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seltsam

Genre: seltsam

  1. Kontaktloser Blick

    Jemand sah sie an. Ihr Blick wanderte über die Sitzreihen der U-Bahn, nach einem starrenden Augenpaar suchend. Links von ihr saßen sich zwei Personen gegenüber, deren Knie sich berührten und einen Tisch für ihre abgestützten Ellenbogen boten. Sie hatten sich so weit nach vorne gebeugt, dass sich...
  2. Die Geschichte vom Straßenpianisten

    Wann war noch mal dieser Tag genau? Der Tag an dem ich ahnte, dass ich auf dieser Straße spielen würde. Der Tag an dem ich ahnte, dass es diese Straße sein würde und nicht etwa ein Konzertsaal. Schon gar kein großer Konzertsaal. Nein, sicher kein großer Konzertsaal. Wann war noch mal dieser Tag...
  3. Die Menschsuppe

    Die verzweifelt werden wollende Ableitung fraß sich immer tiefer in mein Gehirn. Meine Mitschüler schrieben konzentriert Zahlen auf ihre Zettel, Herr Maibergs Augen suchten nach Betrugs-versuchen wie ein UN-Inspektor nach Atombomben. Immer und immer wieder scannte er jeden Schüler nach...
  4. Der Rat

    An dem Geländer direkt vor mir hing eine Reihe von Tropfen. Langsam wurden sie größer, bis sie fielen, aber es blieb immer ein Teil zurück, der die Basis für den nächsten Tropfen bildete. Ich staunte jedes Mal, dass mehr hängen blieb, als ich beim Fall erwartete. Nur einmal liefen...
  5. Die Einladung

    Anspannung pur für mich im Taxi auf dem Weg zum Flughafen an diesem regnerischen Tag; die Stadt war im diffusen Licht nur noch schemenhaft zu erkennen. In mir stieg die Aufregung, ich rutschte auf dem Sitz hin und her. Ein Vorstellungsgespräch in der europäischen Zentrale eines multinationalen...
  6. Der Tintenfleck

    Lautlosen Schrittes die Haare im Wind wehend näherte sich Tanja ihrem Ziel. Ein Schneider für ihr Hochzeitskleid. Endlich, er hatte sich mit dem Antrag ja ganz schön Zeit gelassen. Kichernd dachte sie an seinen Gesichtsausdruck gestern Abend, diese wehmütigen Augen und diese unabsprechbare...
  7. Die Abenteuer des beständigen Reisenden

    Nun laufe ich wieder alleine über den Weg, der mein Leben ist. Ich sehe die Dinge erneut durch den Schleier der Einsamkeit. Passanten meinen das wäre etwas Schlechtes. Sie reden ständig von Rudeln, dass ein Einzelner nicht überlebe. Das habe ich schon immer anders gesehen. Erst war sie...
  8. Die innere Kammer

    Trotz Schirm und festem Schuhwerk erreichte ich die Adresse des Vermieters pitschnass. Er wartete in der schmalen Zufahrt einer Reihenblocksiedlung. Ein kahlköpfiger Mann, dessen übergroßer Parka ihm um den dürren Körper flatterte. Wir schüttelten uns die Hände und er führte mich durch den...
  9. Anleitung zum Schreiben einer Schauergeschichte

    1. Das Schreiben einer Schauergeschichte erfordert Ruhe und Konzentration. Warte, bis es Abend ist und still im Haus. Bleibe eine Weile vor der Schlafzimmertür stehen und vergewissere dich, dass nur noch ein schwaches, rasselndes Atmen zu hören ist und das regelmäßige Fiepen der Schmerzpumpe...
  10. Meer

    „Warte doch! So schnell bin ich nicht!“ „Wir müssen aber weiter!“, rief ich ihr zu. Die Sonne brannte auf uns nieder. Über die Dünen, die uns umgaben, zog ein unregelmäßiger Wind. Mal nur ein leichtes Lüftchen, mal mit einer Kraft, die einen umwehen konnte. Widerwillig blieb ich stehen und nahm...
  11. Tiefseeangeln

    Taufeuchter Nebel zog in Schwaden durch die Küstenwälder. Wie eine glänzende Schlange wand sich die Straße dem Meer entgegen. Die Feuerwehr hatte die Sturmschäden nicht geräumt, sodass Ernest nur im Zickzack vorankam. Er stellte den Jeep auf Allradantrieb um, weil er an mehreren Stellen in den...
  12. Tangoland

    Ich war die ganze Nacht wach. In ihrem Herzen welche Wonne, in ihren Augen welcher Schmerz. Die ganze Nacht saß ich an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Mit bangem Herzen sprachen wir über die letzten Stunden. Ihre Worte waren langsam und schwer. Es fiel ihr schwer zu sprechen. Doch das musste sie...
  13. Das ausgeliehene Sakko

    Ich lag auf dem Sofa und wusste wieder nichts mit mir anzufangen. Mir kam eine Idee. Die Jacke kratzte über meine Arme, in die fertiggeschnürten Schuhe konnte ich hineingleiten, die Schlüssel klirrten. Ich trat vor die Tür. Es regnete schon wieder, doch es machte mir nichts aus. Am Kiosk nebenan...
  14. Ilse Bilse

    Seit jeher fügte Ilse sich ins Leben wie eine Bleistiftzeichnung in ein Ölgemälde. Wenn ihre Geschwister laut durchs Haus tobten, rempelten sie Ilse an und riefen: „Mensch, Ilse, aus dem Weg!“ Und wenn ihre Mutter fragte: „Wo ist denn die Ilse schon wieder?“, sagte Ilse: „Hier bin ich, Mutter.“...
  15. Alva

    Die nasse Wäsche wog schwer in Maireads Händen. Ihre Finger, knotig und kalt, krallten sich in das Geflecht des Korbes. Rauch lag in der Luft, sie beeilte sich ins Dorf zurückzukommen. Die letzte Anhöhe hinauf fiel ihr das Atmen schwer, der Rauch kratzte in ihrer Kehle. Jeder Schritt schien ihr...
  16. Schneewittchen

    Hildegard saß am Fenster, wie sie es fast immer tat. Ihr Blick ging durch den Garten und verweilte bei den Apfelbäumen, die jetzt schon viele Blätter verloren hatten. An den Ligusterhecken vorbei spazierte er dann in den Park und die Pappelallee mit den gold-gelb gefärbten Blättern entlang. Ihr...
  17. Depression - oder einfach Horst?

    „Sie sind depressiv.“ sagt meine Ärztin. Und während ihre in so ruhigem, gelassenem Tonfall dargebrachten Argumente, die ihre Einschätzung stützen, noch verklingen, reagiert mein so lapidar umrissenes Hirn empört, mit Unverständnis und ich entsprechend mit gereizt hochgezogenen Augenbrauen...
  18. Der außerirdische Elefant

    Der außerirdische Elefant Es war einer jener Abende, die sich in die Länge zogen wie Kaugummi, zäh und ohne Inhalt. Otto Meier saß auf dem schmalen Balkon seiner Wohnung im dritten Stock eines grauen Plattenbaus in Berlin. Der Himmel war eine matte, lichtlose Fläche, die die Farben aus der Stadt...
  19. Schattenfedka

    Auf dem Trampelpfad liegt eine Leiche … die Birken tanzen wie dumm … gehetzte Gedanken. Ich packe zu, als könnte ich Bäume erdrosseln, wenn ich nur wollte. In meiner Vorstellung geht hier einer lang. Mit kläffendem Köter. Mit Hut auf und Stock in der Hand, und er sieht alles, er denkt sich...
  20. Zwanziger Schrot

    In den letzten Tagen brachte ich ihm morgens eine Handvoll Munition, und jedesmal fragte er mich nach der guten Flinte und dem 20er Schrot. Nein, sagte ich. Das Luftgewehr reicht. Wir haben hier keine Nachbarn, sagte er. Das hat keine Sau zu interessieren, das ist immer noch mein Grundstück...

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