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Alarm in Lüdenscheid

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07.08.2002
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Alarm in Lüdenscheid

Damals…da war ich ganz oben.
Einmal wollte auch ich die magische Marke knacken, mich einreihen bei denen, die es konnten, es allen zeigen.
Der so verlockende rote Briefumschlag, der neben Titel und Autor anzeigte, daß es sich um einen Meister der Feder handelte, den begehrte ich so sehr. Er verrät mein Talent, zeichnet mich als Künstler aus. Wer fünfundzwanzig Antworten auf seine Story einheimste, der war dabei! Im Club der großen Literaten. Durfte Ruhm und Anerkennung genießen und sich freuen, fortan als Lichtgestalt der Prosa verehrt zu werden.

Nur, wie sollte ich es anstellen?
Bisher war meine Kunst verkannt worden! Zweifellos ein Defizit im intellektuellen Bereich meiner Konkurrenten.
Zwei lächerliche Antworten, eine davon auch noch selbst geschrieben, als Antwort auf eine Antwort. Nun, das ist egal. Antworten auf Antworten zählen auch.
Ich überlegte: „Wenn ich meine Antwort korrigiere, dann gilt es als Antwort, schon wären es drei!“
Nein, das wäre zu auffällig, viel zu verdächtig, außerdem hätte ich noch dreiundzwanzigmal meine Antwort korrigieren müssen!

Eine Woche später….

Punkt und fertig.
Ich war soweit. Das wird ein Renner. Es war gar nicht schwierig.
Da meinen Beiträgen nicht die Aufmerksamkeit zukam, die ihnen zustand, zögerte ich nicht eine Kurzgeschichte eines renomierten somalischen Autors ein wenig umzuformen. Es war eine Notwendigkeit, um die Welt von meinen Künsten zu überzeugen. Der Zweck heiligt die Mittel.
Leider gehörte Somali nicht zu den Sprachen, die ich beherrschte und so beauftragte ich einen afrikanischen Studenten, für zwei Euro die Stunde, mit der Übersetzung dieses Dramas.
Die Geschichte war sehr interessant.

Der Sohn eines Großgrundbesitzers sollte die Tochter eines Bankdirektors aus Mogadischu ehelichen.
Die Tochter allerdings verliebte sich in einen Zeitungsjungen. Der Großgrundbesitzer erschoss den Zeitungsjungen und wurde freigesprochen. Der Vater des Zeitungsjungen erstach den Großgrundbesitzer und wurde für schuldig befunden.

Ich verlegte diese hübsche Story nach Lüdenscheid. Der Großgrundbesitzer trat in meiner Geschichte als Molkereibesitzer auf, der Bankdirektor war Förster und der Zeitungsjunge wurde gegen den Ergotherapeuten getauscht.
Ich nannte meinen Beitrag:

„Alarm in Lüdenscheid“

Finster blickte der Molkereibesitzer drein, ganz finster.
Sein Revolver war in seiner rechten Manteltasche. Er ging durch die Straßen von Lüdenscheid.
Er blieb stehen und klingelte an einer Wohnungstür, vorher ging er noch durch die Haustür.
Eine Person öffnete die Tür, der Ergotherapeut.
„Sind sie der Ergotherapeut?“
„Ja, ich bin der Ergotherapeut.“
Angst war zu lesen in den Augen des Therapeuten, dessen Leben jetzt ausgelöscht werden sollte.
Der Obermilchmann zögerte nicht lange, zog seinen Revolver und erschoss den Ergotherapeuten.
Das Blut lief aus Augen, Ohren und Nase. Es war ein grässlicher Anblick. Zum Fürchten war das.
Er wurde ertappt.
Bei der Polizei gab er alles zu, denn sein Plan war nicht gut
Der Molkereibesizter wurde aber freigesprochen, weil er sehr gute Verbindungen hatte.
Das Geschehen war in allen Zeitungen zu lesen. Es war ein Skandal.
Der Vater des Ergotherapeuten war sehr erbost.
Vor Kummer und Schmerz über seinen verlorenen Ergotherapeuten besorgte er sich ein Messer.
Er war sehr pfiffig.
Käme die Polizei darauf, daß der Förster nicht das Gewehr nimmt? Er wusste, daß er einen Fehler begeht, doch er mußte tun, was ein Mann tun muß. Ihm war alles egal.
Mit finsterer Miene blickte auch der Vater in die Augen des Molkereibesitzers.
Er stach ihm das Messer mitten in das Herz. Das Blut lief aus der Brust.
Kein schöner Anblick.
Auch er wurde von der Polizei gefasst, er wurde gesehen wie der das tat.
So wurde aus einer geplanten Hochzeit ein Drama.
Sehr bitter.


Tja…..so einfach ist das. Ich stellte meinen afrikanischen Bestseller ins Netz und wartete.

Drei Tage später

Antworten: Null


Ich mochte meinen Augen kaum trauen.
Hatte hier denn überhaupt niemand Ahnung?
Ich vermutete Betrug. Hier wurde offensichtlich gemauschelt, zugeschoben und manipuliert.
Nungut. Es ging auch anders.
Ich schaute mir die Beiträge der überflüssigen Autoren an.

„Drei gingen vorbei als die Linsen überkochten“
Autor: Lederstrumpf
Dieses junge Talent teilte mein Schicksal.
Im Gegensatz zu mir hatte er es aber verdient.


„Lieber Lederstrumpf,

wunderbar benutzt Du die Linsen als Metapher für Ängste, die in Dir hochsteigen, Aggressionen, die nicht mehr zu steuern sind. Du schreibst mir von der Seele, ich hoffe in nächster Zeit noch mehr von Dir zu hören.“

Archetyp


Die Geschichte war der letzte Scheiß, wirklich peinlich, ich glaube ich hätte sie ihm um die Ohren gehauen, wenn er es gewagt hätte, mich damit zu belästigen.


Stunden später.

„Danke Arche, eigentlich wollte ich was ganz anderes ausdrücken, trotzdem, viel Glück noch!“

Tja, Arche hat ihm anscheinend auch noch Zugang zu seinen Emotionen verschafft. Na hab´ ich ja auch noch was gutes getan. Das Allerwichtigste war, daß er nicht nur geantwortet hatte, sondern sich auch noch meine Story, quasi als Verbundenheit, durchlas. Darauf hatte ich spekuliert. Ich erhoffte mir als Dankeschön eine weitere Antwort auf meinen Beitrag. Was er dann von sich gab, das interessierte mich wirklich nicht. Antwort ist Antwort.
Mehr als fünfundzwanzig Antworten und ich wäre der King im Ring.
Selbstverständlich meldete ich mich wiederum auf seinen Kommentar und katapultierte mich auf zwei "Replys“. Natürlich reichte es noch nicht. Also zollte ich allen Geschichten Respekt, für die sich kein Schwanz interessierte.
Kümmerte mich um all die armen Schweine und deren "Null-Antworten-Geschreibsel" Es waren durchweg Katastrophen.

„Hinter der grünen Tür“
„Mein Hund und der Panzer“
„Als ich im Elbsandsteingebirge war…“ und „Der Odenwald im Februar“ von Pusteblume

Diese Autorin war schlichtweg unfähig und faselte irgendetwas von Licht, Sonnenstrahlen, Bächen die rauschen und ….also irgend einen Scheiß, jedenfalls.

Auch der Naturfritze bekam eine Laudatio.


Liebe Pusteblume,

Ich habe geweint, geweint vor Glück. Geweint, weil ich Deine Beschreibungen lesen durfte.
Ach, wie herrlich beschreibst Du längst vergessene Landschaften. Du bist in der Lage mich träumen zu lassen. Du versetzt mich in eine Welt, die mich glücklich macht, mir meine Zufriedenheit wiedergibt, mich leben, mich hoffen lässt.

Dein Archetyp


Meiner guten Erziehung und grenzenlosen Toleranz hatte das Mädel es zu verdanken, daß ich ihr nicht empfahl, den Kochtopf dem Schreibstift vorzuziehen.
Schließlich kritzeln wir hier keine Schulhefte voll!

Ich habe mir fast vor Lachen in die Hose gemacht, als ich ihr diesen Mist präsentierte.
Sie antwortete und bedankte sich gleichzeitig artig, indem sie meinem Bestseller die Ehre erwies. Ich antwortete und so summierte sich die Anzahl der Rückmeldungen.
Das klappte natürlich nicht jedesmal, doch hatte ich nach drei Wochen zwölf Antworten zusammen.
Ich befürchtete aber trotzdem, daß meine....sagen wir einmal..., "Psychospielchen zur Rettung des deutschen Schriftstellertums" auffallen würden und versuchte vorzubeugen.

Ich lief zur Bank, hob meine restlichen dreitausend Euro ab und kaufte mir drei Rechner.
Noch Fragen?
Also, ich meldete mich unter drei verschiedenen Namen an, um an die von mir so hoch geschätzte Trophäe zu gelangen.
Ich legte mir drei weitere Pseudonyme zu und los ging´s.


Lieber Archetyp,

kannst Du mich in die Kunst des Schreibens einweisen?

Dein C. G. Jung

Hallo Arche,

tolle Geschichte, ich hoffe Du machst weiter und lässt mein Herz, beim lesen Deiner Zeilen weiter hüpfen

Der Schatten


Mein Freund Arche,

eine sehr gelungene Geschichte. (Mein Onkel wohnt in Lüdenscheid)

Mr. Unbewusst


Natürlich durfte ich meinen drei Kollegen nicht vergessen zu danken. Außerdem machten sie Stimmung für mich, indem sie mein Werk weiterempfahlen.

Nach einem Monat kam ich auf fünfundzwanzig Antworten.
Meine Story verschwand nie von der ersten Seite, aber mit der Zeit wurde es knapp. Sie fiel immer weiter in den Keller, bald würde sie auf der zweiten Seite, also nicht mehr sofort sichtbar, auftauchen. Ich machte mir ernsthaft Sorgen, ob ich die „Mehr als 25-Antworten-Marke knacken konnte.
Eine brauchte ich noch.
Es tat sich absolut nichts mehr.
Wochenlang keine Antwort. Ich wurde ignoriert.
Der verflixte rote Briefumschlag grinste mich blöde an, immer aus der falschen Perspektive.
Ich wachte nachts auf, konnte nicht mehr schlafen, rannte zum Rechner, drückte ein paar Tasten.
„Scheiße“
Nur noch eine einzige Antwort!!
Ich aß immer weniger, mochte nicht mehr zur Uni gehen. Ich kapselte mich völlig ab.
Hat sich denn die ganz Welt gegen mich verschworen?
Irgendwann, als meine Geschichte auf dem allerletzten Platz der ersten Seite stand, hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste handeln, wollte ich meine Gesundheit nicht gefährden.
Ich tat es.

Ich drückte“Antworten“

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei Alpha, klar willst du ne Antwort.;)

Und ich denke, dass deine Antwort eine ehrliche Antwort, als Antwort verträgt. Die Beantwortung deiner Antwort unterliegt meiner Verantwortung...was soll ich sagen! Ich kann es verantworten.
Eine Antwort ist eben eine ganz natürliche Reaktion... eine ganz normale Reiz-Reaktionsverbindung!
Da musst du dich doch nicht vor fürchten;)

Liebe grüsse Stefan

Hei Susi!

Anmerkung: Wochen später!

Das war ein ziemlich quatschiger, hirnloser Beitrag von mir!

 

Ähm, 82 Beiträge! Herzlichen Glückwunsch, Archetyp...

 

Ich finde die geschichte gut.
hab mir die fehler nicht reingezogen die andere endeckt haben, aber ich habs so verstanden wie es gehört. ich fand es einfach witzig :D

werd ein auge auf deine storys haben!

+ I Beitrag ;)

 

Ich finde die geschichte gut.
hab mir die fehler nicht reingezogen die andere endeckt haben, aber ich habs so verstanden wie es gehört. ich fand es einfach witzig :D

werd ein auge auf deine storys haben!
:stoned:

ps: ich liebe diese smilies

 

Als Weihnachtsgeschenk für "25 Antworten ..." schweben mir im Moment 100 (hundert) Antworten vor, also los! Auf! Mädelz un Jungz! An die Arbeit! Wäre doch gelacht! Die Geschichte hätte es verdient! Und dann singen wir alle "Oh du Fröhlichehe"

Grüße von Emma

 

hei vita, danke!
hei teknocius, schön, dass du es witzig fandest, danke.
die meisten fehler sind übrigens draussen

hei emma, ich weiss, dass du auf diese story stehtst, ich hab sie dir ja schon geschenkt, ne wa?

vielen dank und frohe weihnachten, allen!

stefan

 

Hi Arche,

nette Satire. Kann man nicht anders sagen. Du triffst das Hin- und Hergeschreibe auf dieser Seite wirklich vortrefflich und jeder, der hier schon etwas veröffentlicht hat, erkennt sich mehr oder minder in deinen Zeilen wieder.

Einziges Manko: Deine Geschichte erhält ihren Unterhaltungsgrad einzig über diese Seite. Einem Unbeteiligten würde sie nichts sagen, da er vermutlich nicht einmal mit dem roten Briefumschlag (und damit dem Sinn der Geschichte) etwas anfangen könnte.

Da ich allerdings nicht dazu gehöre, habe ich mich köstlich amüsiert! :D

Gruß, Zensur

 

hallo zensur, na sag mal wo hast du die story denn ausgegraben, dass interessiert mich.
Ich war ja richtig verzückt meinen bestseller wieder hier zu sehen.
Du hast völlig recht, ich erwische kein breites Publikum. So ist es eine Satire, nur in diesem Kontext hier.
Schön, dass du es lustig fandest.

stefan

 

Hi Arche,

Die Auflösung des Rätsels: War im Chat und redete grade mit jemandem (ich glaube sim wars) über die stasihafte Überwachungsmöglichkeit bei "Who is online" und meinte das sollte man bei kg.de doch mal durch eine Kurzgeschichte anprangern (natürlich eher lustig gemeint). Da erfuhr ich, dass diese Seite schonmal Thema war... Tja und da ich neugierig bin, hab ich mir die Geschichte dann auch mal angeschaut!

Gruß, Zensur

 

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