Was ist neu

Am Fluss

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23.06.2021
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Anmerkungen zum Text

Veröffentlicht für die Challenge "Sandige Betten".

Am Fluss

Die engen Grenzen der Stadt liegen hinter mir und fühle mich frei, wie schon lange nicht mehr. Als würde ich mit der Stadt auch die alten Fesseln hinter mir lassen.

Vor mir die Uferstraße wirkt wie eine schlängelnde Verheißung. In zehn Minuten werde ich da sein, wenn die Wegbeschreibung stimmt. Nur noch zehn Minuten, denke ich. Niemand ist hier, der mich ausbremsen kann und ich beschleunige meinen Wagen.

Durch das offene Seitenfenster strömt kühle Abendluft ins Auto und ich lasse meinen Ellenbogen nach draußen ragen. Wie ein Teenie. Über dem Neckar bildet sich feiner Nebel und verzaubert die Aussicht. Die seltsame Freiheit der Gefühle ist neu für mich und verblüffend. Kein schlechtes Gewissen, nichts.

Im Autoradio singen Foolsgarden: And all that I can see is just another lemon tree. And I wonder, wonder. Ich muss lächeln. Die Frucht am Baum der Erkenntnis war weder Apfel noch Zitrone. Sie war ein Zeichen der Auflehnung. »Du sollst nicht singen!«, haben mir die Ältesten immer wieder eingetrichtert. »Musik verführt zu Übermut.« Heute lasse ich mich verführen. »I wonder how, I wonder why? Yesterday you told me 'bout the blue, blue sky«, singe ich schief und so laut ich kann. »And all that I can see, ist just a yellow lemon tree.« Vom Beifahrersitz greife ich den mitgebrachten Apfel. Das Fruchtfleisch ist fest und die leichte Säure prickelt auf den Lippen, als ich hineinbeiße. So schmeckt Freiheit. Ich kann mir das Grinsen nicht mehr verkneifen und ich will auch nicht.

Nach der übernächsten Kurve sehe ich den Wegweiser. Ich bremse ab und biege langsam in den kleinen Kiesweg ein, hinunter zum Campingplatz in den Auen. Eine Wiese am Fluss mit verlassenen Wohnwagen und alten Sanitäranlagen. Heute ist alles groß, alles schön. So müssen sich Drogen anfühlen. Hinter den Hügeln zeigen die Abendwolken ihr letztes Orange und direkt am Fluss steht ihr dunkelroter Espace. Mein Herz pocht und ich halte den Atem an. Ist das hier nur ein Traum? Aber nichts passiert. Also steige ich aus, schließe meinen Kombi ab und gehe zur Wiese. Wann bin ich zum letzten Mal so federnd gelaufen?

Neben dem Van flackert ein Lagerfeuer mit einem kleinen Kessel. Ich rieche das brennende Holz und eine Ahnung von Hühnersuppe. Und sehe Michelle. Sie beugt sich vor zum Kessel und für einen Moment bleibe ich stehen. In mir singen Schandmaul: Hätt‘ ich einen Pinsel, zu malen dein Antlitz ... Die Art, wie Michelle die Haare hinter ihr Ohr klemmt, die Fülle roter Locken, die über ihre Schulter hängen, die weiche Linie ihres Rückens, die konzentrierte Leichtigkeit ihrer Bewegungen … ich sauge ihren Anblick in mich auf. Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von Dir. Jeder Lufthauch erzählt mir von Dir. Jeder Atemzug, jeder Blick … trägt Deinen Namen weit mit sich mit. Ich spüre die Sehnsucht wie ein Vibrieren im Bauch.

Jetzt dreht sie sich um. Sieht mich, springt auf und kommt mir entgegen. Ihr Lachen, ihre Stimme … »Schön, dass du da bist«, sagt sie und umarmt mich voll Wärme und Nähe. Wie sie mich fest hält. Das Vibrieren breitet sich weiter in mir aus. »Ja«, sage ich nur. Alle anderen Worte verschwinden in innerem Aufruhr.

Die frommen Mitglieder meiner Gemeinde würden verteufeln, was ich tue. »Du sollst nicht ehebrechen«, würden sie mir vorhalten. »Denn solches ist dem HERRN ein Gräuel.« Beinahe höre ich die raue Stimme des Ältesten. Und doch wird sie leiser und leiser. Jahre voller Gottesdienste, Bibelstunden, Bußübungen, Nächte voller Gebete verblassen in diesem Moment und ich weiß nicht, warum. Aber noch nie habe mich so lebendig und frei gefühlt, so glücklich.

»Heute bleiben wir brav, oder?«, fragt sie.

»Ich weiß es nicht,« sage ich, ohne nachzudenken. Lasse meine meine Hände über ihren Rücken nach unten gleiten und ehe ich richtig merke, was passiert, halte ich ihren Hintern in den Händen. Ihre Haut ist kühl und glatt und ich spüre, wie sie sich an mich schmiegt und leise seufzt. Dieses gehauchte Seufzen ist das erotischste Geräusch, dass ich je gehört habe und ich schmelze in ihre Umarmung hinein, vergesse alles, was früher war. Ich weiß nicht mehr wo sie anfängt und ich aufhöre.

Sie küsst mich und meine Lippen prickeln noch intensiver, als vorher. Dann spüre ich ihre Zunge. Sanft, zurückhaltend und ... fragend? Wurde ich je so sinnlich geküsst? Ihre Haare riechen nach Shampoo, Lagerfeuer und nach ihr selbst. Ich möchte mich in Ihr verlieren, schmiege mich an sie und jetzt wandert die Sehnsucht auch in mein Becken. Sie spürt wohl, was da passiert, denn sie lässt wieder dieses Seufzen hören. »Ist das für mich?«, fragt sie und wir müssen lachen.

»Komm mit!«, sagt sie und zeigt zum Feuer. »Ich hab‘ uns Suppe gemacht.«

Wir sitzen eng nebeneinander und essen aus einem Teller. Die Suppe ist heiß und wir pusten uns Löffel für Löffel kühl. Und küssen uns. So vertraut und so aufregend. Ich esse mit links, halte sie mit dem rechten Arm. Nie wieder loslassen. Es fühlt sich gut an und so richtig. Sie lehnt sich an mich und ich bin dankbar für den Baumstamm, auf dem wir so dicht bei einander sitzen.

Nach dem Essen schlendern wir zum Ufer. Der Neckar fließt langsam und wieder zieht Nebel über den Fluss. Um uns herum ist es still bis auf die Wellen. Hier ist niemand außer uns. Als wären wir für einen kostbaren Moment aus der Alltagswelt gefallen. Michelle dreht sich zu mir. Schweigend, als wolle sie die Stille nicht stören. Kann man hingebungsvoll stehen? Sie ist offen, wie eine Einladung. Ich küsse sie wieder. Erst auf die Lippen, dann am Hals. Und kann mich nicht mehr bremsen. Ich streife ihr Sweatshirt nach oben. Darunter trägt sie nichts. Im Halbdunkel sehe ich ihre weiße Haut, als würde sie leuchten. So glatt, so weich. Mit den Händen streiche ich über ihre Taille nach oben, berühre mit den Daumen vorsichtig die weiche Rundung ihre Brüste. Wieder seufzt sie. Leise, von tief innen.

»Komm!«, sagt sie und zieht mich mit zum Van. Sie öffnet die Klappe und wir klettern nach innen, ohne uns richtig voneinander lösen zu können. Dann schiebt sie den Schlafsack zur Seite und zieht mich an sich. Wieder streife ich ihr Sweatshirt nach oben und dieses Mal zieht sie es über den Kopf. Die Bewegung ist leicht und unfassbar schön. Ich habe keine Worte dafür. Statt dessen küsse ich wieder ihren Hals und sie lässt ihren Kopf sinken, hingebungsvoll und offen.

Und irgendwo in mir singen Foolsgarden: And I wonder, wonder …

 

Oh, das ist ja eine noch schönere Geschichte, als die Gravitation. Eine Fortsetzung? Wieder ein Schwimmer?

So viel Melancholie und Schönheit. Zum Heulen.

Ich glaube nicht, dass ich so etwas je hinbekommen werde.

Liebe Grüße
Gerald (GG)

 

Huhu lieber @C. Gerald Gerdsen ,
da bin ich jetzt sehr spät dran, hjabe aber deinen Text sehr gern gelesen. Bin auch mal durch die Kommentare spaziert, sehr interessant und es scheint da ja auch viel in deinen Text eingeflossen zu sein.
Mir persönlich reicht der Minikonflikt am Anfang, dass der Protagonist sich freimacht von seinem Kongress, aber hauptsächlich von seiner Religion, um Michelle zu begegnen. Ich kaufe ihm das jetzt auch einmal so ab, dass in dieser Kostellation die Geschädigte des Ehebruchs nicht die Frau ist, sondern die Gemeinde. Dieses Gefühl von Befreiung durchströmt letztlich den ganzen Text. Da hat es mich nur überrascht und eigentlich irritiert, dass er sich an ihre früheren Begegnungen erinnert. Haben die beiden schon länger eine Affäre? Oder hatten sie ganz früher mal eine? Dann wäre ich als Leserin doch gern bei der ersten Begegnung dabei!
Wie gesagt gefällt mir, dass die Geschichte diese Leichtigkeit hat und wenig Konflikt. Natürlich gibt es die Möglichkeit, sei es den spirituellen Konflikt auszuweiten oder die Sorge, erkannt zu werden - vielleicht ist er der Obermufti seiner Sonderkirche und ihm ist jemand gefolgt etc. Aber das würde von der schönen und leichten Begegnung, die du jetzt hast, erst einmal nur wegführen.
Korrekturen habe ich keine, außer m.E. hineinbeißen (in den Apfel) in einem Wort.
LG
Placidus

 

Liebe @anschi,

danke, dass du hier bei meinem Text vorbeischaust.

der gute Dante meint bestimmt nicht die Nummer über die "Gravitation" (die wurde ja auch nicht empfohlen), sondern "Wie auf eine Insel".
Ja, das habe ich inzwischen auch verstanden. Das ist ja auch ein wundervoller Text. Hätte auch hier in die Challenge gepasst. ;)

Ich geb den Vorkommentatoren recht - statt uns umständlich zu erklären, wo man wie Auto fährt und einen Apfel verzehrt, wär's doch viel interessanter, zu erfahren, was der Ich-Protz denn so Begehrenswertes an sich hätte, dass ihm eine rothaarige Schöne im nebligen Dämmerlicht drunten am Fluss eine Suppe wärmt.
Wie man es wohl anstellt, die Hühnersupp' mit einem Mädel im Arm "am Feuer sitzend" so zu löffeln, dass man nicht alles vollkleckert (ein artistisches Kunststück!)? Was, um alles in der Welt, sollte an dem Neutäufer-Ich so anziehend sein, dass man es gleich nach der Suppe mit auf die Camping-Liege nimmt?
Ja, die Frage habe ich mir selbst gestellt. Die Oxytocin-Vergiftung des Gehirns, die wir Verliebtheit nennen ist mir bis heute ein Rätsel.

Und das mit der Suppe funktioniert. Kleckern nicht ausgeschlossen.

Nichts gegen Sexg'schichterln, aber sogar Vorspiele hätten einen literarischen Anspruch. Wir wollen mit Dingen konfrontiert werden, die wir noch nie gesehen, nie gehört und uns noch nie vorgestellt haben. Fade Referate, Autofahrten zu einem Stelldichein, Apfelmetaphern, Hühnersuppen, Lagerfeuer und Camping-Mobile eo ipso kennen wir doch schon seit unserer Jugend zur Genüge.
Dabei war ich schon stolz auf "Lemon Tree" und die Apfel-Metapher, zumal der Protagonist ja selbstironisch darauf Bezug nimmt. Der Teil ist übrigens nicht autobiographisch.

äb's denn da nichts Besonderes? Denk mal ein bisschen nach, lieber Gerald - Du willst es ja tatsächlich miterlebt haben. War denn da wirklich nur die Hühnersupp', vor der beiderseitigen Sinnlichkeit? Nichts gegen Suppen - eine gute Hühnersuppe kann Tote erwecken. Aber im Hinblick auf das dürftige Ambiente vor Ort wird es sich wohl um eine Dosensuppe gehandelt haben. Oder gar eine aus dem Beutel?
s.o. ... muss wohl eine Menge Verliebtheit im Spiel gewesen sein. Ich habe versucht, dieses Gefühl (mit ein wenig schriftstellerischer Freiheit) in Wort zu fassen, das scheint aber eher misslungen, wenn ich die Rückmeldungen so höre.

Das wäre übrigens gar nicht schlimm - wenn uns stattdessen die beiden Protagonisten etwas zu sagen und zu zeigen hätten. Aber auch das ist bis hierher nur ein Instant-Gericht.
:crying: ja. Entweder fehlt mir noch Handwerkszeug, oder die Kreativität.

Daher der Rat, lieber Gerald: Geh in den Kräutergarten, den nur Du haben kannst, hol das beste Deiner Hühner aus Deinem Stall und köpf es für uns Leser, lass die verdammte Suppe anbrennen oder verkochen, aber zeig uns, dass die beiden Liebenden nicht anders konnten, als im kalten Nebel der nächtlichen Neckar-Auen zu verglühen! Mach es plausibel!
Gab es hier nicht irgendwo einen Smiley, der hilflos mit den Schultern zuckt? Schon deine Aufforderung liest sich poetischer, als mein ganzer Text. Das ist genau, was ich gerne lernen würde und was mir bislang nie gelungen ist.

Liebe Grüße
Gerald (GG)

 

Die seltsame Freiheit der Gefühle ist neu für mich.

Hallo,

ich finde die Anlage sehr spannend. Diese lustfeindlichen Religiösen, da steckt ja auch eine extreme sexuelle Repression mit drin, alles was irgendwie nach Fleisch und Lust riecht, muss verteufelt werden, weil man im Grunde Angst davor und auch Angst vor sich selbst hat. Na ja, sind so meine Thesen.

Ich denke, das große Problem an dem Text hier ist: ich nenne es mal die Geographie des Erzählers. Der steht wie neben der Erzählung, neben dem Geschehen. Der müsste näher ran an das Ganze, und ich denke, du solltest hier mal den Fokus ganz klein stellen; du müsstest in die Figur rein, nicht aus der Figur herausschreiben, sondern die Figur schreiben. Wie fühlt sich die seltsame Freiheit der Gefühle an? Was ist es, was er tut, um dieses Gefühl zu bekommen, wie drückt es sich aus? Auch hier wieder: Warum gerade jetzt? Warum tut er das, was er tut, just in diesem Moment? Was war davor? Was ist der Cut, das unerhörte Ereignis, wodurch ist er aufgewacht? Man muss das nicht alles auserklären und erzählen, aber es muss eine vage Stimmung erkennbar sein, ich muss wissen, woher der Mann kommt. Du müsstest das alles nicht nur behaupten, sondern zeigen, und das setzt voraus, dass du in dich gehst und dir die gleichen Fragen wie die Figur stellst. Auch, wie er sich gegen diese festen Regeln und Glaubenssätze stellt, wie er alles, was er im Grunde hat, riskiert. Warum jetzt? Warum überhaupt? Was hat diese Van-Frau, was hält sie für ihn bereit? Nicht sagen, sondern zeigen. Der Leser muss das transferieren: DAS kriegt er nicht zuhause, DAS kann seine Frau und seine tollen Ältesten ihm nicht bieten, und DAFÜR geht er das Risiko ein. Also muss es schon etwas verdammt Großes sein, etwas, dass ihn im Grunde auch beunruhigen dürfte, denn er hat schon etwas die Kontrolle abgegeben.

Ich weiß nicht, ob du diesen Artikel schon kennst, ich habe ihn sicher schon einige Male gepostet, aber hier wird ganz gut erklärt, wie man das handwerklich üben kann; da sind einige Beispiele drin. Ist in Englisch, aber hey, ich denke, du bist als Psychologe fit genug dafür, es ist nicht dramatisch Schwieriges. Es geht darum, diese narrativen Situationen zu entpacken - das ist schwer, und manchmal ist es auch nicht das Richtige für die Erzählung, manche Texten brauchen einen stärkeren und präsenteren Erzähler, der etwas für den Leser färbt, aber als Anfang ist das brauchbar.

There you go: https://litreactor.com/essays/chuck-palahniuk/nuts-and-bolts-“thought”-verbs

Gruss, Jimmy

 

Danke @jimmysalaryman für den Link. Das kannte ich noch nicht. Aber es motiviert mich.

Und Danke, @anschi für die Anregungen. "Smileys als Fürze", das ist eine steile Ansage für ein online-Forum. Aber sei es drum.

Natürlich würde ich gerne Texte schreiben, in denen Liebende verglühen und die vielleicht in hundert Jahren noch gelesen werden. Erst mal fange ich klein an.

In der kurzen Zeit habe ich es nicht geschafft, denn Text völlig neu zu schreiben, aber ein paar Eurer Anregungen habe ich eingebaut, in den Text.

Ob er jetzt besser ist, wird das Voting zeigen.

Liebe Grüße
Gerald (GG)

 

Moin, moin @C. Gerald Gerdsen , wenn ich es richtig sehe, hast Du den Kommentiermarathon schon hinter dir. Ich gebe mein Bestes, aber die Zeit wird kanpp. Aber fürs Abstimmen muss ich natürlich alle gelesen haben, dann kann auch ein Kommentar für den Autoren dabei herauskommen.
Und wie vielfältig das Ganze ist, hui.


Vor mir die kurvenreiche Uferstraße wie eine schlängelnde Verheißung.
Du fängst ja gleich mit Spannungsaufbau an, natürlich frage ich mich, was an einer Starße Verheißungsvoll sein kann. Aber das liegt sicherlich auch an unterschiedlichen Lesevorlieben, ich mag es halt gerne aufgeklärt (klassischer Hinweis, wie Zweitdeutig die deutsche Sprache wird, wenn man Erotik kommentiert)

Jahre voller Gottesdienste, Bibelstunden, Bußübungen, Nächte voller Gebete verblassen in der Dämmerung und ich weiß nicht, warum.
Sehr spannend! Und warum arbeitest Du nicht damit. Im Nachhinein ist es lediglich eine Info, die sich aber aus meiner Sicht, noch nicht einmal im Verhalten des Protagonisten spiegelt. Da hat doch etwas mit ihm gemacht, entweder die Erziehung oder jetzt, diese Freiheit. Er erzählt, dann dürfte ich doch mehr über sein Inneres erfahren.

Ich muss lächeln. Die Frucht am Baum der Erkenntnis war weder Apfel noch Zitrone. Sie war ein Zeichen der Auflehnung. »Du sollst nicht singen!«, haben sie mir immer wieder eingetrichtert. »Musik verführt zu Übermut.« Heute lasse ich mich verführen. »I wonder how, I wonder why? Yesterday you told me 'bout the blue, blue sky«, singe ich schief aber laut. Es fühlt sich großartig an.
Schön rübergebracht, dies Stimmung, seine Vorfreude, Aufgeregtheit. Das finde ich sehr gut.

Heute ist alles anders, alles groß, alles schön. So müssen sich Drogen anfühlen.
Glaube ich ihm, spürt man. Aber warum darf ich nicht erfahren, was es so besonders macht. Geize doch nicht so sehr mit dem Hintergrund. Ich könnte mich doch viel mehr mit ihm freuen, wenn ich es nachvollziehen könnte.

inter den Hügeln zeigen die Abendwolken ihr letztes Orange
Kleinkram, nur als Hinweis, das ich stolpere. Generell sind die Abendwolken erstnal dunkelgrau, nur wenn die Sonne sie anstrahlt - ich einfach ungenau, aber Kleinkram.

Neben dem Van brennt ein Lagerfeuer mit einem kleinen Kessel. Ich rieche brennendes Holz
Vielleicht findest Du noch etwas anderes?

Die Art, wie sie die Haare hinter ihr Ohr klemmt, die Fülle roter Locken, die über ihre Schulter hängen, die weiche Linie ihres Rückens, die konzentrierte Leichtigkeit ihrer Bewegungen … Ich wäre gerne Maler oder Dichter, um all das einfangen zu können.
Empfinde ich als wundervolle Beschreibung, man spürt seine Begeisterung.

»Heute bleiben wir brav, oder?«, fragt sie und bin mir nicht sicher, ob sie es ernst meint. Für einen Moment schießen die Bilder unserer ersten Begegnung durch meinen Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Auch hier ein spannender Bruch, aber Du gibst ihm kein Futter.

Sie spürt wohl, was da passiert, denn sie lässt wieder dieses gehauchte Seufzen hören. »Ist das für mich?«, fragt sie und wir müssen lachen.
Ich mag die Kombi Erotik mit Lachen, schleißt sich für mich auf keinen Fall aus.

Michelle dreht sich»I wonder nichts, als wolle sie die Stille nicht stören.
Hier passt irgendwas nicht, oder erschließt sich mir zumindest nicht.Umbaufehler?

Und irgendwo in meinem Kopf singen Foolsgarden: And I wonder, wonder …
Schöner Bodenschluss. Erotisch? Ja
Schöne Geschichte? Zum Teil sehr schön geschrieben, aber die Geschichte würde ich gerne noch lesen.

Toll, das Du dabei warst, ich habe viele sehr hilfreiche Kommentare von Dir gelesen
Beste Wünsche
witch

 

Hallo witch,

danke für Dein Feedback. Das freut mich.

Du fängst ja gleich mit Spannungsaufbau an, natürlich frage ich mich, was an einer Straße Verheißungsvoll sein kann. Aber das liegt sicherlich auch an unterschiedlichen Lesevorlieben, ich mag es halt gerne aufgeklärt (klassischer Hinweis, wie zweitdeutig die deutsche Sprache wird, wenn man Erotik kommentiert)
Verheißungsvoll ist vermutlich nur ein Adjektiv im Kopf des Protagonisten (oder Autors). Aber Kurven können schon verheißungsvoll sein.

Sehr spannend! Und warum arbeitest Du nicht damit. Im Nachhinein ist es lediglich eine Info, die sich aber aus meiner Sicht, noch nicht einmal im Verhalten des Protagonisten spiegelt. Da hat doch etwas mit ihm gemacht, entweder die Erziehung oder jetzt, diese Freiheit. Er erzählt, dann dürfte ich doch mehr über sein Inneres erfahren.
Ich weiß nicht, wie.

Ich muss lächeln. Die Frucht am Baum der Erkenntnis war weder Apfel noch Zitrone. Sie war ein Zeichen der Auflehnung. »Du sollst nicht singen!«, haben sie mir immer wieder eingetrichtert. »Musik verführt zu Übermut.« Heute lasse ich mich verführen. »I wonder how, I wonder why? Yesterday you told me 'bout the blue, blue sky«, singe ich schief aber laut. Es fühlt sich großartig an.
Schön rübergebracht, dies Stimmung, seine Vorfreude, Aufgeregtheit. Das finde ich sehr gut.
Danke.

Glaube ich ihm, spürt man. Aber warum darf ich nicht erfahren, was es so besonders macht. Geize doch nicht so sehr mit dem Hintergrund. Ich könnte mich doch viel mehr mit ihm freuen, wenn ich es nachvollziehen könnte.
Auch hier, ich weiß nicht, woher dieses Gefühl stammt. Die biochemische Erklärung wäre eine Überflutung des Gehirns mit Oxytocin.

Kleinkram, nur als Hinweis, das ich stolpere. Generell sind die Abendwolken erstnal dunkelgrau, nur wenn die Sonne sie anstrahlt - ich einfach ungenau, aber Kleinkram.
Alle Wolken sind farblos, bis die Sonne darauf scheint. Aber Du hast natürlich recht.

Vielleicht findest Du noch etwas anderes?
Ich habe brennen mal durch flackern ersetzt. Besser?

Empfinde ich als wundervolle Beschreibung, man spürt seine Begeisterung.
Danke.

Auch hier ein spannender Bruch, aber Du gibst ihm kein Futter.
Wie könnte ich denn hier mehr Futter geben?

Sie spürt wohl, was da passiert, denn sie lässt wieder dieses gehauchte Seufzen hören. »Ist das für mich?«, fragt sie und wir müssen lachen.
Ich mag die Kombi Erotik mit Lachen, schleißt sich für mich auf keinen Fall aus.
Geht mir auch so.

Schöner Bodenschluss. Erotisch? Ja
Schöne Geschichte? Zum Teil sehr schön geschrieben, aber die Geschichte würde ich gerne noch lesen. Toll, das Du dabei warst, ich habe viele sehr hilfreiche Kommentare von Dir gelesen
Beste Wünsche
witch
Vielen Dank. Katla und auch Lakita haben das ähnlich empfunden. Da fehlt 'was. Irgend etwas, dass ich nicht greifen kann.

Frustrierend, aber ich bleibe dran und lerne mit jedem Text und jedem Feedback.

Liebe Grüße
Gerald

 

Hallo @C. Gerald Gerdsen ,

oh, spannend, ich habe jetzt deine Geschichte und die Kommentare gelesen und rätsel gerne ein bisschen mit:

Da fehlt 'was. Irgend etwas, dass ich nicht greifen kann.
Mir geht es auch so, dass die Grundidee deiner Geschichte sofort mein Interesse geweckt hat. Dass da jemand zu einem Rendevous fährt, der nicht nur (oder überhaupt nicht?) ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Frau hat, sondern vor allem in einer sehr rigiden, lustfeindlichen, religiösen Umgebung aufgewachsen ist und im Begriff ist, gegen alle Normen zu verstoßen, die er ja vermutlich schon mit der Muttermilch aufgesogen hat. Ich rechne mit spannenden inneren Kämpfen und frage mich, wie sich das auf die Erotik auswirken wird. Aber du erledigst das Problem schon auf der Autofahrt.
Jahre voller Gottesdienste, Bibelstunden, Bußübungen, Nächte voller Gebete verblassen in der Dämmerung und ich weiß nicht, warum.
Also eine Art göttlicher Akt der Gnade? Was ich dann lese, ist ein Happy end, dass ich mir irgendwie nicht verdient habe.
Eine Möglichkeit wäre ja eine Vorgeschichte, aber das wäre Stoff für einen Roman. In einer Kurzgeschichte wäre es möglich, dass sein Hintergrund spürbar bleibt, dass die Begegnung spannungsreicher ist, weil er versucht, einen inneren Kampf wegzudrücken, Begehren gegen Verbot, Trotz, Übertreibung oder ein Zurückschrecken, worauf sie natürlich reagieren würde. Die Frage wäre auch, wieviel sie von ihm weiß und woher sie kommt, ob sie beide die Tabus brechen.
Ich glaube aber auch, dass das ziemlich schwer zu schreiben ist und ich würde jetzt vermutlich auch nicht mehr versuchen, diesen Text da noch reinzubiegen, der ja ganz auf Harmonie und Freude angelegt ist.
Mir kommt gerade noch der Gedanke, dass er am Ende betet, vielleicht nochmal mit seinem Gott ringt oder es ist nur ein Dankgebet. Auch könnten ihm statt der Liedzeilen Bibelstellen in den Kopf kommen, oder zusätzlich. Also irgendwo müsste im zweiten Teil die Religion nochmal rein, finde ich. Die erotischen Szenen finde ich übrigens schön geschrieben.

Liebe Grüße von Chutney

P.S. Kann es sein, dass dir bei der Beantwortung die Placidus durch die Lappen gegangen ist?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney,

danke für dein Feedback und die Auseinandersetzung mit meinem Textfragment.

oh, spannend, ich habe jetzt deine Geschichte und die Kommentare gelesen und rätsel gerne ein bisschen mit:
Da fehlt 'was. Irgend etwas, dass ich nicht greifen kann.
Mir geht es auch so, dass die Grundidee deiner Geschichte sofort mein Interesse geweckt hat. Dass da jemand zu einem Rendevous fährt, der nicht nur (oder überhaupt nicht?) ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Frau hat, sondern vor allem in einer sehr rigiden, lustfeindlichen, religiösen Umgebung aufgewachsen ist und im Begriff ist, gegen alle Normen zu verstoßen, die er ja vermutlich schon mit der Muttermilch aufgesogen hat. Ich rechne mit spannenden inneren Kämpfen und frage mich, wie sich das auf die Erotik auswirken wird. Aber du erledigst das Problem schon auf der Autofahrt.
Ja, das ist genau die Crux an dieser Geschichte. Der Konflikt ist eigentlich längst erledigt. Und das scheint beim Leser nicht anzukommen. Scheint nicht nachvollziehbar zu sein.

Da hilft es logischerweise nicht, dass die Geschichte so (oder so ähnlich) passiert ist. Das wahre Leben muss sich nicht an unsere Ideen halten, es muss keinen Sinn ergeben. Es muss nicht mal nachvollziehbar sein, aber das lässt sich nicht so einfach in eine Geschichte packen.

Also eine Art göttlicher Akt der Gnade? Was ich dann lese, ist ein Happy end, dass ich mir irgendwie nicht verdient habe.
Im Gegenteil. Eher ein Erwachen. Die Idee, dass es einen furchtbaren Kampf bedeuten muss, gegen eine rigide religiöse Indoktrination aufzubegehren, hat ja auch Dante schon aufgeworfen und der fehlende Konflikt ist von mehreren Vorredner*innen so bemängelt worden.

Detlev hat das intensiv geschrieben:

Wenn er so religiös erzogen wurde, wie Du schreibst, dauert es lange, bis du zu so einer entspannten Sexualität finden kannst - wenn überhaupt. Ich habe unzählige Familienaufstellungen mitgemacht - immer waren Personen dabei, die genau aus so einer "Erziehung" kamen und unter den unsäglichen Zweifeln, Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen litten, nachdem sie untreu wurden oder sich in ihren Beziehungen quälten, diese aber nicht aufzulösen vermochten. Es ging über Handgreiflichkeiten bis Burnout und von Alkohol bis Prostitution. Alles dabei. Und genau das vermisse ich bei Deinem Filou. Alles so easy, so locker und völlig entkrampft
Das ist oft richtig. Und doch gibt es Menschen, bei denen es anders läuft. Übrigens in beide Richtungen - zur Religion hin und von der Religion weg.

Ich habe viele Menschen erlebt, die "zum Glauben gefunden haben", das ist oft eine radikale Wende von einem atheistischen zu einem evangelikalen Weltbild. Und zwei Frauen kommen mir dabei gerade jetzt in den Kopf. Beide hatten vorher eine massive Essstörung namens Bulimie. Die eine kommt zum Glauben und die Essstörung ist über Nacht weg. Nie wieder gekotzt, nie wieder eine Fress-Attacke. Die andere kommt zum Glauben - ganz ähnlich - aber sie muss dennoch über Jahre weiter mit ihrer Essstörung kämpfen, so klassisch mit Therapie und vielen Hochs und Tiefs.

Und das ganze gibt es auch anders herum. Manche befreien sich aus solchen religiösen Zwängen mit dem ganzen Drama, das Dante oben zitiert und andere erleben eine Art Erwachen oder einen inneren Paradigmen-Wechsel und die Problematik löst sich einfach.

Das gibt es in Kurzzeit-Therapien, vor allem systemischer Prägung, manchmal auch. Einer der Gründe, warum die 'Systemiker' auf der Chaos-Theorie aufbauen. Phasenübergänge in chaotischen Systemen sind oft sehr schnell, wenn sich die Attraktoren ändern. Und Menschen sind chaotisch und selbstregulierend.

Eine Möglichkeit wäre ja eine Vorgeschichte, aber das wäre Stoff für einen Roman. In einer Kurzgeschichte wäre es möglich, dass sein Hintergrund spürbar bleibt, dass die Begegnung spannungsreicher ist, weil er versucht, einen inneren Kampf wegzudrücken, Begehren gegen Verbot, Trotz, Übertreibung oder ein Zurückschrecken, worauf sie natürlich reagieren würde. Die Frage wäre auch, wieviel sie von ihm weiß und woher sie kommt, ob sie beide die Tabus brechen.
Ich glaube aber auch, dass das ziemlich schwer zu schreiben ist und ich würde jetzt vermutlich auch nicht mehr versuchen, diesen Text da noch reinzubiegen, der ja ganz auf Harmonie und Freude angelegt ist.
Genau, der Text beschreibt eigentlich die Freude und Harmonie, die entsteht, nachdem die alten Dogmen zerbrochen sind.

Mir kommt gerade noch der Gedanke, dass er am Ende betet, vielleicht nochmal mit seinem Gott ringt oder es ist nur ein Dankgebet. Auch könnten ihm statt der Liedzeilen Bibelstellen in den Kopf kommen, oder zusätzlich. Also irgendwo müsste im zweiten Teil die Religion nochmal rein, finde ich.
Hm, der Ich-Erzähler könnte das Hohelied der Liebe zitieren. Da ist Erotik (sogar jenseits einer Ehe) in der Bibel sehr deutlich und anschaulich beschrieben. Oder er könnte wieder zweifeln, auf dem Rückweg, im Auto. Aber meh ... Eigentlich habe ich keine Lust, am Ende wieder mehr Religion einzubauen.

Die erotischen Szenen finde ich übrigens schön geschrieben.
Vielen Dank. Das freut mich.

P.S. Kann es sein, dass dir bei der Beantwortung die Placidus durch die Lappen gegangen ist?
Oh, tatächlich. Das tut mir leid.
Ich hole das mal nach.

Hallo @Placidus ,


Mir persönlich reicht der Minikonflikt am Anfang, dass der Protagonist sich freimacht von seinem Kongress, aber hauptsächlich von seiner Religion, um Michelle zu begegnen. Ich kaufe ihm das jetzt auch einmal so ab, dass in dieser Konstellation die Geschädigte des Ehebruchs nicht die Frau ist, sondern die Gemeinde.
Interessante Sichtweise.

Dieses Gefühl von Befreiung durchströmt letztlich den ganzen Text.
Das war eigentlich das Ziel. Es freut mich, dass das so bei dir angekommen ist.

Natürlich gibt es die Möglichkeit, sei es den spirituellen Konflikt auszuweiten oder die Sorge, erkannt zu werden - vielleicht ist er der Obermufti seiner Sonderkirche und ihm ist jemand gefolgt etc. Aber das würde von der schönen und leichten Begegnung, die du jetzt hast, erst einmal nur wegführen.
So erlebe ich das auch.

Da hat es mich nur überrascht und eigentlich irritiert, dass er sich an ihre früheren Begegnungen erinnert. Haben die beiden schon länger eine Affäre? Oder hatten sie ganz früher mal eine? Dann wäre ich als Leserin doch gern bei der ersten Begegnung dabei!
Hm, ich weiß nicht, ob ich das hinbekommen würde, aber dann wäre der aktuelle Text im Grunde genommen der Schlussstein der ganzen Geschichte. Das letzte Kapitel. Der Höhepunkt (aua, Wortspiel-Hölle). Aber dafür bräuchte es einen Roman oder zumindest eine Novelle.

Korrekturen habe ich keine, außer m.E. hineinbeißen (in den Apfel) in einem Wort.
Habe ich korrigiert.

@Placidus .. hast du geschrieben "Leserin"? Ich hatte dich wegen der lateinischen Endung als männliches Wesen eingestuft. Sorry.

Auf jeden Fall vielen Dank für dein Feedback. Insbesondere weil du die einzige zu sein scheinst, der mir die überraschende Leichtigkeit und Freiheit der Begegnung abnimmt, die ich schildern wollte. Ich finde, Erotik darf auch leicht und spielerisch sein.

Liebe Grüße
Gerald

 

Das gibt es in Kurzzeit-Therapien, vor allem systemischer Prägung, manchmal auch. Einer der Gründe, warum die 'Systemiker' auf der Chaos-Theorie aufbauen. Phasenübergänge in chaotischen Systemen sind oft sehr schnell, wenn sich die Attraktoren ändern. Und Menschen sind chaotisch und selbstregulierend.
Hallo Gerald - der Kandidat hat 100 Punkte - ich geb Dir recht´, zumal ich solche Phasenübergänge ja auch bei mir beobachten konnte. Danke für die Reaktion.
Liebe Grüße
Detlev

 

Hallo @Detlev ,

freut mich, dass Du das auch so wahr nimmst. Es scheint allerdings für die Geschichte nicht so richtig zu funktionieren.

Liebe Grüße
Gerald

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo C.G.G.,

du schreibst für mich so, dass ich gerne und auch gespannt durch den Text lese.
Mir fehlt aber schon ein wenig Fleisch an den Knochen. Der Protagonist ist in einer religiösen Gemeinschaft verwurzelt, ich denke zuerst an die Zeugen Jehowas oder an sonst eine sektenartige Gemeinschaft, aber mir wird es zu wenig klar, woher er kommt.

Da du doch dem Forum mit dem Label Kurzgeschichten sehr nahe kommst, fokussierst du dich nur auf das Zusammentreffen mit ihr und mir ist das, wenn ich die Vorgaben für die Challenge lese, zu wenig. Was ich da lese, behagt mir, aber du bettest mir das viel zu wenig in eine Lebenssituation ein. Das zu deinem Plot.

Hier noch ein paar Anmerkungen:

Ihrer Wegbeschreibung nach trennen mich nur noch zehn Minuten vom Campingplatz und einem Wiedersehen.
Das verstehe ich nicht. Wenn mir jemand eine Wegbeschreibung gibt, dann fahre ich die ab.
Oder ich benutze ein Navi, das kann mir sagen, wie lange ich noch brauche, bis ich am Ziel bin.
Wenn der Protagonist die Adresse ins Navi eingegeben hat, dann sollte es keine Wegbeschreibung sein, sondern eine Adresse, die er ins Navi eingibt.

Die seltsame Freiheit der Gefühle ist neu für mich und verblüffend. Kein schlechtes Gewissen, nichts. Die frommen ‚Geschwister‘ aus meiner Gemeinde werden verteufeln, was ich tue. »Du sollst nicht ehebrechen«, werden sie mir vorhalten. »Denn solches ist dem HERRN ein Gräuel.« Beinahe höre ich die raue Stimme des Ältesten.
Wieso werden die Geschwister ihm das vorhalten? Wenn er nicht ganz doof ist, kann er das verheimlichen. Dann sollte das im Konjunktiv stehen: ... würden mich verteufeln ... etc.

Ich greife den Apfel vom Beifahrersitz.
Adam, sehr schön.



Aber das kümmert mich nicht. Heute ist alles anders, alles groß, alles schön. So müssen sich Drogen anfühlen.
Drogen fühlen sich nicht an. Der Genuss davon schon. Da wäre was umzuformulieren.


Hinter den Hügeln zeigen die Abendwolken ihr letztes Orange und direkt am Fluss steht ihr dunkelroter Renault Espace. Mein Herz pocht und für einen Moment halte ich den Atem an, aus Angst, dass hier wäre nur ein Traum. Aber nichts passiert. Also steige ich aus, schließe meinen Kombi ab und gehe zur Wiese. Wann bin ich zum letzten Mal so federnd gelaufen?
Gibt es einen Grund, die Autos mit Marken zu nennen? Van reicht doch, es geht ja nur darum, dem Leser klarzumachen, dass sie in dem etwas größeren Fahrzeug später verschwinden können.


Neben dem Van flackert ein Lagerfeuer mit einem kleinen Kessel. Ich rieche brennendes Holz und Hühnersuppe.
Lagerfeuer= brennendes Holz
du gibst dem Leser mit dem ersten Teil des zweiten Satzes keine neue Information.
Wenn, dann zB so: "Ich rieche den Harz, der sich durch die Hitze intensiv breit macht ..."


Dieses Lachen. »Schön, dass Ddu da bist«, sagt sie und umarmt mich.

»Heute bleiben wir brav, oder?«, fragt sie und bin mir nicht sicher, ob sie es ernst meint. Für einen Moment schießen die Bilder unserer ersten Begegnung durch meinen Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Da sagst du A und lässt den Leser im Stich. Da gab es schon eine Begegnung, die wohl nicht brav abgelaufen ist. Ist ihre Frage rhetorisch? Das wiederum zum Thema, dass Butter zu die Fische sollte.

Meine Lippen kribbeln wieder.
Ich kann mir leider nicht vorstellen, was du damit sagen willst. Ich kenne den Ausdruck:
es kribbelt in mir - aber auf die Lippen bezogen könnte ich mir nur vorstellen, dass sie zittern.


Ob es stimmt, dass der Mund unser empfindlichster Körperteil ist? Dann spüre ich ihre Zunge. Sanft, zurückhaltend und ... fragend? Wurde ich je so sinnlich geküsst?.
Der Punkt muss weg.

Ich rieche ihre Haare, spüre ihren Körper und jetzt wandert die Sehnsucht auch in mein Becken. Sie spürt wohl, was da passiert, denn sie lässt wieder dieses gehauchte Seufzen hören. »Ist das für mich?«, fragt sie und wir müssen lachen.

»Komm! Ich hab‘ uns Suppe gemacht.«

Nee ... da freut sie sich über seinen Steifen und fängt von der Suppe an?


Darunter trägt sie nichts und sehe ihre weiße Haut im Halbdunkel.
Das liest sich nicht schön.
Für mich eher: Darunter trägt sie nichts. Ich sehen ihre weiße Haut im Halbdunkel.

Mit den Händen streiche ich über ihre Taille nach oben, berühre mit den Daumen vorsichtig ihre Brust.
ihre Brüste

Dann sagt sie: »Komm!« und zieht mich mit zum Van. Die Heckklappe ist nicht abgeschlossen und Wir klettern nach innen, ohne uns richtig voneinander lösen zu können.
Wer interessiert in dem Moment, ob der Van abgeschlossen ist?

Sie schiebt den Schlafsack zur Seite und zieht mich auf die Matratze im Inneren. Wieder streife ich ihr Sweatshirt nach oben und dieses Mal zieht sie es über ihren Kopf. Ich küsse ihren Hals und sie lässt den Kopf nach hinten sinken. Während ich ihren Kopf küsse, lässt sie den Kopf nach hinten sinken.


Und irgendwo in meinem Kopf singen Foolsgarden: And I wonder, wonder …
Und irgendwo in mir drin singen ... (sonst hast du Kopf zweimal nah hintereinander)

Das Gute aus meiner Warte: der bestehende Text ist gelungen.
Verbesserungswürdig: Das Drumrum fehlt.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bernadette,

auch dir vielen Dank für das ausführliche Feedback.

du schreibst für mich so, dass ich gerne und auch gespannt durch den Text lese.
Danke.

Mir fehlt aber schon ein wenig Fleisch an den Knochen. Der Protagonist ist in einer religiösen Gemeinschaft verwurzelt, ich denke zuerst an die Zeugen Jehowas oder an sonst eine sektenartige Gemeinschaft, aber mir wird es zu wenig klar, woher er kommt.
Hm, das ist schon mehrmals angemerkt worden, und ich verstehe den Gedanken, aber ich weiß nicht, wie das noch vertiefen soll. Ich habe bewusst keine konkrete Glaubensgemeinschaft genannt, sondern eine fiktive erfunden.

Da du doch dem Forum mit dem Label Kurzgeschichten sehr nahe kommst, fokussierst du dich nur auf das Zusammentreffen mit ihr und mir ist das, wenn ich die Vorgaben für die Challenge lese, zu wenig. Was ich da lese, behagt mir, aber du bettest mir das viel zu wenig in eine Lebenssituation ein. Das zu deinem Plot.
Du hast schon recht. Der Konflikt wird nur noch im Rückblick erwähnt, eigentlich ist er schon vorbei.

Ihrer Wegbeschreibung nach trennen mich nur noch zehn Minuten vom Campingplatz und einem Wiedersehen.
Das verstehe ich nicht. Wenn mir jemand eine Wegbeschreibung gibt, dann fahre ich die ab.
Oder ich benutze ein Navi, das kann mir sagen, wie lange ich noch brauche, bis ich am Ziel bin.
Wenn der Protagonist die Adresse ins Navi eingegeben hat, dann sollte es keine Wegbeschreibung sein, sondern eine Adresse, die er ins Navi eingibt.
Das alles findet in Vor-Navi-Zeiten statt. Und wenn die Wegebschreibung sagt, "fahr 10 Minuten am Neckarufer entlang, bis ...", dann trennen ihn noch 10 Minuten oder 8 Kilometer oder 3 Blitzer von einem Wiedersehen, oder? Und selbst beim Navi könnte ja stehen "Ankunft in 10 Minuten".

Die seltsame Freiheit der Gefühle ist neu für mich und verblüffend. Kein schlechtes Gewissen, nichts. Die frommen ‚Geschwister‘ aus meiner Gemeinde werden verteufeln, was ich tue. »Du sollst nicht ehebrechen«, werden sie mir vorhalten. »Denn solches ist dem HERRN ein Gräuel.« Beinahe höre ich die raue Stimme des Ältesten.
Wieso werden die Geschwister ihm das vorhalten? Wenn er nicht ganz doof ist, kann er das verheimlichen. Dann sollte das im Konjunktiv stehen: ... würden mich verteufeln ... etc.
Stimmt. Das habe ich verändert. Mal egal, ob er verheimlicht, oder offen mit der Sekte bricht, hier kann das im Konjunktiv stehen.

Drogen fühlen sich nicht an. Der Genuss davon schon. Da wäre was umzuformulieren.
Da hast du natürlich recht. Aber hier lasse ich mal die von Drogen unbeleckte Stimme des Protagonisten stehen, wie sie ist.

Lagerfeuer= brennendes Holz
du gibst dem Leser mit dem ersten Teil des zweiten Satzes keine neue Information.
Wenn, dann zB so: "Ich rieche den Harz, der sich durch die Hitze intensiv breit macht ..."
Das Harz. Der Harz wäre nur das Mittelgebirge. Trotzdem verstehe ich, was du meinst. Das wäre nicht meine Art zu schreiben, aber ich habe den Satz noch mal ein wenig verändert.

Ich kann mir leider nicht vorstellen, was du damit sagen willst. Ich kenne den Ausdruck:
es kribbelt in mir - aber auf die Lippen bezogen könnte ich mir nur vorstellen, dass sie zittern.
Ich kenne das Gefühl sehr gut. Wie wäre es mit prickeln?

Das Gute aus meiner Warte: der bestehende Text ist gelungen.
Verbesserungswürdig: Das Drumrum fehlt.
Danke für den "gelungenen Text". Mehr Drumherum wäre vermutlich wirklich sinnvoller, aber das bekomme ich im Moment nicht mehr hin.

Gibt es einen Grund, die Autos mit Marken zu nennen? Van reicht doch, es geht ja nur darum, dem Leser klarzumachen, dass sie in dem etwas größeren Fahrzeug später verschwinden können.
Ich habe immer schneller ein Bild im Kopf, wenn ein konkretes Auto genannt ist. Van klingt für mich immer so nach amerikanischem Krimi. Aber das mag meine persönliche Vorliebe sein. Ich nehme mal die Marke weg und lass den Namen des Autos stehen.

Wer interessiert in dem Moment, ob der Van abgeschlossen ist? Sie schiebt den Schlafsack zur Seite und zieht mich auf die Matratze im Inneren. Wieder streife ich ihr Sweatshirt nach oben und dieses Mal zieht sie es über ihren Kopf. Ich küsse ihren Hals und sie lässt den Kopf nach hinten sinken. Während ich ihren Kopf küsse, lässt sie den Kopf nach hinten sinken.
Geändert.

Das liest sich nicht schön.
Für mich eher: Darunter trägt sie nichts. Ich sehen ihre weiße Haut im Halbdunkel.
Ja, auch das habe ich noch mal verändert.

Wer interessiert in dem Moment, ob der Van abgeschlossen ist? Sie schiebt den Schlafsack zur Seite und zieht mich auf die Matratze im Inneren. Wieder streife ich ihr Sweatshirt nach oben und dieses Mal zieht sie es über ihren Kopf. Ich küsse ihren Hals und sie lässt den Kopf nach hinten sinken. Während ich ihren Kopf küsse, lässt sie
Besser so?

Vielen Dank und
Liebe Grüße
Gerald

 

Nur grade kurz, weil ich einen Fehler bei mir entdeckt habe:
Während ich ihren Kopf Hals küsse, lässt sie den Kopf nach hinten sinken.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @C. Gerald Gerdsen,

ich hab deinen Text gelesen und dann auch die Kommentare. Spannend, da hat sich ja einiges getan, oder? Ich lese aus deinem Text vor allem das Gefühl der Befreiung heraus und nachdem ich die Kommentare gelesen habe, glaube ich, dass genau das auch dein Plan war, also einen "leichten" oder vielleicht besser: fließenden Text zu schreiben, der von einer bestimmten Atmosphäre getragen wird (ebenjene Befreiung), sodass der eigentliche Konflikt quasi vor diesem Moment liegt, den du hier beschreibst. Es gab ja einige, denen der Konflikt gefehlt hat, das war bei mir nicht so und ich finde, es gibt ein paar schöne Ansätze, aber irgendwie stellst du dir (bzw. dem Text) dann immer wieder ein Bein und er kommt ins Stolpern. Ich werfe jetzt nun auch noch mal meine Perspektive in den Ring, unter der Prämisse, dass der Text das Gefühl der Befreiung transportieren will. Ich geb dir einfach meine Gedanken mit, die sehr dicht am Text sind, und hoffe, du empfindest es nicht als übergriffig, sondern nimmst einfach das mit, worüber du nachdenken willst.

Die engen Grenzen der Stadt liegen hinter mir. Vor mir die kurvenreiche Uferstraße wie eine schlängelnde Verheißung. Die Abende sind schon frisch und ein leichter Nebel zieht über den Fluss. Ihrer Wegbeschreibung nach trennen mich nur noch zehn Minuten vom Campingplatz und einem Wiedersehen.
Deine ersten beiden Sätze finde ich ungünstig, weil der erste Satz den Blick nach hinten richtet und der zweite dann gleich nach vorne. Ich verstehe den ersten Satz so, dass es eben schon die Enge aufgreift, die er in mehrfacher Hinsicht hinter sich lässt. Aber du gehst hier an dieser Stelle da nicht drauf ein, es gibt nur diesen einen Satz dazu, darum würde ich den ersten Satz einfach löschen und mit dem Blick nach vorne beginnen: Vor mir ... vielleicht findest du noch ein tolles Verb für das "Verhalten" der Straße. Statt dann durch "die Abende" die(zeitliche) Perspektive zu heben, würde ich nah am Moment bleiben, bei diesem einen Abend bleiben, den beschreiben, wobei er ja im Auto sitzt (das ist zumindest meine Assoziation wegen der straße) und keine Ahnung, ob es das Beste ist, da über die Temperatur draußen zu schreiben, vielleicht eher beschreiben, was er sieht, woraus man herauslesen kann, dass es Abend ist. Der Nebel ist schön, aber da ich jetzt schon Korinthen kacke: braucht es das "leicht" vor Nebel?

Die seltsame Freiheit der Gefühle ist neu für mich und verblüffend. Kein schlechtes Gewissen, nichts. Die frommen ‚Geschwister‘ aus meiner Gemeinde würden verteufeln, was ich tue. »Du sollst nicht ehebrechen«, würden sie mir vorhalten. »Denn solches ist dem HERRN ein Gräuel.« Beinahe höre ich die raue Stimme des Ältesten. Und doch wird sie leiser und leiser. Jahre voller Gottesdienste, Bibelstunden, Bußübungen, Nächte voller Gebete verblassen in der Dämmerung und ich weiß nicht, warum.
Das ist eine Menge Tell. Wie wäre es, den Absatz komplett wegzulassen? Im ersten Absatz bist du in der Beschreibung des Augenblicks. Da ist die Straße, der Abend, der Nebel, ein Wiedersehen auf einem Campingplatz. Und dann kommt diese Reflektion. Im dritten Absatz bist du dann wieder bei den Sinnen/der Beobachtung.

Die Kollegen genießen gerade das Kongress-Essen. Sollen sie. Ich greife den Apfel vom Beifahrersitz. Das Fruchtfleisch ist fest und die leichte Säure prickelt auf den Lippen, als ich hineinbeiße. Im Autoradio singen Foolsgarden: And all that I can see is just another lemon tree. And I wonder, wonder. Ich muss lächeln. Die Frucht am Baum der Erkenntnis war weder Apfel noch Zitrone. Sie war ein Zeichen der Auflehnung. »Du sollst nicht singen!«, haben sie mir immer wieder eingetrichtert. »Musik verführt zu Übermut.« Heute lasse ich mich verführen. »I wonder how, I wonder why? Yesterday you told me 'bout the blue, blue sky«, singe ich schief aber laut. Es fühlt sich großartig an.
Das mit dem Kongress taucht nur hier auf, kann mMn eigentlich weg, macht einen neuen Raum in der Geschichte auf, den du nicht möblierst. Darf ich mal kurz? Also: die Straße, der Abend, der Nebel, die Fahrt zu etwas hin (müsste sogar auch noch gar nicht hier gelüftet werden), das Radio. Ich kann nicht genau sagen wieso, aber ich würde das Radio vor den Apfel tun, hat was mit Nähe/Entfernung zu tun. Wahrnehmung draußen (sehen), wahrnehmung im Auto (hören des Autoradios), dann das noch näher heranholen, der Biss in den Apfel, das Außen im Innen (Geschmack) und dann Reflektion über den Apfel als Symbol für Auflehnung, für eigenständiges Denken, für Loslösung und Unabhängigkeit und wie gut Unabhängigkeit schmeckt, erfrischend und leicht säuerlich, hier kannst du dann die Vorgeschichte unterbringen, auch von Absatz 2 wenn nötig. Und dann das Singen, laut und schief, dass ist dann ein schönes Bild dafür, dass Loslösung und Unabhänigkeit und Freiheit sich leicht anfühlen kann. Dann brauchst du eigentlich das: Es fühlt sich großartig an, nicht, denn dann bist du im Moment und ich kann als Leser selber spüren, dass es großartig ist. Das passiert öfters im Text, dass du dann noch einen erklärenden Satz anfügst, der die Kraft des Bildes/Satzes davor zunichte macht.
Dann sehe ich links den Wegweiser, bremse und biege in einen kleinen Kiesweg ein, hinunter zum ‚Campingplatz in den Auen‘. Ein großes Wort für eine simple Wiese am Fluss mit verlassenen Wohnwagen und alten Sanitäranlagen. Aber das kümmert mich nicht. Heute ist alles anders, alles groß, alles schön. So müssen sich Drogen anfühlen. Hinter den Hügeln zeigen die Abendwolken ihr letztes Orange und direkt am Fluss steht ihr dunkelroter Espace. Mein Herz pocht und für einen Moment halte ich den Atem an, aus Angst, dass hier wäre nur ein Traum. Aber nichts passiert. Also steige ich aus, schließe meinen Kombi ab und gehe zur Wiese. Wann bin ich zum letzten Mal so federnd gelaufen?
Grundsätzlich wäre ich sehr vorsichtig mit Wörtern wie "dann" oder "plötzlich" (kommt an anderer Stelle), das klingt oft nach Schulaufsatz. Das "bremse" ist zu kleinschrittig. Das finde ich auch oft schwer zu entscheiden, welcher Detailierungsgrad zu wenig, genau richtig oder zu viel ist. Du kannst auch noch mal den gesamten Text nach unnötigen Adjektiven/Füllwörtern durchgehen. Ob der nun rechts oder links ist, ist eigentlich auch irrelevant. Der Satz: Ein großes Wort ..., haut mich dann raus, dass weiß er doch noch gar nicht, weil er doch gerade erst abgebogen ist, dann eher sowas wie: "hinunter zum Campingplatz, in den Auen, eine Wiese am Fluss mit ...", da ist dann klar, dass er ankommt. Wenn es ihn nicht kümmert, muss er das doch nicht benennen, reicht doch, dass er es sieht und eben keine abschätzige Bemerkung dazu macht. Das Kursive sollte sich mMn beim Entfalten des Textes ergeben.

Neben dem Van flackert ein Lagerfeuer mit einem kleinen Kessel. Ich rieche das brennende Holz und den Duft von Hühnersuppe. Und sehe Michelle. Sie beugt sich vor zum Kessel und für einen Moment bleibe ich stehen. Hätt‘ ich einen Pinsel, zu malen dein Antlitz. Plötzlich verstehe ich, was Schandmaul sagen wollen. Die Art, wie sie die Haare hinter ihr Ohr klemmt, die Fülle roter Locken, die über ihre Schulter hängen, die weiche Linie ihres Rückens, die konzentrierte Leichtigkeit ihrer Bewegungen … Ich wäre gerne Maler oder Dichter, um all das einfangen zu können. Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von Dir. Jeder Lufthauch erzählt mir von Dir. Jeder Atemzug, jeder Blick … trägt Deinen Namen weit mit sich mit. Ich spüre die Sehnsucht, wie ein Vibrieren im Bauch.
Den Absatz finde ich schön. Da ist Moment und Sinnlichkeit, die durchgestrichenen Teile empfinde ich als störend. Was wollte Schandmaul denn sagen? Ist es wirklich hier und jetzt die richtige Stelle, mich als Leserin das zu fragen? Und der zweite gestrichene Satz, der sagt halt auch nix aus, was die Geschichte voranbringt oder irgendwie Stimmung erzeugt (eher ein stimmungskiller). Maedy hatte mal in irgendeinem Beitrag von Filterwörtern geschrieben, gemeint sind Verben die Gedanken und Sinne betreffen. Da könntest du den Text auch noch mal drauf abklappern und die reduzieren, die erzeugen mehr Mittelbarkeit, aber so wie ich den Text verstehe, will der ja eher unmittelbar wirken und dann wäre es besser, weniger Filterwörter einzusetzen. Hier von mir gemeint: spüre.

Sie muss mich gehört haben, denn jetzt dreht sie sich um. Sieht mich, springt auf und kommt mir entgegen. Dieses Lachen. »Schön, dass du da bist«, sagt sie und umarmt mich. Ich spüre ihre Wärme und Nähe. Wie sie mich fest hält. Das Vibrieren breitet sich in mir aus. »Ja«, sage ich einfach und überlasse mich diesem Moment.
Uninteressant (bzw zu kleinschrittig), warum sie sich umdreht, wichtig ist nur, dass sie sich umdreht. Ich finde "dieses lachen" nicht so schön, keine Ahnung warum. Ich fände "ihr Lachen" irgendwie persönlicher. Hier auch wieder "spüre". Vielleicht findest du ja ein Verb dafür, wie die Wärme und Nähe sich verhalten? Und weil ja der Absatz davor schon poetisch war, findet das Ich hier vielleicht ein anderes, schöneres, poetischeres Wort für ausbreiten? Das ist auch wieder der nacherklärende SAtz: überlasse mich diesem Moment. Wenn das dem Leser nicht klar ist, hast du was falsch gemacht, da hilft dann auch eine nachgereichte Erklärung nicht. Vertrau deinem Text.

»Heute bleiben wir brav, oder?«, fragt sie und bin mir nicht sicher, ob sie es ernst meint. Für einen Moment schießen die Bilder unserer ersten Begegnung durch meinen Kopf. »Ich weiß es nicht.« Meine Antwort erstaunt mich selbst, während meine Hände über ihren Rücken nach unten streichen. Der Bund ihrer Jogginghose gibt einfach nach und ehe ich richtig merke, was passiert, halte ich die festen Rundungen ihres Hintern in den Händen. Die Haut ist kalt und glatt und ich spüre, wie sie sich an mich schmiegt und leise seufzt. Dieses gehauchte Seufzen ist das erotischste Geräusch, dass ich je gehört habe und ich schmelze in ihre Umarmung hinein, vergesse alles, was früher war. Weiß nicht mehr wo sie anfängt und ich aufhöre.
Auch hier würde ich weniger erklären. Eigentlich wäre das eine schöne Dialogstelle, der viele Text dazwischen macht es für mich ein bisschen kaputt.
Heute bleiben wir brav, oder?
Ich weiß nicht. Meine Hände ...
Den kurisven Satz kauf ich nicht so richtig, "ehe ich richtig merke" ... ähm ja! Auch ist hier die Blickführung wieder quer in meinen Augen. Wir sind ja gerade bei seinen Händen und dann kommt da auf einmal der Bund der Jogginghose als Rädelsführer. Also vielleicht können seine Hände ja einfach weiterwandern, "feste Rundungen" finde ich ehrlich gesagt, ziemlich fürchterlich, lieber bei Hintern bleiben.
Ich würde gehaucht killen, das bringt keinerlei Informationsgewinn, seufzen sagt ja eigentlich alles. Das sind auch wieder ne Menge Adjektive auf engem Raum, wie gesagt, könntest du den Text da auch noch mal zu durchgehen. In ihre Umarmung hineinschmelzen, das find ich schön.

Irgendwann löse ich mich aus der Umarmung und küsse sie. Meine Lippen prickeln wieder. Ob es stimmt, dass der Mund unser empfindlichster Körperteil ist? Dann spüre ich ihre Zunge. Sanft, zurückhaltend und ... fragend? Wurde ich je so sinnlich geküsst? Ich rieche ihre Haare, spüre ihren Körper und jetzt wandert die Sehnsucht auch in mein Becken. Sie spürt wohl, was da passiert, denn sie lässt wieder dieses gehauchte Seufzen hören. »Ist das für mich?«, fragt sie und wir müssen lachen.
Irgendwann - auch so ein Wildkraut. Eigentlich ist die ganze Info auch unnötig. Wenn er sie küsst, ist ja klar, dass er sich gelöst hat.
zu dem kursiven Satz: Echt jetzt? Das ist woran er gerade denkt? Das ist, was du als Autor willst, was ich als Leserin in dem Moment denke, als er sie küsst? Stimmt es eigentlich, dass ... ? Das ist ja fast so schlimm, wie während des Küssens zu denken: Ach, ich darf später die Milch nicht vergessen ...
Wie riechen ihre Haare? Wie fühlt sich ihr Körper an? Siehe Filterwörter.

Lieber Gerald, ich mach mal hier Schluss und hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen. Um noch mal meinen Eindruck vom Anfang aufzugreifen, mit dem Stolpern: ich denke, es stolpert weil der Wechsel zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit häufig nicht intendiert wirkt, sondern wie eine Abkürzung. Vor allem die Filterwörter tragen dazu bei. Es wird viel gespürt in deinem Text, was eben immer wieder eine Etage rauszoomt und den Text weniger unmittelbar macht, was zum anderen aber auch dazuführt, dass du oft nicht nach genaueren Formulierungen (vor allem Verben) suchst, was die Wärme macht oder die Nähe oder was auch immer. Da könntest du mal durchgehen und zu Test/Lernzwecken versuchen alle Filterwörter zu killen, Jimmy hat ja einen Link zu "thought" verbs geschickt, hab den mal gelesen, weiß aber nicht mehr, ob es auch die Wörter spüren, fühlen, sehen etc. beinhaltet, wenn nicht, würde ich es darauf ausdehnen. Ich glaube, das würde dem Text guttun und ihn unmittelbarer und sinnlicher machen.

Viele Grüße
Katta

 

Liebe @Katta,

vielen Dank für dein gründliches - und so wohlwollendes - Feedback.

Es gab ja einige, denen der Konflikt gefehlt hat, das war bei mir nicht so und ich finde, es gibt ein paar schöne Ansätze, aber irgendwie stellst du dir (bzw. dem Text) dann immer wieder ein Bein und er kommt ins Stolpern.
Das ist schon mehreren aufgefallen. Ich danke dir schon jetzt für die detailierten Anmerkungen, die gleichzeitig eine Übersicht schaffen.

Ich werfe jetzt nun auch noch mal meine Perspektive in den Ring, unter der Prämisse, dass der Text das Gefühl der Befreiung transportieren will. Ich geb dir einfach meine Gedanken mit, die sehr dicht am Text sind, und hoffe, du empfindest es nicht als übergriffig, sondern nimmst einfach das mit, worüber du nachdenken willst.
Ja, ich habe schon angefangen, nachzudenken. Und nein, ich empfinde es nicht als übergriffig.

Den Zwischenteil deines Kommentares zitiere ich hier nicht. Ich brauche einen größeren Bildschirm, eine Tastatur und Zeit, um zu schauen, ob ich das einarbeiten kann. Versuchen werde ich es auf jeden Fall. Du hast mich sehr motiviert, den Text doch noch einmal gründlich zu überarbeiten und ich habe ja noch vier Tage Zeit.

Lieber Gerald, ich mach mal hier Schluss und hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen. Um noch mal meinen Eindruck vom Anfang aufzugreifen, mit dem Stolpern: ich denke, es stolpert weil der Wechsel zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit häufig nicht intendiert wirkt, sondern wie eine Abkürzung. Vor allem die Filterwörter tragen dazu bei. Es wird viel gespürt in deinem Text, was eben immer wieder eine Etage rauszoomt und den Text weniger unmittelbar macht, was zum anderen aber auch dazuführt, dass du oft nicht nach genaueren Formulierungen (vor allem Verben) suchst, was die Wärme macht oder die Nähe oder was auch immer. Da könntest du mal durchgehen und zu Test/Lernzwecken versuchen alle Filterwörter zu killen, Jimmy hat ja einen Link zu "thought" verbs geschickt, hab den mal gelesen, weiß aber nicht mehr, ob es auch die Wörter spüren, fühlen, sehen etc. beinhaltet, wenn nicht, würde ich es darauf ausdehnen. Ich glaube, das würde dem Text guttun und ihn unmittelbarer und sinnlicher machen.
Ja, ich glaube, dass ich damit etwas anfangen kann. Wie gesagt: Versuchen werde ich es auf jeden Fall.

Noch 'mal vielen Dank.

Liebe Grüße
Gerald

 
Zuletzt bearbeitet:

“Nothing you can make that can't be made“, heißt es in “all you need is love“, und schon beim ersten Satz wird ein „ich“ vergessen (darum hab ich mich erbarmt, um entgegen meinen Gewohnheiten nochmals vorbeizuschauen und das fehlende ich sprang mich im ersten Satz förmlich an,

lieber GG,

also schau'n mer ma' weiter

Die engen Grenzen der Stadt liegen hinter mir und ich fühle mich frei, wie schon lange nicht mehr.
Grund genug für einen Schnelldurchgang

Dieses gehauchte Seufzen ist das erotischste Geräusch, das ich je gehört habeKOMMA und ich schmelze in ihre Umarmung hinein, vergesse alles, was früher war.

Ich weiß nicht mehrKOMMA wo sie anfängt und ich aufhöre.

Hier empfehl ich, Konj. II „als wollte sie …“ statt des Konj. I

Als wären wir für einen kostbaren Moment aus der Alltagswelt gefallen. Michelle dreht sich zu mir. Schweigend, als wolle sie die Stille nicht stören.
Wer am „als“ nicht merkt, dass da eben kein Prät. steht, sollte noch mal auf die Klötzkenschule … meint der

Friedel

 

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