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Zwei Menschen
Danny war kein selbstbewusster Mensch.
Seine letzte Freundin hatte ihn vor fünf Jahren verlassen und seither war sein körperlicher Kontakt zu Frauen auf das Überreichen der Aktien durch seine Sekretärin beschränkt, auf den flüchtigen Moment, in dem sich ihre Hände berührten.
Seine Freundin hatte ihn verlassen, wegen eines glatzköpfigen Ferrari-Fahrers mit einem hässlichen Lachen und teuren Schuhen.
Danny schwitzte. Seine Handflächen waren nass, seine Stimmung auf dem Nullpunkt. Schon zehn nach sechs und sein Date war noch immer nicht aufgetaucht.
Wenn es nun drei nach sechs wäre oder fünf nach, gäbe es ja noch Hoffnung. Aber zehn nach!
Eigentlich hielt Danny nichts von Blind-Dates. Sein Tenniskollege verabredete sich oft mit unbekannten Frauen. Das kann ja nicht gut kommen, pflegte Danny ihm zu predigen.
Aber wie schon gesagt: Danny hatte seit fünf Jahren keine Frau mehr bewusst berührt, ja, nicht einmal ein bisschen geflirtet.
Er schaute erneut auf die Uhr: zwölf nach sechs. Die Kellnerin starrte zu ihm hinüber. Die Leute waren heutzutage sehr indiskret. Obwohl sie gar nicht schlecht aussah, die Kellnerin, aber Danny hatte im Moment ganz andere Sorgen.
Er wandte seinen Blick ab und dachte darüber nach, wie er sein Date begrüssen würde, wenn sie denn doch noch erschien.
Da tippte ihn jemand auf die Schulter. Es war die Kellnerin.
„Entschuldigung“, flüsterte sie.
„Wieso flüstern Sie?“, flüsterte Danny zurück.
„Sie flüstern ja selber“, antwortete die Kellnerin und unterdrückte ein Lachen.
Danny war verwirrt. Was wollte diese Person von ihm?
„Ich bin Ihr Date“, sagte die Kellnerin. „Nur sollte mein Chef nichts von unserer Konservation mitkriegen, ich muss nämlich noch bis sieben arbeiten.“ Gespannt wartete sie seine Reaktion ab.
„Konversation“, flüsterte Danny.
„Bitte?“
„Es heisst Konversation. Sie haben Konservation gesagt.“
„Oh." Sie wurde rot.
„Wie heissen Sie eigentlich?“
„Anna!“, erklang eine Stimme aus der Küche. „Wo steckst du verdammt, bist du schon wieder am Quatschen?“
„Ich muss gehen.“ Anna ging hastig davon.
Danny schaute ihr nach. Wo war er da nur hineingeraten? Er hatte ein Date mit der Kellnerin. Das konnte wirklich nur ihm passieren.
Er lauschte und hörte, wie der Chef mit Anna schimpfte. Wütend wollte er aufstehen, Anna an der Hand nehmen und ihrem Chef gründlich die Meinung sagen.
Das tat er aber nicht. Es waren noch andere Gäste im Lokal und was sollten sie auch von ihm denken, würde er einfach ...
„Komm, wir gehen!“ Auf einmal stand Anna wieder vor ihm. Sie war es, die Danny an der Hand nahm und ihn aus dem Lokal zog, so dass er kaum Zeit hatte, seine Jacke anzuziehen.
„Ich habe gekündigt“, sagte sie.
„Wegen mir?“, fragte er ungläubig.
„Unter anderem. Ich kann doch mein Date nicht warten lassen.“ Sie lächelte neckisch. „Und, wo gehen wir jetzt hin?“
„Ich weiss nicht. Ich habe nichts vorbereitet. Ursprünglich war ja geplant ...“
Anna lachte herzhaft. „Komm!“
Sie zog ihn mit sich, tanzte mit ihm durch die Strassen und sang ein Lied dazu. Er lachte.
Ausser Atem waren sie vor dem Kino angekommen und beschlossen, sich einen Film anzuschauen.
Ein paar Minuten später sassen sie nebeneinander im Kinosaal. Danny traute sich nicht, Annas Hand zu nehmen.
Auf der Leinwand sassen zwei weibliche Teenies in einem Auto. Sie wollten per Autostopp nach Stockholm fahren, doch der Motor funktionierte nicht. Der Fahrer stieg aus und ging nachschauen.
Eine der Frauen sagte: „Was machen wir hier eigentlich? Wir müssen total verrückt sein!“
„Ja, das sind wir“, sagte die andere. „Aber wir sind auch verdammt cool!“
Da küssten sie sich. Zwei Frauen auf der Leinwand, die sich abschleckten, und neben ihm Anna, die ihn anschaute und kurz darauf ihre Zunge in seinen Mund schob.
„Was treibt ihr da eigentlich? Ist das hier versteckte Kamera, oder was? Los, raus aus dem Auto!“ Das war der Autofahrer, der nach dem Motor gesehen hatte. Die Romantik war dahin.
Der Rest des Films war langweilig und kindisch.
Später gingen Danny und Anna Hand in Hand aus dem Kino. „Ich bringe dich noch nach Hause“, sagte Anna. Danny widersprach nicht.
Vor seiner Haustür angekommen nahm er tief Luft und sagte: „Hör mal Anna, unabhängig von den Gefühlen, die heute zwischen uns aufgetreten sind, sind wir doch nur zwei Menschen, die einander zufällig begegnet sind und die überhaupt nicht zusammenpassen. Du hast dich als mein Date ausgegeben, da du meine Traurigkeit nicht ertragen konntest. Das war sehr lieb von dir. Auf Wiedersehen.“
Anna schüttelte nur den Kopf, sagte aber nichts und ging dann langsam davon. Danny ging ins Haus und seufzte leise.
Nein, er war definitiv kein selbstbewusster Mensch.