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Zwergenknabbereien

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03.07.2017
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Zwergenknabbereien

Das Geräusch der kleinen Füße auf dem Korkfußboden reichte aus, um Leon zu wecken. Er öffnete die Augen und starrte durch die Dunkelheit an einen Himmel aus Leuchtsternen. Die Biberbettwäsche wurde schwer und viel zu warm, aber er traute sich nicht, einen Arm oder ein Bein an die kühle Luft zu strecken.
Er lauschte und hoffte, sich das Geräusch nur eingebildet zu haben. Vielleicht hatte ihm sein angespannter Verstand einen Streich gespielt und er blieb eine weitere Nacht verschont. Nein, da war es wieder. Ein Geräusch, als würde eine Ratte in Stiefeln durch sein Zimmer huschen. Aber Leon wusste, dass der Besucher kein Nagetier war - auf jeden Fall nicht im herkömmlichen Sinne.
„Ich habe heute nichts für dich!“, rief er in die Dunkelheit.
Ein Rascheln durchdrang das Rauschen in seinen Ohren. Es klapperte und rumpelte, gefolgt von abgehackten Flüchen. Leon befreite sich strampelnd von der Decke, schaltete die Nachttischlampe an und hockte sich angespannt auf das Bett, bereit für den Eindringling.
Dort stand er zwischen dem Todesstern und der Rennbahn. Die Schienen und Autos lagen kreuz und quer. Leon hatte heute Nachmittag Stunden damit verbracht, alles aufzubauen.
Die kleinen Augen des Besuchers funkelten wie Rubine, aber schön waren sie nicht. Mit der spitzen Mütze und dem grünen Oberteil machte er dem Gartenzwerg der Nachbarn Konkurrenz. Das Lächeln war gefüllt mit Piranhazähnen, und obwohl Leon es schon oft gesehen hatte, lief eine Gänsehaut über seinen Körper, als hätte jemand die Klimaanlage eingeschaltet.
Der Zwerg hatte ihm nie einen Namen genannt, aber Leon nannte ihn Egon. Für egoistisch.
„Wo ist mein Essen?“ Die buschigen Augenbrauen bildeten ein V und zitterten vor Erregung. „Ich knabber dir das Fleisch von den Knochen!“
„Ich habe dir schon genug gegeben. Geh weg und lass mich in Ruhe!“ Leon reckte das Kinn empor. Schweißtropfen bildeten sich wie kleine Verräter auf seiner Stirn, kitzelten ihn an der Schläfe. Er musste den Zwerg vertreiben, ein für alle Mal. Nicht umsonst ging er seit zwei Jahren jeden Mittwochabend zum Karate. Das sollte doch ausreichen, um einen kleinen Wicht fertig zu machen.
„Waaas?“ Egons Stimme überschlug sich und sein Gesicht wurde dunkelrot.
Für einen kurzen Moment hoffte Leon, der Zwerg würde sich rumpelstilzchenmäßig vor Wut zerreißen.
„Du weißt genau, was passiert, wenn du mir kein Essen bringst. Ich knabber dir das Fleisch von den Knochen!“
Wie könnte Leon das vergessen? Egon ließ diesen Hinweis schließlich mindestens fünf Mal pro Besuch fallen. Leon stellte sich vor, wie sich die spitzen Beißer in seine Haut bohrten. Das Zimmer schwankte.
Experimente waren noch nie Leons Fall gewesen, also hatte er sich stets bemüht, den Zwergenhunger zu stillen. Wer voll mit Süßigkeiten war, der hatte keinen Appetit mehr auf Menschenfleisch – so die Theorie. Was hatte er nicht alles herbeigeschafft. Double Chocolate Cookies, Weingummischlangen, gepuderte Erdbeer-Marshmallows, Erdnussbutterschokodrops – sogar ein Stück von Mamas Walnussbrownies hatte Leon geopfert. Mit Deftigem musste er gar nicht ankommen. Einmal hatte er Schinken mitgebracht, den hatte Egon ihm direkt ins Gesicht geworfen. Nur Zucker besänftigte den Zwerg. Und anscheinend Menschenfleisch.
Mama würde ausflippen, wenn sie ihn noch einmal beim Süßigkeitenklauen erwischen würde. Was sollte er dann schon sagen? Tut mir leid, Mama. Ich werde von einem miesgelaunten Zuckerjunkie erpresst, und wenn ich ihm nicht bringe, was er verlangt, knabbert er mir das Fleisch von den Knochen. Leon bezweifelte, dass er damit auf Verständnis stoßen würde. Also musste er dem Zwerg endlich Kontra geben.
„Es ist mir egal. Du hattest deinen Spaß. Such dir jemand anders, den du erpressen kannst.“
Egon kehrte ihm den Rücken zu und ging. Was hatte er vor? Der Zwerg stolzierte bis an die gegenüberliegende Wand, drehte sich zackig um 180 Grad. Plötzlich markierten die roten Augen Leon wie Laserstrahlen. Er hätte schwören können, dass Dampf aus der Nase des Zwergs drang. Die Stiefel knatterten über den Boden und Egon kam wie ein Geschoss auf Leon zu. Der Zwerg sprang ihn mit Salto und Kampfschrei an und rammte seine spitzen Zähne in Leons Arm.
„Ah!“ Leon versuchte den Zwerg abzuschütteln, dabei wand er sich wie ein tollwütiges Tier. Die Schmerzen benebelten ihn so sehr, dass ihm glatt entfiel, wie der Karategriff ging, um an den Arm geklammerte Zwerge loszuwerden. Er zappelte in seinem Bett herum und verteilte Blut auf Anakin Skywalker, der ihn kampfbereit von der Bettwäsche aus anstarrte. Als Leons Arm gegen die Wand knallte, lockerte sich Egons Biss und der Zwerg rutschte in die Ritze hinter dem Bett.
Leon atmete schwer. Während er auf das Blut starrte, das seinen Arm hinunter lief, hörte er den Zwerg wie einen Minibulldozer durch den Kram unter dem Bett wühlen. An der Vorderseite angekommen sprang Egon in die Luft, bereit für einen neuen Angriff.
Leons Schienbein schnellte hervor, traf den Zwerg im Flug, so dass Egon durch das Zimmer flog und ungebremst gegen die Wand knallte. Benommen blieb er auf dem Boden liegen. Dann schüttelte er leicht den Kopf, öffnete die Augen und entsandt einen Todesblick an Leon. Leise knurrte er: „Morgen bekomm ich mein Essen. Sonst wirst du es bereuen.“
Der Zwerg rappelte sich auf, um sich dann mit einem zirkusreifen Sprung an die Türklinke den Weg zum Flur zu öffnen. Er quetschte sich durch den Spalt und war verschwunden.

Das Frühstück am nächsten Morgen schaufelte Leon zombiemäßig in sich hinein. Die Bissstelle am Arm pochte und er wusste nicht, wie er die Wunde und die Blutflecken im Bett seinen Eltern erklären sollte.
Mama wuschelte ihm durch die Haare. „Du entwickelst dich ja langsam zu einem ganz schönen Morgenmuffel.“
„Mmh.“
„Los, mach dich fertig“, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
Leon schlurfte ins Bad. Auf Schule hatte er zwar keine Lust, aber dort gab es wenigstens keine Zwerge.
Was Egon wohl vorhatte? Zu einem Angriff, wie in der letzten Nacht, war es bisher nie gekommen. Insgeheim hatte Leon immer gehofft, der Zwerg würde nur bluffen. Doch nun hatte Egon gezeigt, dass er sich nicht scheute, seine Zähne einzusetzen.
Ob Leon seine Eltern einweihen sollte? Nein, die würden ihm niemals glauben.
Nachdem er einen blauglitzernden Wurm auf die Zahnbürste gequetscht hatte, grinste Leon in den Spiegel. Sein Anblick erschrak ihn so sehr, dass er schreiend zurücksprang und gegen den Badezimmerschrank krachte. Die Zahnbürste fiel klappernd zu Boden, verteilte die blaue Paste auf den Fliesen. Langsam richtete Leon sich auf und näherte sich dem Spiegel.
Vorsichtig hob er mit dem Finger die Oberlippe an, offenbarte das Weiß darunter. Er wimmerte und ließ die Haut wieder los. Als wenn es weg wäre, nur weil er es nicht mehr sah ... Mit der Zunge tastete er sich vor. Als er die vorderen Zähne berührte, zuckte er zurück. Kein Zweifel. Das war nicht so, wie es sein sollte.
Er schloss die Augen und atmete tief durch. Er litt an Zwergenparanoia oder ähnlichen Wahnvorstellungen.
Noch einmal hob er die Oberlippe an, er konnte es nicht leugnen. Seine Zähne hatten sich verändert. Wo sie sonst brav nebeneinander, Kante an Kante, gestanden hatten, erinnerten sie nun eher an kleine Zuckerhüte.
Es klopfte an der Tür. „Alles okay? Du musst gleich los.“
Leon schaute zur Tür, zum Spiegel und wieder zur Tür - er raufte sich die Haare.
Mama klopfte erneut. „Leon?“
„Ähm ... mir gehts nicht gut. Ich glaub, ich kann nicht zur Schule.“
„Was ist denn los?“
„Irgendwie komisch.“ Schnell schob er hinterher: „Übel. Kopfschmerzen.“
„Ohje, nicht dass dich auch diese Grippe erwischt hat. Ich mach dir 'nen Tee.“
Leon fuhr sich durchs Gesicht. Was passierte mit ihm?

In seinem Zimmer lief Leon im Kreis, immer rund herum um die Carrera-Bahn. Er musste Egon irgendwie zufrieden stellen. Leon war sich sicher, dass die Veränderung seiner Zähne mit dem Biss zusammenhing. Also müsste Egon auch in der Lage sein, das wieder zu reparieren.
Das mit dem Kranksein war nicht ganz durchdacht gewesen. Wie sollte er jetzt an Süßigkeiten kommen? Kranke bekommen keine Schokolade oder Kekse. Höchstens ein Eis, aber auch nur wenn man Halsschmerzen hatte.
Irgendwo im Haus musste doch noch etwas Brauchbares zu finden sein. Im Schlafanzug schlich er die Treppe hinunter. Leon hörte Mama im Keller summen und tapste in die Küche. Vorsichtig öffnete er die ewig quietschende Tür des Süßigkeitenschranks. Alles leer. Seit Papa auf Diät war, sorgte Mama dafür, dass erst gar nichts Verlockendes in der Nähe war.
Leon schob einen Stuhl an die Arbeitsfläche, um nach der Keksdose auf dem Schrank angeln zu können. Nur ein paar traurige Krümel schauten ihn an. Sein Vater hatte wahrscheinlich auch schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
Aber Mama konnte auch nicht ohne Schokolade leben ... und deswegen hatte sie immer einen Notriegel in der Handtasche! Leon eilte zur Garderobe.
„Was machst du denn hier?“
Hastig drehte er sich um. „Nichts.“
„Und dann auch noch mit nackten Füßen!“ Mama stemmte die Arme in die Hüfte, versuchte böse zu gucken. „Ab ins Bett.“
„Aber ...“ Was sollte er schon sagen? Verzweifelt zog Leon sich in sein Zimmer zurück.

Leon lag im Bett und wartete. Der Kamillentee auf dem Nachttisch, den Mama in Kombination mit einem Gute-Nacht-Kuss gebracht hatte, war längst kalt geworden.
Den ganzen Tag hatte er darüber nachgedacht, wie er an Süßigkeiten kommen konnte, ohne das Haus zu verlassen. Er hatte keine Lösung gefunden.
Nun war es wieder Nacht und es konnte nicht mehr lange dauern, bis Egon auftauchte. Leon versuchte gar nicht erst zu schlafen. Viel lieber malte er sich aus, was mit ihm passieren würde. Er sah es genau vor sich. Seine Eltern würden am nächsten Morgen ein sauber abgeknabbertes Skelett im Bett finden, daneben einen kugelrunden Zwerg, der laut rülpste.
Doch eigentlich war das nicht die schrecklichste Version, die ihm einfiel. So sehr er sich vor dem Zwerg fürchtete, noch größere Angst machten Leon seine eigenen Zähne. Er hatte das Gefühl, dass sie im Laufe des Tages immer spitzer geworden waren. Wer, wenn nicht Egon, sollte ihm bei diesem Problem helfen? Ein Zahnarzt wäre damit bestimmt überfordert.
Endlich hörte er das Stapfen der kleinen Füße. Aber diesmal war es nicht hektisch. Eher langsam und bedacht.
Egon erschien hinter der Kiste mit den Legoteilen, stellte sich in die Mitte des Raums und verschränkte die Arme. „Wo ist mein Essen?“
„Was passiert mit mir?“, fragte Leon und zeigte auf seine Zähne.
Egon zog eine Grimasse, wobei er ebenfalls sein Gebiss präsentierte. „Wenn du Süßigkeiten hast, verrate ich es dir.“
„Ich ... ich habe nichts.“
Egons Blick verfinsterte sich.
„Aber ich hol dir was! Morgen! Versprochen! Aber bitte, bitte mach meine Zähne wieder normal!“ Leon setzte sich in seinem Bett auf, beugte sich zu dem Zwerg.
„Morgen. Wenn ich meine Süßigkeiten habe.“ Egon drehte sich um und ging.
„Nein!“ Leon sprang aus dem Bett, während der Zwerg in Richtung Kleiderschrank davonwuselte. Er quetschte sich in den Spalt darunter und war verschwunden. Leon hechtete hinterher, legte sich auf den Boden, um in die schwarze Ritze zu schauen.
„Bitte hilf mir“, flüsterte er, doch nur die Wollmäuse hörten zu. Er lag auf dem Boden, fing an zu frieren und hoffte, dass der Zwerg wieder kam. Leons Arm brannte und seine Zähne bohrten sich von innen in die Lippe. Obwohl er eigentlich zu alt dafür war, liefen ihm Tränen über die Wange und tropften auf den Boden.

Leon musste eingeschlafen sein, denn Kälte und der unbequeme Boden weckten ihn. Es war noch dunkel draußen, aber er konnte sich jetzt nicht ins Bett legen. Er ging hinüber zum Schlafzimmer seiner Eltern, klopfte kurz und öffnete dann die Tür. „Mama?“
Sofort war sie wach und machte die Nachttischlampe an. Papa schnarchte leise weiter. Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. „Was ist los? Geht es dir nicht gut?“
„Mama ...“, mehr bekam Leon nicht raus. Er hatte das Gefühl, die Tränen, die er zurückzuhalten versuchte, setzten stattdessen seine Kehle unter Wasser.
„Ist was passiert?“ Mama stieg aus dem Bett und kam auf ihn zu, hockte sich hin.
Leon öffnete den Mund, um ihr die Zähne zu zeigen.
„Hast du Zahnschmerzen?“ Sie kniff die Augen zusammen und zog mit dem Zeigefinger seine Lippe etwas zur Seite.
Leon starrte sie an. Mit der Zunge prüfte er nach, die Zähne stachen in das weiche Fleisch. Er ließ Mama stehen, rannte zum Spiegel im Bad. Eindeutig spitz, so wie das Gebiss eines Piranhas - oder eben eines Zwerges.
„Mama! Meine Zähne! Schau doch!“
„Was ist denn damit? Schatz, ich kann nichts erkennen.“
Leon starrte sie an. Seine Mutter sah diese Monsterzähne nicht! Einige Sekunden stand er nur da und wusste nicht, was er tun sollte. Bildete er sich das nur ein? Schließlich sagte er: „Ich hab wohl nur geträumt.“
„Möchtest du bei uns schlafen?“
Leon nickte. Das konnte auf jeden Fall nicht schaden. Egal, ob Einbildung oder nicht.

Am nächsten Morgen betrachtete Leon seine Zähne erneut im Spiegel. Sie sahen nun genauso aus wie Egons. Er konnte sie fühlen und sehen. Wie konnte es sein, dass seine Eltern nicht bemerkten, dass ihr Sohn nun ein Monster war? Auch Papa hatte beim Frühstück nichts gesagt, obwohl Leon ihn breit angegrinst hatte. Sein Vater hatte einfach nur zurückgelächelt!
Vielleicht musste Leon einfach damit leben. Wenn es kein anderer sah, war es nicht so schlimm, oder?
Dann hörte er die Haustür. Mama war vom Samstagseinkauf zurück. Er lief in die Küche, wo sie die schweren Taschen auf der Küchentheke abstellte.
Sie schaute Leon an und grinste schief. „Möchtest du was?“
„Mamaaa ...“ Leon wippte auf den Zehen hin und her.
Nachdem sie etwas in den Taschen gekramt hatte, gab sie ihm zwei Tafeln Schokolade. Er hatte sie davon überzeugen können, dass er wieder gesund war und so gerne etwas Süßes hätte.
„Aber nicht alles auf einmal essen“, sagte sie zwinkernd.
„Klaro.“ Leon nahm die Tafeln und verschwand damit in seinem Zimmer, bevor Mama oder Papa auf die Idee kamen, etwas davon zu essen.
Gut, er hatte etwas für Egon. Jetzt musste es nur noch Abend werden.
Der Tag ging einfach nicht vorbei. Leon las, dann bastelte er weiter an dem Milleniumfalken. Sogar für den Geschichtstest, der erst in zwei Wochen stattfinden sollte, lernte er. Zwischendurch schaute er nach, ob die Schokolade noch da war.
In den Händen haltend betrachtete er sie. Nougat und Schokokeks, seine Lieblingssorte. Vielleicht sollte er überprüfen, ob die Schokolade gut war. Nicht, dass er Egon eine Packung gab, mit der etwas nicht stimmte. Produktionsfehler oder so.
Vorsichtig riss er die Packung auf, um eine kleine Ecke abzubrechen. Nur zum Testen.
Die Schokolade schmolz auf der Zunge und die spitzen Zähne zerbröselten den Keks. War die gut. Ein Eckchen mehr oder weniger würde Egon bestimmt nicht stören. Das nächste Stück wanderte in Leons Mund und war im Nu verschwunden. Er brach immer größere Teile ab, Leon aß schneller, bis er nur noch eine leere Packung in den Händen hielt. Mit der Fingerspitze sammelte er die Keks- und Schokokrümel ein, die er auf dem Weg zu Mund verloren hatte.
Eine Tafel für Egon musste reichen. Bestimmt. Er legte die Packung Nougat in die Schublade seines Schreibtisches und setzte sich auf das Bett, um auf dem Tablet Candy Crush zu spielen. Er kam mit den vorgegebenen Zügen nicht mal in die Nähe des Levelziels. Sein Blick wanderte immer wieder zu der Schreibtischschublade. Nachdem er das Level zum siebten Mal nicht geschafft hatte, legte er das Tablet zur Seite und stand auf. Er öffnete die Schublade. Ja, da lag die Tafel noch. Er ließ sie im Schreibtisch verschwinden, zog sie sofort wieder hervor. Nougat war nicht wirklich seine Sorte. Aber Egon würde sie bestimmt schmecken.
Immer mehr Speichel sammelte sich in seinem Mund, so dass er schlucken musste. Langsam griff er zu der Schokolade. Er berührte die Packung und zuckte zurück. Nein! Er brauchte die Schokolade für Egon. Aber wie gerne würde er jetzt ein Stück davon essen. Nur ein kleines. Er würde Egon genug übrig lassen.
Er riss die Packung auf und ohne Pause stopfte er alles in sich hinein. Sein Mund verklebte, die Schokolade beschmierte Finger und Gesicht. Leon wusste, er beging einen riesigen Fehler. Aber am Ende war er so glücklich, dass es ihm egal war.

Leider ebbte das Glücksgefühl nach ein paar Stunden ab, stattdessen kehrten Panik und Angst zurück. Es wurde dunkel, und bald würde Egon da sein. Leon konnte seine Mutter nicht nach mehr Süßigkeiten fragen. Sie würde die Krise kriegen, wenn sie erfuhr, dass er zwei Tafeln Schokolade an einem Tag gegessen hatte.
Als Egon schließlich kam, hatte Leon innerlich schon aufgegeben. Was konnte er jetzt noch tun? Also machte er sich auf das Schlimmste gefasst.
„Ich habe nichts für dich“, sagte Leon ganz ruhig.
„Na, hattest du Heißhunger auf Süßes?“ Der Zwerg kicherte und rieb sich die Hände. „Mit den neuen Zähnen knabbert es sich viel besser, nicht wahr?“
Leon starrte den Zwerg an. „Woher ...?“
„Ach, komm. Meinst du, ich weiß nicht, was mein Biss anrichtet?“
„Was richtet er denn an?“ Plötzlich war Leon doch mulmig zu Mute.
„Na, er verwandelt dich.“ Egon machte eine Pause, stemmte die Arme in die Seiten und reckte das Kinn empor. „In einen Zwerg!“
Vor Leon Augen tanzten schwarze Sterne. „Was redest du da?“
„Was denkst du, sollst du sonst mit den Zähnen anfangen?“
„Mach mich wieder normal!“
„Tut mir leid, nach ‘nem Biss gibt’s kein Zurück.“
„Aber du hast gesagt, wenn ich dir Süßes bringe ...“
„Erstens hast du nichts Süßes und zweitens hab ich gelogen.“ Zufrieden verschränkte Egon die Arme.
Der Raum fing an, sich zu drehen. Leon war gefangen in einem Alptraum. Er musste einfach nur aufwachen. Er schüttelte den Kopf. Klatschte sich mit der Hand ins Gesicht. Es tat weh, aber es half nicht.
Egon lachte in sich hinein. „Das bringt nichts, Junge. Warte ab, das wird spitze mit uns.“
„Mit uns ...?“, flüstere Leon, dann wurde alles schwarz.

Er öffnete die Augen. Die Lider waren schwer und träge. Als Leon sich langsam aufsetzte, rutschte die Decke von seinem Oberkörper. Er war nackt!
Verwirrt schaute er sich um. Neben ihm türmte sich ein bunter Berg auf. Er drückte mit der Hand dagegen und das Material gab sofort nach. Als wäre sein Hirn in Sirup getaucht worden, schaffte er es kaum, einen klaren Gedanken zu fassen.
War er nicht mehr in seinem Bett? Er betrachtete das riesige Tuch, das ihn nur noch zum Teil bedeckte, und als er erkannte, dass die rote Linie darauf ein Laserschwert war, durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Das war sein Schlafanzug! Und er war riesig. Leon sprang auf, woraufhin der Boden federnd nachgab. Er betrachtete das Zimmer und ihm wurde klar, dass alles seine korrekte Größe hatte. Nur er war zu klein. Viel zu klein.
„Hallooo!“, tönte es vom Boden. Leon schaute hinab und ihm schwindelte es. Er war höher als auf dem Zehn-Meter-Brett im Schwimmbad. Egon stand grinsend unten und winkte. „Komm runter, ich hab was zum Anziehen.“
Leon starrte auf den Zwerg, schaute auf sich und plötzlich wurde ihm schlecht. Er drehte sich um und übergab sich würgend neben den Deckenberg. Zitternd kniete er sich hin. Sein Kopf schwirrte, er konnte das alles nicht glauben.
Die Matratze vibrierte, kurz darauf hörte er Egon hinter sich.
„Junge, stell dich nicht so an. Wir werden einen Riesenspaß haben, sag ich dir.“ Er warf ihm eine Hose, Oberteil und eine dunkelblaue Mütze hin. Leon entfuhr ein Geräusch, eine Mischung aus Lachen und Weinen.
„Neulinge bekommen ‘ne blaue Mütze, ist halt so.“
Leon zog sich die Hose und das Oberteil an, er wollte vor dem Zwerg nicht nackt sein. Die Mütze behielt er in den Händen. „Wie soll ich das meinen Eltern erklären?“
„Deine Eltern? Die können dich noch nicht mal mehr sehen!“ Egon hüpfte vom Bett. „Komm“, rief er von unten, „wir haben zu tun.“
Leon schaute runter, aber vor Tränen in den Augen sah er kaum etwas. Er würde nie mehr mit seinen Eltern sprechen können?
„Spring. Dir passiert nichts.“
Leon war jetzt sowieso alles egal, also sprang er. Es fühlte sich nicht an wie Fallen, eher wie Rutschen. Als würde er auf der Luft nach unten gleiten. Er landete etwas holprig, aber unverletzt.
“Siehst du, das läuft!“ Egon lachte und klopfte Leon auf die Schulter.
Leon ging einen Schritt zurück. „Fass mich nicht an, du ... du Monster.“ Egon hatte ihn erpresst und verwandelt und machte nun einen auf Freundschaft?
Der Zwerg ließ die Schultern hängen und seufzte. „Sei mir nicht böse. Ich war so allein.“
„Das ist mir egal. Lass mich in Ruhe.“ Leon drehte ihm den Rücken zu. Die Tränen liefen immer noch, irgendwie wollten sie nicht aufhören.
„Komm schon, zu zweit macht das Süßigkeitenbesorgen doch viel mehr Spaß.“
Süßigkeiten. Leons Magen knurrte. Langsam drehte er sich um.
„Ich zeig dir, wie’s geht, mein Junge.“ Egon marschierte los. Doch dann kam er zurück und streckte Leon die Hand hin. „Ich bin übrigens Rabagram.“

 

Hi Rainer Hohn,

schön, dass du noch mal vorbeigeschaut hast.

Ich gebe mich jetzt einfach damit zufrieden, dass du mein neues Ende okay und besser als das erste findest. Und freut mich, dass ich dir zu neuen Smilies verhelfen konnte! :D

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo Nichtgeburtstagskind,

´Ich gebe mich einfach (erst einmal) damit zufrieden´ hätte mir besser gefallen. Das Zeug eine Weile ruhen lassen, sich weiterentwickeln und vielleicht greift man das Thema wieder auf und macht eine bessere Geschichte daraus. Thematisch jedenfalls gefällt mir die Story. Ich habe gerade auch eine Geschichte fertig, die ich bald einstelle. Ist auch eine Überarbeitung einer Story, die fast drei Jahre alt ist. Das Original darf man gar nicht lesen. Da war ich noch ein bißchen, ein bißchen, ein bißchen schlechter als heute. Aber die Thematik gefällt mir.

Liebe Grüße

Rainer Hohn

 

Da hast du natürlich Recht, lieber Rainer Hohn! Aber wieder auskramen kann man alte Geschichte ja sowieso immer! :)

 

Liebes Nichtgeburtstagskind,

nachdem ich bereits öfter über diese KG gestolpert bin, aber nie wirklich etwas mit dem Titel anfangen konnte, habe ich sie mir heute Morgen zum Frühstück doch einfach mal einverleibt.

Besonders der Anfang hat mir äußerst gut gefallen. Ich konnte mir die Szenerie in Leons Zimmer sehr gut vorstellen, ebenso den bösen Zwerg. Es ist ein Klassiker, dass nachts irgendjemand oder irgendetwas im Zimmer des Kindes erscheint und es verängstigt. Dass es in diesem Fall ein kannibalistischer Zwerg ist, fand ich sehr erfrischend.

Als es jedoch zum Kampf zwischen dem Zwerg und Leon kam, hat die Atmosphäre für mich ein wenig abgenommen. Ich hatte eine Art Kung-Fu Zwerg vor mir, und das hat nicht zu meinem vorherigem Bild des Bösewichts gepasst.
Mir ist außerdem nicht ganz klar, wie alt Leon denn nun ist. Falls er noch ein Kind ist (was ich vermute) wieso hören seine Eltern nicht die Geräusche des Kampfes? Oder spätestens den Zwerg, als dieser in der Küche durch die Schränke wühlt?

Das Ende ist für mich dann ein wenig zu glatt, ohne Höhen und Tiefen. Dass ein Zwergenjäger auftaucht - der im übrigen eine sehr cool designte Visitenkarte besitzt - klar, kann man machen. Ich hätte es aber schöner gefunden, wenn noch ein großer Knall gekommen wäre. Vielleicht auch, dass es kein Happy End gibt? Die Idee einer gekidnappten (oder gar ermordeten) Katze find ich interessant.

Dennoch fand ich deine Story gut und flüssig zu lesen und finde, dass du da einen kleinen, fiesen Bösewicht geschaffen hast. Sollte ich jemals einen Gartenzwerg besitzen, Egon nenne ich ihn sicherlich nicht ;)

viele Grüße,

mrsmordrake

PS:

Kleine Augen funkelten wie Rubine und waren doch nicht schön. “[/QUOTE schrieb:
- ich weiß selbst nicht wieso, aber dieser Satz hat mir besonders gut gefallen.

 

Hallo Nichtgeburtstagskind,
Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Vor allem die bildhaften Sprache. Insgesammt ist es eine interessante Idee, die es auszubauen gilt. Ich hätte gerne noch etwas über das Ende erfahren, also was passiert mit dem Zwerg, wie reagieren die Eltern auf das Chaos in der Küche oder wie kann Leon es so schnell wie möglich beseitigen,... . Das ist aber echt Geschmacksache.

LG
ChaosImKopf

 

Hallo mrsmordrake,

schön, dass du vorbeischaust und freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. :)

Leon müsste so 10 Jahre alt sein. Und seine Eltern hören nichts, weil der Vater schnarcht wie ein Holzfäller und die Mutter Orpax in den Ohren hat. ;) Finde ich aber eigentlich nicht wichtig für die Geschichte.

Ach ja, dieses Ende... So langsam weiß ich selber nicht mehr was ich gut finde. Eigentlich gefällt mir die blutrünstige Version mit der ermordeten Katze, aber die passt wirklich kaum zu dem ersten Teil. Ich denke, ich werde es erstmal bei dieser Version belassen und in ein paar Wochen mal mit einem frischen Blick draufschauen.

Sollte ich jemals einen Gartenzwerg besitzen, Egon nenne ich ihn sicherlich nicht

Ach, schön wenn ich mit meinen Geschichten was bewirken kann. :p

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind


=====

Hallo ChaosImKopf,

vielen Dank für deinen Kommentar. Und dann ist dieser auch noch so positiv. Das freut mich sehr.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hi Nichtgeburtstagskind - meine Fresse, was für ein Nick!:D

Der große Fluch meines Horror-Faibles ist es, dass mir sehr oft eine Parallele aus Film, Fernsehn, Buch, Comic, Spiel, What-ever in den Sinn kommt, wenn ich eine Horrorgeschichte lese. Da fällt es schwer, die unwillkürlichen Vergleiche auszublenden.
Im Falle der "Zwergenknabbereien" musste ich an einen Episoden-Film von Stephen King mit dem Titel "Katzenauge" denken. Da gab es auch so einen kleinen Kobold, der ein kleines Mädchen (gespielt von Drew Barrymore in noch sehr jungen Jahren) terrorisiert hat und schließlich ... aber ich will nicht spoilern.

Egal, diese Geschichte hier hat mir gut gefallen, weil sie schön schräg und ziemlich gradlinig ist. ich finde es von der Idee her witzig, einen Zucker-Junkie-Zwerg als Antagonisten zu nehmen. Das ist gut. Und die Beschreibungen des Kinderzimmers und der Spielsachen war ebenfalls schön bildlich.

Das Ende fand ich nicht so überzeugend - es ist zwar schön, dass da ein Zwergenjäger auftaucht wie der berühmte deus ex machina. Aber wieso soll er den Zwerg nur Dank Leon gefangen haben? Was hat Leon denn so großartig elementar wichtiges dazu beigetragen, wenn man davon absieht, dass er sich hat in den Arm beißen lassen und den Zwerg ein Mal gegen die Wand getreten hat? Das passte mir für das Ende nicht so sehr. Vielleicht solltest du das ein wenig verfeinern.

Ein bisschen Textkram:

ganzkörpergänsehauttauglich.
Ist dieses Wort-Monstrum dein Ernst? Also ich finde es fussnägelrückwärtsaufrollend

[...] mit nahezu Lichtgeschwindigkeit
Viel zu übertrieben - würd ich ändern.

„Wo sind die Marshmallows? Wo ist die Schoki?“ Er wartete auf keine Antwort, sondern suchte weiter, wie ein Duracellhase, der Angst hatte, dass seine Batterie zur Neige ginge.
Hier nimmst du dem Horror die ganze Dimension des Schreckens und reduzierst das "Monster" auf eine Witzfigur. Schade. Da hast du den Effekt getötet. Vor allem Dingen durch den Gebrauch eines Kinderbegriffs wie "Schoki"!:thdown:

„Nichts kann mich aufhalten! Ich knabber mich frei und dann knabber ich dir das Fleisch von den Knochen.“
Hat man gesehen. Ein müder Tritt und schon hört er mit dem Fleisch-von-den-Knochen-knabbern auf und sucht statt dessen die "Schoki". Außerdem "knabbert" er hier zuviel - ich würde ein anderes Wort verwenden.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
EISENMANN

 

Hi Eisenmann,

welch stählerner Glanz in meiner bescheidenen Kurzgeschichte!

meine Fresse, was für ein Nick
Du darfst mich gerne NGK nennen. ;)

Im Falle der "Zwergenknabbereien" musste ich an einen Episoden-Film von Stephen King mit dem Titel "Katzenauge" denken. Da gab es auch so einen kleinen Kobold, der ein kleines Mädchen (gespielt von Drew Barrymore in noch sehr jungen Jahren) terrorisiert hat und schließlich ... aber ich will nicht spoilern.
Uh, den kenn ich gar nicht. Und ich liebe Drew Barrymore! Muss ich mal suchen.

Egal, diese Geschichte hier hat mir gut gefallen, weil sie schön schräg und ziemlich gradlinig ist. ich finde es von der Idee her witzig, einen Zucker-Junkie-Zwerg als Antagonisten zu nehmen. Das ist gut. Und die Beschreibungen des Kinderzimmers und der Spielsachen war ebenfalls schön bildlich
Vielen Dank! :)

Ist dieses Wort-Monstrum dein Ernst? Also ich finde es fussnägelrückwärtsaufrollend
Manch einer mag es und ich hab es auch lieb!

[...] mit nahezu Lichtgeschwindigkeit
Viel zu übertrieben - würd ich ändern.
Das stimmt, es passt nicht so wirklich dorthin. Ich nehms raus.

Hier nimmst du dem Horror die ganze Dimension des Schreckens und reduzierst das "Monster" auf eine Witzfigur. Schade. Da hast du den Effekt getötet. Vor allem Dingen durch den Gebrauch eines Kinderbegriffs wie "Schoki"!
Da hast wirklich Recht. Ich liebe Schoki, aber hier ist es doch unangebracht. Ich habe versucht es in die richtige Bahn zu lenken.

Außerdem "knabbert" er hier zuviel - ich würde ein anderes Wort verwenden.
Das „knabbern“ ist halt so Egons Ding.

Was hat Leon denn so großartig elementar wichtiges dazu beigetragen, wenn man davon absieht, dass er sich hat in den Arm beißen lassen und den Zwerg ein Mal gegen die Wand getreten hat?
Leon hat sich gewehrt. Das ist Egon nicht gewohnt und jetzt rastet er aus und wird etwas unaufmerksam.

Habe mich sehr über dein Feedback gefreut und bin sicher, dass meine Geschichte dadurch wieder eine klein wenig besser geworden ist.

Vielen Dank,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo Manlio,

vielen Dank für deine Gedanken zu meiner Geschichte.

Schade, dass dich diese nicht überzeugen konnte. Interessant, dass dich schon der Anfang so stört. Bisher war der Schluss die Hauptbaustelle.

- zu viel Information (Korkfußboden z.B.)
- zu "deskriptiv"; ich würde das lieber aus Leons Perspektive lesen
- umständlich, steif geschrieben -> "es kam nicht unerwartet"
- überhaupt ist das hier ein Perspektiven-Mischmasch, der mir nicht gefällt und mich verwirrt. "Es kam nicht unerwartet" -> Wertung eines äußeren Erzählers oder Leons Sicht?
In der ganzen Geschichte erzählt ein personaler Erzähler, der Leons Innenleben kennt.

Hm. Schritte stammen doch eher von Personen, Stiefel machen Geräusche. Du beschreibst mir hier zu ungenau. Und denkt wirklich ein Kind so abstrakt oder nicht eher der Erzähler, der sich als Leon ausgibt?
Das stimmt und wurde bereits angemerkt. Auch wenn du Recht hast, finde ich den logischen Bruch hier nicht allzu schlimm. Man versteht trotzdem was gemeint ist.

Licht und Schatten, insgesamt hat mich das leider nicht überzeugt.
Wenigstens auch etwas Licht ist dabei. :)

Viele Grüße und bis bald mal,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo Geburtstagskind,

das Ende finde ich nett. ... der Zwergenbefall ...:lol: Allgemein hat mir auch die Szene (ich glaube es war die erste Fassung?) gefallen, als Leon Angst um seine Mutter hatte und dann bemerkte, dass der Zwerg eigentlich die Katze in der Mangel hatte. Nur das mit dem Auffressen der Mietze war mir ein bisschen "to much" und nicht ganz passend in dem Text. Aber wie du ja bereits richtig festgestellt hast: man kann es nicht allen recht machen :D. Deshalb: du musst dich mit deiner Geschichte wohlfühlen, ganz klar. Es kommt eben darauf an, welchen Effekt du erzielen möchtest. Möchtest du schockieren oder mehr unterhalten? Je nachdem passt das eine oder das andere Ende. Deine zweite Fassung ist mir leider entgangen, sorry.
Noch eines ist mir aufgefallen und hat mich ein bisschen gestört. Du verwendest sehr oft den Namen "Leon". Ist nicht unbedingt notwendig.
Beispiel:
Wie könnte Leon das vergessen? Egon ließ diesen Hinweis schließlich mindestens fünf Mal pro Besuch fallen. Leon stellte sich vor wie sich die spitzen Beißer in seine Haut bohrten. Das Zimmer schwankte. Experimente waren noch nie Leons Fall gewesen und so hatte er sich stets bemüht, den Zwergenhunger zu stillen. Wer voll mit Süßigkeiten ist, der hat keinen Appetit mehr auf Menschenfleisch, hoffte Leon. Was hatte er nicht alles herbeigeschafft.

Du weißt sicher was ich meine. Trotzdem, die Geschichte gefällt mir noch immer. Sie hat definitiv Unterhaltungswert.

Liebe Grüße
Sabine

Ps.: Du bist natürlich NICHTGEBURTSTAGSKIND! :Pfeif: Sorry!

 

Hallo Sabine P,

freut mich, dass du noch mal vorbeischaust. :-)

Es kommt eben darauf an, welchen Effekt du erzielen möchtest. Möchtest du schockieren oder mehr unterhalten?
So nen coolen Horrorschocker möchte ich schon gern noch schreiben. Ich musste aber einsehen, dass das zu dem Anfang hier nicht passte und nun bin ich mit dieser Unterhaltungsversion doch sehr zufrieden. :)

Du verwendest sehr oft den Namen "Leon". Ist nicht unbedingt notwendig.
Stimmt, das muss ich mir noch mal anschauen.

Liebe Grüße,
das NICHT-Geburtstagskind :D

 

Komplettüberarbeitung

Hallo zusammen,

ich habe mal meine erste Geschichte rausgekramt.

Ich möchte sie gerne bei einer Ausschreibung einreichen, in der Gruselgeschichten für Kinder von 10-14 Jahren gefordert sind. Da die alte Geschichte zu kurz war und das Ende sowieso nicht wirklich befriedigend, habe ich den ersten Teil etwas überarbeitet und ein neues, längeres Ende entwickelt. Dabei habe ich natürlich auch versucht eure Bemerkungen und mein seitdem Erlerntes einfließen zu lassen.

Ich bin gespannt was ihr sagt und wünsche euch viel Spaß!

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo Nichtgeburtstagskind,

ich habe mir beim Lesen ein paar Notizen gemacht:

"Er öffnete die Augen und starrte durch die Dunkelheit an einen Himmel aus Leuchtsternen."

Hier hätte ich "in einen Himmel" geschrieben

"eine Ratte in Stiefeln"

Ein tolles Bild!

"Als würde ein schlecht gelauntes Käuzchen das Zimmer verwüsten."

Auch das ist ein süßes Bild, aber dadurch, dass es auf so kleinem Raum schon der zweite Tier-Vergleich ist, verfliegt die Wirkung leider ein bisschen. Kurz darauf kommt dann nämlich auch noch die Gänsehaut "als hätte jemand die Klimaanlage eingeschaltet", Schweißtropfen "wie kleine Verräter" und der Zwerg, der sich vor Wut zerreißt "wie Rumpelstilzchen"

"Such dir jemand anders"

Müsste das nicht "Such dir jemand anderen" heißen?

Wow, ich habe jetzt nur den ersten Absatz gelesen, und der steckte so voll mit süßen, kindlichen Details, dass ich mir sicher bin, dass es der erwünschten Zielgruppe gefallen wird. Auch der Kampf gefällt mir sehr, ich glaube, so ein blutrünstiger Zwerg kommt gut an bei den Kids.

"Er quetschte einen blauglitzernden Wurm auf die Zahnbürste"

Das meinte ich mit den Details, wundervoll :)

"Seine Eltern würden am nächsten Morgen ein sauber abgeknabbertes Skelett im Bett finden, daneben einen kugelrunden Zwerg, der laut rülpste."

Auch das ist herrlich :herz:

Trotzdem bin ich mittlerweile ehrlich gesagt an einem Punkt angekommen, wo mein Interesse abflacht. Leider kann ich dir nicht genau erklären, woran das liegt, wie du ja mittlerweile weißt, mag ich deine fantasievollen Einfälle und im Grunde bietet die Geschichte ausreichend Spannungspotenzial. Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass sie auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten ist, vielleicht fehlt mir die literarische Durchschlagskraft einer "Erwachsenengeschichte".

Aber ich versuche mich weiter in die Kids einzufühlen, die deine Geschichte hoffentlich bald lesen werden, und an der Stelle, wo Leon sich nicht bremsen kann und die Schokolade selbst wegfuttert, komme ich nicht umhin zu denken "Leon, pass auf, der Egon wird bestimmt böse werden!" und vor Aufregung ein bisschen mit den Füßen zu wippen. Eine super Idee! :thumbsup:

Das Ende ist süß, gleichzeitig aber auch ein bisschen traurig, weil ich das Gefühl habe, dass Leon seine Eltern nicht mehr sehen wird. Aber ist ja nicht umsonst eine Gruselgeschichte. Der Name des Zwerges erinnert mich übrigens an Stefan Raabs Raabigramme ...

Wie auch immer, ich drücke dir die Daumen für die Ausschreibung, wenn ich ein paar Jahre jünger wäre, hätte ich bestimmt noch mehr Spaß gehabt mit deiner Geschichte als ich es jetzt schon hatte!

Liebe Grüße

 

Hallo Lani,

freut mich, dass du bei mir vorbeischaust.

Hier hätte ich "in einen Himmel" geschrieben
Hmm, in den Himmel passt besser zu dem wirklichen Himmel, der unendlich ist. So guckt Leon halt nur „an“ die Zimmerdecke.

Auch das ist ein süßes Bild, aber dadurch, dass es auf so kleinem Raum schon der zweite Tier-Vergleich ist, verfliegt die Wirkung leider ein bisschen. Kurz darauf kommt dann nämlich auch noch die Gänsehaut "als hätte jemand die Klimaanlage eingeschaltet", Schweißtropfen "wie kleine Verräter" und der Zwerg, der sich vor Wut zerreißt "wie Rumpelstilzchen"
Da hast du Recht. Vielleicht muss ich mich von ein paar Vergleichen trennen. Ich denk mal drüber nach.

Müsste das nicht "Such dir jemand anderen" heißen?
Grammatikalisch ist dein Vorschlag sicherlich richtig. Aber ich frage mich, ob das wirklich jemand so sagt. Vielleicht schließe ich hier auch nur von mir auf andere, aber ich würde es wahrscheinlich genauso falsch wie Leon sagen.

Wow, ich habe jetzt nur den ersten Absatz gelesen, und der steckte so voll mit süßen, kindlichen Details, dass ich mir sicher bin, dass es der erwünschten Zielgruppe gefallen wird. Auch der Kampf gefällt mir sehr, ich glaube, so ein blutrünstiger Zwerg kommt gut an bei den Kids.
Juchuu, das freut mich sehr! So soll es sein. :)

Trotzdem bin ich mittlerweile ehrlich gesagt an einem Punkt angekommen, wo mein Interesse abflacht.
Das ist natürlich doof. Melde dich gerne, falls dir noch in den Sinn kommt, was der Grund für die Langeweile sein könnte. Ziehe ich das alles zu sehr in die Länge? Könnte man vielleicht auf Szenen verzichten?

Der Name des Zwerges erinnert mich übrigens an Stefan Raabs Raabigramme ...
:lol: Ach, Mist. Ich glaub ich muss mir nen anderen Zwergennamen überlegen ...

Vielen Dank für dein Feedback. Hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hey, Nichtgeburtstagskind

Wahnsinn, das war Deine erste Geschichte hier? Sie ist so unglaublich einfallsreich und liebevoll, das ist wirklich, wirklich toll. Kennst Du das Gefühl, wenn man JKR liest und sich fragt, woher die Frau all diese Einfälle nimmt? Na ja, wahrscheinlich nicht, denn Du weißt es offenbar.

Ich finde erstmal den Einfall total großartig. Dann die ganzen Kinderzimmerdetails, die Du so liebevoll ausgearbeitet hast. Wow! Also, alles, was Du hier ablieferst, liebe ich.

Ich hatte ein bisschen Schwierigkeiten, reinzukommen, aber das liegt vielleicht an dem Kindlichen. Für meinen Geschmack erklärst Du viel zu viel. Ich sehe Dich richtig vor mir, wie Du das einer Gruppe Elfjähriger vorliest. Das kann natürlich an mir liegen, keine Ahnung. Musst Du wissen, was Du willst. Ein paar Sätze und Wörter (wenn ich was markiert habe, dann stören mich nur die Wörter), an denen ich das festmache:

Leon befreite sich strampelnd von der Decke, schaltete die Nachttischlampe an und hockte sich angespannt auf das Bett, bereit für den Eindringling.
Egon ließ diesen Hinweis schließlich mindestens fünf Mal pro Besuch fallen.
Experimente waren noch nie Leons Fall gewesen und so hatte er sich stets bemüht, den Zwergenhunger zu stillen. Wer voll mit Süßigkeiten war, der hatte keinen Appetit mehr auf Menschenfleisch – so die Theorie.

Auch die ganzen Fragen, die er sich stellt, die fand ich als erwachsene Leserin größtenteils überflüssig. Das war mir entweder schon klar, dass er sich solche Gedanken macht, oder ich fand es vollkommen übertrieben vom Ausdruck her. Auch so Feststellungen wie: „So konnte es nicht weitergehen!“ Und: „Er musste dringend etwas unternehmen!“ Mja. Wie gesagt, weiß nicht, vielleicht brauchen Jugendliche so was. Ich fand, dadurch wurde der Text sehr langsam und bekam einen übertrieben kindischen Tonfall.

Aber von dem Moment an, wo Leons Zähne spitz wurden, war ich voll dabei. Da wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht. So spannend!

Trivialitäten:

Das Lächeln war gefüllt mit Piranhazähnen und obwohl Leon es schon oft gesehen hatte, lief eine Gänsehaut über seinen Körper, als hätte jemand die Klimaanlage eingeschaltet.

Komma vor „und“.

Er hatte sie davon überzeugen können, dass er wieder gesund war, und dass er so gerne etwas Süßes hätte.

Kein Komma vor „und“. Und dann kann man das zweite "dass" auch getrost weglassen.

Er hatte das Gefühl, die Tränen, die er zurückzuhalten versuchte, setzen stattdessen seine Kehle unter Wasser.

„setzten“ statt „setzen“.

Ich fand die Kampfszene, wo Egon am Ende Leon beißt, nicht so gelungen. Da hast Du wahnsinnig viele „Er tat und tat und tat“-Sätze, und das fließt für mich gar nicht, klingt einfach komplett abgehackt und, ja, langweilig. Wenn Du da mehr Varianz in die Sätze bringst, weniger Aneinanderreihungen von Aktionen, das würde wahrscheinlich schon helfen. D.h., ich finde super süß und abgefahren, was da passiert, aber wie Du es schreibst, das bringt mich zum Gähnen. Das verlangt mir doch einiges ab, da am Ball zu bleiben und mir die Szene so dynamisch vorzustellen, wie sie eigentlich sein müsste. Da bräuchtest Du einfach mehr Dynamik auch in der Sprache.

Ich weiß, das ist mega schwer, was ich da verlange, allerdings denke ich, dass es Dir insgesamt guttun würde, weniger mit „und“-Reihen zu arbeiten. Ich habe das beim letzten Mal schon kritisiert, und hier ist es mir wieder aufgefallen. Das führt einfach dazu, dass viele Handlungen aneinandergereiht wirken. Wenn Du mal andere Konjunktionen verwendest, z.B. „während“, „als“, „nachdem“ usw., dann kriegst Du Dynamik rein und die Handlungen sind anders verbunden als bloß in einer Reihe.

Ansonsten habe ich, vielleicht bis auf den sehr erklärenden Anfang nichts zu meckern. Wie gesagt, bewundernswerte Vorstellungskraft, die hier am Werke war. Vom Aufbau her finde ich den Text auch toll, spannend bis zum Ende mit vielen schönen Turning Points. Nur die ganzen „und“s, also, das habe ich ja jetzt ziemlich lang erklärt, was mich daran stört. Make it work!

Süße Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria,

wow, was für ein toller Kommentar! :herz:

Sie ist so unglaublich einfallsreich und liebevoll, das ist wirklich, wirklich toll. Kennst Du das Gefühl, wenn man JKR liest und sich fragt, woher die Frau all diese Einfälle nimmt? Na ja, wahrscheinlich nicht, denn Du weißt es offenbar.
Da bin ich doch erstmal rot geworden und dann etwas durchs Zimmer getanzt. Was für ein Kompliment. Vielen Dank!

Für meinen Geschmack erklärst Du viel zu viel.
Mhh, ich kann echt schwer einschätzen, was das richtige Maß an Erklärungen für diese Altersgruppe ist. Ich mein, mit 14 ist man ja fast erwachsen, mit 10 eher ein Kind. Ich habe leider gar keine Testpersonen in dieser Altersgruppe in meinem Umfeld. Vielleicht ein anderer Wortkrieger ...?
Aber du hast Recht, vielleicht schmeiß ich einfach so ein paar Erklärungen raus und trau den Kindern etwas mehr zu.

Ich fand, dadurch wurde der Text sehr langsam und bekam einen übertrieben kindischen Tonfall.
So soll es nicht sein. Ich mach mir dazu mal Gedanken.

Aber von dem Moment an, wo Leons Zähne spitz wurden, war ich voll dabei. Da wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht. So spannend!
Super! Das freut mich. Übrigens ist alles ab dem Frühstück neu. Ich hatte am Anfang so ein Haudrauf-Ende, das auch niemanden so richtig überzeugen konnte. Aber man merkt, ich habe dazu gelernt, da du ja hauptsächlich an dem alten Teil etwas zu kritisieren hast.

Ich fand die Kampfszene, wo Egon am Ende Leon beißt, nicht so gelungen.
Ok, verstehe was du meinst. Das werde ich hoffentlich auch noch aufpoliert bekommen.

Wenn Du mal andere Konjunktionen verwendest, z.B. „während“, „als“, „nachdem“ usw., dann kriegst Du Dynamik rein und die Handlungen sind anders verbunden als bloß in einer Reihe.
Ja, das fällt mir irgendwie echt schwer. Mir kommt es immer so vor als würde es grade mit den „und“s so schön laufen. Ich werde mal schauen, welche ich eliminieren kann.

Yeah, meine Kommafehler werden weniger! Das habe ich dir zu verdanken, du unermüdliche Kommakönigin! :huldig:

Vielen Dank für dein tolles Feedback. Es freut mich natürlich, dass dir die Geschichte gefällt. Aber du hast mir auch genau aufgezeigt, wo noch etwas verbessert werden kann. Das ist super, da kann ich mir jetzt noch einmal ein paar Gedanken zu machen.

Liebe Grüße,
NGK

 

Liebes Nichtgeburtstagskind,

Nun lasse ich dir hier noch meinen Eindruck von deiner Geschichte da.

Der Junge ist bis zum Ende ein hilfloses Opfer des Zwerges, außer in dem kurzen Moment, in dem er ihn tritt. Dieser Zwerg erpreßt ihn um seine Gelüste nach Süßem zu befriedigen und kennt dabei keinerlei Mitgefühl. Der Junge wagt nicht, die Eltern ins Vertrauen zu ziehen, weil sie ihm sowieso nicht glauben werden, er bestiehlt sie sogar und wahrt das Geheimnis. Der Zwerg tut ihm grausam Gewalt an und der Junge spürt, dass er sich verändert, dem Zwerg ähnlicher wird.

Seine Zähne hatten sich verändert. Wo sie sonst brav nebeneinander, Kante an Kante, gestanden hatten, erinnerten sie nun eher an kleine Zuckerhüte.

Schöner Satz übrigens.

Aber seine Eltern bemerken nichts.

Das ist vom Stoff her nicht trivial und dass da Assoziationen zu dem Thema Kindesmißbrauch kommen, wundert mich nicht. Ein anderer möglicher Bezug zur kindlichen Erlebniswelt in Bezug auf das Thema Süßigkeiten wären so Schulhoferpressungen. Diese Bezüge machen deine Geschichte interessant.

Nun sind Märchen ja auch nicht gerade zimperlich, auch Harry Potter oder die Cornelia Funke Bücher können ziemlich gruselig sein, aber es erscheint mir doch ungewöhnlich und unbefriedigend, an der Stelle zu enden, wo das Kind nun völlig in der Hand des Bösewichts ist. Vielleicht denke ich da zu konventionell, aber selbst die meisten Erwachsenengeschichten gönnen ihren Protagonisten zumindest eine Entwicklung. In Kindergeschichten gibt es eigentlich immer eine Lösung. Auch bleiben für mich am Ende zu viele Fragen offen, die sonst im Laufe so einer Geschichte geklärt werden, so dass das Ganze jetzt nicht nur mit Unbehagen, sondern auch mit Enttäuschung endet. Es fühlt sich für mich wie eine spannend gemachte Einführung in eine längere Geschichte an.

Vielleicht strebst du eher so die Richtung Gruselgeschichten an, die man sich in der Jugendherberge erzählt? Die haben dann aber meist eine knackigere Pointe am Schluss und sind erheblich kürzer und straffer. Auch flacher.

Was mir noch aufgefallen ist:

Er öffnete die Augen und starrte durch die Dunkelheit an einen Himmel aus Leuchtsternen.

"starrte an" klingt merkwürdig, vielleicht weil du vorher schon "durch" hast.

Dort stand er zwischen dem Todesstern und der Rennbahn. Die Schienen und Autos lagen kreuz und quer. Leon hatte heute Nachmittag Stunden damit verbracht, alles aufzubauen.
Die kleinen Augen des Besuchers funkelten wie Rubine, aber schön waren sie nicht. Mit der spitzen Mütze und dem grünen Oberteil machte er dem Gartenzwerg der Nachbarn Konkurrenz. Das Lächeln war gefüllt mit Piranhazähnen, und obwohl Leon es schon oft gesehen hatte, lief eine Gänsehaut über seinen Körper, als hätte jemand die Klimaanlage eingeschaltet.

Gefällt mir sehr gut, der ganze Absatz. Vielleicht "Sein Lächeln"?

Nachdem er einen blauglitzernden Wurm auf die Zahnbürste gequetscht hatte, grinste Leon in den Spiegel.

Der blauglitzernde Wurm ist super. Allerdings ist mir nicht verständlich wodurch das Grinsen motiviert ist.

Obwohl er eigentlich zu alt dafür war, liefen ihm Tränen über die Wange und tropften auf den Boden.

Ganz schön hart mit sich der Junge.

Er riss die Packung auf und ohne Pause stopfte er alles in sich hinein. Sein Mund verklebte, die Schokolade beschmierte Finger und Gesicht. Leon wusste, er beging einen riesigen Fehler. Aber am Ende war er so glücklich, dass es ihm egal war.

Wie ne Droge. Gut gemacht.

Ich habe immer noch deine tolle Stimme im Ohr. Schön, dass ich dich live erleben konnte, Nichtgeburtstagskind.:)

Liebe Grüße von Chutney

 

Hi Chutney,

lieb, dass du vorbei schaust.

Das ist vom Stoff her nicht trivial und dass da Assoziationen zu dem Thema Kindesmißbrauch kommen, wundert mich nicht. Ein anderer möglicher Bezug zur kindlichen Erlebniswelt in Bezug auf das Thema Süßigkeiten wären so Schulhoferpressungen. Diese Bezüge machen deine Geschichte interessant
Ich finde, es sehr faszinierend, was ihr euch zu meinen Geschichten überlegt. Ich glaube für viele hier geht es um Hintergedanken, Bedeutungen, Botschaften, Lehren, die ein Text vermitteln will und suchen dann auch entsprechend danach. Für mich geht es eigentlich immer „nur“ um Unterhaltung. Ich schreibe so, wie ich lese – ich baue keinen doppelten Boden ein und vermute ihn meistens auch nirgends. Da muss ich schon in den Interpretationsmodus schalten. ;)

Auch bei dieser Geschichte ging es mir um Unterhaltung. In diesem Fall sollte es spannend und gruselig sein – wie habe ich es als Kind geliebt unter der Bett decke zu lesen, zu schwitzen und sich nachher kaum ins Bad zu trauen. Das wollte ich damit erreichen.

aber selbst die meisten Erwachsenengeschichten gönnen ihren Protagonisten zumindest eine Entwicklung.
Ich kann verstehen, dass dich das stört. Ich habe bisher ehrlich gesagt nicht darüber nachgedacht. Also danke für den Hinweis. Ich überlege, ob mich das stört. Brauche ich hier eine Entwicklung?

Ich denke hier besonders an die Gänsehautbücher – herrlich absurd und gruselig und wenn ich mich richtig erinner, auch meistens ohne Moral – und immer mit einem bösen, offenem Ende. Ich wage es mal Wikipedia zu zitieren:

In vielen Bänden lässt sich folgendes Schema betrachten: Ein Jugendlicher (meist ein junger Teenager) zieht in ein etwas abgelegenes Haus, in dem es spukt oder dessen Umgebung von Spukgestalten heimgesucht wird. Meist glauben die Erwachsenen den Kindern nicht, wenn diese ihnen von den Geistern berichten. Gelegentlich kommt es am Ende zu einer unerwarteten Wendung in der Handlung, in deren Verlauf sich die Protagonisten selbst als Monster entpuppen.
Häufig scheint gegen Ende das zunächst besiegte Unheil wiederzukommen – der Ausgang bleibt aber unklar.

Ich hatte gehofft, dass meine Geschichte in etwa so wirkt. Ob sie bei Kindern und Jugendlichen tatsächlich so funktioniert, weiß ich nicht.

Es fühlt sich für mich wie eine spannend gemachte Einführung in eine längere Geschichte an.
Es ist schade, dass das Ende für dich unbefriedigend ist, aber ich hoffe du verstehst meine Intention dahinter. Und dass du dahinter eine größere Geschichte siehst, freut mich.

Vielleicht strebst du eher so die Richtung Gruselgeschichten an, die man sich in der Jugendherberge erzählt?
Mhh, keine Ahnung wie solche Geschichten aussehen. :D

"starrte an" klingt merkwürdig, vielleicht weil du vorher schon "durch" hast.
Vielleicht schaute? Aber das trifft es nicht so ganz. Er starrt ja tatsächlich , traut sich kaum zu blinzeln.

Gefällt mir sehr gut, der ganze Absatz. Vielleicht "Sein Lächeln"?
Danke. :) Ich versuch Possesivpronomen zu vermeiden und in dem Satz kommt schon eins vor.

Der blauglitzernde Wurm ist super. Allerdings ist mir nicht verständlich wodurch das Grinsen motiviert ist.
Ich denke da an so ein Grinsen, das man vor dem Badezimmerspiegel macht, um sich die Zähne anzuschauen. Also eher ein gestelltes Grinsen. Wie könnte man das anders sagen? Ich überleg mal.

Ganz schön hart mit sich der Junge.
Was meinst du? Dass er denkt, er sei zu alt ist fürs Weinen? Denken sowas Jungs in dem Alter nicht?

Wie ne Droge. Gut gemacht.
Freut mich. :shy:

Schade, dass die Geschichte bei dir nicht ganz ankommt, aber zum Glück hast du ja ein paar positive Dinge gefunden.
Dein Kommentar hat mich ziemlich verunsichert, was die Zielgruppe angeht. Keine Ahnung, ob das so funktioniert wie ich mir das vorstelle ...

Ich habe immer noch deine tolle Stimme im Ohr. Schön, dass ich dich live erleben konnte, Nichtgeburtstagskind.
Und noch schöner, dass ihr mir alle zuhören wolltet und ich den begabten dotslash als Unterstützung dabei hatte. Hoffentlich ergibt sich noch mal eine Gelegenheit zum Musizieren.

Danke für deine Gedanken und liebe Grüße,

NGK

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Nichtgeburtstagskind,

irgendwie hat mich deine Geschichte nicht losgelassen, sie war Thema beim Treffen und ist jetzt auch hier wieder aufgepoppt, da dachte ich mir, schau ich doch mal rein. Und was soll ich sagen: Ich find sie geil! Wirklich, ganz ohne Schmarrn, mir hat die richtig gefallen. Ich muss außerdem sagen, dass ich kein einziges Mal an eine Ebene gedacht habe, die dahinter liegen könnte, sondern habe mich einfach unterhalten lassen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich sie wirklich gruselig finde, deshalb ist deine Idee gut, sie an jüngeren Lesern zu testen und zu sehen, wie sie auf sie wirkt. Ich fand die Geschichte eher herrlich bösartig und stellenweise richtig witzig. Den Zwerg find ich mega. Ein paar Stellen, um das zu begrunden:

„Du weißt genau, was passiert, wenn du mir kein Essen bringst. Ich knabber dir das Fleisch von den Knochen!“
Diese Wiederholung des Zwergs - "ich knabber dir das Fleisch von den Knochen" - gefällt mir total. Und zwar vor allem, weil sie so gut klingt. Ich mag das Wort "knabbern" generell, weil es gleichzeitig was Niedliches, aber auch irgendwie Unheimliches hat. Und "knabbern" in Verbindung mit "Knochen" passt super. Dann stelle ich mir noch sein kleines fieses Gesicht mit den V-förmigen Augenbrauen vor und es fügt sich alles bösartig schön zusammen.

Mit Deftigem musste er gar nicht ankommen. Einmal hatte er Schinken mitgebracht, den hatte Egon ihm direkt ins Gesicht geworfen.
:lol: herrlich!

„Erstens hast du nichts Süßes und zweitens hab ich gelogen.“
Auch das ist so simpel, aber so gut! Da musste ich auch auflachen. Der miese kleine Wicht ...

Was ich, abgesehen vom Unterhaltungswert, interessant fand, waren zwei andere Abschnitte. Einmal den mit den Zähnen. Da hat's mich tatsächlich kurz gegruselt. Weil ich aber generell auf Zähne reagiere, egal ob sie nur berührt, gezeigt, oder gar ausgerissen werden oder was auch immer. Das löst irgendwie Unbehagen in mir aus. Hat aber echt gut reingepasst. Als dann rauskam, dass nur Leon die Zähne so sieht und seine Eltern nicht, da war kurz die Luft raus bei mir, weil ich dachte: Na gut, halb so wild. Dann habe ich darüber aber noch mal nachgedacht und irgendwie ist es doch ganz schön scheiße für Leon. Was ich sagen will: Guter Abschnitt, um hier wieder mehr in die Gruselecke zu kommen.

Zweitens: Der Absatz, in dem Leon die Schokolade verputzt. Ich finde, der ist sehr eindringlich geschrieben, hast du gut gemacht! Dieses gleichzeitige sich-selbst-Beschwichtigen von Leon vermischt mit den Hintergedanken, dass das nicht gut ausgehen wird, macht diese Szene für mich sehr stark.

Gut, klar, das Ende ist dann vorhersehbar, tut der Sache aber keinen Abbruch. Von den zwei Geschichten, die ich bisher von dir kenne, ist diese hier absoluter Favorit. Da ist eine schöne Mischung drin aus Boshaftigkeit, Humor und am Schluss sogar ein wenig Verständnis für den kleinen Fiesling.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hi RinaWu,

Mensch, so Leser wie dich mag ich am liebsten! Das ist ja ein so toller Kommentar! Der macht gute Laune. :D

Ich find sie geil!
Und das find ich geil!

Ich muss außerdem sagen, dass ich kein einziges Mal an eine Ebene gedacht habe, die dahinter liegen könnte, sondern habe mich einfach unterhalten lassen.
Freut mich sehr, dass das bei dir funktioniert hat.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich sie wirklich gruselig finde, deshalb ist deine Idee gut, sie an jüngeren Lesern zu testen und zu sehen, wie sie auf sie wirkt. Ich fand die Geschichte eher herrlich bösartig und stellenweise richtig witzig.
Sehr interessant wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind. Du findest es fast zu wenig gruselig, während es Chutney zu viel war. Kommt wahrscheinlich auch drauf an, was man sonst so liest. Und wenn man The Walking Dead gesehen hat, findet man nachher alles andere wahrscheinlich eher lasch.

Diese Wiederholung des Zwergs - "ich knabber dir das Fleisch von den Knochen" - gefällt mir total. Und zwar vor allem, weil sie so gut klingt.
Jaaaa! Du sschreibst das, was ich mir dabei gedacht habe. Es macht auch richtig Spaß, das auszusprechen. Knabber! Knochen! :rotfl:


Einmal den mit den Zähnen. Da hat's mich tatsächlich kurz gegruselt. Weil ich aber generell auf Zähne reagiere, egal ob sie nur berührt, gezeigt, oder gar ausgerissen werden oder was auch immer.
Ich glaube, Zähne sind für viele ein sensibles Thema. Sie stehen eben für Gesundheit. Wenn man Angst hat krank zu werden, bekommt man ja angeblich auch Alpträume, in denen einem die Zähne ausfallen.

Der Absatz, in dem Leon die Schokolade verputzt. Ich finde, der ist sehr eindringlich geschrieben, hast du gut gemacht!
Das freut mich! Da konnte ich meine Gefühle als Schokojunkie einfließen lassen. ;)

Von den zwei Geschichten, die ich bisher von dir kenne, ist diese hier absoluter Favorit. Da ist eine schöne Mischung drin aus Boshaftigkeit, Humor und am Schluss sogar ein wenig Verständnis für den kleinen Fiesling.
Super! Vielen, vielen Dank für das Kompliment. Freu mich wirklich sehr. Du hast ja wirklich gar nichts negativ gesagt. Verrückt! Aber schön. :shy:

Wünsch dir noch einen schönen Tag und ein hoffentlich nicht zu kaltes Wochenende ...

Liebe Grüße,
NGK

 

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