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Zeit

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17.02.2006
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Zeit

Die Uhren tickten.
Mein Herz schlug in meinen Ohren. Ein Geräusch, so laut, wie ein einfahrender Zug.
Die Erde drehte sich und mit ihr, alle Wesen, die sie bewohnten.
Das Licht des Krankenwagens erleuchtete die Straße vor meinem Haus. Tauchte die Szene in ein skurriles Farbenchaos.
Um mich herum standen meine Nachbarn, die ich kaum kannte.
Eine ältere Frau, etwa 70, mit schmalen Schultern und grau-weißem Haar hatte mir eine Hand auf die Schulter gelegt.
Mir war eiskalt.
Ein Sanitäter fragte mich etwas. Doch die Worte drangen nicht zu mir durch. Ich starrte auf einen Fleck hinter ihm und weigerte mich, das was ich sah zu begreifen, zu realisieren, anzunehmen.
„Können sie mich hören?“
Der Mann, der nicht älter sein konnte als 25, drehte mein Gesicht zu sich. Seine Hand war rau.
„Verstehen Sie mich?“
Ich nickte bloß und blickte in seine blauen Augen, ohne ihn wirklich zu sehen.
„Können Sie mir erklären, was geschehen ist?“
„Sie ist die Treppe herunter gefallen. Ich hab Geräusche gehört…“
Er ließ mein Gesicht los und wandte sich von mir ab. Sein lockiges Haar streifte meine Wange. Ich blieb zusammengesunken auf der Treppe vor dem Haus sitzen, in dem ich lebte. Mit ihr.
„Sally?“
Die Frau, die die ganze Zeit neben mir gestanden hatte, kannte meinen Namen. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn ihr gesagt zu haben. Sie ließ sich neben mir in die Hocke sinken. Ihr, mit Rosen bestickter, Morgenrock bauschte sich leicht auf. Sie roch nach Seife.
„Sally?“
Ich nickte.
„Wir sollten Sie rein bringen.“
Ich verstand nicht, was sie meinte.
Ich würde ins Krankenhaus fahren und an ihrem Bett sitzen. Warten bis sie aufwachte.

Ich stand auf. Die Hand der Frau rutschte von meiner Schulter und hinterließ ein merkwürdiges Gefühl, an der Stelle, wo sie gelegen hatte.
Ich stolperte die restlichen Stufen herunter und taumelte an den Polizisten und Sanitätern vorbei, die wie eingefroren schienen.
Keiner hielt mich auf. Keiner nahm meine Hand. Keiner stand mir zur Seite.
Das blaue Licht tanzte einen wilden Tanz, in den Blätterdächern der Birken.
Als ich an der Trage angekommen war streckte ich die Hand aus. Berührte ihre Wange.
Wärme strömte in meine Finger.
Ihre braunen Augen waren geschlossen. Sie schlief. Träumte vielleicht
Warum brachte sie keiner ins Krankenhaus?
Warum rührte sich keiner?
Ich drehte mich um. Alle Blicke ruhten auf mir. Die Frau, die neben mir gehockt hatte, hatte Tränen in den Augen.
Ich wollte schreien.
Sie mussten Sie ins Krankenhaus bringen.
Doch meine Stimme schien zu weit weg.
Mein Herz schlug schneller.
Die Uhren tickten.
Die Lichter tanzten in den Bäumen, auf den Gesichtern.
Ich starrte diese Menschen an.
Die Welt drehte sich weiter.
Nur in mir schien sie still zu stehen.

Ein Mann berührte meinen Arm und sagte etwas. Ich hörte es nicht.
Dann hoben zwei Sanitäter die Barre an, stellten sie in den Wagen und deckten meine Mutter zu.
Zogen die Decke über ihre Schultern – über ihr Kinn – über ihre Nase – ihre Augen – ihren Kopf.
Die Uhren tickten.
Die Erde drehte sich.

Die Türen des Rettungswagens wurden geschlossen. Ein dumpfer Laut.
Die Lichter erloschen.
Der Polizist ließ mich los.
Ich stand da und verstand es nicht.
„Sally? Hören Sie mich?“
Die Frau in dem Morgenmantel stand neben mir. Sie war klein. Zierlich. Zerbrechlich.
„Kommen Sie. Hier draußen ist es eiskalt.“
Keiner sagte ein Wort.
Und ich bewegte mich nicht.
Ich zog den dicken Bademantel enger um meinen Körper und schaute dem Rettungswagen hinterher, der meine Mutter wegbrachte.

Bald würde die Sonne aufgehen.
Die Erde drehte sich.

Nur an diesem Morgen verstand ich nicht warum.

 

Hi Black!

Das Thema der Geschichte ist nicht gerade neu, aber Themen müssen auch nicht unbedingt neu sein, sondern gut umgesetzt. Das ist dir hier meiner Meinung nach nur bedingt gelungen. Da sind viele Rechtschreibfehler drin, die ich aber nicht auflisten werde, weil ich ganz einfach vermute, dass die Arbeit umsonst gewesen sein wird. Wenn ich mich täusche kann ich das ja nachreichen. Oder so.
Dann noch was Formales: Ich weiß nicht wieso so viele Leute dazu neigen, für fast jeden Satz eine neue Zeile zu beginnen. Das verlängert den Text nur unnötig und ist ziemlich nervtötend, wie ich finde.

Inhaltlich finde ich die Geschichte auch ein bisschen dünn. Die Ansätze fand ich ganz gut, dieser Schockzustand der Protagonistin, das Zeitgefühl, das verlorengeht usw. Der letzte Satz ist dir auch gelungen, im Zusammenhang mit diesem Zeitmotiv. Allerdings war es irgendwann ein bisschen zu langatmig und trocken, klingt vielleicht ironisch, aber ich denke, du solltest der Geschichte ein bisschen mehr Leben einhauchen. So wirkt es alles sehr lose, es transportiert zwar einigermaßen den Zustand der Protagonistin, aber nachdem man die Geschichte weggeklickt hat, hat man sie auch schon wieder vergessen, so leid es mir tut.

Und nochwas: Meinst du nicht, dass Präsens hier die bessere Zeitform wäre?

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hallo Black,
ich schliesse mich apfelstrudel an, dein Text wirkt einfach nicht so, wie er es vielleicht könnte. Angefangen beim Formalen: Die ewigen Absätze wirken hektisch, stehen im Gegensatz zum Erstarren der Zeit. Genauso steht es mit der Satzlänge in beinahe allen Sätzen. Ellipsen können - massvoll eingesetzt - sehr wohl die gewünschte Wirkung haben, jedoch ein ganzer Text in diesem Stil ist mühsam zu lesen.

Der Titel ist zu wage und wirkt auf mich eher wie der Titel für eine Ausschreibung mit dem Thema "Zeit" - und macht den Text deshalb austauschbar.

Um mich herum standen meine Nachbarn, die ich kaum kannte.
Wenn die Protagonistin sie kaum kennt, weshalb weiss sie dann, dass es ihre Nachbarn sind? Besser wäre vielleicht: Um mich herum standen Leute, die ich kaum kannte.

Weiter ist die Szene mit dem Sanitäter unlogisch. Er dreht ihr Gesicht zu sich und lässt sie dann nach einer kurzen Erklärung einfach vor dem Haus sitzen - glaubwürdiger wäre es für mich, wenn er sich richtig um sie kümmert. Ebenso ist der Versuch, eine gewisse Romantik (jedenfalls verstehe ich "ein lockiges Haar streifte meine Wange" so) eher lächerlich im Zusammenhang mit den Vorfällen. Überhaupt, wie kann der Sanitäter, von dem du nicht schreibst, dass er auch in dem Haus wohnt, den Sturz mitbekommen haben?

Der Name der Protagonistin passt nicht in die Geschichte, er wirkt in der Mietshausumgebung irgendwie fehl am Platz.

Gegen Schluss führst du "den" Polizisten ein, der aber zuvor weder als Person noch als Funktion auftaucht - du setzt voraus, dass man bereits weiss, dass die Polizei oder zumindest ein Polizist vor Ort ist, was aber aus dem Text keineswegs hervorgeht.

Und: Wieso muss die Protagonistin, die im Morgenmantel erscheint und scheinbar im Haus war, einen Sanitäter fragen, was geschehen ist - wenn sie doch mit ihrer Mutter zusammenlebt?

Die Altersangaben sind für mich überflüssig, ich glaube, dass "ältere Frau" und "junger Mann" ausreichen, um die Personen zu beschreiben. Wenn du die Zahlen behalten willst, bitte, schreibe sie doch aus (siebzig und fünfundzwanzig sind nicht umständlich genug, um in Ziffern geschrieben zu werden).

Im Gesamten bleibt zu sagen, dass der Text einer starken Überarbeitung bedarf und du besonders auf Logikfehler achten solltest. Vieles wird einfach ex nihilo erwähnt und verwirrt (Leute tauchen in bestimmter Form auf, die zuvor nicht erwähnt wurden etc.). Und der Hauptteil des Textes ist stark am Rande von Kitsch - bestes Beispiel hierfür ist die "Frau im Morgenmantel", der mit Rosen bestickt ist (überhaupt tragen alle erwähnten Frauen einen Morgenmantel...).

Liebe Grüsse,
Marana

 

Hallo Black,
ich fand die Geschichte nicht ganz so misslungen wie meine Vorredner. In vielen Punkten haben sie Recht, aber es gibt auch gelungene Momente: Der letzte Satz ist sehr poetisch, wie ich finde. Du beschreibst auch die innere Handlung der Hauptperson sehr anschaulich. Dass jeder Satz auf einem eigenen Absatz steht, fand ich auch nicht so schlimm. Es betont mehr die Atemlosigkeit der Gedanken der Protagonistin.
Lieben Gruß!
catlucy

 

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