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Annie Proulx: Schiffsmeldungen

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Annie Proulx: Schiffsmeldungen

Broschiert: 415 Seiten
Verlag: Btb (5. März 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442736110
ISBN-13: 978-3442736119


Quoyle ist ein Unglücksrabe. Schon als Kind lehnt ihn sein Vater ab, zieht ihm den Bruder vor, der ihn fortwährend schikaniert und hänselt. Korpulent, schwerfällig und ungeschickt wie Quoyle ist, hat er als Teenager keinen Erfolg bei den Frauen, er schämt sich für sein Äußeres, entwickelt Minderwertigkeitskomplexe, besonders sein breites Kinn wird für ihn zunehmend zum alles überschattenden Makel. Als er Anfang dreißig die attraktive Alarmanlagenverkäuferin Petal kennenlernt, scheint sich sein Leben zu ändern. Sie entjungfert ihn nach allen Regeln der Kunst, entfacht in Quoyle ein Feuer der Leidenschaft, in der ersten Hitze der Emotion heiraten sie. Schon bald beginnt sie ihn zu betrügen. Zwei Kinder werden geboren, Bunny und Sunshine, aber auch sie können die fatale Lebenslust der Mutter nicht bremsen, Petal erniedrigt und demütigt ihren Mann immer mehr, bleibt nächtelang fort, bringt fremde Männer mit nach Hause. Quoyle erträgt alles kritiklos, verzeiht der Liebe seines Lebens jede Demütigung, hofft auf Besserung.
Quoyles Eltern begehen völlig überraschend Selbstmord. Als er von der Bestattung nach Hause kommt, stellt er fest, dass Petal mit einem Liebhaber abgehauen ist und die beiden Töchter Bunny und Sunshine mitgenommen hat. Völlig verzweifelt steht er vor den Scherben seiner zerbrochenen Lebenslüge. Wenige Tage später kommt Nachricht von der Polizei. Letal ist gemeinsam mit ihrem Liebhaber in den Tod gerast, hat sich bei einem Autounfall das Genick gebrochen, die Kinder hat sie einen Tag zuvor um ein paar hundert Dollar an dubiose Leute aus der Pornobranche verkauft.
Quoyle ist am Ende, er liebt seine Töchter über alles. Mit Hilfe der Polizei bekommt er die Kinder unversehrt zurück, behält das Sorgerecht. Aber was nun?
Wenige Tage später steht seine Tante Agnis vor der Tür, er hat die Frau noch nie gesehen, noch nie von ihr gehört. Sie erzählt ihm von seinen Vorfahren aus Neufundland, vom dortigen Familienbesitz, einem verfallenen Haus auf einer entlegenen Landzunge, nahe der Stadt Killick Claw und überredet ihn, gemeinsam mit den Kindern und ihr dorthin zu gehen, einen Neuanfang zu wagen.
Quoyle folgt ihrem Rat und verlässt den Staat New York. In der rauen Landschaft Neufundlands, wo die Menschen noch aufeinander angewiesen sind und zwischenmenschliche Kontakte großgeschrieben werden, findet er wieder zu sich, verliert langsam seine Menschenscheu, gewinnt wieder an Selbstvertrauen. Mit dem Geld aus der Lebensversicherung seiner verstorbenen Frau beginnt er, gemeinsam mit Tante Agnis, den Familienbesitz zu restaurieren. Durch Zufall erfährt Quoyle die dunkle Geschichte seiner Vorfahren, muss akzeptieren, dass sie von Piraterie und Inzest überschattet wird, auch seine Tante Agnis umgibt ein streng gehütetes Geheimnis.
Er schafft es, wieder Fuß zu fassen, bekommt einen Job bei der Lokalzeitung von Killick Claw. Der wasserscheue Nichtschwimmer muss ausgerechnet für die Rubrik „Schiffsmeldungen“ unterhaltsame Beiträge schreiben. Quoyle nimmt die Herausforderung an, und hat Erfolg.
Bald darauf lernt er die attraktive Wavey kennen, die ihren Mann durch ein Bootsunglück verloren hat und einen behinderten Jungen aufzieht. Vorsichtig nähern sich die beiden einander, aber noch stehen einer Liebesbeziehung die Schatten ihrer verstorbenen Partner im Wege ...

Der Autorin ist mit diesem Pulitzerpreis gekrönten Werk ein anspruchsvoller Entwicklungsroman von enormer Dichte gelungen, zeigt am Beispiel ihrer tragisch-komischen Hauptfigur , dass es möglich ist, jedes Schicksal zu meistern, wenn man sich ihm mutig entgegenstellt.
In extrem knapper Sprache, aber voll wunderschöner, ausdrucksvoller Bilder zeichnet Proulx die wilde Landschaft Neufundlands, beschreibt sie in allen Facetten, zeigt das harte Leben der dort ansässigen Menschen, den täglichen Kampf gegen die Natur, ihre Erfolge und Rückschläge. Alle Figuren des Romans sind lebendig und unverwechselbar profiliert, besonders liebevoll dargestellt erschienen mir die beiden Mädchen Sunshine und Bunny. Unerbittlich führt Proulx aber auch die hässlichen Seiten der Menschen vor, dennoch hebt sie nie den mahnenden Zeigefinger, bleibt tolerant und versöhnlich, bis an das Ende ihres Romans.

 

Ich entsinne mich, Proulx Mitte/zwote Hälfte der 1990er gelesen zu haben, darunter auch das hier gut besprochene Werk, das freilich bei der deutschen Kritik zwiespältig aufgenommen wurde. Nun, es ist sicherlich keine "Weltliteratur" und schon gar kein Werk für die Ewigkeit und ob ich es ein zwotes Mal lesen werde ist eher zu bezweifeln. Aber genau wie ihre anderen Werke (Postcards, vor allem aber Das grüne Akkordeon, die ich gelesen hab) ist es lesenswert und genau das richtige für die Urlaubszeit.

Bliebe vielleicht noch anzumerken,

liebe Manuela,

dass der tappsige und ungeschickte Quoyle schon in New York Lokalreporter war, aber passend zu seinem Leben dort zwot-, wenn nicht sogar drittklassig.

Der Roman wurde übrigens 2001 manierlich verfilmt.

Gruß & schönes Wochenende

Friedel

 

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