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Alexander
ALEXANDER
Siwa, die Wüste am Rande der Welt. Ihre Ausdehnung? Millionen Mal weiter als das Auge reicht. Die wütendsten und verheerendsten Stürme fegen über sie hinweg und keine Oase hat je dieses Land gesehen. Wer sich also einmal in ihr verirrt, der kehrt nie wieder lebendig zurück.
Und nun reitet dort dieser Mann mit festem Blick, die Zügel seines Kamels fest in der Hand. Er lässt die Sonne in seinem Rücken. Luftig weht das weiße Gewand würdevoll um seinen Körper. Was macht er in dieser todbringenden Einöde? Wo liegt sein Ziel? Sein Gesicht ist fast gänzlich verhüllt. Dunkle Augen betrachten den roten Sand und den strahlend blauen Himmel. Der Fremde lauscht dem trügerischen Frieden. Ein glänzender Säbel baumelt an der Seite seines Tieres herunter.
Auf dem Griff prangt ein Wappen, ein roter Schild in einfacher Form mit einem schreitenden goldenen Löwe darauf. Dieser Mann scheint ein Krieger zu sein. Seine Haltung ist stolz, irgendwie auch trotzig. Es ist die Haltung eines Anführers. Doch wo ist sein Gefolge?
Das Kamel hinterlässt Spuren die, kaum sind sie entstanden, schon wieder verschwinden.
Es gibt keinen Weg zurück für sie. Nur diese trockene Einöde, die sie umringt.
Stunden, Tage vergehen. Das Wasser des Reiters neigt sich dem Ende zu. Der letzte Tropfen befeuchtet seine Zunge und läuft seine Kehle hinab. Die Zeit vergeht.
Er lässt die Zügel los und sackt dann und wann ein wenig zusammen. Seine Kräfte verlassen ihn, sein Blick bleibt stark. Vor ihm liegt nur Sand und er ist umgeben von Hitze und Einsamkeit.
Kurz vor Beginn der nächsten Nacht hebt der Wind den Sand und lässt ihn schweben, lässt ihn drehen, lässt ihn wirbeln. Und aus dem Sturm tritt eine Frau, nackt, der Sand formt flüchtig ein Gewand. Ist sie real? Der Wind flüstert ihren Namen, kündigt sie königlich an: Salasa.
Die beiden blicken sich an. Wortlos reicht sie ihm die blasse Hand. Aus dem Sturm ihrer Schleppe dringt Musik von tausend klaren Stimmen, die aus ihrer Seele singen.
Der Mann regt sich nicht. Irgendwann dreht er sich wieder nach vorne und reitet voran.
Der Sturm folgt.
Der Krieger überwindet Düne für Düne. Eiskalt ist die Luft in der Nacht. Sie lässt sicher Muskeln versteifen und Körper gefrieren. Doch sein starkes Herz gibt nicht auf. Es schlägt und es kämpft.
Die Sonne geht auf, strahlt sanft den Reiter an, doch dann wird sie zur Hitze, und macht ihm das Atmen schwer. Er keucht und schwitzt.
Von Zeit zu Zeit zeigt der Fremde sein Gesicht, wohl weil der Wind ihm Frische verspricht.
Dann fährt seine Zunge, gierig nach Wasser, über rissige, trockene Lippen. Manchmal verdreht er leicht die Augen, kneift sie zusammen und reißt sie weit auf, so als ob er nicht auf das vertraut, was er sieht.
Die singenden Seelen erheben ihre Stimmen, werden lauter, werden eindringlicher. Sie rufen nun seinen Namen: Alexander.
Seine Augen werden schwach, denn sie schließen sich von Zeit zu Zeit und dann sinkt der fremde Krieger geschlagen in sich zusammen. Sein Kamel bleibt stehen.
Aus dem Sturm tritt anmutig die Frau. Sie betrachtet neugierig den schlafenden Mann. Ihre blasse Hand greift seinen Arm. Wie Milliarden kleiner Ameisen kriecht der Sand an ihm entlang, bedeckt seinen Körper, schwebt um ihn herum und hebt ihn empor.
Majestätisch steht Salasa dort, hebt ihren anderen Arm und befiehlt scheinbar stumm der Wüste,
denn wenige hundert Meter entfernt beginnt der Boden zu beben und er gebärt eine riesige Pyramide.
Zu deren Eingang trägt der Sand den bewusstlosen Mann.
Auf kaltem schattigen Boden wird er gebettet wie ein Toter. Und auf ein Wort von ihr erscheinen grüne Pflanzen aus den Wänden, die sich um die Steine ranken. Wasser fließt an ihnen entlang und leichter Nieselregen tröpfelt auf das ausgezehrte männliche Gesicht, befreit es von Schmutz, von Trockenheit, von der grauen Blässe des drohenden Todes.
Stunden später wacht er an diesem wunderlichen Ort auf. Er geht zum Eingang der Pyramide und schaut hinaus. In der Ferne wütet ein Sturm in dessen Zentrum Alexander das Antlitz eines Engels erblickt und an dessen Seite reitet ein Skelettkrieger auf einem toten Kamel. Der Krieger reckt einen glänzenden Säbel gen Himmel und aus seiner nicht vorhandenen Kehle dringt ein langgezogener Kriegsschrei, den der brausende Wind mitsamt den noch immer singenden Stimmen zur Pyramide trägt. Diesmal klingt ein anderer Name in der Luft: Mekkemet.
Entsetzt reißt Alexander seine Augen auf. Er tritt aus dem Schatten der Pyramide heraus. Sonnenstrahlen treffen seine Haut und lösen sie langsam auf. Sand rinnt zu Boden, gesellt sich zu Sand. Die Pyramide verschwindet und in der Ferne reitet der Beschützer neben seiner Königin.