei dem Text hier ging mir die Freude recht früh verloren. Die stetigen Relativeinschübe: welcher, dieser, der, da...usw nerven in ihrer Häufigkeit. Ja, das ist wohl der Stil, den du hier gewahrt wissen willst, ich empfinde es als ziemlich dröge und allzu graviatisch.
Denn inhaltlich gibt diese KG kaum entsprechend etwas her: Jeder Morgen fängt zu früh an.
Daraus lässt sich - oder ließe sich - durchaus eine nette, flotte Story produzieren, deine kommt mir sehr schwer daher, bricht beinahe zusammen unter der Last des ihr vom Autoren auferlegten Wortbrimbamboriums, so dass ich mich ständig fragte: "Warum braucht er soviel Gedöns und sagt nicht einfach, was er meint und will?"
Nicht übel nehmen, ich stehe mehr auf Leichtigkeit - was nicht im mindesten den Anspruch eines Textes schmählern muss!
Gruß

 

Hi NikitaF
Ich danke dir für deine konstruktive Kritik an meinem Werk.
Ich denke, dass ich mir beim schreiben dieses Textes vielleicht ein wenig zu sehr darauf versteift habe die Szenen möglichst genau darzustellen.
Das wirkt sich wie ich feststellen muss wohl wirklich zu sehr auf den Fluss der Geschichte aus.
Was die Story anbelangt bin ich zumindest froh, wenn sich durch das lesen, ein wenig von der eingeflossenen Lethargie auf den Leser überträgt.:lol:
Ich werde beim nächsten mal voraussichtlich eine einfachere Struktur wählen, um es dem Leser zu erleichtern dem Ablauf zu folgen.
Danke nochmal.

 
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Hallo Rented!

„Lethargie“ zieht sich geradlinig durch die Geschichte. Überall trifft dein Protagonist auf Dinge, die von ihm längst hätten erledigt werden können. Seine Freundin sorgt sich mehr um seine Pünktlichkeit als er selbst.

Den „Morgen“ hätte der Titel nicht gebraucht, ähnliches wäre dem Protagonisten auch an irgendeinem Abend passiert. Die vertrödelte Zeit ist eine Folge seines lethargischen Naturell und somit im Titel nicht erwähnenswert. (Das alles erinnert mich daran, dass ich irgendwo gelesen habe, der Titel eines Buches sei grundsätzlich Sache des Verlages.)

Das nicht gerade aufregende Thema „Lethargie“, dazu noch ein Text, der sich wegen seiner langen Schachtelsätze nur langsam lesen lässt. Das könnte ich jetzt beanstanden, aber in diesem Fall will ich sagen: geschickt gemacht!
Lethargie, nicht nur als Thema, sondern auch als Textkonzept. Der Text ist gleichgültig gegenüber seinem Leser. Er kommt ihm kein Schritt entgegen; lethargisch eben.
Sowas muss ich jetzt nicht jeden Tag lesen, aber als Erfahrung war es interessant, weil hier, wie bei einem perfekten Bild, Thema und Rahmen zusammen passen.


Noch ein paar Kleinigkeiten:

den Lautsprechern meines panisch blinkenden Handys erwache.
Teeny-Slang. Passt nicht zum Erzählstil.

= Ein Blick auf meinen Nachttisch, welcher dem Einstecken meines Handys gewidmet war, lässt mich kurzzeitig abschweifen
Er/sie, ich entscheide mich ohne Grundlage für „er“, steckt das Handy in den Nachttisch? Oder war der Blick eher dem Griff nach dem Handy (auf dem Nachttisch) gewidmet?

Erst das unangenehme Knarren der sich hinter mir schließenden Badezimmertür weckt mich aus diesem gedankenverlorenen Zustand und ich mache mich, gezwungenermaßen mal wieder ohne Frühstück, auf den Weg.
Wer zwingt ihn denn? … notgedrungen …

Kurz gefolgt vom Jammern des anspringenden Wagens und dem daraus resultierenden lautstarken Klappern des Auspuffes, den ich schon vor Monaten zu reparieren gedacht hatte.
Der Motor springt an. Ein Wagen steht, fährt oder prallt gegen einen Baum. Bestenfalls bockt der Wagen, wenn der Motor, während der Wagen fährt, nicht rund läuft.

fällt mir die Uhr auf meinem Armaturenbrett und somit auch die vorangeschrittene Zeit auf, welche wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf hängt.
Damoklesschwert steht für eine Bedrohung, und zwar für eine sehr konkrete. Das Damoklesschwert selbst ist quasi die Bedrohung, welche unmittelbar und auch für jeden Betrachter sichtbar, jemanden bedroht.
Die vorangeschrittene Zeit ist keine Bedrohung, nur die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Hier als Beispiel: Der Personalchef wird mir die ausgeschriebene Stelle nicht geben, wenn ich zu spät zum Gespräch erscheine. Die Bedrohung ist in diesem Beispiel der penible Chef, nicht die Zeit. Die Zeit kann nicht drohen. Womit sollte sie das auch tun?

Ich fahre auf die Autobahn, eine der wohl monotonsten Errungenschaften menschlicher Zivilisation.
Das Bild ist nicht stimmig. Eine Autobahn ist in der morgendlichen Rushhour vor lauter Autos kaum sichtbar. Alle drängeln, fädeln sich ein oder aus, kurz: ein mächtiges Gewusel.

Gruß

Asterix

Nachtrag:
Hab grad deinen neuen Beitrag gelesen.

Was die Story anbelangt bin ich zumindest froh, wenn sich durch das lesen, ein wenig von der eingeflossenen Lethargie auf den Leser überträgt
Hab das genau so empfunden.

 

Hi Asterix
Ich freue mich sehr deine überaus gut durchdachte und sachliche Kritik erhalten zu haben.
Ich werde die von dir vorgeschlagenen Änderungen gerne und schnellstmöglich umsetzen.
Darüber hinaus freut es mich, dass du meine Intention, so gut nachempfinden konntest.
Ich bin mir im nachinein auch nicht wirklich sicher ob ich diesen Text nicht besser unter Experimente gepostet hätte.

Damoklesschwert steht für eine Bedrohung, und zwar für eine sehr konkrete. Das Damoklesschwert selbst ist quasi die Bedrohung, welche unmittelbar und auch für jeden Betrachter sichtbar, jemanden bedroht.

Ich werde wohl einzig und allein diese Stelle vorerst nicht ändern, da das Damoklesschwert hier die Funktion haben soll, eben diese konkrete Bedrohung durch, dass was sich hinter der Zeit verbirgt darzustellen, ohne es jedoch beim Namen zu nennen.
Ich bin zusäzlichem Rat diesbezüglich jedoch aufgeschlossen.
Solltest du Anlass dafür sehen, wäre ich über eine persönliche Nachricht sehr erfreut.

Abschleissend möchte ich einfach mal sagen: Danke!

 

Habe schonmal einige der vorgeschlagenen Änderungen vorgenommen.

-Der Wagen hatt sich auf seinen Motor reduziert.
-Der der Zwang ist in Not umgeschlagen.
-Das Handy hatt das panische Blinken eingestellt und wird Aufgehoben.

 

Danke schon mal, an alle die mir mit konstruktiver Kritik oder auch dem einen oder anderen Ratschlag geholfen haben.
Ich freue mich natürlich, über jeden weiteren Leser und jede weitere Meinung.
:thumbsup:

 

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