Was ist neu

Aachen '44

Mitglied
Beitritt
10.04.2015
Beiträge
10

Aachen '44

Meine Kindheit endete am 12. September 1944. Die amerikanischen Bodentruppen umkämpften gerade den Aachener Stadtwald. Eine fahle Sonne schien auf die in Trümmern liegende Stadt, Häuserruinen ragten wie bedrohliche Tiere auf, eingehüllt in Rauchschwaden und einen Geruch nach Schutt und nassen Socken. Viele von uns versteckten sich damals in riesigen Bunkern.
Und ich erinnere mich an Frank und Karl, meine Jugendfreunde, damals vierzehn Jahre alt wie ich. Noch immer klingen mir ihre Stimmen in den Ohren.

„Komm mit, Egon, wir gehen beim alten Jansen Zigaretten holen“, rief Karl an jenem Morgen und winkte mir zu, ein Lächeln auf dem bleichen Gesicht, die flachsblonden Haare in alle Richtungen abstehend. „Der will in die Evakuierung, und Frank kommt auch mit!“ „Ich komm schon“, erwiderte ich.
Wir kletterten aus dem Bunker ins Freie. Kein Lufthauch rührte sich und es war angenehm warm.
Der alte Jansen, wie wir Jungs in nannten, versteckte sich damals in einem unzerstörten Haus in der Albertstraße. Wir stiegen über einige Trümmerhaufen in der Nähe des Bunkerausgangs, um auf die einigermaßen freie Blockstraße zu kommen, von wo es nur fünfzehn Minuten Fußweg waren.

Nach ein paar Minuten kamen wir an einem völlig zerbombten Vorgarten vorüber, der Boden wie mit einem Riesenspaten umgegraben, nur ein kleiner Apfelbaum stand wie unwirklich in diesem trostlosen Durcheinander, ein kleiner Garten Eden im Chaos der Apokalypse. „Gu-gu-guckt ma-mal, da hä-hängt sogar noch ein A-Apfel dran, stotterte Frank mir zu.“ Schnell sprang ich über die ausgefranste Hecke, hüpfte über die Bombentrichter und pflückte den in Armhöhe hängenden Apfel, der sich rund und hart anfühlte. Ich wischte ihn an meiner kurzen Lederhose ab, biss hinein, der süße Saft kitzelte mir in der Nase, lief mir übers Kinn. „Wollt ihr?“ Reihum ging der Apfel. „Kommt, gehen wir weiter, nur noch beim Obstladen der alten Greve vorbei, dann sind wir schon in der Albertstraße.“ Lachend schlenderten wir weiter, und dann passierte alles ganz plötzlich: „Halt, ihr verdammten Plünderer.“ Drei Wehrmachtsoldaten, eine Patrouille auf der Suche nach Plünderern, wie ich nach dem Krieg erfahren sollte, rannten um die Ecke und packten uns. „Ihr verdammtes Räuberpack, jetzt geht’s euch an den Kragen“, brüllte der älteste der drei, ein unrasierter Leutnant mit dicken Eiterpusteln im Gesicht, der trotz der Wärme in einen Armeemantel gehüllt war. „Wi-wi-wir ...“, weiter kam Frank nicht, als sein Gesicht unter der Faust des Offiziers explodierte. Ich schlug um mich, brüllte, lief los, fiel, rannte weiter. „Haut ab“, ich drehte mich noch um, aber die beiden Soldaten knieten schon auf meinen Freunden. „Dich kriegen wir auch noch“, schrie mir das Pickelgesicht nach, legte mit seiner Pistole an, doch ich war schon hinter einem Schutthaufen verschwunden.

Hinter einen Stein gekauert sah ich, wie sie meine weinenden Freunde wegschleppten, in das grüne Eckhaus, das mit Granatsplittern verziert war wie die Aknehaut des Leutnants. Die Minuten vergingen, endlos. „Was werden die mit Karl und Frank machen“, hämmerte es mir im Kopf. Eine kleine Schar Neugieriger hatte sich mittlerweile schon versammelt. „Da, endlich kommen sie raus“, dachte ich. Man hatte ihnen die Augen verbunden, Frank rann immer noch Blut aus dem Mundwinkel. „Nein, was haben die vor, das kann doch nicht sein, wir haben doch nichts gemacht“, das Blut pulsierte in meinem Kopf, hämmerte, schlug. „Nein!“ Meine Freunde wurden an die kahle Hauswand gedrückt: „Mama, Mama, ich habe nichts getan. Ich will nicht sterben.“ Karls Schreie verhallten zwecklos in den Ruinen, ein Murmeln fuhr durch die Menge. Keiner rührte sich, keiner tat etwas. Frank hielt sich kaum auf den Beinen, zitternd und stumm. Meine Hände krallten sich ineinander, als wollten sie sich nie wieder von einander trennen; meine weit aufgerissenen Augen wollten nichts sehen, mein Kopf konnte die Szene nicht begreifen. „Wir sind doch noch Kinder“, dröhnte es in meinem Kopf.

„Die erschießen die Jungs doch nicht, die machen nur Spaß“, rief ein dürres, dunkelhaariges Mädchen in der Menge. Kopfschütteln überall.
Langsam stellten sich fünf Soldaten auf, die zwei von vorher und drei, die sich im Eckhaus aufgehalten hatten. Sie hoben ihre Karabiner. Sie legten an. Feuer! Schüsse donnerten. Frank stürzte zu Boden, reglos. Karl fiel ebenfalls, erhob sich noch einmal, taumelte ein paar Schritte, ein neuer Schuss. Immer wieder sehe ich das Bild vor mir: Sein Hinterkopf zerspringt wie ein Kürbiss, Gehirnmasse spritzt an die Wand, zwei ausgeschossene Schneidezähne zeichnen ein trauriges Lächeln in die Luft. Wie in Zeitlupe fällt er auf die Knie, dann auf sein zerschossenes Gesicht; seine auf den Rücken gebundenen Hände zittern noch ein letztes Mal, winken mir wie zum Abschied. Stille. Tränen schossen mir in die Augen, den Mund weit geöffnet drang doch kein Laut aus ihm, ich zitterte. Sauer stieg der Apfelgeschmack in mir auf. „War es das? War der verdammte Apfel an allem Schuld?“, wirre Gedanken drangen in meinen Kopf. Wieder erschien der kleine Garten Eden vor meinem inneren Auge. „Wie konnten sie das tun?“ Ich übergab mich.

General Gerhard Graf von Schwerin, verantwortlich für die Verteidigung der Stadt Aachen und die Erschießung meiner Jugendfreunde, starb hochgeehrt und betagt 1980 in seiner bayerischen Wahlheimat in Rottach Egern. Er wurde nie zur Rechenschaft gezogen.

 

Hallöchen :)

Eigentlich bin ich kein Fan von historischen Geschichten, deine konnte mich aber fesseln. Die Grausamkeiten hast du zwar durchaus drastisch, aber immer noch angemessen beschrieben. Die Message kam rüber, die Bilder sind im Kopf. Der Text gefällt mir als literarisches Produkt (selbstverständlich nicht das, was im Text geschildert wird - von solchen Grausamkeiten liest man natürlich nicht gerne).

Ein paar Kleinigkeiten:

damals vierzehn Jahre alt[Komma] wie ich
Für mein Sprachgefühl, sollte hier ein Komma stehen.
Noch immer klingen mir ihre Stimmen in den Ohren.
'Noch immer klingen ihre Stimmen in meinen Ohren.' klingt, finde ich, eleganter.
wie wir Jungs in nannten
Tippfehler, 'ihn'.
, weiter kam Frank nicht, als sein Gesicht unter der Faust des Offiziers explodierte.
Da hab' ich irgendwie so explodierende Zombieschädel im Kopf, die von Baseballschlägern zermatscht werden. Weiß nicht, ob 'explodieren' hier so ein gutes Wort ist.
Sein Hinterkopf zerspringt wie ein Kürbiss
Kürbis, nicht Kürbiss. Im Plural, wenn ich nicht täusche, wäre es dann mit zwei 's' - 'Kürbisse'.
zwei ausgeschossene Schneidezähne zeichnen ein trauriges Lächeln in die Luft.
Ein schöner Satz, kann's mir aber nicht so richtig vorstellen - die Zähne sind ja so klein und so kurz in der Luft, dass sie schwierig (auch wenn eine Blutspur ihnen folgt) ein wahrnehmbares 'Lächeln in die Luft' zeichnen können.

Dein Stil gefällt mir, lebendig und flüssig. Hab' eigentlich weiter nicht viel auszusetzen :)


Gruß,
Algaliarept.

 

Hallo Eddi Coffin!

Deine Geschichte aus dem Aachen des Jahres 1944 spielt natürlich auf die biblische Erzählung von Adam und Eva, ihrem Sündenfall und ihrer Vertreibung aus dem Paradies im Ersten Buch Mose an.

Zu dieser biblischen Geschichte gehört auch ein strenges Verbot, ausgesprochen von der mächtigsten Instanz, Gott, und eine Todesdrohung für den Fall der Übertretung:

Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten,
aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

Beides, das strenge Verbot und die Todesdrohung, herrschten ja auch in der historischen Situation, in der deine Erzählung spielt: Plünderungen waren von der damals mächtigsten Instanz, dem NS-Regime, mit drakonischen Stafen bedroht, das war damals allgemein bekannt, auch 14-jährigen Halbwüchsigen, von denen einer, Egon, als Apfeldieb in einen fremden Garten eindringt.

Bestraft werden Frank und Karl mit dem Tod, aber auch Egon erhält eine Strafe: Seine Strafe ist die Vertreibung aus dem Paradies, dem Paradies der Kindheit, die von Unbeschwertheit, Konfliktlosigkeit und Harmonie mit seinem eigenen Gewissen geprägt ist. Außerhalb des Paradieses, als Erwachsener, vertrieben aus der kindlichen Unschuld, muss der Mensch in der bösen Welt "im Schweiße seines Angesichts" zurechtkommen, wobei er kein Unschuldsengel bleibt, sondern lernt, was Gut und Böse ist.

Da also auch Egon bestraft wurde, durch die Vertreibung aus dem Kindheitsparadies, worin besteht nun seine Sünde? Was hat er Falsches getan? Auch hier bringt den Interpreten der Blick auf die biblische Geschichte vom Sündenfall, auf den du in deinem Text anspielst, weiter:

Egon ist - in der Rolle Evas - der Verführer: Er ist in den fremden Garten eingedrungen, hat die verbotene Frucht gepflückt und seine beiden Freunde dazu verführt, davon zu kosten und sie dadurch in Todesgefahr gebracht - ich bin 1958 geboren und musste die von dir beschriebene Zeit zum Glück nicht miterleben: Aber es ist wohl unmöglich, solch eine Zeit zu überleben und dabei ein Unschuldsengel, unschuldig wie die Kindlein zu bleiben - für viele Halbwüchsige ging damals wohl die Kindheit zu Ende.

Deiner tiefen Erzählung ist es gelungen, mich in das Jahr 44 zurückzuversetzen.

Grüße
gerthans

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Eddi Coffin,

ich habe Deine andere Geschichte gelesen, aber nicht kommentiert. Im Vergleich dazu, finde ich diese Geschichte deutlich versierter geschrieben, sie lässt sich flüssig lesen.
Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, aber trotz des sehr bedrückenden und erschreckenden Themas konnte mich die Geschichte irgendwie nicht berühren. Obwohl der Erzähler mittendrin ist, erscheint mir das Ganze ziemlich distanziert. Liegt es vielleicht an der berichtartigen Erzählweise, oder daran, dass der Erzähler viel zu viele (überflüssige) Erklärungen abgibt?

Obwohl der Text schon sehr kurz ist, finde ich den ersten Abschnitt fast überflüssig.

Meine Kindheit endete am 12. September 1944.
Das ist schon eine Einleitung, die mir gar nicht gefällt. Ein Hinweis mit der Keule, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird. Das nimmt die ganze Spannung weg.

Ich würde mit dem Satz beginnen:

„Komm mit, Egon, wir gehen beim alten Jansen Zigaretten holen“, rief Karl...
Das zieht den Leser gleich mitten ins Geschehen. Danach könntest Du Teile aus dem ersten Abschnitt dazufügen, den ich sprachlich durchaus gelungen finde. z.B.

Kein Lufthauch rührte sich und es war angenehm warm. Eine fahle Sonne schien auf die in Trümmern liegende Stadt, Häuserruinen ragten wie bedrohliche Tiere auf, eingehüllt in Rauchschwaden und einen Geruch nach Schutt und nassen Socken. Viele von uns versteckten sich damals in riesigen Bunkern. Der alte Jansen, wie wir Jungs in nannten,...

Oder auch hier:
Lachend schlenderten wir weiter, und dann passierte alles ganz plötzlich: „Halt, ihr verdammten Plünderer.“
Warum willst Du den Leser vorwarnen, dass gleich etwas passiert? Das merkt er schon selbst...

Und an vielen Stellen könntest Du spezifischer werden, mehr schreiben:

„Was werden die mit Karl und Frank machen“, hämmerte es mir im Kopf.
Er hat doch bestimmt noch mehr gedacht, z.B., ob er irgendwo Hilfe holen könnte, zu seiner Mutter laufen, Angst um sein eigenes Leben usw.

Tränen schossen mir in die Augen, den Mund weit geöffnet drang doch kein Laut aus ihm, ich zitterte. Sauer stieg der Apfelgeschmack in mir auf. „War es das? War der verdammte Apfel an allem Schuld?“, wirre Gedanken drangen in meinen Kopf. Wieder erschien der kleine Garten Eden vor meinem inneren Auge. „Wie konnten sie das tun?“ Ich übergab mich.
Das sind auch so Schema-F-Standards, hundertmal gehört. Es ist zugegebenermaßen sehr schwierig, Gefühle auszudrücken, die auf so eine unvorstellbare Situation erfolgen.

Als Lektion in dunkler deutscher Geschichte habe ich es gern gelesen, als Kurzgeschichte konnte es mich nicht so überzeugen.

Viele Grüße, Kerkyra

 

Mahlzeit!

Hm, für das Thema ist es tatsächlich ein wenig zu kurz. Eine am Abendtisch erzählte Erinnerung. Gerne wäre ich tiefer in die Charaktere eingetaucht. Beispielsweise die Soldaten ... denen kann man als Schriftsteller - der zwar eine wahre Geschichte erzählt - einen Konflikt per Dialog hineinschreiben, der bspw. eine Ambivalenz zwischen Befehlsausführung und Restgewissen offenlegt. Es gab ja auch die anderen Fälle, bei denen Ortskommandanten oder deren ausführende Schergen Gnade "vor Kriegsrecht" ergehen ließen. Auch die beiden Delinquenten kamen mir zu kurz. Das Schöne am Schriftstellern ist ja, dass man die Lupe ansetzen kann, wo andere sie nicht sehen.

Morphin

 

Lieber Eddie Coffin,
du nimmst hier einen authentischen Fall auf und bleibst, wenn ich es recht nachgeschaut habe, auch sehr nahe an der in den Berichten dargestellten Realität.

Mir gefällt dein Stil und die von dir gewählte nüchterne Darstellungsweise. Ich glaube, Grausamkeiten lassen sich nur so darstellen. Sie sprechen für sich selber. Die Geschichte könnte natürlich noch mehr Tiefe erlangen, wenn du dich – wie Morphin es vorschlägt – stärker in die handelnden Personen hineinversetzen würdest. Aber auch so hat sie mich sehr angesprochen.

Den Vergleich mit der Genesis-Geschichte legst du selber nahe (Apfel, Garten Eden…), inwieweit eine darüber hinausgehende Gleichsetzung, wie gerthans sie sieht, beabsichtigt ist, kann ich nicht sagen.

Ich halte allerdings die Gleichsetzung, die gerthans vornimmt, für eine sehr konstruierte. Die Frage der ‚Schuld’ wird so m.M.n. völlig falsch beantwortet.


gerthans schreibt:

Er (Egon) ist in den fremden Garten eingedrungen, hat die verbotene Frucht gepflückt und seine beiden Freunde dazu verführt, davon zu kosten und sie dadurch in Todesgefahr gebracht


Ist Egon für den Tod der beiden Freunde verantwortlich? Trägt er eine Schuld an ihrem Tod? Hat er sie verführt?

Die Schuld liegt hier nicht bei denjenigen, die versuchen, sich etwas zu essen zu besorgen, sondern bei den Strafenden. Um die Kapitulation hinauszuzögern oder zu verhindern, griffen die offiziell Handelnden (hier der General von Schwerin) zu drakonischen Maßnahmen. Menschen wurden ohne Sinn und Verstand geopfert. Der Amoklauf des Regimes hatte begonnen.

Deine Geschichte macht dies am sinnlosen Tod der beiden Jungen sehr deutlich.

Freundliche Grüße
barnhelm

 

Euch allen erst einmal vielen Dank für die Kommentare. Teilweise wurden die fehlenden Einblicke in die Nebenfiguren bemängelt oder vermisst, ich hätte das aber als einen Fehler angesehen. Es handelt sich um eine Kurzgeschichte, nicht um eine Erzählung oder einen Roman. Wer auf zweieinhalb DinA4-Seiten einen vollständigen Abriss der deutschen Kriegsgeschichte erwartet hat, musste natürlich enttäuscht werden ;0)

Eine Kurzgeschichte sollte meines Erachtens nach ein Schlaglicht auf etwas werfen, eine Hauptfigur entwickeln und auf einen Plot zusteuern (natürlich nur, wenn es eine Plot-Story ist, klar. Hemmingway als Vertreter des Zero-Endings lässt sich so natürlich nicht verstehen). Ein Vergleich mit der Malerei: eine zweiminütige Akt-Skizze darf nicht mit einer zweistündigen Aktstudie verwechselt werden. Geht es um eine Bewegung, werden wir mehr Freude an einer raschen Skizze haben, wollen wir aber eine perfekte Hautstudie entwerfen wie Lucien Freud in seinen Bildern, benötigen wir etwas mehr Zeit (und Farbe).

Die von mir vorgestellte Geschichte hat drei Mütter (oder Väter): eine kurze wahre Begebenheit aus dem zweiten Weltkrieg (offen gestanden, der unwichtigste Teil des Ganzen), einen sündenbelasteten Apfel und ein lyrisch aus zerschossenen Zähnen gemaltes Lächeln. Das ist auch das, was mich an Kurzgeschichten schreiben bzw. lesen so fasziniert: Ein Mann, der sich nach einer Schnur bückt, reichte Guy de Maupassant für eine ganze Erzählung. Ein nichtiger Anlass und schon kommt eine Geschichte in Gang. Bei meiner Geschichte stört mich jetzt vor allem der Titel. Der Apfel, wäre vielleicht besser gewesen. Die ganze Rahmenhandlung hätte auch zu einer ganz anderen Zeit oder Welt spielen können. (Bei der Erschiessungsszene muss ich übrigens immer an ein Bild von Goya denken, wo das französische Erschiessungskommando als geordnete, anonyme Maschinerie des Todes dargestellt wird. Wie gesagt, in die Köpfe der Soldaten zu blicken, hätte den ganzen Erzählfluss ausufern lassen und zu einer einer ganz anderen Geschichte geführt.)

Jemand schreibt, dass ihn die Geschichte nicht berührt habe... Meine Antwort: Wer sagt denn, dass ich jemanden berühren wollte? Ich glaube, dass die Geschichte verschiedene Lesarten hat, und selber finde ich an der Geschichte das Lyrische und Archetypische interessant. Wie schon oben so schön von jemandem beschrieben (entschuldigt bitte alle meine unpersönlichen Kommentare, wenn ich jetzt die ganzen Namen noch suchen müsste...) kann da ein biblisches Gleichnis draus gemacht werden. Für mich, wie schon gesagt, war das Visuelle sehr interessant (bin selber auch Maler, daher kommt das wohl). Die Aknehaut des Offiziers mit ihrem Pendant im durchlöcherten Gebäude, der Apfelbaum, der zerbombte Garten, der Geschmack des Apfels, der Angst und der Hilflosigkeit (ok, kein Bild) usw. Dieses apokalyptische Bild, ein Gleichnis des menschlichen Lebens an sich.
OK, das soll nun mal reichen, bevor noch jemand vor lauter Tiefsinn zum Brechtütchen greifen muss...

;0)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom