Mitglied
- Beitritt
- 15.07.2001
- Beiträge
- 16
11. september 2001
(Vorweg: keine Ahnung wie man die afghanische Haupstadt richtig schreibt. Und den Oberterroristen. Das ist hier nicht wichtig. Tschuldigung.)
„Nach diesem Tag, wird nichts mehr sein, wie vorher“, Bundesinnenminister Otto Schily. Eine Zäsur.
Menschen springen aus den Fenstern, ein Flugzeug zielt auf den Südturm. Gefilmt, festgehalten. Leider ist es kein Film. Leider. An dieser Stelle bietet selbst Zynismus keinen Trost. Staub, Asche rieselt auf die Flüchtenden. Eine aufgehetzte Rinderherde. Im Wahn, hier schließt sich der Kreis.
„Es gibt erste Vermutungen. Osama bin Laden.“ Irgendwo sitzt jemand und reibt sich diebisch die Hände. Fahnen auf Halbmast und er lacht. Bilder von einem schlanken Mann. Weises Gesicht, ruhig. Was treibt Menschen zu so einer Tat? Die meisten Opfer wissen nicht einmal, wo es liegt: Palästina. Was das ist: Intifada. Sie wollten es nie wissen. Nun wurden sie damit konfrontiert. Auf grobe Weise. Mit welchem Recht?
Ein Schlag auf Amerikas Selbstbewußtsein. Amerikas übertriebenes Selbstbewußtsein. Unbegründetes Selbstbewußtsein. Arroganz. Hiroshima, Khartoum, Kyoto-alles kommt hoch. Recht geschieht ihnen. Allah ist groß!
Man verwickelt sich schnell.
Die Rache wird fürchterlich sein. Eine Reihe von Superlativen. Die Reaktion ist keine Ausnahme.
Die letzten Minuten im Flugzeug. Ein Warnanruf vom Handy. Geistesgegenwart, im Auge den Tod. „Wir werden dem Vorfall nachgehen.“ Unglaublich. Ja, und wie sie dem Vorfall nachgehen werden. Müssen. The big bang. Und wieder regnet es Körper aus den Fesntern. 411 Meter. Feuer, Schreie, Entsetzen. Es geht nicht aus dem Kopf. Und Angst. Vor Konsequenzen. Bush. Man möchte nicht daran denken.
Neun Stunden danach. Niemand wagt Angaben über die Toten zu machen. 2000, 3000. 10000. Es macht keinen Unterschied. Es sind die Bilder. Real und fiktiv.
Ich mag keine Amis. Besser, ich schmunzel über sie. Aber welches Hirn kreiert einen solchen Plan? Welche Hände steuern das Flugzeug?
Man gerät an Grenzen. Eine Ereignis, so omnipotent. Berührt jeden Bereich menschlichen Daseins.
„Niemand kann mit Sicherheit sagen, daß die Apokalypse sich nicht wiederholen wird. Hitzige Rachegfühle sind ein schlechter Wegbegleiter.“ Überall Stimmen. Verschiedene Worte bringen das Gleiche zum Ausdruck. Jeder möchte es gespürt haben. War ja auch klar. Irgendwann. Bumm. So treffen sich Anfang und Ende. Der Kreis. Er findet sich.
In 200 Jahren. Im Geschichtsunterricht: 11. September 2001.Vier gekaperte Flugzeuge zerstören als zivile Bomben die Insignien der amerikanischen Weltmacht.
Wer trauert heute noch über die Opfer des dreißigjährigen Kriegs? Diese Richtung schafft Trost.
0:05 Uhr MEZ. „Soeben kommt ein Meldung herein. Nach unbestätigten Berichten explodierten in der afghanischen Haupstadt Kaboul Bomben.“ Direkte Vergeltung. Wirklich fix. Jetzt geht‘s los. Mir wird schlecht. Sitze hier im Bett. Alles schön warm und so wie immer. Irgendwo in Afrika. Sterben. Aug‘ um Aug‘, Zahn um Zahn. Feuer mit Feuer löschen?
Und alles im im Deckmantel der Religion. Wir lernen nicht. Wie dumm. Warum wissen das nur Leute, auf die es nicht ankommt? Als nächstes fliegt Jerusalem in die Luft. Oder die amerikanische Botschaft in Berlin. Adieu pax. Hat es dich je gegeben? Der Welt stockt der Atem. Kann ich morgen aufstehen? 10:30 Uhr Musiktheorie und Gehörbildung bei Frau Prof. Brockmann. Wie hat man es bisher geschafft? Jeder Atemzug eine Vergewaltigung. Jedes Augenschließen ein Mord. Jedes Schlucken eine Folter. Irgendwo. Auf dieser Welt. Der großen. Und doch so kleinen.
Das Radio läuft. Bush, Bush. Einmal Draufhauen auf Afghanistan. Plump.
Moment. Es wird dementiert. Die amerikanische Regierung lässt verlauten, bei den Bombenangriffen auf Karboul handle es sich nicht um amerikanische Vergeltunganschläge. Offenbar steckt die aghanische Opposition dahinter. Man kann nichts bestätigen. Man wartet auf weitere Meldungen.
Jetzt tanzt der Bär.
Hier hat sich nichts verändert. Es regnet. Keine Leichen. Normaler Regen.
Die Welt ist eine andere. Aber war sie das nicht gestern auch? Verglichen mit dem Davor. Zeit ist doch einmalig. Oh nein. Es hilft nicht. Ein neues Kapitel. Man kennt den Titel nicht. Kein guter wird es sein. Ich kann es riechen. Jede Pore schreit danach. Ein Einschnitt. Das ist Geschichte. Live. Nach der Werbung.
Es geht weiter. Selbst die New Yorker joggen wenige Blocks entfernt munter im Central Park. „There exploded those two towers, that‘s right. But, hey, does it make anything different, when I go running?“ Natürlich nicht. Anscheinend gibt es nur zwei Optionen: entweder man ist gelähmt. Lässt das Ereignis sich einnisten in jeden unbedeutenden Gedankengang. Oder man stellt es ab in eine unbeleuchtete Ecke. Alles wird gut. In kindlichen Urvertrauen.
Ich bin nicht direkt betroffen. Wie gesagt, dort steht mein Bett. Jederzeit könnte ich hineinschlüpfen, Decke über den Kopf, Affe tot.
„I love you. There is no way out. I love you.“ Klick. Einer weniger. Tausende weniger. Solche Situationen. Deine Mama am Telefon: „Hallo Töchterchen. Gerade eben wurde die Stewardess erstochen. Ich glaube wir stürzen gleich ab. Könntest du bitte den Hund ausführen? Und denk an die Blumen...“ Die Blumen. Wie viele werden es sein, die sich auf die Gräber legen müssen?