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Zimmer 7
Sehr geehrter Herr Kasulke,
hiermit möchte ich mich für Ihre WG bewerben - nicht um ein Zimmer, sondern als Zimmer. Ich bin, ganz einfach ausgedrückt, ein amorpher Organismus, der seine Nahrung durch eine sehr seltene Form der Mimikri anlockt.
Als Oscar Wilde in einem kleinen, schmutzigen Hotel in Paris im Sterben lag, soll er gesagt haben: "Einer von uns beiden muss gehen - ich oder die Tapete." Der arme Kerl hatte keine Ahnung, wie nah er der Wahrheit war. Bloß dass das keine Tapete war, sondern meine Magenschleimhäute.
Im 19. und 20. Jahrhundert habe ich in ganz Europa gelebt und gefressen; einige meiner Opfer haben es sogar in die Tagespresse gebracht. Seit ein paar Jahren werden aber vermehrt alte Häuser abgerissen - das sind die Bauten, in die ich mich am besten einnisten kann - und hässliche, nüchterne Wohnsilos gebaut. Die liegen mir nicht besonders. Deshalb bin ich auf der Suche nach einem Altbau, in dem ich mich für eine Weile niederlassen kann. Ich reinige mich selbst und verfüge über ausreichend Rücklagen, um keiner Lohnarbeit nachgehen zu müssen (Sie erinnern sich an die Geschichten ums Bernsteinzimmer).
Ich würde mich freuen, wenn ich mich Ihrer WG anschließen könnte, quasi als zusätzliches Zimmer. Selbstverständlich würde ich mir meine Nahrung selbst suchen - und natürlich nicht unter den Mitbewohnern. In den vergangenen Jahren habe ich mit AirBnB sehr gute Erfahrungen gemacht.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung!
Zimmer 7