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Zeitenwechsel

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06.08.2005
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Zeitenwechsel

(überarbeitete Version)

Vielleicht war es ja doch eine gute Idee, sich telefonisch zu einem späten Frühstück zu verabreden. Der Tisch ist schon gedeckt; die Zeitschriften und Briefe, die ihn sonst bevölkern, zu ordentlichen Stapeln an den Rand gehäuft. Honig, Quark, Tassen, Teller und sogar Eierbecher stehen bereit. Auch ich gebe mir Mühe, habe die Haare frisch gewaschen und den Norweger-Pullover an, den Friedhelm mir geschenkt hat. Kleine Zeichen guten Willens, Friedenszeichen.

Der Geruch von frisch gemahlenem und gekochtem Kaffee macht mich immer zuversichtlich. Ein Blick über den Tisch, ob ich noch was helfen soll. Alles da, sogar das Salz. Ich setze mich und schenke mir eine halbe Tasse ein. Friedhelm hat meine Brötchen in einen Korb gefüllt und schneidet sich eins auf. Als ich mir auch eins nehmen will, fällt mein Blick auf die Wand hinter ihm.

Der Fleck entpuppt sich als ein längliches Insekt mit aufgestellten Flügeln. Mit Unbehagen fällt mir der letzte Sommer ein, Friedhelms rabiate Vorgehensweise, erschlagene Fliegen und eine zerdrückte Wespe. Ich springe auf, Glas aus dem Schrank, den obersten Briefumschlag gefasst, Motte, Rettung naht, ich komme.

Beinahe stoße ich mit Friedhelm zusammen, der gerade die Eier abschrecken will.
„Du hast da eine Motte“, sage ich und will an ihm vorbei.
„Mensch, mach doch nicht so eine Hektik“, erwidert er unwillig, nimmt mir das Glas aus der Hand und schiebt mich zu meinem Stuhl zurück. „Außerdem ist das ein Schmetterling.“

Krawumm, da ist er wieder, der Streit der letzten Tage. Wir wollten neu anfangen, ihn ignorieren, aussitzen, aber er hängt wie eine schwere Wolke zwischen uns. Dicke Luft. Friedhelm wirft mir ein paar Worte zu, „Motte“, „Schmetterling“ ...Sein Dozieren prallt an meinem versteinerten Gesicht ab, seine Worthülsen sind nur Stellvertreter, und das Wesentliche kommt nicht zur Sprache. Es geht doch nicht um Falter!
Ein Bissen vom Brötchen würde mir jetzt im Halse stecken bleiben, mein Atem stockt. Ich stehe wortlos auf und gehe nach draußen.

Unter dem Baum im Schatten des Hauses hat sich der Reif auf einem klar abgesetzten Rechteck erhalten. Der gefrorene Boden knarrt unter meinen Schritten, und ein dicker, weißer Pelz hat sich um die Halme gelegt. Ich sauge die Winterluft ein und fröstele, trotz des dicken Pullovers.

Zwei Meter weiter ist plötzlich Frühling. Saftiges Grün, die Sonne hat alles freigeleckt und wärmt mir jetzt den Rücken. Da , ein Zirpen im Garten der Nachbarn. Drei, nein vier Meisen fliegen über die Hecke herüber und umflattern den alten Mirabellenbaum. In der Ferne sehe ich, wie Elstern sich umkreisen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und bestaune das wolkenlose Blau über mir. So lang vermisst! Endlich wieder, nach all dem trüben Niesel! Ganz bewusst erlebe ich das neue Jahr, das noch ganz am Anfang ist, hoffe auf seine Möglichkeiten. Noch ein paar Atemzüge, dann gehe ich wieder ins Haus.

Friedhelm schaut von seinem „Spiegel“ auf, als ich wieder in die Küche komme.
„Was nun?“, fragt er.
Scheue Blicke zwischen uns, Angst auf beiden Seiten.
„Frühstück?“ Mehr ein Vorschlag, als eine Frage. Ich kippe meinen kalten Kaffee in die Spüle und schütte mir frischen ein, heiß und duftend.
„Heidi, wir müssen noch mal reden“, setzt Friedhelm vorsichtig an. Sein Blick ist ernst, doch nicht unfreundlich. Ich seufze erleichtert, schürze meine Lippen und sende ich ihm einen Kuss zu durch die Luft.
In dem Moment bewegt sich der Falter an der Wand. Ganz langsam stellt er seine bunten Flügel auf.

 

Holla Elisha,

Ich springe auf, Glas aus dem Schrank, den obersten Briefumschlag gefasst,
Naja, man sollte mit Wörtern nicht so sehr sparen, dass es sich falsch anhört. Wie wäre es damit:
Ich springe auf, hole ein Glas aus dem Schrank, den obersten Briefumschlag gefasst,

Ein Biss vom Brötchen würde mir jetzt im Halse stecken bleiben, mein Atem stockt.
Zwei Sätze, weil ich keine Verbindung zwischen beiden sehe.

Nette, kleine Geschichte. Es las sich flüssig, das Motiv mit dem Falter war gut eingebaut. Schade, das da kein Kerl im Wohnzimmer rumgelaufen ist, der dem Falter die Flügel ausgerissen hat und den Kopf unter der Lupe abgeschnitten hat, aber naja... ich war ja schon drauf gefasst.
Die Stimmung, die am Ende des Textes vermittelt wurde, diese innerlich und äußerliche Ruhe, kam wunderbar rüber und hat mich auch für Sekunden erfassen können.

Eike

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sternensegler,
kaum gepostet, schon ein Kommentar! Wow!

Ich springe auf, Glas aus dem Schrank, den obersten Briefumschlag gefasst,...
Ich habe es so geschrieben, weil es die Hektik zeigen soll. Ich warte mal andere Kommntare ab, ob es sich für die auch falsch anhört; dann übernehme ich deinen Vorschlag.

Ein Biss vom Brötchen würde mir jetzt im Halse stecken bleiben, mein Atem stockt.
Die Verbindung: Psychosomatik. Sie könnte jetzt nicht schlucken (ist natürlich auch im übertragenen Sinn eine Redewendung) und ihr Atem stockt.

Die Stimmung, die am Ende des Textes vermittelt wurde, diese innerlich und äußerliche Ruhe, kam wunderbar rüber und hat mich auch für Sekunden erfassen können.
Das freut mich besonders.

Schade, das da kein Kerl im Wohnzimmer rumgelaufen ist, der dem Falter die Flügel ausgerissen hat und den Kopf unter der Lupe abgeschnitten hat, aber naja...

Guckst du hier: http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?p=359408#post359408


@Groper
Die nächste Überraschung! Schon zweimal vor dem Schlafengehen hast du mich mit einem Kommentar in Erstaunen versetzt.

nett geschrieben, @elisha…wirklich…
Danke.

wen, um himmels willen, sollten wir hier sympathisch finden?..
Ich finde natürlich beide nett, als "Mutter der Gechichte" *g* Okay, sie sind alternativ spießig (Zeitschriften und Briefe auf dem Tisch, Norweger ...) Na und? Ich wollte eine Idylle schaffen, die duch den Streit durchbrochen wird. Krawumm. Und die halbe Tasse, weil sie ihn nachher wegkippt. Ich will doch nicht soviel Kaffee verschwenden. ;)

n fremden zimmern kreischend geziefer reklamiert…
doch nur, um zu retten, ist halt ein Gutmensch ...

aus diesem muff erlöst uns weder die draussen zirpsende grille noch der flügelschlag eines noch klammen zitronenfalters (oder wars gar ein pfauenauge?)…
im Text zirpt keine Grille , und weder Zitronenfalter noch Pfauenauge ...Wie heißen die rotbraunen ohne Fleck?

eben: ein requiescant in pacem funktioniert erst nach dem *kawumm*

Danke fürs Lesen und Kommentieren!

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

eine nette, kleine Geschichte hast du hier geschrieben. Ich habe sie sehr gerne gelesen, würde mir aber noch etwas mehr Inhalt wünschen. Momentan bleiben die Charaktere in deiner Geschichte mir noch sehr fremd, können mich nicht berühren. Ich würde es schön finden, wenn du hier noch etwas mehr in die Tiefe gehst, vielleicht Konflikte andeutest etc.!

Kompliment für die triste Beschreibung am Frühstückstisch. Die ist dir wirklich gut gelungen - ich konnte mich gut hineinversetzen.

LG
Bella

 

Hallo Elisha,

man spürt die Spannung zwischen den Beiden, aber irgendwie frage ich mich, warum du es erzählst. Für mich ist es gerade die Einführung in eine Geschichte, mehr nicht.

Der Geruch von frisch gemahlenem und gekochtem Kaffee macht mich immer zuversichtlich.
Kein Fehler aber sprachlich würde ich hier zum Genitiv raten.
Friedhelm hat meine Brötchen in eine Schüssel gefüllt und schneidet sich eins auf.
ausdrücken möchtest du, dass die Erzählerin Brötchen zum Frühstück mitgebracht hat, die Friedhelm in einer Schüssel auf den Tisch gestellt hat. Bei der Satzkonstruktion musste ich aber automatisch an jemanden denken, der gerade vom Zahnarzt kommt und die Brötchen nur eingeweicht essen kann.

Eikes Vorschlag wäre übrigens ähnlich falsch wie deiner. In beiden Fällen stört, gerade, wenn du die Hektik darstellen willst, der satzinterne Wechsel zwischen Präsens und Vergangenheit innerhalb der Tätigkeiten.

Ich kann leider immer wieder nur das Gleiche schreiben, was ich allgemein oft hinausschreien möchte. So sehr, wie ich es nachvollziehen kann, einen Eindruck, wie dem an Neujahrsmorgen zu nutzen, spart ihn auf und verwendet ihn als Bestandteil von richtigen Geschichten anstatt ihn in Instanteindrücken zu verschwenden.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo ihr,
danke für eure Kommentare!

@Bella,

schön, dass sie dir gefallen hat.

Ich würde es schön finden, wenn du hier noch etwas mehr in die Tiefe gehst, vielleicht Konflikte andeutest
Ich wollte nur darstellen, dass es einen unausgesprochenen Konflikt; der Inhalt ist nicht so wichtig, und jeder kann ihn selbst füllen. Aber vielleicht erweitere ich noch die Szene, bevor Heidi rausgeht.


@Sim

Ich kann leider immer wieder nur das Gleiche schreiben, was ich allgemein oft hinausschreien möchte. So sehr, wie ich es nachvollziehen kann, einen Eindruck, wie dem an Neujahrsmorgen zu nutzen, spart ihn auf und verwendet ihn als Bestandteil von richtigen Geschichten anstatt ihn in Instanteindrücken zu verschwenden.
Oft kann ich deinen Schreien aus vollem Herzen zustimmen, hier nicht! Es ist kein Instanteindruck, sondern eine Geschichte, auf verschiedenen Ebenen erzählt!

Die Prots wollen einen ungelösten Konflikt totschweigen, aber der Knoten platzt bei dem kleinsten Anlass, der sprichwörtlichen Fliege an der Wand (hier: ein Falter). Heidi geht aus der Situation (nur Zwischenspiel, Flucht ist keine Lösung) und schöpft Kraft, muss aber wieder hinein und die Situation bearbeiten ("wir müssen nochmal reden"). Durch die Bilder (Frühling, neues Jahr, bunter Schmetterling) wird "Zuversicht" angedeutet.

Hast du das denn alles überlesen, lieber Sim?

Gruß, Elisha

 

Nein, das habe ich nicht überlesen, liebe Elisha. Es bleibt für mich nur so fleischlos, weil nichts über den Konflikt erzählt wird, nur wie er sich auswirkt.
Mir ist auch aufgefallen, dass es entgegen der Klischees er ist, der reden will. Typischer da schon die Art, wie sie Gespräch verweigert indem sie reagiert und denkt, er müsste hellsehen können (Ihre Gedanken über seine Art mit Insekten umzugehen bleiben bei ihr, erst recht, dass sie diese Art als Bild von ihm nimmt. Sie macht ihn in sich zum Schlachter).
Vielleicht ist es auch diese Form von Wertung, die mich gegen den Text einnimmt. Er wertet eine Status Quo, ohne mir die Entwicklung zu zeigen, ohne mir überhaupt zu sagen, welche Form der Beziehung die beiden haben. Ehe scheint es nicht zu sein, sie leben nicht zusammen, Kollegen sind es aber auch nicht.
Ich habe beim Lesen das Gefühl, hier wird mir die Wertung einer Frau über einen Mann aufgedrückt, lediglich an einem Beispiel, das sie fieserweise nicht anspricht, aufgezeigt und ich habe es zu schlucken.
Männer sind Schweine, Frauen im Recht.
Nur, will mir partout nicht einfallen, warum die Frau nach der Mottengeschichte Kraft schöpfen muss. Sie ist es, die sich da daneben benimmt.

Eine Geschichte würde für mich die Entwicklung der Beziehung beinhalten, nicht nur das, was trennt, sondern das, was verbindet oder mal verbunden hat. Wenn es nur in der Frustration stagniert, ist es mir als Leser doch herzlich egal, ob sie sich wieder zusammenraufen. Da das Positive in der Vergangenheit der beiden fehlt, verpufft die Hoffnung.

Vielleicht konnte ich ja deutlich machen, was mich stört.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo,

ich sehe es ähnlich wie sim. Das es um einen (oder mehrere) Konflikt(e) geht, kann man herauslesen, doch ich bleibe als Leser unbefriedigt zurück, weil ich den Konflikt nicht kenne. Das ist unbefriedigend.
Dieser Text erscheint mir daher eher wie ein Fragment von etwas größerem, nur so für sich enfaltet er keine Wirkung.
Auch solltest du deine Satzstellungen überprüfen, teilweise schreibst du sehr umständlich und zäumst das Pferd von hinten aus (Beispiele siehe oben).
Ich würde dir raten, die Geschichte auszubauen und ihr einen erkennbaren Spannungsbogen zu verleihen.

lg
Uwe

 

@Sim

Mir ist auch aufgefallen, dass es entgegen der Klischees er ist, der reden will. Typischer da schon die Art, wie sie Gespräch verweigert indem sie reagiert und denkt, er müsste hellsehen können (Ihre Gedanken über seine Art mit Insekten umzugehen bleiben bei ihr, erst recht, dass sie diese Art als Bild von ihm nimmt. Sie macht ihn in sich zum Schlachter).
Wow, so liest du sie? Ich bin erschüttert.

Vielleicht ist es auch diese Form von Wertung, die mich gegen den Text einnimmt.
Ich habe gerade nicht gewertet. Das ist es doch, was ich aufzeigen will; in beiden gehen völlig unterschiedliche Gedankengänge vor: Friedhelm will ein ruhiges, gemütliches Frühstück, Heidi will den Falter retten. Beide haben Recht in ihrer Art, und wenn der alte Konflikt nicht bestehen würde, könnten sie sich darüber austauschen und eine Lösung finden.

Vielleicht werde ich die Beziehung noch etwas deutlicher schildern; mal überlegen.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha

Sternensegler schrieb:
Naja, man sollte mit Wörtern nicht so sehr sparen, dass es sich falsch anhört. Wie wäre es damit:
Ich bin nicht dieser Meinung, denn ich denke, manchmal erzielt gerade das Weglassen von bestimmten Wörtern, dass der Satz oder die anderen Wörter stärker betont werden. Genau das ist der Fall.

Ansonsten bleibt mir nicht viel mehr zu sagen, außer das es mir gut gefallen hat, denn komischerweise, hat alles das, was ich noch sonst noch anmerken wollte :susp: groper schon gesagt.

:thumbsup:
Liebe Grüße, Ph;)enix

 

Hallo Oldy,

Auch solltest du deine Satzstellungen überprüfen, teilweise schreibst du sehr umständlich und zäumst das Pferd von hinten aus (Beispiele siehe oben).
Das ist mir jetzt nicht so klar.

Gruß, Elisha

 

Hi Elisha!

Na ja, inhaltsarm sind viele Alltagsgeschichten. Deine bildet keine Ausnahme. Allerdings habe ich sie vielleicht etwas anders gelesen als die anderen: Ich war jedenfalls richtig erleichtert, als Friedhelm den Schmetterling doch nicht umgebracht hat. Allerdings dämmerte mir in dem Moment, dass es bei dem Streit wohl auch um mehr ging als um Ethik. Dann aber bleibst du dem Leser ein paar Antworten schuldig. Das Frühlings-Stimmungsbild kann ich nicht so recht einordnen, so als ob du mal eben eine Streitszene und das Bild miteinander kombinieren wolltest.

Fazit: Flott und flüssig geschrieben, nett erzählt - aber zu wenig Inhalt.

Ciao, Megabjörnie

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Elisha,

von dem alten Konflikt liest man ja nur, dass er existiert. Mehr weiß ich als Leser nicht.
Ich erkläre es dir mal anhand der Kommunikation zwischen den Beiden, wie die Wertung zwischen den Zeilen mit spielt.

Der Fleck entpuppt sich als ein längliches Insekt mit aufgestellten Flügeln. Mit Unbehagen fällt mir der letzte Sommer ein, Friedhelms rabiate Vorgehensweise, erschlagene Fliegen und eine zerdrückte Wespe. Ich springe auf, Glas aus dem Schrank geholt, den obersten Briefumschlag gefasst, Motte, Rettung naht, ich komme.
Von all den Gedanken äußert sie nur:
Du hast da eine Motte
Zwangsläufig muss er annehmen, sie stört sich an der Motte, hat Angst oder ekelt sich vor ihr. Im ungünstigsten Fall muss er denken: Hysterische Ziege, Motten kommen nun mal vor in der Natur. Dass sie die Motte retten will, dass sie sich schon im Sommer an der Art, wie Friedhelm mit Insekten umgeht störte und daraus ihr Bild von ihm geschnitzt hat (da es das einzige Konfliktbeispiel ist, muss es dem Leser wenigstens so erscheinen), kann er nicht ahnen. Nach seinem Wissensstand ist seine Reaktion also nur natürlich. Er will in -Ruhe frühstücken, einen ganz anderen Konflikt lösen oder aussitzen (will er das oder will das nur die Prota?), jedenfalls hat er sich Mühe gegeben, es gemütlich zu machen und sie fängt mit der Motte an. Da liegt es auf der Hand, dass er sagt:
Mensch, mach doch nicht so eine Hektik
Krawumm, da ist er wieder, der Streit der letzten Tage
in wem? In deiner Prota oder auch in Friedhelm? Vielleicht bleibt der ja gänzlich unbeeindruckt. Nur in der Frau rattert es jetzt. "Nie nimmt er mich ernst, er nimmt mich gar nicht wahr, weiß gar nicht wer ich bin und meinen Rettungsversuch für die Motte sieht er nur als hysterischen Ausbruch einer Frau, die Angst vor Motten hat oder keinen Fleck an der Wand will. Seine verdammte Überlegenheit. Er weiß alles besser, typisch, sogar in solcher Situation kann er die Belehrungen nicht lassen. Das hat keinen Zweck, das muss ich mir nicht geben. Erstmal durchatmen."
Wieder teilt sie sich nicht mit, sondern geht, lässt ihn sitzen. Wie soll er sie sehen?

Was für dieses Kommunikationsdefizit verantwortlich ist, weiß ich nicht. Du schreibst, es wäre der alte Konflikt (den ich eben nicht kenne). Da ich es aber nicht weiß, kann ich auch keinen Rückschluss darüber anstellen, ob sie sich tatsächlich ohne diesen alten Konflikt über diese Motte austauschen könnten. So festgefahren, wie mir Heidi in ihrem Kommunikationsablauf erscheint, halte ich das aber eher für unwahrscheinlich. Dafür spricht auch, dass er es hinterher ist, der zum Reden auffordert. Sie scheint es nicht zu können.
Da können auch leider noch so viele Meisen und Flügelschläge für Hoffnung stehen, solange Heidi nicht sagt, was in ihr vorgeht, solange kann auf dieser Beziehung keine Hoffnung liegen.

Lieben Gruß, sim

 

@Sim

Ja, deine Gedankengänge passen doch wunderbar, nur die Wertung steht da nicht drin. Aber vielen, vielen Dank für deine Mühe; ich setze mich nochmal dran; hatte ich ja sowieso vor, wollte nur erstmal Reaktionen abwarten.

@Phoenix
Nein, ich habe dich nicht übersehen, obwohl es schon zappdiwapp mit den Kommentaren ging und ich auch nicht viel erwidern kann. Danke!

Gruß, Elisha

 

Liebe Elisha,

Ja, deine Gedankengänge passen doch wunderbar, nur die Wertung steht da nicht drin
Ich bin sicher, du glaubst das und ich bin auch sicher, du wolltest die Wertung nicht reinschreiben, aber sie steht da drin. Ich habe sie mir ja nicht aus den Fingern gesogen, sondern aus der Geschichte entnommen.
Die Wertung liegt schon in der Wahl der Erzählperspektive, denn so ist alles, was du uns über den Mann erzählst, nur die Interpretation deiner Erzählerin. Nicht einmal, dass er aufsteht, um die Eier abzuschrecken, kann sie wissen. Nur, dass er überhaupt aufsteht ist ein Faktum. Er kann auch die Teelöffel vergessen haben. Uns als Leser verkaufst du aber die subjektive Sichtweise der Erzählerin als umunstößliche Wahrheit.
Wir hatten im Chat neulich die Frage, ob man einer Geschichte anmerkt, ob sie von einer Frau oder einen Mann geschrieben wurde. Dieser hier merkt man sofort an, dass sie von einer Frau geschrieben wurde.
Überwiegend weibliche Kommunikationsmuster werden als völlig normal hingestellt ohne sie zu hinterfragen. Die Schuldvorwürfe, die deine Prota begeht, nimmst du als Autorin noch nicht einmal als solche wahr.
Sein Gerede prallt an meinem versteinerten Gesicht ab, seine Worthülsen sind nur Stellvertreter, und das Wesentliche kommt nicht zur Sprache.
Da steckt der Vorwurf drin, er verschweigt das Wesentliche. In meiner Kommunikationsanalyse habe ich dir gezeigt, dass sie es ist, die das Wesentliche verschweigt.
Ein Biss vom Brötchen würde mir jetzt im Halse stecken bleiben, mein Atem stockt. Ich stehe wortlos auf und gehe nach draußen.
Das mag ihre Intention sein, zu gehen. Er im Haus mag das ganz anders empfinden. "Das ist mal wieder typisch. Kaum sage ich etwas, das ihr nicht passt, geht sie nach draußen, bleibt aber sichtbar, leidet demonstrativ. Wetten, gleich kommt sie wieder rein, wil frühstücken und wieder so tun, als sein nichts geschehen?"
Das muss nicht so sein, schließlich liest er ja den Spiegel, scheint also schon immunisiert gegen derlei Erpressungsmechanismen. Und trotzdem funktioniert er hinterher, bietet das Gespräch an und du als Autorin wertest an dieser Stelle mit dem Cut. Die Hoffnung liegt darin, dass er entgegenkommt, dass er das Gespräch vorschllägt, dass sie die ganze Zeit verweigert. Und damit erweckst du noch einmal den Eindruck, er wäre der Buhmann gewesen, der nicht zu einem Gespräch bereit gewesen wäre. Damit wertest du wieder zugunsten deiner Prota. Deine Autorensolidarität liegt, ob du es nun wolltest oder nicht, in dieser Geschichte durch die Wahl der Perspektive und dieses Ende eindeutig bei der Frau.

Es hat ganz sicher persönliche Gründe, dass ich mich, wo immer diese Form weiblich-subtiler manipulativer Wertung auftaucht, entschieden dagegen wehre. Und ich stelle immer wieder fest, dass ich in diesen Überlegungen nicht verstanden werde, weil es für Frauen eben so normal zu sein scheint, auf diese Weise zu werten, sich auf diese Weise durch ihr eigenes Verhalten ungerecht behandelt zu fühlen, dass sie weder bemerken, noch verstehen können, dass daran etwas nicht in Ordnung ist.
Aber dieses weiblich manipulative Verhalten ist genau das, was später männliche Missbraucher an den Tag legen, wenn sie sich Kinder durch die Erzeugung eines schlechten Gewissens gefügig machen. Und gelernt haben sie das von ihren Müttern, die ja nicht nur mit ihren Partnern so umgehen, sondern auch ihre Kinder so erziehen. Genau aus diesem Grund reagiere ich so allergisch darauf, wenn sich Frau in einer Geschichte voll terroristischer Demut einen Mann gefügig schweigt und ihm dabei noch die Schuld an der Misere der Partnerschaft zuschanzt. Da wo bei dir der Schmetterling hoffnungsvoll die Flügel aufstellt, hatte die Frau in ihrem missbräuchlichen Verhalten Erfolg. Ist das ein Grund zur Hoffnung?

Lieben Gruß, sim

 

Hi Sim,

Auch ich hinterfrage viel die Kommunikationsmuster und habe mich auch beruflich damit beschäftigt. Liebeskummer in einer Beziehung liegt doch (wenn es nicht um Dritte geht) meistens ein Interaktionsfehler vor, beide tragen dazu bei, und das Leid wird von beiden erlebt. Das ist mir wichtig zu schreiben, und auch in dieser Geschichte habe ich das ausgedrückt.

Überwiegend weibliche Kommunikationsmuster werden als völlig normal hingestellt ohne sie zu hinterfragen.
Ich wollte gerade das Klischee vermeiden. Das wäre nämlich: die Frau ist bereit zu reden, der Mann blockt.

Sein Gerede prallt an meinem versteinerten Gesicht ab, seine Worthülsen sind nur Stellvertreter, und das Wesentliche kommt nicht zur Sprache.
Da steckt der Vorwurf drin, er verschweigt das Wesentliche. In meiner Kommunikationsanalyse habe ich dir gezeigt, dass sie es ist, die das Wesentliche verschweigt.
Beide, Sim, beide! Er erklärt ihr den Unterschied zwischen Motten und Schmetterlingen, aber etwas ganz anderes hängt in der Luft und müsste ausgesprochen werden. Sie ist versteinert - trägt also auch nicht zur Klärung bei.

Kaum sage ich etwas, das ihr nicht passt, geht sie nach draußen, bleibt aber sichtbar, leidet demonstrativ.
Alternativ: Durchatmen, gut, dass sie nicht weggefahren ist, vielleicht wird es gleich besser ...

Das muss nicht so sein, schließlich liest er ja den Spiegel, scheint also schon immunisiert gegen derlei Erpressungsmechanismen. Und trotzdem funktioniert er hinterher, bietet das Gespräch an und du als Autorin wertest an dieser Stelle mit dem Cut.
Auch hierbei hab ich das Klischee durchbrochen, dass nicht die Frau das erlösende Gespräch anbietet, sondern der Mann. Denn sie werden jetzt über den alten Konflikt sprechen.
"Da wo [bei dir] der Schmetterling hoffnungsvoll die Flügel aufstellt", lassen sich beide wieder auf echte Kommunikation ein. "Ist das ein Grund zur Hoffnung?" Ja, ja, ja.

Danke, Sim, Für die Beschreibung deiner Sicht.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha!

In deiner Geschichte geht Winter in Frühling über. Das verstehe ich als Symbolik für die Beziehung zwischen der Prota und Friedhelm, die gleichsam frostig, gefroren war, verhärtete Fronten hatte, so dass sie erstarrt war und sich nicht zum Guten weiterentwickeln konnte, aber nun doch aufzutauen beginnt. Zu dem Prozess des Auftauens einer frostigen Beziehung gehört natürlich auch, dass man über das, was an Streit in der Luft liegt und die Beziehung gestört hat, offen redet.

Doch vor diesem offenen Reden wollen sich beide zunächst drücken, in der Hoffnung, dass die Versöhnung auch ohne das gelingt.

Doch ist es eine alte Erfahrung, dass Totgeschwiegenes, Verdrängtes schon einen Weg findet, um aus der Verdrängung herauszukommen, in deiner Geschichte bedient sich das Verdrängte dazu des Insekts an der Wand.
"Motte, Rettung naht, ich komme" denkt deine Prota und in ihrer Erinnerung zeigt sie uns Friedhelm als Insektenkiller, was übertragen bedeuten mag, dass sie ihm grausames Verhalten, vielleicht seelische Grausamkeit ihr gegenüber vorwirft.

"Motte, Rettung naht, ich komme!" - das klingt pathetisch: ein kleines, unschuldiges Tierchen muss vor einem fiesen Sadisten gerettet werden - dieses Pathos und dieser Vorwurf an Friedhelm ist wahrscheinlich ungerecht, zumindest übertrieben, aber menschlich verständlich. Wer seelisch verletzt wird, zu Recht oder Unrecht, schafft sich Erleichterung durch heftiges Anklagen - das Verhalten und die Gedanken der Prota finde ich völlig realistisch und nehme daran auch keinen Anstoß.

Am besten gefällt mir der Schluss deiner Geschichte:

„Heidi, wir müssen noch mal reden“, setzt Friedhelm vorsichtig an. Sein Blick ist ernst, doch nicht unfreundlich.
In dem Moment bewegt sich der Falter an der Wand. Ganz langsam stellt er seine bunten Flügel auf.

Mir dem Reden über den Streit beginnt das Auftauen. Für die Beziehung wird es wieder Frühling und der Frühlingsbote Schmetterling regt seine Flügel. Den beiden wünsche ich, wenn der Frühling dann in einen heißen, glühenden Sommer übergegangen sein wird, dass Friedhelm zu den Wespen, die doch auch dazu gehören, weniger brutal ist, und die Prota dazu mithilft, indem sie weniger (wespenartige) Sticheleien gegen ihn loslässt.

Grüße gerthans

 

Hi Elisha

hat mir gefallen, eindeutig. Nette, kleine GEschichte, wie man so schön sagt!
Und natürlich war es ein Schmetterling, ich war da nach 2 Absätzen sofort parteiisch. Und mir reicht das als Geschichte auch vollkommen aus. Wäre als Anfang zwar auch gut geeignet, aber es ist ein Alltagmorgen. Ein Ausschnitt.
Da mit dem Glas holen, das klingt wirklich komisch. und den Spiegel, solltest du in Anführungszeichen setzen, macht man glaub ich so, und ich war mir nicht sofort sicher, was gemeint war.

Gruß ( ich verdaue genüßlich)

 

So, ich habe die Geschichte jetzt nochmal überarbeitet : aus Schüssel wurde Korb, aus Biss Bissen, nur den Kaffee kochen wir bei uns; brühen wäre mir da fremd.

Ich habe versucht, die Beziehung der beiden und das Verhalten im Streit besser herauszuarbeiten, aber für Groper werden sie immer noch langweilig sein. *sigh* ;)

@Megabjörnie
du bist mir vorgestern in dem schnellen Wechsel doch durchgeflutscht.

Ich war jedenfalls richtig erleichtert, als Friedhelm den Schmetterling doch nicht umgebracht hat. Allerdings dämmerte mir in dem Moment, dass es bei dem Streit wohl auch um mehr ging als um Ethik.
Eben

Das Frühlings-Stimmungsbild kann ich nicht so recht einordnen, so als ob du mal eben eine Streitszene und das Bild miteinander kombinieren wolltest.
Nee, überhaupt nicht. Ich habe das schon als Symbol erlebt und fand, das passte gut auf die Situation (s. Kommentar Gerthans).

@Sim
jetzt bin ich natürlich auf deine Meinung gespannt!

@Gerthans
Es war eine Erleichterung bei der Auseinandersetzung mit Sim, dass mich doch jemand versteht: Du sprichst mir aus der Seele!

Ich war erstaunt, wie brutal Friedhelms Verhalten Insekten gegenüber (zumindest in der Wertung der Prot) 'rüberkommt, aber nimmt man den Falter als Symbol, hat das natürlich auch symbolische Bedeutung, da hast du wohl Recht.

Besonders schön fand ich deinen Satz:

Den beiden wünsche ich, wenn der Frühling dann in einen heißen, glühenden Sommer übergegangen sein wird, dass Friedhelm zu den Wespen, die doch auch dazu gehören, weniger brutal ist, und die Prota dazu mithilft, indem sie weniger (wespenartige) Sticheleien gegen ihn loslässt.
Klasse! Ich gebe es an meine Prots weiter! ;)

@Aris
Hatte ich ja nicht mit gerechnet, dass du sie dir freiwillig durchliest. Nett.

natürlich war es ein Schmetterling, ich war da nach 2 Absätzen sofort parteiisch.
Männliche Solidarität? Es ging aber gar nicht so sehr darum.

den Spiegel, solltest du in Anführungszeichen setzen, macht man glaub ich so, und ich war mir nicht sofort sicher, was gemeint war.
war er von Anfang an :D

Gruß, Elisha

 

Mal auf die Gefahr hin, mich gleich unbeliebt zu machen: Ich finde die Geschichte nicht gut. Man mag ja von naiver Literatur halten, was man will, aber hier tun sich doch ein paar Probleme auf. Die Handlungssprünge sind mir einfach viel zu harsch. Motte oder Schmetterling; und sofort einen Streit vom Zaun brechen!?? Das erscheint mir doch etwas unangemessen oder wie alt sind deine Protagonisten. Der zweite Bruch, Winter-Frühling, soll ja, wenn ich das richtig verstehe, plötzlich erfolgen, das ist ja auch nachvollziehbar, aber dass es so gar keinen Anhaltspunkt gibt...zumindest folgt das nicht aus der Logik deiner Beschreibung. Man sieht doch erst die Sonne oder erst die Vögel und bildet dann das Gefühl von Frühling.
Dann noch ein Wortschnitzer, "Norwegerpullover" zerstört ein bisschen die Stimmung.
Ansonsten ist die Idee ok, wenn man naive Literatur mag, aber ich finde, dass Ansagen wie die, dass ein wenig gute Laune, Stimmung, Liebe, whatever...ausreicht, um die Probleme des Alltags zu überwinden, das Problem in recht unzureichendem Maße angeht, obwohl solche Sichten ja auch notwendig sind.

 

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