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16.03.2018
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13 Minuten

Der scharfe Wind verlangt den Kragen des Trenchcoats in aufrechte Position zu begeben und den Reißverschluss, der besonders bei Kälte schwierig zu bedienen ist, bis knapp unter die Kinnfalte zu schließen. Der überlappende Schal bietet eine willkommene Rückzugsmöglichkeit für das rau rasierte Gesicht. In diesem Moment passiert der Bus der Linie 13a in Richtung Hauptbahnhof, der McDonalds ragt immer noch als wüste Hässlichkeit in das kalte Bild des doch so schönen Wien und die Besitzer der knappgesähten Dönerbuden der Pilgramgasse freuen sich über zahlreiche Gäste, die im Feierabend Trubel auf der Suche nach Nahrung und Wärme sind. Die zwei auf der Anzeigetafel wechselt im Bruchteil einer Sekunde auf eins, aber doch ist am Ende der Autokolonne an den südlichen Ausläufen der Straße kein Bus zu sehen. Endlos scheint das metallene Meer, nur unterbrochen von gelben Augen, mal freundlich, mal bissig, mal den Augen eines verschlafenen Hundes ähnelnd. Im nächsten Augenblick erscheint das leere Gesicht eines thailändischen Buddhas und die Schwenktüren eröffnen abrupt die Sicht in eine Versammlung von melancholischen Gestalten, deren Anblick an das Wartezimmer eines Bestattungsunternehmens erinnert. Der Nässedunst steigt vom Boden auf und vermischt sich auf Augenhöhe mit dem Zwiebelatem beistehender Jugendlicher. Der seltsame, aber erstaunlicherweise nicht unangenehme Geruch, verhilft dem Geist zu einem Tagtraum in die Wirren der Metropole am Bosporus. Viele Geschichten, Abenteuer und Anekdoten machen die pulsierende Stadt so interessant und doch so abstoßend. Die romantischen Bilder dieser Gegend lassen sich nur schwer mit den Berichten aus Politik und Kultur vereinbaren und sind Anlass für kritische Gedankengänge. Langsam bahnt sich ein Regentropfen seinen beschwerlichen Weg außerhalb entlang der Scheibe. Fast schon sicher am Ende der diagonale Angelangt teilt er sich in drei kleinere Bahnen und verschwindet plötzlich in den schwarzen Fugen der Unterkante. In dieser atomaren Reaktion spielgelt sich der Ablauf einer Explosion wieder. Die Durchsage meldet die bevorstehende Haltestelle. Gerne würde man länger der sympathischen Stimme der unbekannten Frau aus dem Lautsprecher zuhören, oder sie auf einen Kaffee an einem so regnerischen Tag einladen. Das erneute rasche Öffnen der Türen erinnert an das notwendige Verlassen des Busses und die ersten Sohlen werden hörbar, als sie auf dem Nassen Bordstein der Strozzigasse auftreten. Am Rande der Straße hat sich ein kleiner Bach gebildet, der trotz des hektischen Verkehrsaufkommens, ruhig seiner Spur entlang bis an das Kopfende des Zebrastreifens folgt und dort unhörbar durch mehrere Spalten in die düstere Tiefe fällt. Nach wenigen Metern dringt das erste Wasser in das natürlich völlig unpassende Schuhwerk ein. Besonders die zwei zur Lüftung gedachten Löcher an der Innenseite der Converse scheinen sich relativ suboptimal auf das Wohlbehagen auszuwirken und bald fühlt sich der Schuh an wie eine kalte Bandage die zur Kurierung einer Schwellung gedacht war. Von weitem ist das traurige Bellen eines Hundes vernehmbar. An der Straßenecke reckt ein Obdachloser mit verknittertem Gesicht seine hoffnungslose Hand nach jeglichen Gaben aus und wirkt so geschwächt, dass nicht einmal die einfache bitte nach Hilfe den Ausgang zwischen seinen Lippen findet. Mitleid steigt im Körper auf und der Gedanke an eine Nacht außerhalb seiner eigenen vier Wände scheint schier unvorstellbar. Die gefühlte Kälte und die Geldbörse in der Innenseite des Mantels sind Grund genug um teilnahmslos an der Tragödie am Straßeneck vorbeizugehen. Der Blick über die Schulter eröffnet den gutbesuchten Weihnachtsmarkt mit all seinen hellen Leuchten, dem warmen Duft und der riechenden Dekadenz. Unzählige Anzugträger verbringen hier Glühweintrinkend ihren Feierabend. Einzelne, schon sichtlich betrunken, heben ihre Stimmen, während andere zwischen die geparkten Autos pinkeln und Mühe mit dem eigenen Gleichgewicht haben. An der Lerchengasse 21 zieht eine grauhaarige, freundlich wirkende Frau die Rollos ihres Antiquitätenladens herunter und schaltet die Lichterkette an. Den letzten Zug von meiner Zigarette nehmend betrachte ich, wie sie mit langsamen Schritten ans andere Ende der Straße spaziert und in Gedanken verloren, an den vielen kleinen Standhütten vorbeibummelt. Wenige Meter weiter suche ich die Klingel der Türe 12. Nach kurzer Wartezeit erklingt eine feine, fast traurig klingende Stimme und der Türraster summt. Kurz antworte ich.: „Ich bin da“

 

Hej Eduard,

und herzlich willkommen hier.

Dein erster Satz liest sich ein wenig wie die Anweisungen bei einem Landeanflug.

Der scharfe Wind verlangt hier würd ich zum besseren Verständnis ein Komma setzenden Kragen des Trenchcoats in aufrechte Position zu begeben
Ich habe den Eindruck, das ist Absicht, aber mir wirkt das zu sperrig und vor allem zu unpersönlich. Es gibt den Trenchcoat und den Schal, aber niemand scheint in den Kleidern zu stecken.
Damit nimmst Du dem Text in meinen Augen einen wichtigen Bezugspunkt, den es braucht.

In diesem Moment passiert der Bus der Linie 13a in Richtung Hauptbahnhof
IHier wird der Schwerpunkt auf die Umgebung gelegt, die wirkt aber in meinen Augen zu beliebig.

Endlos scheint das metallene Meer, nur unterbrochen von gelben Augen, mal freundlich, mal bissig
alle Augen sind gelb?
Was mir hier fehlt, ist die Bewegung des Betrachters.

Im nächsten Augenblick erscheint das leere Gesicht eines thailändischen Buddhas und die Schwenktüren eröffnen abrupt die Sicht in eine Versammlung von melancholischen Gestalten
Erst hier wird mir klar, dass die stattgefunden hat.

Der Nässedunst steigt vom Boden auf und vermischt sich auf Augenhöhe mit dem Zwiebelatem beistehender Jugendlicher. Der seltsame, aber erstaunlicherweise nicht unangenehme Geruch, verhilft dem Geist zu einem Tagtraum in die Wirren der Metropole am Bosporus.
Wieso "der" Nässedunst? Welchem Geist?
Sonst hat mir der Abschnitt gefallen, aber hier
Viele Geschichten, Abenteuer und Anekdoten machen die pulsierende Stadt so interessant und doch so abstoßend.
:sleep:wird mir das wieder zu allgemein.

Die romantischen Bilder dieser Gegend lassen sich nur schwer mit den Berichten aus Politik und Kultur vereinbaren und sind Anlass für kritische Gedankengänge.
Das hier haut mich richtig raus, hier frage ich mich ehrlich, was mir da erzählt werden soll. "kritische Gedankengänge ist halt auch wieder sehr allgemein, das kann alles und nix heißen.

Langsam bahnt sich ein Regentropfen seinen beschwerlichen Weg außerhalb entlang der Scheibe.
Eigentlich ist der Weg eines Regentropfens an einer Scheibe das Gegenteil von beschwerlich, oder? Die Scheibe ist glatt, die Schwerkraft sorgt für den Rest.

Fast schon sicher am Ende der diagonale Angelangt
verdreht: Fast schon sicher am Ende der Diagonale angelangtKomma

In dieser atomaren Reaktion spielgelt sich der Ablauf einer Explosion wieder.
Das sehe ich nicht. Weil der Tropfen vor der Explosion schon längst in der Fuge verschwunden ist.

Gerne würde man länger der sympathischen Stimme der unbekannten Frau aus dem Lautsprecher zuhören
An dem Satz stört mich einfach alles. Welcher "man", wo ist der unrasierte Typ vom Anfang? Wer um Himmels Willen hört "gern" der automatischen Ansage von Bus oder U-Bahnen zu? Das klingt, als wolltest Du mir das Verhalten Deines immer noch ziemlich abwesenden Protagonisten eher recht als schlecht wie in einer Werbung verkaufen.

Ich höre hier mal auf. Mich stört diese unpersönliche Perspektive, obwohl da jemand anwesend, beteiligt sein und das Ganze erleben soll. Funktioniert in meinen Augen nicht, bzw. wirkt auf mich eher wie eine Schreibübung, bei der, abgesehen von den 13 Minuten, noch nicht klar ist, wo der Fokus liegt.
Schön wäre, wenn Du die Person stärker ins Spiel bringen würdest.

Viel Spaß weiter beim Schreiben.

Gruß
Ane

 

Hallo Eduard,
willkommen auf der Wortkriegerseite. Ich stolpere in Deinem Text gleich über den ersten Satz, den ich schrecklich umständlich finde:

Der scharfe Wind verlangt den Kragen des Trenchcoats in aufrechte Position zu begeben
Ist als Charakterisierung nicht relevant, wenn die Problematik der Verschlussschwierigkeit nicht weiter besprochen wird.
der besonders bei Kälte schwierig zu bedienen ist
Überlappend finde ich für einen Schal nicht passend. Das ist auch eine recht technische Vokabel.
Der überlappende Schal
Ist auch unklar, finde ich. Wenn er rasiert ist, ist er ja nicht rau. Ja, er kann ja einen Rasierer auf ein paar Millimeter einstellen. Trotzdem ungelenk.
Rau rasiert
In welchem? Da müsste es meiner Ansicht nach eine Parallele geben, damit die Gleichzeitigkeit des Moments herausgestellt wird. Die sehe ich nicht. Bisher stand er nur da und hat am Reißverschluss rumgeziept, aber auch das ist nicht erzählt, sondern nur als Notwendigkeit angegeben, wenn der Wind bläst.
In diesem Moment
Ist „passiert“ eine lokale Ausdrucksweise? Im Sinn von „passare“? Vielleicht ist „fuhr vorbei“ geläufiger. Ah, Wien! Jetzt hab ich es gelesen.
passiert der Bus der Linie 13a in Richtung Hauptbahnhof
Wüst, kalt, schön: Finde ich zu viele Adjektive, die in der Häufung gegen sich selbst spielen.
wüste Hässlichkeit in das kalte Bild des doch so schönen Wien
gesäht ohne h.
Das ist für eine Geschichte alles unpersönlich geschrieben. Wer sitzt im Bus? Wer erzählt die Fahrt? Ich bin gespannt.
verhilft dem Geist zu einem Tagtraum in die Wirren der Metropole am Bosporus.
Das ebenso. Anlass für Gedankengänge: recht umständlich formuliert. Interessant und abstoßend: Wenn es nicht mehr Raum erhält, ist die Aussage eine reine Hülse.
Viele Geschichten, Abenteuer und Anekdoten machen die pulsierende Stadt so interessant und doch so abstoßend. Die romantischen Bilder dieser Gegend lassen sich nur schwer mit den Berichten aus Politik und Kultur vereinbaren und sind Anlass für kritische Gedankengänge.
Außerhalb ist entbehrlich. Es regnet wohl kaum innen, außer es regnet rein. Ein Regentropfen wird es dann wohl auch nicht sein.
Langsam bahnt sich ein Regentropfen seinen beschwerlichen Weg außerhalb entlang der Scheibe.
Angelangt klein.
Endlich. Jemand ist da. Aber schwupps, schon ist er wieder weg,
Den letzten Zug von meiner Zigarette nehmend betrachte ich

Wenn ich den Text als atmosphärische Studie einer Busfahrt in der Großstadt mit den vielen Eindrücken, Gerüchen und Bildern nehme, könnte das gehen. Es gibt den endlosen Rhythmus der Lichter (ich nehme an, gelbe Augen sind die Rücklichter), es gibt Muster, Repetitionen, Stimmungen. Dazu ist der Text aber sprachlich zu unklar, zu umständlich, zu wenig dicht an der Sache, als dass es funktionieren könnte.
Als Darstellung aus der persönlichen Perspektive geht es erst recht nicht, weil ein persönlicher Betrachter nur kurz aufblinkt, wie ein Phantom und dann wieder verschwindet.
Herzliche Grüße
rieger

 

Hi Eduard,

Der scharfe Wind verlangt den Kragen des Trenchcoats in aufrechte Position zu begeben
Begeben in aufrechte Position kann doch nur der Kragen sich, dass den Kragen einer begeben sollte, erscheint mir falsch.

Insofern ein holpriger Start. Sonst purzeln die Bilder ja ganz lustig. Mir bleibt das allerdings zu beliebig. Das sind alles Sachen, die du mal für eine Geschichte verwenden kannst, da können sie dann sicher auch Atmosphäre schaffen. Aber es ist noch keine. Nicht unmöglich, eine 13-Minuten-Impression von einer Busfahrt plus Wegstrecken zu geben, so dass es sich lohnt, das zu lesen, aber dann muss das origineller sein. Sonst laufe ich lieber selbst 13 Minuten rum und schaue mich um.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
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hey ane,

danke für dein hilfreiche Kritik!

Ich freue mich sehr auf künftige Kritiken und natürlich auch auf deine Texte.

Liebe Grüße,

Edi

Hallo Manilo,

in vielen Punkten hast du mir sehr weitergeholfen. Ich muss wohl noch an meinem Stil arbeiten und ein paar Bücher lesen.

Vielen Dank für dein Kritik und ich reue mich aufs lesen deiner Texte.

Grüße,

edi

 

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