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Am Strand

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25.01.2002
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Am Strand

Es ist alles ganz ruhig. Ich höre keine Menschen sprechen. Wüßte ich es nicht besser, ich könnte auch der erste und letzte Mensch auf der Erde zugleich sein, so still ist es. Ich will diese Stille nicht stören. Ganz ruhig sitze ich da, höre nur meinen Atem und sonst nur noch das Rauschen der Wellen. Im Westen ist der Himmel noch dunkel, ein paar vereinzelte Sterne sind noch zu erkennen, übrig von dem prächtigen Sternenhimmel gestern nacht. Aber im Osten ist der Himmel bereits heller, als wäre seine schwarze Farbe mit Wasser verdünnt worden, und so langsam mischt sich auch rot und gelb dazu: die Sonne wird bald aufgehen. Ich sitze direkt auf dem Sand, ich will nicht auf einen der Strandstühle sitzen, es paßt so, wie es ist. Meine Zehen graben sich in den Sand und greifen ins nichts. Das ist so ein Moment, wenn nichts im Kopf arbeitet, kein Gedanke stört meine Ruhe, mein ganzer Körper hat sich dem Rhythmus der Wellen angepaßt und macht keine Bewegung. Eine Welle kommt, die nächste, ich atme ein, aus wieder ein, aus... Der Himmel wird immer heller, nur noch der Morgenstern ist zu sehen und auch er verblaßt zusehends. Ich richte den Kopf auf, schaue aufs Meer. Eine Träne rollt mir das Gesicht herunter. Und noch eine. Ich vergrabe mein Gesicht zwischen meinen Armen. Niemand soll mich weinen sehen. Aber es ist auch niemand da, der mich trösten könnte. Während ich am Meer sitze und weine, schläft er in unserem Zimmer, träumt von ihr, nicht mehr von mir. Ich atme tief ein, und schaue wieder hoch. Mein Kopf ist wieder klar. Ich denke nach. Das Meer hat heute eine grünliche Farbe, nicht so blau wie noch vor ein paar Tagen. Ein Sturm hat die Algen an den Strand gespült, stille Helfer werden sie wegschaffen bevor die ersten Gäste an den Strand gehen. Ich stehe auf und gehe näher zu den Wellen. Sie bleiben still in ihrem Rhythmus, auch ich werde sie nicht davon abhalten. Weiter draußen am Riff kann ich die Schaumkronen sehen, die sich an den Felsen bilden. Hier am Strand habe ich nur die kleinen Brüder dieser mächtigen Bewegungen dort draußen. Ich mache noch ein paar Schritte bis meine Füße im Wasser stehen. Zwischen zwei Bergen quält sich ein Sonnenstrahl hervor. Vielleicht ist er jetzt schon wach. Er wird aufstehen, feststellen, daß ich nicht neben ihm liege. Nie wieder liegen werde. Unsere Woche ist um, heute nachmittag fliegt ein Flugzeug in Richtung Deutschland. Das grünliche Wasser umspült meine Waden. Der Rand meiner Shorts wird naß. Ich strecke die Hände nach unten bis meine Fingerspitzen das Wasser berühren. Das Wasser ist warm und weich. Noch ein paar Schritte, bis ich bis zum Bauch im Wasser stehe. Bei der nächsten Welle lasse ich mich ganz ins Wasser gleiten. Es trägt mich auf eine wunderbare Art, ich werde mit der nächsten Welle emporgehoben und gleite hinter ihr wieder runter. Und die nächste Welle. Ich mache noch einen kräftigen Zug. Und noch einen. Ich richte den Blick auf den Horizont. Wunderschön. Kurz davor sind die Felsen. Die weiße Gischt an den Felsen kommt näher. Ich kann die scharfkantigen Felsen sehen die aus dem Wasser ragen. Ein Welle rollt auf mich zu, für einen Augenblick sehe nur diese Wassermasse vor mir. Ich schwimme über die Welle hinweg und habe wieder freie Sicht. Ich spüre den Sog des Wasser unter mir. Ich drehe mich um: der Strand liegt immer noch friedlich da, auf den Wellen spiegeln sich die frühen Sonnenstrahlen. Niemand ist zu sehen. Ich bin immer noch der einzige Mensch, der erste. Ich drehe mich wieder um. Die Felsen kommen näher. Soll ich der letzte sein? Ich blicke wieder zum Strand, höre das Rauschen der Wellen, der sanfte Rhythmus zu dem ich jetzt gehöre. Ich drehe mich um und schwimme zurück. Mein Kopf hört auf zu denken, und ich mache einen kräftigen Zug. Und noch einen. Der Sog ist stark. Noch ein Zug. Und noch einer. Mir tun die Arme weh. Meine Beine sind kalt. Noch ein Zug. Ich schmecke das salzige Wasser auf den Lippen.. Die Sonne ist schon ganz aufgegangen, das rot ist gemeinsam mit dem Morgenstern vom Himmel verschwunden. Der Sog wird langsam schwächer. Meine Kraft auch. Die letzen paar Meter spülen mich die Wellen an den Strand. Ich schürfe mir die Beine am Sand und Muscheln auf. Dann liege ich nur da. Überall klebt Sand an mir, meine Haare liegen schwer im Nacken. Ich liege nur da. Mein Gesicht ist salzig und es kommen neue Tränen dazu. Ich spüre die Wärme der Sonne auf meinem Rücken. Es ist wunderschön. Langsam richte ich mich auf und laufe zu einem der Liegestühle. Mein Körper zittert vor Erschöpfung und Verwirrung. Eine Weile sitze ich dort und schaue aufs Meer. Dort ist weiterhin die Gischt zu sehen. Unbeeindruckt heben und senken sich die Wellen weiter. Manchmal ein bißchen mehr, manchmal ein bißchen weniger. Meine Beine sind als erste trocken. Ich versuche das weiße Salz abzurubbeln. Es wird immer wärmer, die Hitze wird die ersten Strandgänger in den Schatten verweisen. Ich stehe auf und lebe.

„Wo warst du?“
„Am Strand.“

 

Hallo babyjane,

:eek1: Ja ja, wohin die Liebe uns doch trägt, da gehen wir auch hin, so weh sie uns doch manchmal tut... :eek1:


Hendek

 

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