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Countdown
„Zehn“
Verdammte Scheiße, alle weg. Was hat der Hauptmann gesagt? „Der Letzte macht´s Licht aus.“ Und gelacht hat er. Dann hat er von Außen abgeschlossen. Und jetzt hock ich hier, ich Esel. Ich werde als derjenige gelten, der den Hebel umgelegt hat. Aber hier ist kein Hebel. Wo kann man das Mistding abschalten? Knöpfe über Knöpfe, Lichter, Schalter. Fuck, und nichts beschriftet.
Ein kleiner Raum. Rechteckig. Rundum Stahlbeton, kein Fenster, nur eine nackte Stahltreppe hinauf zur verschlossenen Tür. Viele technische Gerätschaften. Ein Mann mittleren Alters geht aufgewühlt hin und her. Seine beginnende Verzweiflung wird durch hektische Bewegungen deutlich, dann setzt er sich an das überdimensionale Pult, mit gut zwanzig Monitoren und Hunderten von Schaltern. Der Gesichtsausdruck zeigt, wie sich seine Gedanken überschlagen. Die Finger wuseln fahrig über das Pult. Planlos.
„Neun“
Ist es so einfach eine Atomrakete loszujagen? Ohne dass man gesagt bekommt, dass das gestartete Programm nicht gestoppt werden kann? Dreckstechnik. Ich glaub´s net. Es muss doch einen Weg geben…
Seine Augen blicken ruckartig und suchend durch den Raum, immer nur Bruchteile von Sekunden auf einem Gegenstand ruhend, gerade so lange, wie er zum Erkennen der Nutzlosigkeit für die momentane Problemlösung benötigt.
„Acht“
Oh Gott, Mist. Target: Paris. Das haben die Franzaken wirklich nicht verdient. Kann ich vielleicht noch die Koordinaten ändern? Nordpol? Ja, das isses! Ein paar Eisberge im Arsch, nix weiter. Scheiße! Was hat der Nordpol für Koordinaten? Null, Null, Null oder so? Funktioniert denn da überhaupt GPS, braucht man das dafür überhaupt? Einen Kompass kann man da vergessen, wurde in der Schule erzählt. Hätt ich nur besser aufgepasst. Kann man die Koordinaten überhaupt eingeben?
Der Kopf schwenkt langsam und kontrolliert von links nach rechts. Dann versteift er sich, seine Augen fixieren einen der Monitore vor ihm. Er zeigt höhnisch und, ohne weitere Erläuterung, auf eine Eingabe wartend: Breite --.--- / Länge --.--- Hinter ´Breite´ blinkt freundlich der Cursor.
„Sieben“
Nö, nö, is zu unsicher. Lieber nicht den Nordpol, schmelzende Polkappe, Überschwemmungen weltweit. Lieber den Äquator, da ist doch meist sowieso nur Wüste. Da muss nur ein (!) Wert auf Null gestellt werden. Nur welcher? Was ist die Breite, was die Länge? Die Waagrechte? Die Senkrechte? Wenn es der falsche ist, trifft´s den Meridian. Greenwich Time, Greenwich Village oder so. Aber da wohnen Menschen, Tausende.
Seine Hände fahren übernervös durch die Haare. Kleine Schweißperlen vereinen sich auf der Stirn zu Tropfen, die ihre Talfahrt über die Nasenwurzel zur Spitze beginnen, um dort mit einer nervösen Bewegung vom Handrücken weggewischt zu werden.
„Sechs“
Doch zweimal 00.000? Halt. Ach du dicke Scheiße! Das könnte genauso gut der Ausgangspunkt sein – hier – Null, der Nullpunkt, dieser Bunker. Dann würde ich mich selbst abschießen. …und ab in die Hölle. Take off in sechs Sekunden.
Sein Blick ist kaum noch in der Lage sich von der Zeit-Anzeige abzuwenden. Wenn er auf das Pult schaut, verschwimmen die Lichter zu einem bunten Feld. Widerstrebend nur schaut er über die vielen unterschiedlichen Anzeigen.
„Fünf“
Nö, nö, nö. Vielleicht kann ich die Rakete irgendwie anders austricksen. Bei jeder anderen könnte man die Lunte austreten. Wo hat das Ding hier denn eine Lunte? Sehe nur Kabel. Geht heutzutage ja sicher nur elektrisch. Digital. Startsignal ist bestimmt eine „1“. Ich muss also nur eine „0“ eingeben.
Er sucht nach einem anderen Monitor, der auf die Eingabe einer einzelnen Zahl wartete. Nicht Breite / Länge, sondern „Start aus / ein: _“ Vergebens. Direkt vor ihm blinkt ein Cursor -nervös diesmal, scheint ihm- gleich hinter einem C:\_
„Vier“
Wie gebe ich eine Null ein? Hier, die Tastatur. Ich drücke „0“. Nix passiert. Ach ja, am PC muss man immer Enter drücken. Also drücke ich die Enter-Taste... Nix passiert. Sach´s ja, Dreckstechnik! Aber wieso denn nur?
Seine Eingabe hat er mit fliegenden Fingern vorgenommen. Sein rechtes Auge sieht, dass nichts passiert, über sein linkes Auge vermeint er das Vorzucken des Sekundenzeigers fast körperlich zu spüren.
„Drei“
Muss man vielleicht E-N-T-E-R eingeben? Bei den Amis is ja alles anders. E-N-T-E-R, dann Enter. Nix passiert. Scheiße. Scheiße. Scheiße. Vielleicht: E-X-I-T, dann Enter. Nix passiert. Mist. Jetzt isses glaub ich zu spät. Ich werde der Arsch der Welt sein.
Der Zeitpunkt der Hoffnung ist überschritten. Resignation will sich ausbreiten. Ein leichtes Kopfschütteln demonstriert seine Stimmung sehr eindringlich
„Zwei“
Wenn schon, dann noch eine Eingabe, ein letzter Versuch. Den Scheißkasten platt machen, gleich hinter dem c:\ gebe ich ein:´ f-o-r-m-a-t- -c-:´, dann Enter. Wenn es den Start schon nicht verhindern kann, dann soll wenigstens das ganze Programm zum Teufel gehen. Fuck!
Der Zeigefinger schnippt kurz auf die Entertaste und erhebt sich dann langsam, bleibt erhoben in der Luft stehen und wartet auf die Katastrophe.
„Eins“
Langsam schließe ich die Augen. Ich will das Umschalten auf Null nicht sehen. Nicht die einfarbige Gleichschaltung aller optischen Anzeigen, überall Grün. Blöde Farbe für den Tod. Scheiße.
Er lehnt sich in den Stuhl zurück. Der Kopf sinkt mit geschlossenen Augen nach hinten.
„NULL“
Schnitt! Verdammt noch mal! Du sollst den Zeigefinger nicht hochnehmen und schon gar nicht oben lassen, sondern auf der Tastatur bleiben und dich dann erst resignierend zurücklehnen. Sonst war´s okay. Und du Nick, sollst seine Gedanken etwas schneller sprechen, er ist aufgeregt und liegt nicht im Koma. Klar? Kamera, lass uns noch mal bei „Drei“ anfangen. Achtung Ton. Achtung Klapppe: „Countdown, die Zwölfte!“