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Thema des Monats Zeitmaschine

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26.02.2003
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Zeitmaschine

Es war tiefe Nacht, als Professor Lindström das leere Lagerhaus am Hafen verließ. Ständig tastete er mit der rechten Hand nach dem Inhalt seiner Manteltasche. Dort befand sich nur ein Taschentuch mit einem Tropfen Blut darauf, aber Lindström behandelte es, als hinge das weitere Schicksal der Welt davon ab.
Er wusste, je nachdem welches Ergebnis die Analyse des Tropfens ergeben würde, konnte diese Vision auch unversehens in die Realität übergehen.
Er hatte bereits die letzte U-Bahn genommen um hierher zu kommen, jetzt musste er wohl oder übel zu Fuß gehen, um zumindest bis in den belebteren Teil der Stadt zu gelangen, wo er vielleicht ein Taxi finden konnte.
Er schritt gehetzt durch die verfallenen Straßen des ehemaligen Industrieviertels und rechnete jederzeit damit, dass ihm jemand auflauern würde. Ein absurder Gedanke, aber die Angst, etwas Unvorhergesehenes könnte passieren, bevor er Klarheit darüber hatte was in dem Lagerhaus eben vorgefallen war, schien übermächtig.

Etwa zwei Stunden zuvor war alles noch in Ordnung gewesen. Lindström hatte sich gerade zum Schlafengehen fertig gemacht, als sein Telefon klingelte. Er wurde kaum jemals zu Hause angerufen, weil er eine Geheimnummer hatte, die von der Universität nur in absoluten Notfällen herausgegeben wurde.
Ein Mann hatte sich gemeldet, dessen Stimme ihm sehr vertraut schien, ohne, dass er sie einer bestimmten Person zuordnen hätte können. Dieser meinte, es gäbe Probleme mit dem Lagerhaus am Hafen, das die Universität für eines seiner Projekte anmieten wollte. Seine Anwesenheit sei dringend von Nöten da nur er in der Lage sei zu bestimmen ob die Räumlichkeiten den Anforderungen entsprächen und es sonst anderweitig vergeben werden müsse.

Es hatte alles sehr plausibel geklungen. Lindström trug sich tatsächlich mit dem Gedanken, ein Objekt außerhalb der Universität anzumieten. Dass er das Gremium davon noch gar nicht in Kenntnis gesetzt hatte fiel ihm erst ein, als er bereits am Hafen war.

Auf seinem Rückweg tadelte er sich selbst, wegen seines Leichtsinns das Gebäude ohne jede Rücksprache um diese Zeit aufgesucht zu haben. Auf der anderen Seite wusste er nun, warum es dieser Stimme gelungen war solches Vertrauen in ihm zu wecken. Es war seine eigene gewesen.

Er selbst hatte in der Halle auf ihn gewartet, sein eigenes Ich, aus der Zukunft angereist, lag dort im Sterben, um eine Warnung auszusprechen.
Er würde es schaffen, er würde eine funktionierende Zeitmaschine bauen, aber die Folgen ihrer Aktivierung würden verheerend sein. Er selbst war schwer verstrahlt worden, und zumindest die Stadt mit ihm, unter Umständen konnte es sich sogar um ein globales Phänomen handeln. Er hatte keine Zeit gehabt, es zu überprüfen. Es war nur eines zu tun geblieben, die Zeitmaschine ein weiteres Mal zu aktivieren, um die Katastrophe zu verhindern, bevor sie passieren konnte.
„Ich weiß nicht, was schief gelaufen ist. Es ist mir ein Rätsel. Ein Mann, ein junger Wissenschaftler namens Rodemund hat mich … nein, wird uns … dich anrufen. Er wird dich zu dieser Problematik befragen wollen. Er hat von einem Strahlungsfeld im Zusammenhang mit Zeitreisen gesprochen. Ich hatte keine Zeit für ihn, ich war meiner Sache sicher. Du musst ihm zuhören, möglicherweise hat er eine Lösung. Entweder das, oder du darfst die Maschine nicht weiterentwickeln, verstehst du?"
Professor Lindström starb, noch bevor er sich selbst Genaueres erzählen konnte.

Drei Stunden später hatte Lindström sein Ergebnis. Trotz der schweren Strahlenschädigung war es ihm möglich gewesen, das Blut als sein eigenes zu identifizieren. Es bestand kein Zweifel mehr.

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Andreas Rodemund eiferte schon seit Jahren seinem großen Vorbild nach. Peer Lindström war für ihn Leonardo da Vinci, Albert Einstein und Jesus Christus in einer Person. Lindström hatte quasi im Alleingang den ersten funktionierenden Quantenrechner gebaut und war maßgeblich an der Entwicklung des interplanetaren Antriebs beteiligt gewesen. Seit dem war die Menschheit auf Mars und Pluto gewesen. Expeditionen waren unterwegs, um die nächstgelegenen Sonnensysteme aufzusuchen. Mond und Asteroidengürtel waren als Rohstoffquellen erschlossen worden, Großmächte waren gefallen und die Zentren der Macht nicht länger zentral. Die Welt hatte sich in knapp zwanzig Jahren stark verändert, nur Professor Lindström lehrte und arbeitete wie eh und je in seiner kleinen Universität, als ginge ihn das alles nichts an, während die Welt darauf wartete, was er wohl als nächstes präsentieren würde.

Aber Andreas Rodemund wollte nicht warten. Er wollte dabei sein. Er wollte seinem Mentor, der noch nie von ihm gehört hatte, helfen. Ja, er war geradezu besessen von dem Gedanken, mit Professor Lindström zusammenzuarbeiten.
Den Professor einfach anzurufen und zu fragen war natürlich völlig unmöglich. Ein Genie wie er würde einen einfachen Studenten nicht einmal eines Gespräches für würdig erachten. Andreas musste den Professor mit etwas konfrontieren, das seine Aufmerksamkeit erregte. Ein Problem, das noch nie zuvor angesprochen worden war, weil noch kein Mensch jemals soweit gedacht hatte. Allein um die Richtung zu finden, in die er forschen wollte, brauchte er fast ein Jahr. Dann aber war ihm klar, nur ein Gebiet wie die Zeitreise konnte für Professor Lindström noch interessant sein.
Er las drei Jahre lang jede Publikation zu dem Thema, erstellte theoretische Modelle, legte sich mit Fachleuten an, die seiner Meinung nach Professor Lindström nicht das Wasser reichen konnten und errechnete schließlich, dass subatomare Teilchen die sich schneller als das Licht bewegten, in einen Zerfallsprozess übergehen konnten, der einer Kettenreaktion nicht unähnlich war.
Ein Problem, das für Professor Lindström natürlich keines darstellen würde, aber Rodemund hoffte, es wäre ausreichend, um damit Interesse an seiner Person zu wecken.

Er grübelte gerade an einer knappen und verständlichen Formulierung, um nicht die kostbare Zeit seines Vorbildes zu verschwenden, als das Telefon klingelte.

Es war Professor Lindström, der mit ihm sprechen wollte.

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Die Regierung der vereinigten Staaten hatte nun endlich einen direkten Zugang zum genialsten Geist der Gegenwart.
Lindström, der niemals jemanden in seine Arbeiten eingeweiht hatte, der kaum schriftliche und noch seltener elektronische Aufzeichnungen anlegte, hatte Rodemund als seinen Assistenten angenommen.
Es hatte Unsummen verschlungen, ihn zu erschaffen. Andreas Rodemund, die fleischgewordene Abhörwanze, der untertänige Klon, der von sich selbst glaubte, er wäre absolut loyal dem Professor gegenüber. Vollgestopft mit den Erkenntnissen gescheiterter Wissenschaftler, deren Unfähigkeit nun auf subtile Weise von Lindström zunichte gemacht werden sollte.
Noch viel teurer war es gewesen, einen Klon des Professors zu erschaffen, der sich auch noch bereit erklären musste, für diese Sache den Strahlentod zu sterben.
Geldsummen, die jeden kleineren Staat in den Ruin getrieben hätten und die auch die wirtschaftlich stark angeschlagene USA nur noch mit Mühe aufzubringen in der Lage gewesen war.
Aber es handelte sich um eine lohnende Investition deren zukünftige Auswirkungen auf den Staatshaushalt man vernachlässigen konnte. Mit einer funktionierenden Zeitmaschine, konnte die Regierung der USA dafür sorgen, dass die Geschichte ihrer Nation schon immer eine glorreiche gewesen war.


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Peer Lindströms Zeitmaschine funktionierte ausgezeichnet.

Er ärgerte sich zwar ein wenig darüber, dass sein Klon auf diese einfach zu durchschauende Finte hereingefallen war. Andererseits, hätte er ihn genau so intelligent gemacht, wie er selbst eben war, hätte der falsche Lindström schon längst die Arbeit an einer Zeitmaschine aufgegeben, da ihm klar geworden wäre, dass so ein Gerät ohnehin niemals funktionieren konnte.
Während die USA also auf Ergebnisse der sinnlosen Forschung des Lindström-Klons wartete, die wegen geheimer Manipulation des Rodemund-Klons ohnehin an die Chinesen gingen, konnte der echte Lindström ungestört arbeiten.

Das Projekt „Zeitmaschine“, lenkte ungewollte Aufmerksamkeit anderer wirksam von ihm ab und erschuf so Zeit die er dringend benötigte, um sich Projekten zu widmen die für die Menschheit wirklich nützlich waren.


Thema des Monats Mai 2006: Die ultimative Megapointe

 

Das war, so denke ich, der erste Kommentar deinerseits zu einer meiner Geschichten, in der der Name Uwe nicht vorkommt.
Jetzt must Du noch auf den ersten warten, wo S.Lem nicht vorkommt(*g*)
Leider wird dadurch deine inhaltslose Kritik von oben auch nicht weiter untermauert.
Lies mal meine ausfuerhliche Kritik von UWES "Felix Marcus Silvester". Da ich Dich ja als helles Koepfchen (ich meine nicht!!! die Haarfarbe) kennen gelernt habe, weisst Du bestimmt damit was anzufangen.
Proxi
PS: Noch in D? Was macht das Wetter?

 
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Per PN geklärt.

 

Hallo,

hab es gelesen,

lässt sich flüssig lesen, hat zwar nicht "die großen "Scifi-Attraktionen", dafür kommt es mehr von der Spannung.

Gut gemacht

Grüße

Mantox

 

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