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Zwei fliegen

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20.11.2001
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Zwei fliegen

Andreas ist nervös, angenehm aufgeregt. Er geht durch die Luke in die Kabine, aus der es kein Zurück mehr gibt, und sein Adrenalinspiegel erreicht einen ersten Höhepunkt. Kurz darauf steigt das Flugzeug mit ihm in den Himmel.
Unten stehen seine Eltern, die ihm den Tandemsprung zum Geburtstag geschenkt hatten, sowie einige seiner Freunde – alle mit Fotoapparaten und Videokameras ausgestattet – und warten darauf, Andreas bei seinem ersten Sprung vor die Linse zu bekommen.
Außer Andreas und seinem Sprungbegleiter befinden sich noch drei andere Tandempaare im Flugzeug, das nun kräftig an Höhe gewinnt. Kurz bevor sie die Viertausendmeter-Marke erreichen, steigt Andreas´ Adrenalinspiegel auf einen weiteren Höhepunkt, und bis zum Absprung werden noch mehr dieser Hormone ausgeschüttet. Nervenkitzel.
Endlich fliegt Andreas im freien Fall, und er ist froh, daß er sich überwunden hat. Seine Aufregung geht in ein Genießen über – welch herrliches Gefühl, wie ein Vogel im Sturzflug auf die Welt zuzurasen. Nach einer Weile öffnet sich der Schirm, danach kommt es ihm vor, als würde er mit ausgestreckten Flügeln dahingleiten. Wie der Falke, der langsam am Himmel kreist und auf Beute lauert.

Dr. Rascher hatte es nicht notwendig, auf Beute zu lauern. Er fuhr eine Runde mit seinem Wagen und ließ hinterherlaufen, was er an Material für seine Arbeit brauchte. Acht Stück fand er heute passend.

Jonas kam an die Reihe und wurde durch die Luke in die Kabine geschoben, aus der es kein Zurück mehr gab. Das Barometer stieg rasch an, Jonas kam nicht mehr dazu, über die Situation nachzudenken. In weniger als einer Minute war die Luft so dünn, wie auf viertausend Metern Höhe. Er hatte Ohrensausen und es wurde ihm schwindlig, da stieg plötzlich der Druck wieder an, als fiele Jonas im Sturzflug zurück auf fünfhundert Höhenmeter.
Dr. Rascher beobachtete. Seine Arbeit machte ihm richtig Spaß. Er bewegte wieder den Hebel und ließ den Zeiger auf achttausend Meter klettern.
Jonas konnte nicht mehr denken und nahm nur mehr verschwommene Umrisse wahr. Seine Lunge wollte atmen, konnte sich aber nur verkrampfen. Das Herz klopfte, als wollte es vor Angst zwischen den Rippen hervorspringen, auch die Schlagadern übernahmen das Pochen, vibrierten in den Gliedern, und in Jonas’ Kopf fühlte es sich an wie im Inneren einer Trommel, die im Zirkus gerade den Höhepunkt verkündete.
Als Dr. Rascher dem Hebel noch einen Ruck gab, und die Luft so dünn wurde wie in einer Höhe von fünfzehntausend Metern, platzten Jonas’ Gefäße und sein Blut verteilte sich im Kopf und in seinem Körper.
Jonas war bereits tot, als die Luke aufgerissen wurde und die Luft zu ihm hineinschoss, als drückte ihn jemand aus fünfzehntausend Metern Höhe plötzlich auf den Erdboden zurück.
Rasch beförderte man ihn in den Operationssaal und öffnete die Schädeldecke, um die Auswirkungen ausführlich dokumentieren zu können.
Jonas starb einen von vielen Toden für die deutsche Luftwaffe und die Wissenschaft.

Andreas landet mit seinem Sprungbegleiter weich, auf sandigem Boden. Gemeinsam mit seinen Eltern und Freunden betritt er wenig später ein Restaurant, in dem noch ein bisschen gefeiert wird. Sein Freund Bruno kann wieder einmal seine politischen Statements zum Tage nicht zurückhalten und fragt: »Weißt du eigentlich, woher die Wissenschaft ihre Erkenntnisse darüber hat, bis zu welcher Höhe ein Fallschirmsprung ungefährlich ist?«
»Nein, erzähl!«, zeigt sich Andreas wissbegierig.
»Also, das war im KZ Dachau, ein gewisser Dr. Rasch-«, Bruno wird von Andreas’ Mutter unterbrochen.
»Sowas wollen wir jetzt nicht hören, an so einem schönen Tag!«

 

Hallo MiK!

Danke für Deine näheren Erläuterungen! Jetzt ist mir klar, wie Du das meintest. :)

Ganz am Ende wird dann die Verbindung zwischen beiden Erzählsträngen aufgezeigt. Das meinte ich mit unerwarteter Handlungsumschwung. Das hat mir sehr gefallen.
Freut mich, daß Dir das gefallen hat. :)

Lieber Cerberus!

Dein Wikipedia-Zitat bezieht sich auf andere, nämlich die Kälteversuche. Von denen spreche ich hier aber nicht. Ich habe hier ein Zitat aus »Zeit ohne Gnade« von Rudolf Kalmar, abgedruckt in »Wir schweigen nicht« vom Österreichischen Bundesverlag, 1964:

Für die letzte Steigerung des Entsetzens zur technischen Attraktion ist nicht die SS allein, sondern mit ihr und – wie man gerechterweise zugeben muß – in erster Linie die deutsche Luftwaffe verantwortlich.
Ihr Repräsentant im KZ Dachau war ein Stabsarzt Doktor Rascher. Schnittige Uniform, […]. Ein Auto-Feschak, dessen Kabriolett auch dann noch über den Appellplatz fegte, als sogar die mittleren Parteibonzen wegen Benzinmangels schon längst zu Fuß gingen.
Dieser Dr. Rascher kam eines Tages mit einer seltsamen Apparatur an. Sie war in einen Lastwagen eingebaut und diente der Wirkungsprüfung des Luftdrucks.
Ein Mann wurde in die verglaste Kabine eingeschlossen und dann die Luft daraus langsam abgesaugt. Das Barometer stieg mit dem schwächer werdenden Druck. Es zeigte 3000, 5000, 8000, 10000 Meter Höhe an.
Die physikalischen Bedingungen in dem hermetisch abgeschlossenen Raum waren so, als ob ein Flieger ohne Sicherung und ohne Sauerstoffatmung im offenen Aeroplan höher und höher steigen, als ob ein Fallschirmjäger in diesen Höhen abspringen würde, um frei unter seiner seidenen Kuppel niederzuschweben.
Man mußte nur ein Ventil öffnen und die Luft einströmen zu lassen. Wenn sie durch einen schmalen Spalt bloß in einem feinen Faden hineinpfiff, hatte der Fallschirm starken Auftrieb und verlor, in der Strömung ziehend, nur ganz allmählich an Höhe.
Wenn der Druck sprunghaft wechselte und das Barometer innerhalb weniger Sekunden um mehrere hundert Meter sank, trieben heftige Böen den Landenden wild durch den Raum.
Oder das Ventil wurde mit einem Ruck aufgerissen und jagte die Quecksilbersäule durch die ungehemmte Gewalt des einbrechenden Überdrucks zurück.
Dann hatte sich der Fallschirm nicht geöffnet, dann war er zerrissen oder am Flugzeug hängengeblieben.
Der Mann in den Gurten stürzte mit der steten Beschleunigung durch sein eigenes Gewicht wie ein Stein in die Tiefe.
Am Versuchswagen der deutschen Luftwaffe genügten ein paar Hebelgriffe, um die geschilderten Situationen und ihre beliebig komplizierten Kombinationen physikalisch zu rekonstruieren.
[…]
Sie krochen ahnungslos in seine Kabine und flogen, flogen, flogen. Das Barometer stieg auf 8000, […], 15000 Meter.
In diesen Höhen bricht das Blut aus den Gefäßen.
Zum unschätzbaren Vorteil der nationalen medizinischen Wissenschaften läßt sich ziemlich genau feststellen, wie lange der Kreislauf dem Unterdruck der stratosphärischen Bedingungen standhält und wann er versagt.
Man konnte sogar feststellen, ob der Sturz ohne Fallschirm unter allen Umständen tödlich sein muß, weil der plötzliche Anstieg des Druckes die Gefäße zerreißt, wo die Zone der mittelbaren Lebensgefahr und wo schließlich das Reich des unentrinnbaren Todes beginnt.
Wenn es wahr ist, daß durch die theoretischen Erkenntnisse des Stabsarztes Dr. Rascher dem Endsieg gedient wurde, dann starben die armseligen Gefangenen in der Druckkammer des Versuchswagens tatsächlich eine Art Heldentod fürs Vaterland.
Nicht freiwillig gerade, aber sie starben, und ihr Tod war kein Mord, sondern ein notwendiges Opfer für die deutsche Wissenschaft.
Man holte sie, wenn der Arrest leer und gerade kein Kandidat für Kugel und Strick, für Gas und Gift zur Hand war, ganz einfach aus dem Lager.
Über Empfehlung eines SS-Mannes, der sich dem mächtigen Dr. Rascher gefällig zeigen wollte, auf Grund einer gewissenlosen Denunziation, oder um Leute beiseite zu schaffen, deren weitere Existenz irgendeinem Lumpen nicht genehm war.
Dr. Rascher war bestimmt von Himmler, angeblich sogar von Hitler selbst, mit besonderen Vollmachten ausgestattet und dem Oberkommando der Wehrmacht direkt unterstellt.
[…]
Die Luftdruckversuche hatten ihr eigenes Programm:
Die erste Kategorie war ungefährlich. Sie stand unter Bedingungen, denen ein halbwegs gesunder Organismus ohne weiteres gewachsen war.
In der zweiten Kategorie hing es von der Konstitution des Experimentierhäftlings ab, ob er durchstand oder nicht. Das Verhältnis der Versuche mit tödlichem Ausgang zu denen ohne »Exitus infolge Versagens von Herz und Kreislauforganen« bildete eine wichtige Schlüsselzahl für die kriegswichtige Forschungsarbeit im Dienste der deutschen Luftwaffe.
Die dritte Kategorie der Experimente im Krankenbau des Konzentrationslagers Dachau war vorsätzlicher Mord, Vivisektion, Bestialtät. Die Luft wurde bis zu einem Grad verdünnt, der unbedingt tödlich war. Die Menschen hinter dem Glas brachen ohnmächtig zusammen.
Gehilfen des Dr. Rascher standen bereit, um die Sterbenden nach einem fingierten Absturz aus 15000 oder 18000 Meter Höhe von der unvermittelt aufgerissenen Druckkammer weg sofort in den Operationsraum zu schleppen.
Man schnitt den zuckenden Leichen Organe heraus, um sie zu untersuchen. Die Lunge eines Menschen, die fünf Minuten vorher noch in einem gesunden Körper geatmet hatte, wurde bereits mikroskopiert. Man hob die Schädeldecke ab, um festzustellen, ob durch diese Art zu sterben besondere Veränderungen in der Gehirnmasse hervorgerufen würden.
Soll ich das ganze Register der Ungeheuerlichkeiten aufzählen, das alle Beteiligten tief unter das Tier degradiert?
Soll ich von den raffinierten Scheußlichkeiten erzählen, die hier ebenso wie in der Malariastation des Dr. Schilling und daneben im Saal der Phlegmonen unter dem Vorwand der Wissenschaft verübt wurden?
Die Wissenschaft des Dritten Reichs hatte sich mit dem Tage der Machtergreifung nationalisiert.
Es gab nicht mehr bloß eine deutsche Philosophie und eine deutsche Geschichte, sondern plötzlich auch eine deutsche Medizin, eine deutsche Physik und eine deutsche Mathematik.
Die Menschen zerfielen in wertvolle und wertlose Rassen.
Der Komponist Mendelssohn hörte auf, eine ehrwürdige Figur der deutschen Musikgeschichte zu sein. Thomas Mann war kein Dichter mehr, weil er Hitler ablehnte, sondern nur mehr ein Schreiberling, und der Nobelpreisträger Paul Ehrlich nicht mehr der Begründer der modernen Serumbehandlung und der Entdecker des »Salvarsan«, sondern nur mehr ein Jude. Wie Albert Einstein und Sigmund Freud.
Dafür wurden unter der Mitwirkung graduierter deutscher Ärzte nunmehr in Dachau und anderswo täglich Menschen geschlachtet. Der Reichsärzteführer ging wiederholt durch den Krankenbau und war zufrieden, wenn die leeren Betten sauber gebaut und der Wäscheschrank abgestaubt war.
Die deutsche Wissenschaft war auf die Henker gekommen. Die Henker regierten das Land.
Bloß vor dem Nürnberger Gericht – und nicht nur dort – wollte keiner mehr etwas wissen davon.
An anderer Stelle, die ich jetzt aber nicht mehr finde, habe ich gelesen, daß die Luftwaffe diese Informationen für Überraschungsangriffe brauchte, weil sie durch die Erkenntnisse des Dr. Rascher aus größtmöglicher Höhe (aus der keiner damit gerechnet hätte) abspringen konnten. (Oder das zumindest vor hatten, so genau hab ich das nicht mehr im Kopf.)

Es tut mir Leid, daß Du die Geschichte als Moralkeule empfunden hast – als solche war sie nicht gedacht. Als ich das Buch las, hat es mich ziemlich beschäftigt, daß dasselbe Gefühl im einen Fall etwas Schönes ist, im anderen Folter, die bis zum Tod getrieben wird.
Klar hat es nichts mit dem Tandemsprung direkt zu tun. Wenn ich über einen Weg gehe, der von Zwangsarbeitern errichtet wurde, hat mein Darübergehen auch nichts mit ihnen zu tun. Trotzdem haben sie da Blut, Schweiß, Tränen und machmal auch ihr Leben gelassen. Kann ich so ignorant sein, zu sagen, davon will ich nichts hören? Kann ich nicht. Aber ich werde mir durch solche Gedanken auch bewußter, wie wertvoll die Freiheit ist, die wir genießen. Und solche Gedanken, lieber Cerberus, sind wie ein tiefer Brunnen, aus dem man Kraft schöpfen kann, wenn es darum geht, sich gegen Beschneidungen dieser Freiheit zu wehren.
Wenn ich zum Beispiel viel lieber vor kg.de sitzen bleiben würde, weil es viel bequemer ist als auf irgendeine Demonstation zu gehen, wenn ich wählen kann zwischen eisigem Wind oder warmem Tee und ich eigentlich eh grad so faul bin, dann denke ich an sowas, und wie es wäre, wenn ich eines Tages nicht mehr so gemütlich da sitzen könnte, nur, weil ich zu bequem war, um auf die Freiheit aufzupassen, und dann steh ich auf.

Danke fürs Zuhören.


Lieber Golio!

Deine Kritik hat mich unheimlich gefreut! Nicht nur, weil Du die Geschichte ganz richtig verstanden hast, sondern auch, weil ich das Gefühl habe, daß Du Dir richtig Mühe gegeben hast. Sowas freut nicht nur das Autoren-, sondern auch das Kritikerherz. :)

Hier …

Ich denke, ohne diesen letzten Satz bzw. mit einem anderen letzten Satz oder wenn der Autor nach diesem Satz noch ein verlängertes Ende hinzufügen würde und den Springerjungen irgendwie noch sympathischer zeichnet, würde die Geschichte unaufdringlicher und somit übezeugender wirken, weil der Leser dann teilweise denkt, dass er, der Leser, selbst auf die Message gekommen sei.
… hast Du sicher Recht und ich werde mir überlegen, wie ich das hinkriegen kann. Ich kann nur noch nicht versprechen, wann das sein wird, weil ich meine Energien im Moment für andere Dinge und eine andere Geschichte brauche.
Ich lege sie sozusagen von der langen auf die mittlere Bank… :D

spannungs- und stimmungsmäßig voll der Kracher, weil er einfach schockmäßig voll unter die Haut geht.
Darin werde ich mich die nächsten Tage suhlen. :)

Würde auch unter Horror eine gute Figur machen und punkten, weil sie im Vergleich zu den anderen Horrorgeschichten noch eine Botschaft und einen wahren, ernsten Kern hat.
Cerberus springt mir an die Gurgel, wenn ich das mache :hmm: … Nein – die Geschichte gehört schon nach Gesellschaft. ;) Höchstens Historik käme dafür noch in Frage, aber dadurch, daß der Anfang und das Ende ja in der Jetztzeit spielen, bin ich mir da nicht so sicher.

Danke an Euch drei fürs Lesen und Kommentieren,
liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Häferl.

Ich habe gerade nocheinmal auf Wikipedia nachgelesen. Da hier zwei unterschiedliche Artikel miteinander verlinkt sind, musste ich mehrmals lesen, um die Zusammenhänge richtig herstellen zu können. Trotzdem bezog sich die von mir zitierte Stelle auf die Experimente mit dem plötzlichen Druckabfall, Temperaturveränderungen inbegriffen. Rascher hat auch Kälteexperimente durchgeführt, bei denen die Häftlinge viele Stunden lang und mitten im Winter, nackt im Freien ausharren mussten; solange, bist sie erschöpft oder tot zusammenbrachen.
Das Zitat mit der aus wissenschaftlicher Sicht gesehenen Nutzlosigkeit der Versuche, bezieht sich aber dennoch auf jene Versuche, die du in deiner Geschichte beschreibst. Daher stehen beide Dinge (Tandemsprung und grausame Experimente) für mich noch immer in keinem Zusammenhang.

Den Text, den du dann schreibst, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wir diskutieren ja hier nicht über die Faulheit, an Demonstrationen teilzunehmen, oder darüber, eine schreckliche Vergangenheit zu verdrängen.
Ich wollte lediglich sagen, dass ich den heutigen Tandemsprung nicht in Verbindung mit Raschers Experimenten bringen würde. Das ist ziemlich abwegig.

Des weiteren würde ich dir nicht an die Gurgel springen, hättest du den Text in Horror gepostet. Dort hätte er sicherlich eine Daseinsberechtigung.

Grüße

Cerberus

EDIT: Zumindest eines hat die Geschichte bei mir erreicht. Doktor Rascher war mir zuvor unbekannt. Jetzt habe ich viel über ihn nachgelesen.

 

Lieber Cerberus!

Ist es nicht im Grunde ganz egal, ob diese Versuche erfolgreich waren oder nicht? Werden die Leiden oder die Unmenschlichkeit dadurch irgendwie kleiner oder größer?
Nebenbei: Wikipedia ist sicher in vielen Dingen eine gute Informationsquelle, aber gerade bei solchen Themen verlasse ich mich lieber auf Quellen, bei denen ich weiß, von wo sie kommen. Bei Wikipedia kann jeder hineinschreiben, deshalb behandle ich manche Informationen von dort eher mit Vorsicht.

Den Text, den du dann schreibst, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wir diskutieren ja hier nicht über die Faulheit, an Demonstrationen teilzunehmen, oder darüber, eine schreckliche Vergangenheit zu verdrängen.
Ich wollte lediglich sagen, dass ich den heutigen Tandemsprung nicht in Verbindung mit Raschers Experimenten bringen würde. Das ist ziemlich abwegig.
Mit dem Text wollte ich Dir eigentlich sagen, warum es für mich keine Moralkeule ist und warum ich es wichtig finde, daß man sich manchmal Gedanken über solche Dinge macht.

Daß für mich der Zusammenhang zwischen dem Tandemspringen und den Versuchen darin besteht, daß es irgendwie um dasselbe körperliche Gefühl geht, das einmal Folter ist und einmal etwas Schönes, habe ich eigentlich auch gesagt.
Verwirrt Dich vielleicht das "Tandem-" dabei? Das ist natürlich nur drin, weil ein geübter Springer nicht gepaßt hätte, primär geht es aber ums Fallschirmspringen an sich, das "Tandem-" ist unwichtig.
Ich meine, ich versuche halt dahinterzukommen, warum für Dich der Zusammenhang nicht rüberkommt.

Des weiteren würde ich dir nicht an die Gurgel springen
Hab ich ein Glück ... :)

in Horror ... hätte er sicherlich eine Daseinsberechtigung.
Ich glaube, das sagst Du jetzt nur, weil Du dem An-die-Gurgel-Springen widersprechen willst. Okay, das war kein Argument dagegen, sondern mehr scherzhaft gemeint.
Hier ist das richtige Argument:
Da haben Menschen realen Horror erlebt, nicht immer überlebt, und den will ich eigentlich nicht als der reinen Unterhaltung dienenden Horror an den Mann oder die Frau bringen. Der Dr. Rascher ist leider kein von mir erfundener Teufel, und Jonas ist als Person zwar fiktiv, steht aber stellvertretend für viele reale Menschen (von denen ein paar sicher auch Jonas geheißen haben).
Ich käme mir ziemlich schlecht vor, deren Schicksal als Unterhaltungshorror zu verkaufen.
Obendrein müßte ich dann viel tiefer gehen, mich in einen der beiden Köpfe direkt hineinsetzen, und davor graut mir auch selbst.
Und es ist ja nicht so, daß irgendjemand die Geschichte aus Gesellschaft vertreiben würde. ;)

Zumindest eines hat die Geschichte bei mir erreicht. Doktor Rascher war mir zuvor unbekannt. Jetzt habe ich viel über ihn nachgelesen.
Na immerhin - das ist doch was. Damit bin ich eigentlich ganz zufrieden, auch wenn wir beim Zusammenhang zwischen dem Tandemspringen und den Versuchen nicht zusammenkommen. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Häferl!

Ist es nicht im Grunde ganz egal, ob diese Versuche erfolgreich waren oder nicht?

Nein.
Denn dies ist die Grundaussage deiner Geschichte. Du wolltest, wie du selbst geschrieben hast, aufzeigen, dass sich die Menschen, die heutzutage Tandemsprünge machen, keine Gedanken über die Herkunft dieses Sports machen.
Ob die Versuche erfolgreich waren, oder nicht, ist in diesem Fall von elementarer Bedeutung, da deine Geschichte ansonsten an Sinn verliert.

Werden die Leiden oder die Unmenschlichkeit dadurch irgendwie kleiner oder größer?

Das ist schon wieder so eine Frage, die hier nicht hingehört. Ich habe niemals das Gegenteil behauptet, sondern nur, dass ich den Zusammenhang nicht sehen kann.
Es geht hier nicht um Ethik, sondern - ganz plump ausgedrückt - darum, dass der von dir gebrachte Vergleich einfach hinkt.

Daß für mich der Zusammenhang zwischen dem Tandemspringen und den Versuchen darin besteht, daß es irgendwie um dasselbe körperliche Gefühl geht, das einmal Folter ist und einmal etwas Schönes, habe ich eigentlich auch gesagt.

Wieder ein striktes "Nein!" von mir.
Deinen Kommentaren (und auch der Geschichte selbst) kann ich entnehmen, dass du ganz einfach einen Tandemspringer als oberflächlich darstellst, da er nicht bereit ist, sich auf den Kommentar eines Bekannten einzulassen, der ihm erklären will, woher dieser Sport stammt.
Genau deshalb habe ich die Sache mit der Moralkeule geschrieben.

Man kann den Leser auch ohne solche Direktheiten zum Nachdenken bewegen.
Du trägst meiner Meinung erstens zu dick auf, und - wie gesagt - stellst du zweitens einfach zwei Dinge gegenüber, die nichts miteinander zu tun haben. Wenn es diesen Nazidoktor nicht gegeben hätte, und da bin ich mir sicher, würden die Menschen heutzutage trotzdem Tandemspringen.

Das ist es konkret, was mich an der Geschichte stört.

 

Hi Häferl!

Na ja, ein wenig gewagt finde ich die suggerierte These, unser Fallschirmspringerspaß fuße auf unmenschlichen Experimenten, schon. Und das Moralkeulen-Gefühl, das Cerberus angesprochen hat, hatte ich auch.

Es ist allerdings auch eine Auseinandersetzung wert, wie wir damit umgehen, dass Informationen, von denen wir ganz selbstverständlich profitieren, auf unethische Weise gewonnen wurden. Denken wir nur an Tierversuche, um Medikamente zu testen.
Ich bin mir nur nicht so sicher, ob der Leser bei deinem Text nicht sagen könnte: "Was ist das für eine schwachsinnige Verknüpfung, das hat doch nichts miteinander zu tun." Denn dieselben Informationen hätten durch jahrzehntelange Fallschirmspringerpraxis genauso gewonnen werden können, und dabei hätten weniger Menschen ihr Leben lassen müssen.

Insofern finde ich den Grundgedanken der Geschichte sehr wichtig, nur das Beispiel fand ich nicht so glücklich.

Einzelheiten:

Unten stehen seine Eltern, die ihm den Tandemsprung zum Geburtstag geschenkt hatten,

Seine Aufregung geht in ein Genießen über

Na ja, ein bisschen näher könntest du schon beschreiben, wie sich sowas anfühlt - oder schreibst du etwa über Dinge, von denen du keine Ahnung hast? :D
Ich finde das Wort "Genießen" nicht so passend, weil es ein Verb für eine bewusste Handlung ist. Ich glaube kaum, dass er die Emotionen, die im freien Fall über ihm zusammenschwappen, wirklich kontrollieren kann. Ich jedenfalls stelle mir das als unheimlichen Adrenalinstoß vor, vielleicht gefolgt von einem rauschhaften Zustand ( hatte so etwas in der Richtung mal gelesen ).

Er geht durch die Luke in die Kabine, aus der es kein Zurück mehr gibt,

Jonas kam an die Reihe und wurde durch die Luke in die Kabine geschoben, aus der es kein Zurück mehr gab.


Solche sprachlichen Parallelen sind immer wieder schön zu lesen. :thumbsup:

Plötzlich fiel Jonas wie im Sturzflug zurück auf fünfhundert Höhenmeter.

Das ist ein schiefes Bild. Beim ersten Lesen dachte ich, er würde sich in einer offenen Flugzeugkabine befinden.
Nicht er fällt ja, sondern das Barometer.

Jonas war bereits tot, als die Luke aufgerissen und er dadurch aus fünfzehntausend Metern Höhe auf den Erdboden gedrückt wurde.

Auch das Bild ist schief. Er fällt ja nicht wirklich aus 15.000 Metern Höhe, sondern macht nur den Wechsel von einem Höhendruck zum anderen mit. Und so weiß ich nicht, was du mit "auf den Erdboden gedrückt wurde" meinst.

»Nein, erzähl!«, zeigte sich Andreas wissbegierig.

Ciao, Megabjörnie

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal Cerberus, hallo Megabjörnie!

Danke auch Dir fürs Lesen, Megabjörnie, und danke Euch beiden fürs (nochmalige) Befassen mit der Geschichte.

Cerberus schrieb:
Deinen Kommentaren (und auch der Geschichte selbst) kann ich entnehmen, dass du ganz einfach einen Tandemspringer als oberflächlich darstellst, da er nicht bereit ist, sich auf den Kommentar eines Bekannten einzulassen, der ihm erklären will, woher dieser Sport stammt.
Genau deshalb habe ich die Sache mit der Moralkeule geschrieben.
Das sind schon einmal zwei grundlegende Mißverständnisse: Es ist ja gar nicht der Tandemspringer, der den letzten Satz sagt. Das ist irgendjemand aus der Runde – dachte eigentlich, das wäre dadurch, daß ich mit »wird unterbrochen« keinen Namen nenne, klar – sonst hätte ich ja »wird von Andreas unterbrochen« geschrieben. Das läßt sich aber gleich nachbessern – jetzt sagt die Mutter den Satz.
Der zweite Punkt ist, daß es auch nicht um die Herkunft des Sports an sich geht, sondern:
Geschichte schrieb:
woher die Wissenschaft ihre Erkenntnisse darüber hat, bis zu welcher Höhe ein Fallschirmsprung ungefährlich ist
Ich habe nicht behauptet, daß die Versuche gemacht wurden, um den Freizeitsport zu entwickeln.

Megabjörnie schrieb:
unser Fallschirmspringerspaß fuße auf unmenschlichen Experimenten
Die gewonnenen Erkenntnisse waren auf jeden Fall da. Daß ich nicht den Fallschirmspringer persönlich oder stellvertretend für alle Fallschirmspringer denunzieren wollte, hab ich hoffentlich durch meine Änderung klar gemacht. Ich sage ja überhaupt nicht, daß man deshalb nicht fallschirmspringen sollte oder Fallschirmspringer schlechte Menschen wären.

Und bevor ich mich damit weiter quäle, hoffe ich mal, daß Ihr meine Geschichte durch die Änderung schon anders versteht.

*

Falls nicht, muß ich Euch leider auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten. Seit Februar komme ich zu nichts mehr, weil ständig irgendjemand eine meiner alten Geschichten hervorholt. Erst sind sie ewig lang nicht gelesen worden und dann werden plötzlich alle der Reihe nach herausgeholt, und ich soll meine ganze Zeit danach einteilen – ich bin letzte Nacht Stunden bei der Antwort zu dieser Geschichte hier gesessen (sie war erst länger). Wenn ich kg.de aufmache, bekomme ich schon Angstzustände, daß mich wieder jemand zwingt, meine Zeit mit dem alten Zeug zu verbringen. Dabei habe ich nun schon mehrmals bei den anderen hervorgeholten Geschichten anklingen lassen, daß ich mich im Moment nicht gerade darüber freue.
Ich komme zu fast gar keinen Kritiken mehr und schon gar nicht komme ich bei meiner Geschichte weiter, die ich seit Jänner schreibe und vermutlich noch Monate dafür brauche. Um an der Geschichte weiterzuschreiben, muß es mir gut gehen – nach jeder herausgeholten Geschichte brauche ich mindestens eine Woche, bis ich wieder soweit bin, aber da ist ja dann schon wieder die nächste hochgeholt …

Deshalb verzeiht bitte, daß ich hier jetzt einen Schlußstrich mache und bei weiteren hochgeholten Geschichten bestenfalls einen Link hierher posten werde.

Danke aber trotzdem für die aufgezeigten Fehler, Megabjörnie, die hab ich natürlich korrigiert. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Susi.

Zunächst wusste ich nicht, worauf du hinaus wolltest. Umso erschrockener war ich dann, als es am Ende herauskam.
Du schaffst es irgendwie immer wieder, mit deinen Geschichten tief zu bewegen (in diesem Fall sogar zu erschüttern).

Trotz der Kürze eine intensive Geschichte. Ich habe die anderen Koms nicht gelesen, entschuldige also bitte, wenn ich hier etwas wiederhole.

Der letzte Satz ging mir richtig unter die Haut.

Lieben Gruß! Ein noch ganz verwirrter Salem

 

Danke, lieber Salem! :)

Freut mich, daß die Geschichte bei Dir so schön funktioniert hat! Noch dazu, wo Du doch eigentlich schon einiges verträgst... :)

Hoffe, Du bist schon wieder entwirrt. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

der Titel ist spannend und passt gut zur Geschichte. Das Thema finde ich auch wichtig, und die Gegenüberstellung der beiden Geschichten-Teile (raffiniert verbunden durch "Wie der Falke, der langsam am Himmel kreist und auf Beute lauert. - Dr. Rascher hatte es nicht notwendig, auf Beute zu lauern.") ergibt eine interessante Struktur. Nur der Schluss ist auch mir zu moralkeulenhaft und schmälert die vorherige Wirkung.

Ich bin im Psych-Studium ja auch mit Tier-und Menschenversuchen konfrontiert worden, und zwar sowohl psychologischen als auch physiologischen. Im Grunde genommen basiert das ganze Wissen (bis auf Fälle von durch Krankheit/Unfall verursachten Fehlfunktionen) über die Funktionen und Wirkungsweisen im Gehirn darauf, dass man Tieren genau die zu erforschenden Teile herausoperiert hat. Meine Empörung konnten nur wenige der Kommilitonen/ Dozenten nachempfinden.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha!

Danke fürs Lesen meiner Geschichte, freut mich, daß sie Dir gefallen hat! Besonders freut mich, daß Dir die Verbindung durch den Falken positiv aufgefallen ist! :)

Im Grunde genommen basiert das ganze Wissen (bis auf Fälle von durch Krankheit/Unfall verursachten Fehlfunktionen) über die Funktionen und Wirkungsweisen im Gehirn darauf, dass man Tieren genau die zu erforschenden Teile herausoperiert hat. Meine Empörung konnten nur wenige der Kommilitonen/ Dozenten nachempfinden.
Ja, sobald etwas im Namen der Wissenschaft geschieht und uns guten Menschen dadurch ein Vorteil (Heilen von Krankheiten etc.) in Aussicht gestellt wird, ist alles legitim.
Und wenn man schon mit unschuldigen Tieren kein Mitleid hat, warum dann mit Menschen, die als gesellschaftsschädigend hingestellt werden ...

Und muß man sich nicht zum Beispiel auch fragen, was es denn für Ärzte sind, die am Organhandel beteiligt sind und Menschen in Dritte-Welt-Ländern Organe entnehmen, um sie uns viel besseren Menschen einzupflanzen? Es müssen schon sehr skrupellose Ärzte sein, die mit ihrem Skalpell in gesunde Menschen schneiden. Die stehen für mich gleich neben Dr. Rascher.
(Eine freiwillige Organspende ist natürlich etwas anderes - ich kannte eine Frau, die hatte drei Nieren, da hat sie eine hergegeben -, aber von Freiwilligkeit kann man nicht sprechen, wenn es jemand tut, nur um nicht zu verhungern.)

Nur der Schluss ist auch mir zu moralkeulenhaft
Aber den habe ich ja eigentlich schon entschärft ... Irgendwie muß ich ja am Ende die Verbindung wieder herstellen - hast Du denn eine andere Idee?

Danke nochmal fürs Lesen und Deinen Kommentar,

liebe Grüße,
Susi :)

 

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