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Überwinden

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03.04.2016
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Überwinden

Hinter der Ecke eines namenlosen Schlüsseldienstes lag die Kreuzung. Über diese Kreuzung führte eine Ampel. Ein Stück weiter die Straße hinauf befand sich die Haltestelle zu der ich hetzte. Der Rucksack scheuerte mein Shirt hinauf und kratzte auf der Haut. Die Sonne pochte vom Himmel herab und Schweiß stand mir auf der Stirn, kroch mir den Nacken hinunter.

Das Licht stand auf Rot. Warten war also angesagt. Während ich meine Seite verfluchte, weil sie mich unbedingt für die Hektik strafen musste, blickte ich umher. Sekunden vergingen. Sekunden, mit denen ich nie gerechnet hätte, siechten dahin, bis mir bewusst war, wer dort stand. Die Halbglatze glänzte im richtigen Licht ein wenig. Das einst braune Haar war noch schütterer und von grauen Schlieren durchzogen. Sein Gesicht hatte Falten gewonnen. Ich schluckte schwer und blickte rasch zu Boden, umklammerte dabei die Riemen meines Rucksacks noch fester.

„Er hat mich gesehen… Bestimmt hat er das. Gott…“, huschte es im rasanten Tempo durch meinen Kopf. Wieder und wieder, immer dieselben Worte, dieselbe Sorge. Selbst ohne Blick fühlte ich es: Ich war das Reh und er der Scheinwerfer.
Die Zeit begann zu schleichen. Angst, die ich von mir geworfen glaubte, holte mich erneut ein. Das Brennen in der Brust. Das Aufkommen von Tränen. Alles war wieder da, als wäre ich nie gealtert. Alles kehrte zurück, als wäre nie auch nur eine Minute vergangen. Ich schluckte schwer und lugte umher, ertappte mich bei der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Erinnerungen schwemmten meinen Geist. Erinnerungen an diese Kreuzung, an ihn und eine Zeit, die ich am liebsten von mir geworfen hätte.
Ich musste hinsehen, kurz spähen, einen kleinen flüchtigen Blick riskieren. Es ging nicht anders. Unter meinen Brauen linste ich hinauf. Plötzlich war mein Mund vollständig trocken und meine Knie versuchten mit Pudding zu konkurrieren. Gefühlt war es ein Unentschieden. Neben jeder Nervosität und Panik, die sich breitmachte, war jedoch eines noch größer: Meine Überraschung. Die Tatsache, dass er mich nicht ansah, dass er der Welt um sich herum besah und nicht, wie einst, mit strafendem Blick in meine Richtung stierte, verunsicherte mich ebenso wie es mich erleichterte.

Alle Fragen, die sich auf meine Wüste von einer Zunge stahlen, zwang ich mit einem Schlucken hinunter. Ich verstand nicht.
Das war der Mann, der mich auf Knopfdruck heulen ließ? Der Mann, der meine Mutter und mich so traktiert hat? Das soll der Mensch gewesen sein, der im Stande dazu war jedes Sonntagsfrühstück in einen kleinen Krieg zu verwandeln? Der Mann, der jeden häuslichen Frieden mittels eines einzigen Wortes zerreißen konnte?

Ich stutzte, wenn auch unbemerkt. Die Welt war wie eingefroren. Autos fuhren zwar vorbei, doch hörte ich sie nicht. Der Sonnenschein hätte mich blenden sollen, doch störte er nicht. Sein Anblick fesselte mich plötzlich auf ungeahnte Weise.
Sollte ich etwas sagen? Sollte ich sichergehen, dass er es auch wirklich ist bevor ich mich so verrückt mache? Wo Logik und Irrationalität sich die Hand reichen, dort stand ich in diesem Augenblick, hin und hergerissen von dem Wunsch nach Abschluss, dem Wunsch nach Gewissheit. Ohne eine Antwort auf das Richtig oder Falsch zu finden, blickte ich ihn einfach an. Musternd besah ich ihn von der Schuhspitze bis zum gedachten Scheitel und wieder Retour.
Ich erinnerte mich daran, wie ich ihm an dieser Kreuzung ins Gesicht brüllte, dass ich nie wieder mit ihm in ein Auto steige. Mir fiel wieder ein, wie er die Flucht ergriff, als mein Vater mit mir um die Ecke bog. Ich besann mich so vieler Momente. Von dem Ärger, den er mich machte, wenn mein Zimmer nicht vorbildlich ordentlich war bis hin zu der Mathenachhilfe, die ich mir regelmäßig mit ihm in der Küche zumuten musste.
Mein Blick folgte jeder Falte in seinem Gesicht, jeder noch so kleinen grauen Strähne in seinem halben Schopf. Sogar seine Augen fixierte ich immer und immer wieder, auf der Suche nach dem Monster, das ich kannte in dem Mann, der mir so fremd friedlich nun erschien.
Die Ampel schaltete auf Grün. Er setzte vor mir seinen Fuß auf die Straße. Dieser Schritt löste mich aus meiner Starre.

Der erste Schritt
In meinem Kopf spielte sich eine Diashow der Jahre unserer Bekanntschaft ab, die mich erschreckte, erzürnte und wieder den Tränen näher brachte.

Der zweite Schritt
Ich starrte ihm direkt ins Gesicht, hoffte darauf, dass er mich ansieht, dass er erkennt, wessen Weg er kreuzte.

Der dritte Schritt
Etwas sagen. Ihn ansprechen. Ihn verteufeln und verfluchten oder einfach nur grüßen. So viele Silben auf der Zunge und doch keine dabei, die sich den Weg über die Lippen traute.

Der vierte Schritt
Er erreichte die Mitte. Seine längeren Beine brachten ihn schneller voran. Das Gefühl den Moment nicht richtig greifen zu können übernahm für den Atemzug, der schnaubend meine Lunge verließ.

Der fünfte Schritt
Unsere Wege kreuzten sich. Blicke trafen sich. Die Quittung meiner Gedanken und Sorgen, alles lief auf diesen Moment hinaus. Doch wo ich so vieles auf meiner persönlichen Rechnung noch trug, hatte er nicht mehr als ein mildes mattes Lächeln übrig.
Er erkannte mich nicht.

Auf der anderen Straßenseite angekommen, wagte ich einen Schulterblick nur um zu sehen, wie er seinen Weg weiter verfolgte.
Der Lärm eines Lastwagens riss mich aus meinen Gedanken und motivierte mich abermals zur Eile.
Atemlos erreichte ich den Bus, indem für mich nicht mehr übrig war als ein Platz zum Stehen. Ich ließ mich gegen die Scheibe sacken und ersparte der Welt meine Aufmerksamkeit.
Ich überschlug einen Gedanken nach dem anderen und versuchte eine Antwort auf die Frage zu finden, die nicht existierte. Niemand hätte mir sagen können, warum ich gefühlt habe was in mir vorging. Niemand hätte es mir erklären können, so dass ich es auch verstand. Nur das hektische Pochen meines Herzens und das abebbende Zittern meiner Finger ließ es mich erahnen.
Er hatte seinen Schlussstrich gezogen. Für ihn war es vorbei. Vorbei der Streit. Vorbei die Quälerei. Vorbei die Verfolgung und die Angst. Er war frei.

Wenn es ihm möglich war, ihm, der vom Wahn befallen Jagd auf meine Mutter machte. Ihm, der sie verfolgte, ihr nachstellte und sie attackierte. Wenn er loslassen konnte, sollte es dann nicht für mich, die Nebendarstellerin in einem Stück, dass er geschrieben hatte, nicht möglich sein meine Kette zu sprengen?

 

Hallo Aolai,

Dein Ende ist sehr abrupt, so dass man beinahe das Gefühl hat, Du wusstest nicht weiter und hast einfach aufgehört, mitten im Konflikt. Da fehlt mir eine Auflösung, zumindest ein Ausblick, wie es weitergehen könnte.
Einige Zeitfehler sind mir aufgefallen, Plusquamperfekt müsste an einigen Stellen benutzt werden, z.B.

Das war der Mann, der mich auf Knopfdruck heulen ließ? Der Mann, der meine Mutter und mich so traktiert hat?
...traktiert hatte.

Sprachlich gesehen ist mir der Text an einigen Stellen zu dick aufgetragen, zu blumig, was etwas bemüht wirkt. Auch einige Wort-Wiederholungen stören mich.

Das Licht stand auf Rot. Warten war also angesagt. Während ich meine Seite verfluchte, weil sie mich unbedingt für die Hektik strafen musste, blickte ich umher. Sekunden vergingen. Sekunden, mit denen ich nie gerechnet hätte, siechten dahin, bis mir bewusst war, wer dort stand.
Das Fettgedruckte würde ich streichen.
Und doch lebt der Text natürlich fast ausschließlich von der Sprache, denn inhaltlich ist nicht viel drin.

Hab es ganz gern gelesen, aber mir fehlt noch eine Auflösung, das ist zu abgehackt.

Schöne Grüße, Kerkyra

 

Guten Morgen!

Ich möchte erstmal für das hilfreiche Feedback danken. Immerhin ist das einer meiner Gründe hier zu sein. Zugegeben bin ich gerade einfach nur im Ansatz froh darüber, dass mein erster Eintrag hier nicht in der Luft zerrissen wurde. :D
Nicht dass ich das wirklich befürchtet habe. Aber... naja, die Sorge und so. :)

Werde die Geschichte mit Sicherheit nochmal überarbeiten.

Liebe Grüße, Aolai

 
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Hinter der Ecke eines namenlosen Schlüsseldienstes lag die Kreuzung. Über diese Kreuzung führte eine Ampel. Ein Stück weiter die Straße hinauf befand sich die Haltestelle[,] zu der ich hetzte. Der Rucksack scheuerte mein Shirt hinauf und kratzte auf der Haut. Die Sonne pochte vom Himmel herab und Schweiß stand mir auf der Stirn, kroch mir den Nacken hinunter.

Das Licht stand auf Rot. Warten war also angesagt. Während ich meine Seite verfluchte, weil sie mich unbedingt für die Hektik strafen musste, blickte ich umher. Sekunden vergingen. Sekunden, mit denen ich nie gerechnet hätte, siechten dahin, bis mir bewusst war, wer dort stand. Die Halbglatze glänzte im richtigen Licht ein wenig. Das einst braune Haar war noch schütterer und von grauen Schlieren durchzogen. Sein Gesicht hatte Falten gewonnen. Ich schluckte schwer und blickte rasch zu Boden, umklammerte dabei die Riemen meines Rucksacks noch fester.


Hm. Ich weiß nicht recht, Aolai, also für mich funktioniert schon der Einstieg überhaupt nicht.
Vor allem sind es die vielen sprachlichen - ich nenn’s mal - Extravaganzen, die es mir schwer machen, ein eindeutiges Bild der Situation zu sehen, und die es verhindern, dass ich in einen Lesefluss gerate. Stellenweise klingen sie nämlich so missverständlich, dass ich zurücklesen muss. Gar nicht gut.

Das beginnt schon mit dem ersten Satz:

Hinter der Ecke eines namenlosen Schlüsseldienstes lag die Kreuzung.
Das mag jetzt spitzfindig klingen, aber: Kann eine Kreuzung hinter einer Ecke liegen?

… und setzt sich mit dem zweiten fort:

Über diese Kreuzung führte eine Ampel.
Was soll das heißen? Eine Ampel kann doch über einer Kreuzung höchstens hängen, oder an einer Kreuzung stehen, aber nicht über diese führen.

Die Sonne pochte vom Himmel herab.
Auch wieder ein unpassendes Verb. Mit pochen assoziiere ich - wenn schon nicht unbedingt ein Geräusch - so doch etwas, das sich rhythmisch wiederholt. Ein Herz pocht, oder meinetwegen der Puls, aber doch nicht die Sonne. Und das Adverb ist auch unnötig, weil: Sonne = oben.

Während ich meine Seite verfluchte [?], weil sie mich unbedingt für die Hektik strafen musste [?],
Und diesen Satz kapiere ich von vorn bis hinten nicht.

Sekunden vergingen. Sekunden, mit denen ich nie gerechnet hätte, ...
… äh, in dem Sinn, dass die Erzählerin ungeplant aufgehalten wird?

… siechten dahin,
dahinsiechende Sekunden? Nö, das geht echt nicht.

Die Halbglatze glänzte im richtigen Licht ein wenig.
Äh, was habe ich mir unter richtigem, bzw. unter falschem Licht vorzustellen?

Merkst du’s, Aolai, wie schwer ich mich schon mit den ersten beiden Absätzen tu?
Irgendwie hab ich das Gefühl, dass du dich zwar darum bemüht hast, nicht immer gleich das erstbeste, naheliegende Wort zu verwenden, du quasi sprachkreativ sein möchtest, dabei aber einfach zu unbedacht vorgehst und deine Erzählsprache dadurch schrecklich unpräzise wird.

Ich muss zugeben, dass ich den restlichen Text dann nur noch überflogen habe, aber immer wieder sind mir so eigenartige Formulierungen aufgefallen:

Erinnerungen schwemmten meinen Geist.
Alle Fragen, die sich auf meine Wüste von einer Zunge stahlen, zwang ich mit einem Schlucken hinunter.
Usw. Das sind einfach schiefe Sprachbilder.

Oder das hier:

Plötzlich war mein Mund vollständig trocken und meine Knie versuchten mit Pudding zu konkurrieren. Gefühlt war es ein Unentschieden. Neben jeder Nervosität und Panik, die sich breitmachte,
Dieser halbironische Tonfall passt doch überhaupt nicht zum Zustand der Erzählerin, die ja selber sagt, sie fühle Panik.

Tut mir leid, Aolai, dass ich dir überhaupt nichts zum Inhalt deiner Geschichte sage. Aber, na ja, ein Text muss mich zuerst einmal sprachlich, stilistisch erreichen, damit ich mich überhaupt auf die Story an sich einlassen kann, und das gelingt hier einfach nicht.

Was kann ich dir raten?
Vielleicht solltest du deine Ambitionen, „literarisch“ schreiben zu wollen, vorerst etwas zurückstellen und stattdessen versuchen, einmal in einer einfacheren, klareren Sprache sattelfester zu werden. Einen komplexen, originären Stil kann man sich nur Schritt für Schritt erarbeiten. (Sofern man kein Genie ist.) Das Geheimnis außergewöhnlich guten Schreibens ist nicht, möglichst so zu schreiben, wie es kein anderer tut, sondern mit den richtigen Worten so zu schreiben, wie es kein anderer tut. Und beinahe für jedes Wort gibt es eines, das noch eine klitzekleine Spur besser passt. Aber gerade dieses eine zu finden, ist halt die Kunst und diese zu erlernen, bedarf es Geduld und Hingabe.

Beides wünsche ich dir, Aolai, und ja, willkommen hier.

offshore

 

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