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Amazonas

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23.06.2021
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Amazonas

Amazonas.​

Der Regen hört nicht auf. Stunde um Stunde, ohne Unterbrechung prasseln die Tropfen schon auf meinen Kopf. Sie rollen über meinen Nacken. Vereinigen sich zwischen meinen Schulterblättern zu kleinen Rinnsalen. Meine teure Outdoor-Jacke ist inzwischen völlig durchnässt. Soviel zum Thema ‚waterproof‘. Ich fluche leise vor mich hin. Das Amazonasgebiet war schon immer berüchtigt für seinen Regen, aber in diesem Jahr spielt die Natur völlig verrückt. Der Regen hört einfach nicht mehr auf.

Zum Glück ist die Remington 700 M405A unempfindlich gegenüber Regen. Außerdem habe ich sie vor drei Tagen gut geölt in ihrer Transportbox verstaut. Routiniert unterdrücke ich den Impuls, die Box zu öffnen. Das würde die Waffe nur unnötig dem Wasser aussetzen, dass immer noch unaufhaltsam von überall zu fallen scheint. Außerdem kenne ich dieses Präzisionsgewehr im Schlaf, seit ich es damals während meiner Ausbildung bekam. Ich muss es nicht mehr anschauen. Mein Körper erinnert sich auch so. Der glattschwarze Lauf, der Schaft aus schwarzer Glasfaser, der so ruhig in der Hand liegt. Der kalte, feinfühlige Spezialabzug. Das Gewehr ist ein Meisterwerk. Und mir vertraut wie nichts anderes auf dieser Welt. Selbst Zielfernrohr und Schalldämpfer sind für mich kein bloßes Werkzeug mehr. Sie sind wie Teile meines Körpers.

Ich lehne mich gegen die Wurzel des Kapok-Baumes und durchsuche meine Umgebung mit den Blicken. Im dem dichten Dschungel kann ich fast nichts erkennen. Überall Bäume, Schlingpflanzen, große Blätter und weicher, modernder Untergrund. Ich hasse diesen Wald. Und der Regen macht es nur noch schlimmer. Er tropft von den Blättern, rinnt an den grauen Stämmen nach unten. Sammelt sich unter meinen Stiefeln. Wabert in Schwaden durch mein Blickfeld. Außerdem übertönt er fast alle Geräusche. Nur manchmal kann ich irgendwo einen Papagei hören oder andere beschissene Vögel. Gefährlicher sind die Schlangen. Die kann man nicht hören. Ich ertappe mich dabei, dass ich unwillkürlich nach dem taktischen Messer an meinem Oberschenkel taste. Scheiße. Dieser verdammte Urwald macht mich nervös. Das kann ich jetzt nicht brauchen, muss mich auf meinen Job konzentrieren.

Das hier ist nicht mein erster Auftrag im Amazonas, aber dieses Mal ist es schlimmer denn je. Der Wald wirkt bedrohlich, feindlich, als wolle er sich wehren. Unsinn. Ich fange schon an Gespenster zu sehen, wie diese Öko-Spinner. Die Indianer sehen den Wald als großes, vernetztes Lebewesen, sagen sie. Er sei heilig. Bullshit, das ist einfach nur ein Wald. Ein verfluchter, riesiger Wald voller gefährlicher Tiere und giftiger Pflanzen. Aber nur ein Wald. »Es ist nur ein Wald«, versuche ich mir einzureden und ahne tief in mir, dass das nicht wahr ist. Also versuche ich, mich in meine Atemzüge zu versenken. Blockatmung, die alte Atemübung der Navy Seals und Scharfschützen. Aber auch das beruhigt mich heute nicht. Mein ganzer Körper scheint die Feindseligkeit dieses Waldes zu spüren.

Also versuche ich mich auf den geplanten Ablauf zu konzentrieren. Gehe vor meinem inneren Auge die einzelnen Schritte durch. Irgendwann in der nächsten Stunde werden Raoni Metuktire und seine Leute hier ankommen. Alle sind von ein und dem selben Kayapo-Stamm. Die Bestätigung kam vor 10 Minuten über das Satellitentelefon. Am anderen Flussufer, genau im meinem Blickfeld, liegt der Landesteg. Dort werden sie festmachen um auszusteigen. Die Schussentfernung beträgt knapp 400 Meter sagt der Laser-Entfernungsmesser. Perfekt. Hier über dem Fluss stört der Regen den Blick nicht so stark. Im Zielfernrohr werde ich den Häuptling sehen können, als ob er neben mir stünde. Den Sprengstoff habe ich direkt am Steg versenkt. Ich schaue auf den Fernzünder. Die LED leuchtet grün, die Verbindung steht. Wenn der Häuptling ankommt, werde ich ihn erschießen. In den Kopf, direkt unter dem gelben Federschmuck. Dann den Sprengsatz zünden. Den Rest werden die Piranhas erledigen. Ironie des Schicksals, wenn gerade Tiere dem berühmten Naturschützer den Rest geben. Das gefällt mir. Er wäre besser in seinem Dorf geblieben und hätte billigen Fusel getrunken statt diesen internationalen Rummel anzuzetteln. Er hätte sich viel erspart.

Nach der Detonation bleiben mir vier Stunden, den Hubschrauber-Landeplatz zu erreichen, an dem sie mich vorgestern abgesetzt hatten. Kein Problem, mit dem kleinen, flachen Glasfaserboot. Die Tanks sind voll. Es war klug, den Weg hierher ohne Motor zurück zu legen. Sparsam und lautlos. Ich muss lächeln. Es ist ein grimmiges Lächeln. Gute Planung ist wichtig und ich bin bekannt für präzise Planungen. Und die Ausrüstung ist wichtig. Ich schaue nach rechts, wo ich das Boot am Ufer versteckt habe. Mit seinem getarnten Rumpf, dem kraftvollen Antrieb und der Höchstgeschwindigkeit von über 60 Stundenkilometern ist es ausgesprochen nützlich. Auch Sprengstoff und Fernzünder sind das Beste, was der Markt hergibt. Meine Auftraggeber haben sich nicht lumpen lassen. Ich weiß natürlich nicht, wer sie sind. Der Kontakt lief verschlüsselt über das Darknet, die Bezahlung erfolgt wie immer in Bitcoins. Sicher ist sicher. Aber ich ahne, wer dahinter steckt: Kraftwerke/Staudämme, Bergbau oder Drogen. Jemand mit viel Geld und Einfluss will dieses Stück vom Amazonas und die Kayapo stehen im Weg. Wenn zwei sich streiten … bin ich der Dritte. Ich erledige das Problem lautlos und endgültig.

Plötzlich schreit irgendein Vogel über mir in den Baumkronen. Es klingt schaurig und ich zucke zusammen. Wieder fluche ich leise: Mich von meinen Gedanken ablenken lassen, wie ein Anfänger. Verdammter Mist. Ich reiße mich zusammen und schaue auf die Uhr. Zeit, die Remington fertig zu machen. Sorgfältig lege ich die Box auf den Boden und öffne die Schnallen. Den Zusammenbau habe ich tausende Male geübt, das beruhigt mich. Den Lauf in den Schaft drehen. Mit einem präzisen Klicken rastet er ein. Die Schulterstütze ausklappen und den Schalldämpfer auf den Lauf schrauben. Das Metall ist feucht und ich muss nachfassen. Dieser Scheiß-Regen hört einfach nicht auf. Ich nehme das Fernrohr aus seiner Hülle und schiebe es über die geriffelte Schiene oberhalb der Kammer. Eine Kerbe in der mannshohen Wurzel des Kapok dient als Stütze und ich schaue durch das Visier. Die Anlegestelle ist perfekt sichtbar. Gerade als ich am Visier die Entfernung einstellen will, sehe ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung.

Ich drehe mich um und erstarre. Der Leopard ist höchstens zwei Meter von mir entfernt. Er steht auf dem umgestürzten Baum, der Versteck nach links begrenzt. Aus dieser Höhe könnte er mich mit einem Satz erreichen. Ich verkneife mir den Fluch. »Nur nicht bewegen«, sage ich mir. Der Jaguar duckt sich und ich sehe die Muskeln unter seinem schwarzen Fell. Die grünen Augen fixieren mich. Warum hat er grüne Augen? Seltsam, was mir in solchen Momenten durch den Kopf geht. Jetzt zieht er die Lefzen hoch und zeigt die Zähne. Anders als Löwen und Tiger brüllt er nicht. Die Drohung ist lautlos. Trotzdem unmissverständlich. Die Remington zeigt in eine ganz andere Richtung und so lasse ich die Hand zu meinem Messer gleiten. Langsam, so langsam ich nur kann. Der Jaguar bewegt sich kaum, nur seine Augen folgen meiner Hand. Mit nichts als einem Messer habe ich keine Chance gegen so ein Raubtier. Ich spüre kalten Schweiß. Er tropft mir aus den Haaren in den Nacken und rinnt die Wirbelsäule entlang. Mein Herz rast. Der Jaguar bewegt sich immer noch nicht, nur sein Schwanzspitze streicht langsam von einer Seite zur anderen.

Dann ist er plötzlich weg. Ansatzlos hat er sich umgedreht und ist einfach weg. Wie erstarrt stehe ich da. Ich muss blinzeln und schüttle den Kopf. Für einen Moment dachte ich, hinter dem Raubtier einen Federschmuck gesehen zu haben und menschliche Augen. Angestrengt spähe ich in das grüne Zwielicht unter den Bäumen und versuche, den Bildern in meinem Kopf einen Sinn zu geben. Als hätte der Jaguar einen geisterhaften Begleiter gehabt. Mir schießen die Videos der letzten Umwelt-Konferenz in den Kopf, die mir meine Auftraggeber geschickt hatten. Die Zielperson war immer markiert. Und in allen Aufnahmen war, nur wenige Schritte hinter dem Häuptling, eine andere Gestalt zu sehen gewesen. Sie hielt sich im Hintergrund, aber der ganze Körper hatte Wachsamkeit ausgestrahlt. Mir sind in meinem Leben schon viele gefährliche Menschen begegnet und ich habe sehr feine Antennen für sie. Und schon lange hatten sich meine Antennen nicht mehr so deutlich gemeldet, wie bei diesem Mann. Er hatte sich kraftvoll bewegt, mit zielgerichteter Leichtigkeit, seine dunklen Augen immer in Bewegung. Ein gefährlicher Mensch, sehr gefährlich. Ich hatte ihn für einen Leibwächter oder einen Schamanen gehalten, mit seinem Kranz aus grünen Federn um den Hals. Und genau diese Federn hatte ich jetzt hinter dem Jaguar gesehen. Und dunkelgrüne Augen, kaum sichtbar im Schatten. »Einbildung, alles Einbildung«, versuche ich mir einzureden. Aber meine Hände zittern unkontrollierbar und der Regen hört einfach nicht auf.

Mein Körper atmet weiter. Minutenlang bin ich im Schock, aber mein Körper atmet von allein. Flach zwar, aber er atmet. Wieder versuche ich, meine Atemzüge zu kontrollieren. Als ich gerade anfange, ruhiger zu werden sticht mir irgend etwas in den Nacken. Es brennt wie Feuer und ich lasse das Messer fallen, um panisch danach zu schlagen. Ich erwische das Insekt mit der flachen Hand und schaue es an. So etwas habe ich noch nie gesehen. Wie eine Mischung aus Libelle und Wespe. Eine blau-grüne, wiederliche Wespe. Sie windet sich in meiner Hand und spüre den Ekel in mir aufsteigen. Aber ich kann keinen Stachel erkennen. Dann wird mir klar: der Stachel steckt immer noch in meinem Hals. Der Ekel überwältigt mich so plötzlich, dass ich mich unkontrolliert übergeben muss. Der ganze Wald bekämpft mich, selbst die Insekten. Meine Knie werden weich, die Stiefel rutschen im Schlamm aus. Zitternd halte ich mich an der rauen Rinde des großen Kapok-Baumes fest, um nicht ganz umzukippen. Versuche, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich … muss … mich … zusammen reißen.

Irgendwo im Hintergrund höre ich Stimmen, singende Stimmen. Die Leute des Häuptlings singen beim Rudern. Sie kommen! Jetzt muss mein Körper funktionieren. Das Adrenalin bringt mich wieder auf die Beine. Ich greife nach meinem Gewehr, lehne mich an den Stamm und lege den Schaft der Waffe sicher in die Kerbe der Wurzel. Wie vorher geübt. Aus der Schlaufe am linken Arm hole ich eine Patrone und lasse sie in die Kammer gleiten. Das kühle Metall des Gewehrs beruhigt mich. Automatisch falle ich in die Block-Atmung, atme zählend ein und aus, mit Pausen dazwischen. Mir ist immer noch übel, aber das Zittern meiner Hände lässt nach. Vierhundert Meter, das müsste auch so klappen. Ich stelle das Visier nach und sehe die Boote um die Flussbiegung kommen. Der Häuptling sitzt in der Mitte des Bootes und schaut nach vorn. Gut. Den Fernzünder lege ich neben das Gewehr. Die Boote kommen näher, die Ruderer zeigen auf den Steg und ändern ihren Takt. Noch zehn Sekunden.

Dann höre ich die Stimme hinter mir. Ich drehe mich um. Dieses Mal nehme ich die Remington mit in die Drehung. Der Fernzünder fällt in den Schlamm. Aber der Mann vor mir ist wichtiger. Ich erkenne die grüne Federkette an seinem Hals. Und die grünen Augen. Er hat Augen, wie der Jaguar an seiner Seite. Sein Gesicht ist bemalt, schwarze Linien senkrecht unter den Augen. Die gleichen Linien winden sich auch um den nackten Oberkörper. Ich habe ihn unterschätzt. Er ist noch gefährlicher, als ich dachte. Seine Augen und seine Bewegungen sind die eines Jaguars. In seiner rechten Hand hält er einen rituellen geschnitzten Stab. Früher hätte ich darüber gelacht. Jetzt packt mich die Angst.

Dann spricht er mit ruhiger Stimme und obwohl ich seine Sprache nicht kenne, verstehe ich ihn. »Der Wald hat genug«, sagt er. Seine Stimme dröhnt in meinem Kopf. »Die Erde hat genug. Eure Zeit ist vorbei.« Er zeigt mit dem Stab auf mich. Da erst fällt mir auf, dass der Jaguar an seiner Seite ein Weibchen ist, kleiner als der Jaguar von vorhin. Wo der Große ist, merke ich erst, als er mich anspringt. Es ist als käme er aus dem Nichts. Seine Tatze trifft mich am Hals. In mir explodiert der Schmerz. Das Gewehr fällt mir aus der Hand und ich rutsche am Stamm des alten Kapok-Baumes nach unten. Mein Gesicht landet im Schlamm, der sich langsam mit meinem Blut vermischt.

Dann ist da nur noch Stille und Schwärze. Ich sterbe.

Und der Regen hört nicht auf.

 

Hallo miteinander,

ich hoffe, der Text gefällt Euch. Weil er unter 2000 Wörtern bleibt, habe ich ihn in der Rubrik "flash fiction" veröffentlicht.

Im Grunde genommen spielt die Handlung in der gleichen Welt wie "Der letzte meiner Art" (Der letzte meiner Art), nach dem Tod des Wächters. Es ist aber nicht notwendig, den anderen Text vorher zu lesen.

Bin gespannt auf Euer Feedback.

Gruß, Gerald

 

Hallo,

naja, ziemlicher Wust aus Genre-Versatzstücken. Predator meets Missing in action. Oder so.

Das Problem hier ist, dass mir der Erzähler viel zu viel redet.

Seine Augen und seine Bewegungen sind die eines Jaguars. In seiner rechten Hand hält er einen rituellen geschnitzten Stab. Früher hätte ich darüber gelacht. Jetzt packt mich die Angst.
Mal so eine Stelle, willkürlich herausgegriffen. Der Mann hat Todesangst!, aber er kann genau beschreiben, dass der andere Typ einen rituell geschnitzten Stab in seiner rechten (!) Hand hält. Seine letzten Worte waren: Der Typ da hatte aber einen rituell geschnitzten Stab in der Hand, bevor er seinen Jaguar auf mich gehetzt hat! Da passt die Perspektive einfach nicht. Viel zu umständlich, viel zu viel. Ich würde hier eher auf einen personalen Erzähler setzen. Meint: Bei einem Ich-Erzähler hast du immer das Problem, wem dieser Erzähler das unmittelbar erzählt. Der redet ja so in den Raum rein, und du verlässt dich dann darauf, das kein Leser genau nachfragt. Streng genommen ist das beim personalen Erzähler auch so, und man löst das mit einem Erzählrahmen, in dem klar wird, warum jetzt wie und wer wem was erzählt. Umberto Eco, Im Namen der Rose, ein Beispiel. Das ist aber Masterclass.

Dann mal zur Glaubwürdigkeit.

Meine teure Outdoor-Jacke ist inzwischen völlig durchnässt. Soviel zum Thema ‚waterproof‘. Ich fluche leise vor mich hin.
Der Typ ist ein absoluter Profi und war schon mehrfach im Amazonas, kann sich aber kein vernünftiges Equipment kaufen? Und wenn, dann regt er sich so mimosenhaft auf?

Der glattschwarze Lauf, der Schaft aus schwarzer Glasfaser, der so ruhig in der Hand liegt. Der kalte, feinfühlige Spezialabzug. Das Gewehr ist ein Meisterwerk. Und mir vertraut wie nichts anderes auf dieser Welt. Selbst Zielfernrohr und Schalldämpfer sind für mich kein bloßes Werkzeug mehr.
Nein, der Schaft liegt immer ruhig in der Hand, der bewegt sich nicht von alleine. Wenn, dann zittert die Hand. Scharfschützen schießen sowieso meistens nicht aus der Hand, freihändig, sondern liegend, sitzend oder wenigstens so, dass der Vorderschaft aufgelegt wird. Mehr Fläche am Körper bedeutet auch immer mehr Beeinflussung durch Bewegung, Reibung, da kann ein Pulsschlag ausschlaggebend sein. Zielfernrohr würde der auch nicht sagen. Die M40 werden, so weit ich weiß, mit Leupold oder Schmidt und Bender ausgeliefert. Der würde sagen: Mit Optik. Überhaupt diese genaue Waffenbeschreibung. Wenn das für ihn eine Verlängerung seines Körpers ist, braucht er denn dann so genau beschreiben? Die Remington würde ich sowieso nicht nehmen, das wirkt arg recherchiert. Die letzten krassen Langstreckenschüsse wurden alle mit McMillan erzielt. Egal. Du musst immer bedenken, bei deiner Erzählstimme wirkt alles schnell zu viel. Jede Information klingt direkt nach Infodump. Deswegen würde ich dir raten, wenn du bei der jetztigen bleiben willst - beschreibe nur das, was der Charakter sieht.


nd in allen Aufnahmen war, nur wenige Schritte hinter dem Häuptling, eine andere Gestalt zu sehen gewesen. Sie hielt sich im Hintergrund, aber der ganze Körper hatte Wachsamkeit ausgestrahlt. Mir sind in meinem Leben schon viele gefährliche Menschen begegnet und ich habe sehr feine Antennen für sie. Und schon lange hatten sich meine Antennen nicht mehr so deutlich gemeldet, wie bei diesem Mann. Er hatte sich kraftvoll bewegt, mit zielgerichteter Leichtigkeit, seine dunklen Augen immer in Bewegung. Ein gefährlicher Mensch, sehr gefährlich. Ich hatte ihn für einen Leibwächter oder einen Schamanen gehalten, mit seinem Kranz aus grünen Federn um den Hals. Und genau diese Federn hatte ich jetzt hinter dem Jaguar gesehen.
Hat so feine Antennen und überprüft diesen angeblich so supergefährlichen Typen dann nicht eingehend? Ich dachte, der wäre ein Profi?

. Ich habe ihn unterschätzt. Er ist noch gefährlicher, als ich dachte.
No shit, Sherlock. Das ist klar, das musst du nicht extra erwähnen.

Naja. Ist nicht so der richtige Überraschungsmoment, finde ich. Wirkt alles sehr konstruiert. Darknet, Profikiller, irgendwas mit Drogenkartell oder Regierung, weiß man nicht so genau, Auftrag schiefgegangen, Ende. Hm. Würde jetzt dieser Jaguar-Dude den Killer nur verletzten, und der müsste ohne sein Remington nur mit einem Messer durch den Amazonas flüchten, dann hättest du eine Story. So wirkt das überkonstruiert, sprachlich umständlich, wenig Fluss, viel Information, und dann so eine rasches Ende, ohne Konflikt, ohne Katharsis. Liegt auch daran, dass deine Figur so wenig Fallhöhe entwickelt. Die ist mir egal. Die hat ja nichts zu verlieren.. Dem Typen ist ja auch alles egal - von wem er den Auftrag bekommt, was er für eine Jacke trägt. Was hat der zu gewinnen, was zu verlieren? Das ist einfach zu wenig, um irgendeine Art von Empathie zu entwickeln. Da würde ich ansetzen.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy,

Danke für das Feedback. Ich glaube, dass ich verstehe, was Du meinst. Sowohl, was den Ich-Erzähler angeht, als auch die Balance zwischen recherchiert / Infodump und Handlung. Gerade das Gewehr ist recherchiert. Das letzte Gewehr, das ich in der Hand hatte, war das G3 der Bundeswehr. Und das ist über 35 Jahre her.

Eigentlich ging es mir darum den Konflikt zwischen Raubbau / Ausbeutung der Natur inkl. dreckiger Tricks und Killer und einer Natur zu beschreiben, die zurück schlägt. (Irgendwo zwischen Forsythe und Schätzing.)

Aber Personen, die den Leser emotional packen, scheinen mir nicht zu gelingen. Das war schon öfters der Fall. Vielleicht sollte ich das Schreiben sein lassen und wieder lesen.

Danke für das ehrliche Feedback

Gruß, Gerald

 

Eigentlich ging es mir darum den Konflikt zwischen Raubbau / Ausbeutung der Natur inkl. dreckiger Tricks und Killer und einer Natur zu beschreiben, die zurück schlägt. (Irgendwo zwischen Forsythe und Schätzing.)
Verstehe ich total. Das Problem liegt aber schon in deiner Konstruktion. Ein Killer, der für nichts steht, kann kein Symbol werden, kann keine Personifikation für etwas sein. Wenn dieser Killer jetzt von SHELL geschickt wurde, oder über Umwege und Mittelsmänner, um diesen Stamm da auszulöschen, weil die auf einer lukrativen Ölquelle/Diamantenmine sitzen, dann sähe die Sache vielleicht anders aus. Im Grunde ist deine Story so ein wenig aufgebaut wie Deliverance, also ein ähnliches Setting, die Natur, die lebensfeindlich ist, und die Einwohner, die von den Städtern, die hier ja leicht versnobte Eindringlinge sind, gnadenlos unterschätzt werden. Wenn du eine Natur hast, die auch wirklich Natur ist mit all ihren Gefahren, würde ich gar nicht so viel versuchen: der Killer braucht ja nur einen falschen Tritt, und er bricht sich ein Bein, und schon ist er auf sich alleingestellt. Natürlich hat er noch GPS und moderne Technik, aber die kann ja nach und nach ausfallen. Dann hättest du ein Drive in der Geschichte, und dann stünde der Killer auch für etwas, er wäre der personifizierte Raubtierkapitalismus.

Charaktere erschaffen ist das Schwierigste. Es gibt da mehrere Facetten, die alle wichtig sind. Schau dir doch mal deine Lieblingsautoren an und mach dir eine Checkliste, wie die Charaktere erschaffen und warum und was für dich daran gut und glaubhaft ist. Es ist immer schwer, einen Charakter so im Lot zu halten, dass es authentisch klingt, echt, glaubwürdig. Zum Infodump: Ich würde mich da mal mit Hemingways Eisbergtheorie beschäftigen. Viele halten den Mann ja für einen altertümlichen und irrelevanten Macho, aber unbestritten hatte er einen Plan vom Schreiben, auch wenn er sich selbst die Rübe weggeblasen hat.

Vielleicht sollte ich das Schreiben sein lassen und wieder lesen.

Das frage ich mich auch oft. Ich habe es aber noch nicht gelassen. Es ist im Grunde ganz einfach: Schreib mal ohne intendierten Leser im Kopf. Schreibe Zeug, was du gerne lesen wollen würdest. Was andere sagen, ist erstmal unwichtig.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy,

zum Teil lag der Mangel an "Back-Story" auch daran, dass die Geschichte innerhalb von "Der Letzte meiner Art" als ein Baustein von vielen dienen sollte. Was passiert, wenn die Natur anfängt zurück zu schlagen.

Das heißt, der Charakter war hier nicht so wichtig, dachte ich. Wenn ich die Leser aber verliere, ist das dann doch nicht gelungen.

Ich schaue mal, wie ich weiter mache.

Nochmal Danke.

 

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