Was ist neu

Zwei fliegen

Seniors
Beitritt
20.11.2001
Beiträge
7.695
Zuletzt bearbeitet:

Zwei fliegen

Andreas ist nervös, angenehm aufgeregt. Er geht durch die Luke in die Kabine, aus der es kein Zurück mehr gibt, und sein Adrenalinspiegel erreicht einen ersten Höhepunkt. Kurz darauf steigt das Flugzeug mit ihm in den Himmel.
Unten stehen seine Eltern, die ihm den Tandemsprung zum Geburtstag geschenkt hatten, sowie einige seiner Freunde – alle mit Fotoapparaten und Videokameras ausgestattet – und warten darauf, Andreas bei seinem ersten Sprung vor die Linse zu bekommen.
Außer Andreas und seinem Sprungbegleiter befinden sich noch drei andere Tandempaare im Flugzeug, das nun kräftig an Höhe gewinnt. Kurz bevor sie die Viertausendmeter-Marke erreichen, steigt Andreas´ Adrenalinspiegel auf einen weiteren Höhepunkt, und bis zum Absprung werden noch mehr dieser Hormone ausgeschüttet. Nervenkitzel.
Endlich fliegt Andreas im freien Fall, und er ist froh, daß er sich überwunden hat. Seine Aufregung geht in ein Genießen über – welch herrliches Gefühl, wie ein Vogel im Sturzflug auf die Welt zuzurasen. Nach einer Weile öffnet sich der Schirm, danach kommt es ihm vor, als würde er mit ausgestreckten Flügeln dahingleiten. Wie der Falke, der langsam am Himmel kreist und auf Beute lauert.

Dr. Rascher hatte es nicht notwendig, auf Beute zu lauern. Er fuhr eine Runde mit seinem Wagen und ließ hinterherlaufen, was er an Material für seine Arbeit brauchte. Acht Stück fand er heute passend.

Jonas kam an die Reihe und wurde durch die Luke in die Kabine geschoben, aus der es kein Zurück mehr gab. Das Barometer stieg rasch an, Jonas kam nicht mehr dazu, über die Situation nachzudenken. In weniger als einer Minute war die Luft so dünn, wie auf viertausend Metern Höhe. Er hatte Ohrensausen und es wurde ihm schwindlig, da stieg plötzlich der Druck wieder an, als fiele Jonas im Sturzflug zurück auf fünfhundert Höhenmeter.
Dr. Rascher beobachtete. Seine Arbeit machte ihm richtig Spaß. Er bewegte wieder den Hebel und ließ den Zeiger auf achttausend Meter klettern.
Jonas konnte nicht mehr denken und nahm nur mehr verschwommene Umrisse wahr. Seine Lunge wollte atmen, konnte sich aber nur verkrampfen. Das Herz klopfte, als wollte es vor Angst zwischen den Rippen hervorspringen, auch die Schlagadern übernahmen das Pochen, vibrierten in den Gliedern, und in Jonas’ Kopf fühlte es sich an wie im Inneren einer Trommel, die im Zirkus gerade den Höhepunkt verkündete.
Als Dr. Rascher dem Hebel noch einen Ruck gab, und die Luft so dünn wurde wie in einer Höhe von fünfzehntausend Metern, platzten Jonas’ Gefäße und sein Blut verteilte sich im Kopf und in seinem Körper.
Jonas war bereits tot, als die Luke aufgerissen wurde und die Luft zu ihm hineinschoss, als drückte ihn jemand aus fünfzehntausend Metern Höhe plötzlich auf den Erdboden zurück.
Rasch beförderte man ihn in den Operationssaal und öffnete die Schädeldecke, um die Auswirkungen ausführlich dokumentieren zu können.
Jonas starb einen von vielen Toden für die deutsche Luftwaffe und die Wissenschaft.

Andreas landet mit seinem Sprungbegleiter weich, auf sandigem Boden. Gemeinsam mit seinen Eltern und Freunden betritt er wenig später ein Restaurant, in dem noch ein bisschen gefeiert wird. Sein Freund Bruno kann wieder einmal seine politischen Statements zum Tage nicht zurückhalten und fragt: »Weißt du eigentlich, woher die Wissenschaft ihre Erkenntnisse darüber hat, bis zu welcher Höhe ein Fallschirmsprung ungefährlich ist?«
»Nein, erzähl!«, zeigt sich Andreas wissbegierig.
»Also, das war im KZ Dachau, ein gewisser Dr. Rasch-«, Bruno wird von Andreas’ Mutter unterbrochen.
»Sowas wollen wir jetzt nicht hören, an so einem schönen Tag!«

 

Zu dieser Geschichte hat mich das Kapitel "Warum Meerschweinchen? - Ein Mensch ist billiger!" in Rudolf Kalmars Buch "ZEIT OHNE GNADE" animiert, in dem der Autor über seine Zeit im KZ Dachau berichtet hat.

 

Hallo Häferl.

Nun ja, vom Hocker hat mich die Kurzgeschichte nicht, obschon sie etwas hat. Die Einleitung war natürlich gut, um diese erschreckenden Fakten (?) einzubauen.

Viel zu sagen gibt es eigentlich nicht, aber man kann die Geschichte gut lesen. Urteil: Nett.

MfG
Giga

 

hallo susi,
ein mensch war damals nicht nur billiger als ein meerschweinchen, sondern er war gratis. wenn man mit dem richtigen experimentierte, bekam man sogar noch geld dafür - es war einfach sensationell!

nein, spaß beiseite: deine geschichte greift ein sehr enstes thema auf und du versuchst, dieses thema in die umgebung der heutigen fun-gesellschaft zu bringen. als beispiel hättest du auch bungee-springen nehmen können.
und genau diese nähe ist mir unheimlich - gefällt mir nicht.

der titel dagegen gefällt mir gut: zwei fliegen auf einen schlag, zwei "fliegende" testpersonen......zwei abstürzende fliegen.

soviel nur mal als ersten eindruck vorab.

beste grüße ernst

 

Hallo Giga, lieber Ernst!

Danke fürs Lesen und Eure Meinung zu meinem Text! :)

diese erschreckenden Fakten (?)
Die Versuche haben wirklich stattgefunden, so wie viele andere auch. Stabsarzt Dr. Rascher war lt. Kalmar von Himmler direkt, und wahrscheinlich sogar von Hitler persönlich mit besonderen Vollmachten ausgestattet und dem Oberkommando der Wehrmacht direkt unterstellt. Kalmar schreibt: "Ein Auto-Feschak, dessen Kabriolett noch über den Appellplatz fegte, als sogar die mittleren Parteibonzen wegen Benzinmangels schon längst zu Fuß gingen"...
deine geschichte greift ein sehr enstes thema auf und du versuchst, dieses thema in die umgebung der heutigen fun-gesellschaft zu bringen. als beispiel hättest du auch bungee-springen nehmen können.
und genau diese nähe ist mir unheimlich - gefällt mir nicht.
Genau darum ging es mir aber: Wir genießen heute viele Dinge, ohne zu fragen, wo sie herkommen. Daß viele unserer Annehmlichkeiten von anderen mit dem Leben bezahlt wurden, will niemand mehr wissen - und schon gar nicht, wenn es mit dem 2. Weltkrieg zu tun hat, von dem wollen wir schon überhaupt nichts mehr hören, weil wir ja angeblich eh schon alles wissen...

Ich meine damit ganz sicher nicht, daß wir diese Dinge nicht weiterhin genießen sollen - würden wir das nicht tun, wären die ja umsonst gestorben -, aber zumindest manchmal sollte man dran denken, daß nicht alles selbstverständlich ist. Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel Arbeitsrecht: Woher kommt es, daß jeder heute sein Recht auf Urlaub und Krankenstand hat? Will das jemand hören?

Alles Liebe,
Susi :)

 

so gesehen hast du recht, susi. an diesen aspekt dachte ich nicht. danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Eigentlich war ja dein schluss schon ein hinweis darauf, den ich aber dann nicht so ernst genommen habe: "»Also, das war im KZ Dachau, ein gewisser Dr. Rasch-«, Bruno wurde unterbrochen.
»Sowas wollen wir jetzt nicht hören, an so einem schönen Tag!«"

herzliche grüße
ernst

 

Hallo liebe Häferl,

ich bestreite deinen gesellschaftlichen Anspruch für diese Geschichte keineswegs, auch wenn ich bezweifle, dass alle wesentlichen Erkenntnisse über die Überlebenschancen beim freien Fall dem Dr. Rascher zu verdanken wären. Das Feld ist schwierig, denn der nachträgliche Sinn, den seine Erkenntnisse beim Fallschirmsprung haben mögen ehrt leider wohl nicht seine Opfer, sondern seine Forschungsarbeit. Sinn in den Opfern solcher Forschung zu suchen bekommt (zwangsläufig?) einen zynischen Beigeschmack.
Natürlich müssen wir uns mit solchen Dingen auseinandersetzen, auch wenn die Political Correctness spaßverderbend ist. Genau deshalb verweigern wir oft die Auseinandersetzung. Ich kann Andreas sogar verstehen. Am Tag eines ersten Tandemsprunges würde ich mich auch einer solchen Unterhaltung verweigern. Politisierung eines Themas darf gerne auch im Timing stimmen. Das war bei Bruno eindeutig nicht der Fall. Eine Freundin von mir hat am zwanzigsten April Geburtstag. Sie möchte bei ihren Feiern auch einmal unbelastet vom Geburtstags des Herren aus Braunau am Inn feiern, ohne dass es zu politischen Vergangenheitsdiskussionen kommt. Es ist ihr meist nicht vergönnt. Warum also sind die politischen Gutmenschenmoralisten im Timing so schlecht? Es ist leicht sich über die Ignoranzhaltung zu mokieren, wenn ich die Haltung mitten im Adrenalinschub nach einem Tandemsprung aufzwinge.
So gut wie du es meintest, hast du dabei also an der wirklichen Auseinandersetzungsbereitschaft vorbeigeschrieben. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre Andreas für Brunos Anmerkungen vielleicht offener gewesen?
Du merkst, ich empfinde die Geschichte als moralischen Zeigefinger, der mich ärgert, als Stück politischer Agitation. Mir eine Denkweise aufzuzwingen erzeugt selbst dann Widerstand, wenn ich die Haltung im Grunde teile. Insofern finde ich deine Geschichte persönlich leider nicht so gelungen.

Eine stilistische Anmerkung habe ich noch:

Seine Aufregung geht in ein Genießen über
Vielleicht "Seine Aufregung weicht dem Genuss" ? (Warum substantivierte Verben, wenn es doch reale Substantive gibt?)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo,
leider muss ich auch sagen, dass mir der Zeigefinger am Ende der Geschichte zu hoch gehoben wird. Die Geschichte würde ihre Aussage mMn viel stärker transportieren, wenn du den gesamten letzten Absatz streichen würdest. Durch den letzten Absatz wirkt die Geschichte, wie sim schon in etwa gesagt hat, nicht wie eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen für die heutige Spaßgesellschaft, sondern wie eine Kritik an diesen Besserwissern wie Bruno, die immer zur falschen Zeit ihr Bemerkungen fallen lassen.
Außerdem könntest du den Absatz über Dr. Rascher noch ein bisschen ausbauen, sodass man auch ohne Zusatzlektüre ein genaueres Bild von dem Mann bekommt, wer er war, wie er war, etc.

Noch eine Anmerkung:

Endlich fliegt Andreas im freien Fall
im freien Fall fliegt man nicht, deshalb heißt es ja Fall

Gruß
Arthuriel

 

Hallo Häferl,

Ich schließe mich der Meinung von Arthuriel und sim an, die Moral von der Geschicht ist auch mir ein bisschen zu undifferenziert. Zumal ich solche Wäre X nicht gewesen hätten wir heute Y nicht Argumente meist nicht wirklich logisch standhaft finde, da man sie in jede Richtung biegen kann. zB gibt's hier in Amerika einige Rechtsradikale die meinen, die Schwarzen sollten sich nicht über die Sklaverei im 19. Jhdt beschweren, weil wenn die nicht gewesen wäre, säßen sie jetzt alle noch Afrika, und es ginge ihnen viel schlechter als in den USA. Genauso könnte man aus deinem Text ja womöglich auch folgern, dass Andreas froh sein soll, dass es die Nazis gab, weil er sonst den Fallschirmsprung vielleicht nicht überlebt hätte. Du siehst was ich meine?

Abgesehen davon, wenn wir für alles was wir im Alltag verwenden, auf die Leute besinnen, die dafür zu Schaden gekommen sind, brächten wir ja fast gar nichts mehr zu Stande. Die malaysischen Fabrikarbeiter die für meine Nikes schuften mussten, die Urwaldbewohner deren Heimat abgerodet wurde, um meinen Roman zu drucken, die Ösis die 1866 von Preußen abgeknallt wurden, um die deutsche Vereinigung voranzutreiben, etc. etc. usw.

Soll natürlich nicht heißen, dass ich Kriege, Holocaust, etc. kleinreden will, aber irgendwo muss hier ja auch eine Trennlinie gezogen werden.

Gruss,

I3en

 

Danke Euch allen fürs Lesen und Kommentieren! :)

@tagträumer, ich freu mich, daß sie Dir gefallen hat!

@sim, Arthuriel und I3en: Die Aussage ist ja nur in der Geschichte so direkt. Tatsächlich ist es selbst in Diskussionen so, daß niemand etwas von dem Thema hören will, nicht nur dann nicht, wenn es vielleicht grad "unpassend" ist...

Eine Freundin von mir hat am zwanzigsten April Geburtstag. Sie möchte bei ihren Feiern auch einmal unbelastet vom Geburtstags des Herren aus Braunau am Inn feiern, ohne dass es zu politischen Vergangenheitsdiskussionen kommt.
Mein Ex-Schwager hat nicht nur am 20. April Geburtstag, sondern heißt auch noch Adolf ("Adi" sagen wir). Aber das Problem mit dem Geburtstag hat er nicht mehr, seit er Freunde hat, die den Rest des Jahres genug über Politik reden. Niemand von uns würde ihn deshalb an seinem Geburtstag aufziehen, da wird überhaupt nicht drüber geredet.
Durch den letzten Absatz wirkt die Geschichte, wie sim schon in etwa gesagt hat, nicht wie eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen für die heutige Spaßgesellschaft, sondern wie eine Kritik an diesen Besserwissern wie Bruno, die immer zur falschen Zeit ihr Bemerkungen fallen lassen.
So sollte es natürlich nicht rüberkommen, deshalb werd ich die nächsten Tage nochmal dran arbeiten, das besser zu machen. Vielleicht laß ich Bruno seine Worte erst beim Anschauen der Fotos sagen, da paßt es wohl besser. ;)
Zumal ich solche Wäre X nicht gewesen hätten wir heute Y nicht Argumente meist nicht wirklich logisch standhaft finde, da man sie in jede Richtung biegen kann.
...
Abgesehen davon, wenn wir für alles was wir im Alltag verwenden, auf die Leute besinnen, die dafür zu Schaden gekommen sind, brächten wir ja fast gar nichts mehr zu Stande.
Beides war so nicht von mir gemeint...

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo liebe Häferl,

Tatsächlich ist es selbst in Diskussionen so, daß niemand etwas von dem Thema hören will, nicht nur dann nicht, wenn es vielleicht grad "unpassend" ist
Darüber sind wir uns einig, auch wenn ich auch im Leben oft feststelle, dass es Menschen gibt, die einem gern mit ihrer political correctness den Spaß an allem verderben. ;) Da wäre also sowohl die Ignoranz der Verdränger, wie auch die Penetranz der Aufklärer zu diskutieren. Dein Vorschlag, Brunos Einsatz erst beim Betrachten der Bilder zu bringen, ist aber das ganz sicher ein Schritt in die richtige Richtung, das er den Fokus verlagert.
Dazu könntest du bei solcher Diskussionsverweigerungshaltung ein paar mehr Gründe anführen. Einige sind dieser Diskussionen schlichtweg müde, andere möchten sich kein schlechtes Gewissen machen lassen. Es könnten also von den Freunden, die gemeinsam die Fotos anschauen verschiedene Kommentare zu Brunos Anmerkung kommen. Es könnte ihn ja auch jemand unterstützen?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Red Right Hand und sim!

Danke auch Dir, Red Right Hand, fürs Lesen und Deinen Kommentar, und Dir, sim, fürs nochmalige Melden. Ja, so in die Richtung werd ich die Geschichte umarbeiten, unter Einbeziehung eines weiteren Aspekts.

Daß die Geschichte für Dich, Red Right Hand, auch eine interessante Information beinhaltet, freut mich umso mehr, da ich finde, daß viel zu wenig über die verschiedenen Versuche in KZs bekannt ist. Jeder weiß zwar, daß Versuche gemacht wurden, aber selten weiß jemand genauer, was da so erforscht wurde - weil es der Großteil der Gesellschaft auch gar nicht wissen will. (Wobei sich das Nicht-wissen-Wollen ja nicht nur auf den Bereich bezieht...)

Außerdem hab ich mich entschlossen, Bruno zu meinem Politagonisten :D zu machen, der sich in Zukunft auch noch in anderen Geschichten wiederfinden wird. Den Namen hat er sowieso schon von Kreisky, dem besten Politiker aller Zeiten. ;)

Ich werde also voraussichtlich aus Bruno (ab der nächsten Geschichte) eine Serie machen, in der ich versuchen will, ihn als jungen Kreisky in der heutigen Zeit leben zu lassen. Also Bruno mit Kreiskys Idealen und Denken vor Probleme der heutigen Zeit, z.B. Globalisierung, stellen und ihn über Dinge wie die heutige Einstellung zu gewissen Teilen der Geschichte philosphieren lassen.
- Mal sehen, ob ich das zusammenbring. Für den Teil muß ich mich da aber trotzdem schon ganz schön anstrengen, also laßt mir bitte ein bisschen Zeit. ;)

Alles Liebe,
Susi :)

PS.: Und wenn das dann belehrend wirken sollte, dann ist das nur der Hauch der Siebziger, der mit hineinrutscht... :lol:

 

Hallo Häferl,
nach der unschuldigen Frage, die du im Kaffeekranz gestellt hast, hätte ich niemals so einen schuldträchtigen Text erwartet. Ich dachte im ersten Moment wirklich, daß es sich hier nur um die Springerei handelt. Bis mich der Absatz mit unserem Herrn Doktor wieder auf den Boden geholt hat (Buchstäblich).
Das Gefühl des Hochs und des Tiefs nacheinander - nicht schlecht umgesetzt. Bin gespannt, wie es aussieht, nachdem du deine Korrekturen vorgenommen hast.
Gruß
Murxi

 

Der bisherigen Kritik muß (oh, oh: Im Radio Mahler. 5. Symphonie, 3. Satz. Der mit der Harfe. Kaum zu glauben, daß so harter Stoff legal ist) ich mich weitestgehend anschließen. Die Geschichte ist so nicht fertig, sie bietet mehr Möglichkeiten, die genutzt werden müssen:

  • Wie steht es genau um die Ängste von Andreas, lassen sich diese nicht noch weiter ausbauen? Seine Eindrücke: das beruhigende Gesicht seines Partners, seine eigenen Versuche, sich zu beruhigen. Gedanken daran, was wäre, wenn gleich alles vorbei sein wird. Er will sein Leben vorbeiziehen lassen, vielleicht findet er in dieser Erfahrung etwas, das er "zu richten" vergessen hat...
  • Welche Motive treiben einen Arzt wie Dr. Rascher zu solchen Experimenten? Was geht in einem solchen Menschen vor? Hat er Bedenken, wenn nein, wie kämpft er sie nieder? Ruhm? Überzeugung? Ein Denken wie: der Tod seiner Opfer wird viele andere Leben retten?
  • Interessant wäre natürlich, wenn sich Ähnlichkeiten zwischen den beiden ergeben würden. Was ja gleich so pfui! klingt, weil dieser Arzt ja kein menschliches Wesen gewesen sein kann. Aber dennoch spannend sein könnte.

Ich denke, der Rezipient ist in der Lage, die Verbindung zwischen den beiden Strängen zu finden, ohne daß man ihn mit der Nase draufschubsen muß (Mahler, Höhepunkt und leichter Abstieg...). Und dann kann auch ohne falsche Implikationen eine Botschaft entstehen.

Vorschläge/ Detailanmerkungen:

  • "hatte es nicht notwendig," - 'hatte es nicht nötig'
  • "Seine Aufregung geht in ein Genießen über" - wie von sim schon bemerkt: 'Genuß'

 

Hallo Marius und cbrucher!

Danke Euch beiden fürs Lesen und Eure konstruktiven Vorschläge, die mich jetzt fast dazu verleitet hätten, die Geschichte gleich ein wenig zu überarbeiten. Aber ich will sie gründlich überarbeiten, kein Husch-Pfusch - nur dauert das noch ein bisserl, weil mich im Moment andere Themen mehr zum Schreiben "drängen".
Eure Tips laß ich inzwischen vorkeimen, um dann die mit den kräftigsten Wurzeln in nahrhafte Erde zu setzen. :)

Danke und
alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo Häferl,

da stellt sich schon ein gewisser Schockeffekt ein: Vom Freizeitvergnügen wird der Bogen ganz unvermittelt zu KZ-Verbrechen gespannt. Vielleicht ist diese Beziehung etwas zu krass, denn am Schluss konnte ich fast schon Sympathie dafür aufbringen, dass die Leute sich nicht den Tag verderben lassen wollen.
Die Dinge, von denen wir profitieren, sind sicher nur zum kleinen Teil auf die geschilderte Weise beeinflusst worden, doch ist der Gedanke daran sicher wertvoll. So stehen wir auch auf den Schultern der Menschen, die freiwillig Gefahren auf sich nahmen, die sich für Menschenrechte, bessere Arbeitsbedingungen (man denke an den Manchester-Kapitalismus) usw. eingesetzt haben.

Rein autorentechnisch gesehen, war es sicher auch interessant mit solch einem extremen Kontrast zu arbeiten, findet man nicht so häufig.

„Endlich fliegt Andreas im freien Fall, und er ist froh, daß er sich überwunden hat. Seine Aufregung geht in ein Genießen über – welch herrliches Gefühl“

- So weit ich weiß, steigt der Adrenalinspiegel vor allem im freien Fall, nur Springprofis haben da einen Genuss.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Häferl,

mir hat deine Geschichte gefallen. Es gab einige unerwartete Handlungsumschwänge, die ich interessant fand.

Ciao

MiK

 

Lieber Woltochinon!

Danke fürs Lesen und Deine Gedanken zu der Geschichte. :)

da stellt sich schon ein gewisser Schockeffekt ein: Vom Freizeitvergnügen wird der Bogen ganz unvermittelt zu KZ-Verbrechen gespannt.
Ja, eigentlich war das so beabsichtigt – völlig harmloser Anfang und dann plötzlich der Sog in die Tiefe. Jonas hat auch vorher nicht gewußt, was mit ihm geschieht, genauso wie die anderen, die in diese Druckkammer gekommen sind, oder mit denen andere Versuche gemacht wurden.

Vielleicht ist diese Beziehung etwas zu krass, denn am Schluss konnte ich fast schon Sympathie dafür aufbringen, dass die Leute sich nicht den Tag verderben lassen wollen.
Am Schluß wollte ich ja eigentlich noch arbeiten. So paßt das wirklich nicht ganz. Andererseits kenne ich schon so Leute, die beinhart mit einer Diskussion die Stimmung zerstören. Die sind so in ihrem politischen Denken drin, daß sie das gar nicht merken.

Die Dinge, von denen wir profitieren, sind sicher nur zum kleinen Teil auf die geschilderte Weise beeinflusst worden,
Ich glaube doch, daß wir besonders im medizinischen Bereich sehr viel von dieser Zeit und den Versuchen profitieren. Vieles hätten sie mit legalen/menschlichen Methoden nicht so schnell erforschen können. Warum stehen in Deutschland die größten Pharma-Konzerne? Zufällig?
Aber ich will natürlich nicht sagen, daß wir die Erkenntnisse nicht nutzen sollten – schließlich sollen die Menschen nicht ganz umsonst ihr Leben gelassen haben.
Ich meide ja auch nicht die vielen Wanderwege und Forststraßen, die von Zwangsarbeitern errichtet wurden, die oft während der Arbeit gestorben sind. Aber ich denke dann manchmal an sie, daß sie da gelitten haben, wo ich jetzt die Natur genießen kann.

So stehen wir auch auf den Schultern der Menschen, die freiwillig Gefahren auf sich nahmen, die sich für Menschenrechte, bessere Arbeitsbedingungen ... usw. eingesetzt haben.
Ja, natürlich - nur haben die sich bewußt und selbst dafür entschieden, sich und ihr Leben einzusetzen. Und ich bin ja auch der Ansicht, daß man gerade deshalb, weil Menschen im Kampf für unsere heutigen Rechte ihr Leben gelassen haben, darauf schauen sollte, daß sie uns nicht wieder weggenommen werden. - Leider sieht die Realität anders aus, die Solidarität ist tot - jeder ist so froh über seinen Arbeitsplatz, daß er freudestrahlend nickt, wenn sie ihm seine Rechte unter dem Vorwand beschneiden, seinen Arbeitsplatz damit zu sichern. Der Kapitalismus hat sie alle zu Prostituierten gemacht.

Rein autorentechnisch gesehen, war es sicher auch interessant mit solch einem extremen Kontrast zu arbeiten,
Ja – obwohl es doch ein ziemlicher Schnellschuß war. Hätte ich mehr dran gearbeitet, hätte ich zum Beispiel mehr Möglichkeiten für gleich klingende Stellen finden können. Aber dafür war ich wohl zu ungeduldig.

- So weit ich weiß, steigt der Adrenalinspiegel vor allem im freien Fall, nur Springprofis haben da einen Genuss.
Hm, ich hab das, wann der Adrenalinspiegel am meisten steigt, aus einem IMAX-Film, ich glaub der hieß »Adrenalin«, und da stellten sie das zum Beispiel anhand von Paragleitern usw. so fest. Aber das waren natürlich alles Leute, die das regelmäßig machen. :shy:


Hallo MiK!

Auch Dir ein Danke fürs Lesen!

mir hat deine Geschichte gefallen. Es gab einige unerwartete Handlungsumschwänge, die ich interessant fand.
Hm, jetzt wäre ich natürlich sehr froh, wenn Du mir noch sagen würdest, was Dir an der Geschichte gefallen hat und welche »unerwarteten Handlungsumschwänge« Du denn meinst.:)

Liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Häferl,

Endlich fliegt Andreas im freien Fall, und er ist froh, daß er sich überwunden hat. Seine Aufregung geht in ein Genießen über – welch herrliches Gefühl, wie ein Vogel im Sturzflug auf die Welt zuzurasen. Nach einer Weile öffnet sich der Schirm, danach kommt es ihm vor, als würde er mit ausgestreckten Flügeln dahingleiten. Wie der Falke, der langsam am Himmel kreist und auf Beute lauert.
fast idylisches bild vom Familienausflug
Dr. Rascher hatte es nicht notwendig, auf Beute zu lauern. Er fuhr eine Runde mit seinem Wagen und nahm mit, was er an Material für seine Arbeit brauchte. Acht Stück fand er heute passend.
bereits durch diese drei Sätze wird mir der Antagonist höchst unsympatisch. Das ist interessant und verspricht Spannung für den weiteren Verlauf des zweiten Handlungsstranges.
Rasch beförderte man ihn in den Operationssaal und öffnete die Schädeldecke, um die Auswirkungen ausführlich dokumentieren zu können.
Jonas starb einen von vielen Toden für die deutsche Luftwaffe und die Wissenschaft.
Dieser Prot starb also einen fiesen Tod.
Andreas landet mit seinem Sprungbegleiter weich, auf sandigem Boden. Gemeinsam mit seinen Eltern und Freunden betritt er wenig später ein Restaurant, in dem noch ein bisschen gefeiert wird.
Dieser Prot lebt und die Geschichte wird aufgelöst. Ganz am Ende wird dann die Verbindung zwischen beiden Erzählsträngen aufgezeigt. Das meinte ich mit unerwarteter Handlungsumschwung. Das hat mir sehr gefallen.

Ciao

MiK

 

Hallo Häferl.

Auszug von Wikipedia. Als Suckriterium wurden die Wörter "Sigmund Rascher" eingegeben:

Wissenschaftlich waren (und sind) die Versuche allein schon deshalb sinnlos, weil die zur Beteiligung gezwungenen Häftlingsärzte nach ihren Möglichkeiten die Qualen der Opfer minderten und z.B. Temperaturangaben systematisch fälschten.

Es werden hier zwei Dinge miteinander in Verbindung gebracht, die in keiner Verbindung zueinander stehen.
Natürlich sind die "Experimente" von Rascher menschenverachtend und grausam gewesen, nur einen Bezug zum Tandemspringen kann ich hier beim besten Willen nicht sehen.
Meiner Meinung nach ist dieser Text eine einzige Moralkeule.

Grüße

Cerberus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom