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An jenem Abend
An jenem Abend war sie eine Ballade, ein wehmütiges Lied über meinen Lenden. Sanft bewegte sie ihr Becken vor und zurück. Sie ritt mich. Nicht fordernd. Nicht ungeduldig. Nicht an jenem Abend.
Unentwegt sah ich sie an, wie sie sich auf mir wiegte. Ihr Rhythmus war erregend. Synchronisierter Atem hauchte die Begleitung. Ihre Seufzer waren die Melodie. Wir liebten uns in Moll.
Ich lag einfach nur da und ließ es geschehen. Steif wie nie steckte mein Schwanz in ihr – als wäre ich eine Maschine, bar jeden Gefühls, nur ein Programm ausführend.
Fragmente sinnhafter Gedanken stolperten durch meinen Kopf, sanken nieder, krochen verzweifelt aufeinander zu und fanden dennoch nicht zueinander. Sie konnten sich nicht vereinen, so wie wir es konnten.
Ich fand keine Worte, versagte in diesem Moment so endgültig, daß es schmerzte. Ein Gott ohne Himmel, ein Vogel ohne Flügel, ein jämmerlicher Poet auf der ohnmächtigen Suche nach einer einzigen Silbe, einem einzigen Laut.
Sie war der Mutterleib meiner embryonalen Sehnsucht. Die Liebe, die ich nie zu erhoffen gewagt hatte. Mein Fundament in einer verrückt gewordenen, haltlosen Welt.
Sie war so schön, so stark, so vollkommen. Und doch so abstoßend, so zerbrechlich, so unfertig. Ich wollte ihr das Herz brechen, es herausreißen, ihr das meine geben, in der Hoffnung, sie könnte mich verstehen. Dummkopf, der ich immer schon gewesen war.
Sie ritt mich auf einen farbenprächtigen Regenbogen zu, der sich über unserer zweisamen Erde gebildet hatte. Aber ich wußte, daß es lediglich ein schillerndes Trugbild war. In einer Dunkelheit wie an jenem Abend erblüht kein Regenbogen. Dazu bedarf es der Sonne. Und dennoch, dennoch...
Ich krampfte meine Finger in das Laken. Die verstörende Erregung ließ mich erzittern. Ich wollte noch nicht... Ich konnte noch nicht...
Mein Gott, bitte, wenn es dich gibt – laß es mich zurückhalten. Bis in die Ewigkeit. Bis an das Ende aller Tage. Und darüber hinaus. Richte mich noch nicht... nicht heute... nicht heute!
Sie stöhnte. Beugte sich vor. Legte ihre Hände auf meine Brust. Sie kam. Sie kam, um zu gehen. Wurde schneller. Bedacht auch auf mein Glück. Wie gerne hätte ich verzichtet.
Doch der Reiz war zu intensiv, als daß ich hätte widerstehen können. Es glitschte und pochte und rieb und saugte. Sie keuchte, wilderte auf mir herum, plünderte und brandschatzte. Fickte mich. Fickte meinen Schwanz. Fickte meine Seele. Fickte meine Liebe.
Sie nahm sich, was ich ihr noch zu geben hatte. Und ich gab es ihr, gab es ihr mit einem stummen Schrei, während mir Tränen die Wangen hinabliefen.
Als es vorbei war, stützte sie ihre Hände neben meinen Schultern auf dem Laken ab. Lange schwarze Haare streiften mein Gesicht, verwischten die Tränen zu einem farblosen Ornament. Ihre Brüste ruhten mit einer verschwitzten Hitze auf mir. Ich spürte die Härte ihrer Brustwarzen.
Als ich sie küssen wollte, drückte sie meinen Kopf auf das Kissen zurück und sah mich an. Ihre blauen Augen waren plötzlich wie eisige Seen. Schockgefroren.
Ihr Atem streichelte mein Gesicht. Ich wollte etwas sagen. Was auch immer. Etwas mußte ich doch sagen. Aber sie legte mir ihren Zeigefinger auf die Lippen.
Sie hatte recht. Es war alles gesagt. Wir hatten uns ausgesprochen. Es war vorbei. Dieses eine Mal noch. Bittersüßer Abschied. Das war die Abmachung.
Vorsichtig glitt sie von mir herunter. Ich war geschrumpft. Ich war leer.
Sie ging hinüber ins Badezimmer. Was sie nie getan hatte, tat sie an jenem Abend. Sie duschte danach. Sie wusch mich fort. Reinigte sich für den Neuen.
Ich war wie aus Stein, zu keiner Regung fähig. Lag da und starrte auf die Tür. Sie kam wieder herein. Angezogen. Wie schön sie doch war. Sie trat an das Bett heran. Beugte sich zu mir hinunter. Ein letzter Blick, ein letzter Kuß. Eine Träne benetzte meine Stirn. Sie weinte. So kannte ich sie gar nicht.
„Ich liebe dich“, flüsterte ich.
Sie atmete schwer aus. Dann drehte sie sich um, griff nach dem Koffer und ging. Als die Wohnungstür ins Schloß fiel, preßte ich meine Hand auf den Mund und taumelte aus dem Bett. Ich schaffte es gerade noch bis zum Waschbecken.