Was ist neu

Copywrite Artemis Feuerschopf

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Monster-WG
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20.01.2018
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Anmerkungen zum Text

Copywrite von greenwitchs "Falscher Hase".

Artemis Feuerschopf

Artemis schoss.
Der Lederball zog wie ein Pfeil über den Waldboden, streifte Burks blonde Haare. Er warf die Arme ins Leere, verlor den Halt und fiel hintenüber.
„Verdammt, Artemis! Das hast du absichtlich gemacht.“
Sie lief zu ihm, konnte das Grinsen nicht unterdrücken. „Tut mir leid.“ Burk ergriff ihre Hand und zog sich hoch, klopfte sich den Dreck vom rauen Leinenstoff. Sie schnipste ihm mit dem Finger gegen den Kopf. Er war kleiner als Artemis, dafür aber breit wie ein Fischfass.
„Wärst du größer, hättest du ihn mit deinem Gesicht stoppen können“, sagte sie.
„Ich bin groß!“
„Ein Baum ist groß. Du …“ Sie streckte Daumen und Zeigefinger zu einem Rechteck und rahmte Burk mit beiden Händen ein.
Beleidigt zupfte er Zweige aus seinem Fellkragen. „Ich will nicht mehr fangen müssen. Warum darf ich nicht schießen?“
„Schießen kannst du, wenn wir den Ball gefunden haben.“
„Stammvater hat gesagt, dass du mich …“
„Stammvater hat auch gesagt, dass der Hügel verboten ist, und du bist trotzdem mitgekommen“, sagte Artemis und stemmte die Arme in die Hüfte. „Also tu nicht so, als wäre alles meine Schuld. Hast du gesehen, in welche Richtung er geflogen ist?“
„Nein.“ Er drehte sich um, streckte den Arm aus. „Vielleicht da lang. Den Hang hinunter.“
Artemis seufzte.

Keine fünf Minuten später beschloss Burk, Artemis die Suche nach dem Ball zu überlassen, und zog mit hängenden Schultern ab. Schön, rief sie ihm durch das Unterholz hinterher, dann konnte er morgen aber gefälligst im Dorf bleiben. Die anderen Kinder waren sowieso interessanter. Außerdem konnten sie schneller laufen als Burk, fast so schnell wie Artemis selbst. Während sie den Hang hinabstieg, konnte sie hinter sich Äste brechen hören. Als stapfte ein wütendes Wildschwein durch den Wald.
Warum, fragte sie sich, spiele ich überhaupt mit Burk. Er war derjenige, der stets zu ihr kam, also musste er auch nach ihren Regeln spielen. Er war witzig, bis er müde wurde. Dann begann er zu nörgeln und zu meckern. Sie griff einen Ast vom Boden, formte ihre feuerroten Haare zu einem Knoten und steckte das Holz hindurch. Artemis Feuerschopf, so nannten sie die anderen Kinder manchmal.
Wahrscheinlich war der Lederball den Hang hinabgerollt, was bedeutete, dass sie den ganzen Hügel hinab und wieder hinauflaufen musste. Diese Seite des Hügels hatte Artemis noch nie betreten. Die Bäume standen zu eng beieinander, um durch das Laubwerk zu schauen, also wanderte sie einfach drauflos.
Vor ihr verdichtete sich das Unterholz. Das musste der Waldrand sein. Mit gesenktem Kopf lief sie darauf zu, die Hände vor das Gesicht gelegt. Es kratzte und stach von allen Seiten, aber Artemis biss die Zähne zusammen und rannte weiter, bis die Blätter sie freigaben.
Sie blieb stehen. Artemis stand auf einem Vorsprung, groß genug, um eine kleine Herde Büffel darauf weiden zu lassen. Ein natürlicher Wall aus Tannen und Gestrüpp schützte die Lichtung vor Blicken von außen. Weiter hinten, wo der Wall ausdünnte, führten die Ränder zu einem spitzen Ende zusammen. Von dort aus musste man einen tollen Blick auf das Land jenseits des Hügels haben, dachte sie, und auch noch so versteckt.
Auf der Lichtung selbst stand ein Haus aus Stein, im Halbkreis umringt von Beeten, und dazwischen ein Mann, der in ihre Richtung blickte.
Artemis erstarrte.
Auch der Mann bewegte sich nicht. Eine Weile lang standen sie einfach nur da und sahen sich an. Dann, als hätten sie sich nie gesehen, wandte der Fremde sich ab und stapfte davon. Bald war er hinter dem Haus verschwunden.
Artemis regte sich. Ihre Nase kribbelte vor Aufregung. Hier lebte ein Stammloser, dachte sie. Deswegen hatte Stammvater den Hügel verboten.
In einem der Beete erspähte sie etwas Rotes. Sie kniff die Augen zusammen. Kein Zweifel, das war ihr Ball.
Einen Augenblick lang stand Artemis da und überlegte; dann sprintete sie los.
Schnell hatte sie die Beete erreicht. Sieben Felder zählte sie, jede mit vier Reihen grauer Blumen. Mit einem Sprung setzte sie über das erste Beet hinweg und landete dahinter auf dem Grünstreifen neben ihrem Ball. Erst jetzt bemerkte sie, dass der er kaputt war. Wolle quoll aus der Seite, wo das Leder aufgerissen worden war. Sie bückte sich und drückte eine der Blumen mit der Hand zur Seite, um nach dem Ball zu greifen, als die Pflanze ihr in das Fleisch stach.
Ruckartig riss sie die Hand zurück. Beinahe hätte Artemis geschrien. Ein Rinnsal Blut quoll hervor. Sie leckte die Wunde ab, vergrub die Hand im Leinenstoff.
Hockend betrachtete sie die Blume. Sie war gänzlich dunkelgrau, mit einem makellosen Stiel und einer Krone aus acht Blättern, die jeweils zu viert in zwei Reihen übereinanderlagen. Die Blätter selbst waren dünn wie Libellenflügel. Auf der bleiernen Oberfläche spiegelte sich das Sonnenlicht. Am Kelch, wo Stiel und Krone ineinander übergingen, trug die Blume winzige, ebenfalls graue Samen. Noch nie hatte Artemis eine solche Pflanze gesehen.
Sie sah sich um. In allen Beeten wuchsen solch seltsame Pflanzen, alle identisch. Von vorne strich ihr ein Windstoß um die Nase, warf die Haare nach hinten, aber die Pflanzen blieben starr. Nicht einmal die dünnen Blätter zitterten.
Erst jetzt bemerkte sie, wie still es auf der Wiese war.
„Ein schöner Tag, nicht?“
Sie wirbelte herum. Auf der anderen Seite des Beets stand der Fremde. Er trug eigenartige Kleidung: ein Hemd aus einem dünnen, weißen Stoff, dazu braune Schuhe und eine dunkle, von Erde beschmutzte Hose. Seine kurzen Haare lagen perfekt an, als wären sie heute morgen erst geschnitten worden. Ausdruckslos starrte er auf den Lederball. Unmöglich zu sagen, welcher Gedanke ihm durch den Kopf ging.
„Tut mir leid“, sagte Artemis.
„Ein schöner Tag, nicht?“
Sie blinzelte.
Seine steife Miene änderte sich zu einem übertrieben Lächeln. Die Augenbrauen wanderten einen Zentimeter weiter hoch, als erwartete er eine Antwort von ihr.
Sie nickte.
„Dein Gesicht ist uns nicht bekannt. Bist du neu auf Meridian?“
„Meri… was?“
Der Fremde überging die Frage. „Bist du ein Kolonist?“
„Was ist ein Kolonist?“
„Kolonisten sind die mutigen Frauen und Männer, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihr Leben in den Dienst der Entdeckung zu stellen! Bist du ein Entdecker?“
Artemis überlegte. Letzte Woche war sie über einen Erdspalt östlich des großen Wasserfalls gestolpert, der in eine Höhle führte, und heute erst war sie mit Burk auf den verbotenen Hügel gewandert. Kein anderes Mitglied ihres Stammes traute sich dorthin. Eigentlich, dachte sie, macht mich das durchaus zu einer Entdeckerin.
Sie nickte.
„Wunderbar! Wir legen eine Kartei an. Der Name?“
„Artemis.“
„Vorname?“
Sie blinzelte. Meinte er ihren Spitznamen? „Artemis Feuerschopf.“
„Artemis Feuerschopf Artemis, sehr erfreut und herzlich Willkommen auf Meridian. Wir heißen Jo. Deine Daten werden an die Kolonialverwaltung weitergereicht, die sich dann bei dir meldet. Bis dahin: Genieße deinen Aufenthalt und immer dran denken: Den Blick zu den Sternen!“ Ohne ein Wort zum Abschied wandte er sich ab und ging davon.
Sprachlos sah Artemis ihm hinterher. Vorsichtig setzte sie einen Fuß in das Beet und bückte sich nach dem Ball, wobei sie achtgab, nicht versehentlich eine der scharfen Blumen zu berühren. Ihre Finger angelten den Ball. Sie hob ihn auf und drehte ihn um die eigene Achse. Ein Stück Wolle fiel heraus. Keine Chance, dachte sie, der war hinüber.
In der Wolle blitzte etwas auf. Artemis griff danach; ein metallischer Samen, wie sie auch am Blumenkelch wuchsen. Er musste in den Ball gefallen sein, als die Blumen das Leder aufgerissen hatten. Einen Moment lang drehte sie den Samen in der Hand, fühlte die Form. Dann steckte sie ihn in die Tasche.
Sie blickte sich um. Am Rande des Vorsprungs stand der Alte und starrte auf einen Punkt in der Ferne. Was dort wohl liegt, dachte sie. Stammvater erlaubte keine Menschen jenseits des Hügels. Wäre Burk noch hier, hätte er sie dazu gedrängt, so schnell wie möglich nach Hause zu laufen.
War er aber nicht.
Vorsichtig lief sie durch die Blumenfelder, auf den Grünstreifen und zum Rand des Vorsprungs und blieb neben Jo stehen.
Vor ihr lag ein Tal. Zu beiden Seiten fiel der bewaldete Hang immer weiter ab, bis er in der Ferne an einem kaum erkennbaren Flusslauf stoppte. Das musste Vater Tropfen sein, der Grenzfluss des Heiligen Landes. Durch die Baumwipfel konnte Artemis das Wasser rauschen hören.
Das Seltsamste aber war das Land hinter dem Fluss.
Gigantische graue Gerippe, größer als alles, was Artemis je gesehen hatte, ragten in den Himmel. Manche waren rund wie Gurken, andere kantig verformt, mit Zacken und Löchern, als hätte man sie aus Stein geschlagen. Licht spiegelte sich auf ihren grauen Oberflächen, wie Artemis es auch schon bei den Blumen beobachtet hatte. Sie kniff die Augen zusammen. Wenn sie genau hinsah, erkannte sie, dass zwischen den Gerippen Eschen und Farnwälder gewachsen waren. Eine Herde Schnauber zog umher und graste.
„Was ist das?“
„New Plymouth, Heimat aller mutigen Kolonisten von Meridian!“
„Leben dort Menschen?“
„Aber natürlich!“ Jos Kopf zuckte. „Bei unserer letzten Aktualisierung wies New Plymouth eine Einwohnerzahl von Null auf. Das entspricht einer Dichte von Null Menschen pro Quadratkilometer. Ziemlich geräumig, wenn du uns fragst.“
Artemis brauchte einen Moment, um seine Worte zu begreifen. „Also wohnen dort keine Menschen.“
„Korrekt.“
„Warum hast du dann behauptet …“
„Abweichung. Wir pingen Satelliten an. Satellit antwortet nicht.“ Dann, als wäre ihm etwas eingefallen, das er längst hätte erledigen wollen, wandte er sich ab und ging davon.
Artemis sah ihm hinterher. Jo schien sie von einen auf den anderen Moment vergessen zu haben. Stattdessen begann er, ein Feld mit grauen Blumen abzuernten und neu zu besäen.
Sie warf noch einen letzten Blick auf New Plymouth, staunte über die Schnauber, die dort entlang der großen Kästen trabten. Dann lief sie zurück, den Ball fest unter dem Arm.

Artemis schoss.
Mit einem leichten Surren löste sich der Pfeil von der Sehne, jagte durch den Wald und dem Schnauber in den Hals. Wiehernd warf der braune Vierbeiner den Kopf nach hinten, stieg auf die Hinterhufe und preschte durch das Gehölz davon.
Sie fluchte.
„Hast du ihn?“ Burk löste sich aus der Hocke und drückte die Zweige zur Seite, um besser sehen zu können. Über die Schultern trug er zwei Rotpelze. „Saß der Pfeil?“
„Nicht im Herzen.“ Artemis sprintete los, zog im Laufen den nächsten Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an. Für die Prüfung hatte sie ihren besten Bogen aus Ebenholz mitgenommen. „Komm, Burk!“
Sie vernahm ein Stöhnen, warf einen Blick zurück. Burk kämpfte sich hoch. Ausdauerlauf war noch nie seine Stärke gewesen, schon als Kind nicht und erst recht nicht als junger Mann. Hätte Burk sich nicht als Träger angeboten, hätte sie die Prüfung gewiss alleine abgelegt.
„Den Schnauber findest du nie und nimmer, Artemis. Der ist längst über alle Berge.“
Sie sah in die Richtung, in die das Tier geflohen war. Nüchtern betrachtet mochte Burk Recht haben, aber sie war nicht Burk.
„Ich laufe hinterher.“
„Das ist verrückt!“ Er stemmte die Arme in die Hüfte. „Die anderen Jäger sind längst auf dem Rückweg. Wenn du willst …“
„Schon gut Burk.“ Sie sprintete los. „Ich beeile mich!“
„Verdammt, Artemis!“
Sein Ruf erstarb.
Ihre Trophäen zu tragen war nett, sicher, aber es war Artemis` Jagdprüfung, nicht seine. Sie wollte mehr als zwei Rotpelze. Sie wollte den Schnauber.
Im Sprint jagte sie durch den Wald, sprang über gefallene Baumstämme, weiter auf einen Stein und hinunter. Das war es, was sie den ganzen Tag über so schmerzlich vermisst hatte. Als hätte sie Steine an den Schuhen getragen, die sie nun endlich losgeworden war.
Sie tastete nach ihrer Halskette, fühlte den Metallsamen, ihren Glücksbringer.
Irgendwo donnerte es. Sie warf einen Blick zum Himmel, blieb stehen. Eine Schneeflocke fiel herab.

Wenige Minuten später hatte der Sturm sie erreicht.
Als erstes kam der Wind. Um Artemis herum wogen die Bäume, als trieben sie auf unsichtbaren Wellen. Äste spannten sich, Pflanzen gingen zu Boden. Sie war gerade zwischen zwei Steinen in Deckung gegangen, als ein Stück Holz über ihren Kopf flog, gegen einen Baumstamm prallte und in tausend Splitter barst. Sie rief nach Burk, aber der Sturm schluckte ihre Worte.
Dem Wind folgte der Schnee. Erst gemächlich, dann tobend, eine Armee aus weißen Flocken. Bald sah sie mit ausgestrecktem Arm nicht weiter als bis zu ihrem Handgelenk.
Die Jagd nach dem Schnauber konnte sie aufgeben. In diesem Chaos würde sie niemals eine Trophäe erjagen. Die Prüfung war gelaufen. Am liebsten hätte sie gegen einen der Felsen geschlagen, aber sie riss sich zusammen. Alles, was jetzt zählte, war Burk zu finden und einen Weg nach Hause zu suchen.
Mit einem Seufzer kletterte sie zwischen den Felsen hervor. Kaum hatte sie sich aufgerichtet, als eine Böe sie an der Brust erwischte und zu Boden warf. Sie schmeckte Schnee, spuckte aus und kämpfte sich auf die Beine. Der Wind ließ ihre Haare flattern wie eine Fahne. Sie legte sich eine Hand auf das Gesicht und spähte durch die Finger. Halb blind stolperte sie durch den Sturm. Ihr Fuß blieb unter einer Wurzel stecken. Sie verlor das Gleichgewicht, stützte sich mit der Hand ab und kam wieder hoch.
Etwas Rotes kam ihr entgegen.

Burk sprach, aber die Worte kamen nicht zu Artemis durch. Der Wind riss an den Rotpelzen, schlug sie ihm ins Gesicht. Mittlerweile hatte sie die Orientierung vollkommen verloren, aber alles war besser als hierzubleiben. Sie packte Burk am Arm und stapfte los.
Irgendwann fiel der Boden ab. Seltsam, dachte Artemis. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, auf einen Hügel gewandert zu sein.
Äste stachen sie, die sie vorher gar nicht bemerkt hatte. Mit gesenktem Kopf lief sie weiter, zog Burk mit sich.
Der Gegenwind ließ nach. Etwas war vor ihr, das ihnen Deckung gab. Als sie näher kamen, erspähte Artemis die Umrisse eines Hauses. Mit letzter Kraft stapfte sie zur Schwelle und schlug gegen die Holztür.
Noch vor dem zweiten Schlag schwang sie auf, als hätte jemand auf sie gewartet. Artemis trat ein, ließ Burk los. Vor ihnen stand ein Mann.
Sie brauchte einen Moment, um ihn zu erkennen. Es war der Stammlose mit den seltsamen grauen Blumen. Jo, wenn sie richtig lag. Alles an ihm war, wie sie es in Erinnerung gehabt hatte. Als wäre er um keinen Tag gealtert.
Hinter ihr hörte sie Burk die Tür schließen.
„Hallo, Artemis Feuerschopf Artemis.“
Burk warf ihr einen fragenden Blick zu. Sie ignorierte ihn.
„Du erinnerst dich an mich?“
„Wie könnten wir einen Entdecker Meridians vergessen?“
Sie setzte sich auf einen der Stühle.
„Was führt dich zu uns?“
Sie blickte zum Fenster. Draußen klebte der Schnee an der Scheibe. „Das Wetter.“
„Wir verstehen. Schon wunderlich, dieses Meridian. Natürlich könnt ihr bleiben, bis der Sturm vorüber ist. Wir werden in der Saatkammer zwei Betten herrichten.“
„Danke.“
„Keine Ursache. Wir Pioniere müssen doch einander helfen, nicht?“ Auf einmal, als hätte ihm jemand einen guten Witz erzählt, wechselte Jos Gesichtsausdruck zu einem Sinnbild übertriebener Freude. „Haben wir bereits gesagt, wie gut es tut, dein Gesicht zu sehen, Artemis?“
Sie schüttelte den Kopf, mehr in Richtung des Tisches als zu Jo.
Der Eremit wandte sich an Burk. „Möchtest du auch Entdecker werden?“
„Nicht wirklich.“
„Schade, du siehst aus wie ein Mann mit Talenten. Aber denke immer daran: Zwischen den Sternen gibt es für jeden einen Platz!“ Mit diesen Worten humpelte Jo ins Nebenzimmer.
Wie ein nasser Sack ließ Burk sich auf den anderen Stuhl fallen, stützte die Arme auf das Holz. Schnee tropfte auf den Tisch. „Ein Stammloser.“
Sie nickte.
„Warum wundert es mich nicht, dass du ihn trotzdem kennst?“
„Lange Geschichte.“
Burk seufzte, vergrub das Gesicht in den Händen. Eine Weile lang saßen sie nebeneinander und schwiegen, während sie im Nebenraum Jo beim Umräumen hören konnten. Etwas zischte, als würde jemand laut Luft einatmen.
Sie blickte hinaus, verschränkte die Arme, als würde ihr dadurch wärmer werden. Hoffentlich hatten es alle anderen Prüflinge zurück in das Dorf geschafft. Wenn sie Glück hatten, würde sich der Sturm bald legen. Falls nicht …
„Du hättest dem Schnauber nicht nachjagen dürfen.“
Sie stöhnte.
„Was denn?“
„Wir waren ohnehin zu weit draußen, Burk. Der Sturm hätte uns erwischt, bevor wir Vater Tal überquert hätten.“
Sie spürte seinen Blick. Artemis hatte ganz vergessen, wie anstrengend er sein konnte, wenn er erschöpft war.
„Lass uns nicht darüber reden.“ Sie gähnte.
„Natürlich nicht. Du gehst unangenehmen Sachen ja einfach aus dem Weg.“
„Burk, ich hab nicht … ich will mich nicht streiten, ja?“
In diesem Moment kam Jo zurück ins Zimmer, zog das rechte Bein nach. Was ein Glück, dachte Artemis. Sein Auftauchen rettete sie heute bereits zum zweiten Mal.
„Was ist mit deinem Bein passiert?“, fragte sie.
Jo winkte ab. „Nichts Schlimmes. Was ist schon ein Kratzer, wenn man dafür die Luft der Freiheit atmet?“
„Du humpelst.“
„Das ist kein Problem für uns.“
Burk zwinkerte. „Warum redest du von dir in der Mehrzahl?“
„Weil wir viele sind.“
Burk warf Artemis einen Blick zu, eine Mischung aus Vorwurf und Verwirrung, verkniff sich aber die Frage.
„Ist dir nicht auch kalt, Jo?“, fragte Artemis.
„Wir spüren keine Kälte.“
„Du … wäre es trotzdem möglich …“
„Wir zünden den Kamin an.“
Jo legte einen Holzscheit in die Kaminnische und streckte die Hand darüber, als wollte er prüfen, ob das Feuer bereits von alleine zu brennen begonnen hatte. Artemis sah ihm dabei zu, schloss die Augen und massierte sich die Stirn.

Irgendwann schreckte sie auf. Burk lag mit dem Kopf auf dem Tisch und schlief. In der Kaminnische knackten die Scheite. Ihr Magen knurrte. Sie hatte seit dem Aufbruch zur Prüfung nichts gegessen.
„Jo?“ Sie sah sich um.
„Fräulein Artemis?“, hörte sie eine Stimme aus dem Nebenraum. Jo trat in den Türrahmen.
„Ich will kein schlechter Gast sein, wirklich, aber etwas zu essen käme gerade gelegen.“
„Wir essen nicht.“
„Kein Essen? Wovon lebst du dann?“
„Wir besitzen eine Fusionsbatterie.“
„Kann man die essen?“, fragte Burk und hob den Kopf.
„Davon raten wir ab.“
Nach kurzer Überlegung beschlossen sie, einen der erlegten Rotpelze zu braten. Artemis, zu müde für eine Konversation, ließ sich Messer und Schüssel reichen und setzte die Klinge an.

Nach dem Essen zogen sich Burk und Artemis in die umgeräumte Saatkammer zurück. Zwischen gestapelten Kisten hatte Jo zwei gelbe Matten ausgelegt. Noch nie zuvor hatte Artemis solch einen Stoff gesehen. Er war so weich, dass sie beim Liegen bis zu den Schultern versank. Burk hatte einen Moment gezögert und gemeckert, bis er sich schließlich doch auf darauf legte und als erster einschlief. Jetzt lag Artemis auf dem Rücken, starrte auf einen Punkt in der Dunkelheit, den sie für die Decke hielt und spielte mit ihrem Anhänger. Draußen heulte der Wind.
„Artemis?“
„Was gibts?“
„Was ist das da zwischen deinen Fingern?“
„Nur ein Anhänger.“ Stammvater erlaubte keine fremden Talismane. Besser, wenn sie Burk nichts erzählte. „Tut mir leid, dass ich die Jagd verbockt hab.“
„Ach was.“ Er atmete aus.
Eine Weile schwiegen sie. „Denkst du, er ist verrückt?“, fragte Burk schließlich.
„Jo?“
„Ja.“
„Warum glaubst du das?“
„Weil … er immer wir sagt. Als wären da noch mehr Leute in seinem Kopf.“
„Quatsch nicht rum, Burk. Jo ist nicht geisteskrank. Vielleicht ein bisschen einsam.“ Sie überlegte. „Obwohl ich den Eindruck hatte, dass er eigentlich ganz zufrieden ist.“
Burk wälzte sich auf der Matte. „Inwiefern?“
„Naja, mit sich und seinem Leben. Und was er hat. Mit seinen Blumen.“
„Welche Blumen?“
„Zeig ich dir morgen.“
Gähnend drehte sie sich auf die Seite, schloss die Augen. Müdigkeit umschloss sie. Burk versuchte noch ein paar Male, sie zu einem Gespräch zu bewegen, aber sie ging nicht darauf ein. Irgendwann ließ er es gut sein, murmelte ein „Gute Nacht“ und wurde still.

Am nächsten Tag hatte sich das Schneetreiben gelegt. Die weiße Decke reichte jetzt so hoch, dass es drei Anläufe brauchte, die Tür zu öffnen. Nie und nimmer würden sie es bis zum Dorf schaffen, nicht über den Hügel. Ihnen blieb nichts übrig, als das Wetter auszusitzen.
Stattdessen saß sie am Tisch und beobachtete Jo. Im einen Moment lief er mit ausdruckslosem Gesicht durch das Haus, ohne Burk oder sie zu beachten, im anderen kannte seine Begeisterung kein Maß. Als wären sie alte Freunde, deren Anwesenheit er längst vergessen hatte, und wenn er zu reden begann, flackerte seine inbrünstige Leidenschaft für Entdeckung auf wie ein Waldbrand.
Burk hingegen schien seine Probleme mit dem Stammlosen zu haben. Mit gesenktem Kopf saß er am Tisch, knabberte die Reste vom Rotpelz, den sie am Vortag gebraten hatten, und schlug jede Teilnahme am Gespräch aus, während er stattdessen durch das Fenster auf den Schnee starrte.
Artemis akzeptierte es mit einem Schulterzucken. Burk hatte sich beim Stamm schon immer wohler gefühlt als im Wald. Sie wollte Jo gerade fragen, wie er sich das Knie verletzt hatte, da packte der Stammlose einen Korb, riss die Tür auf und verschwand.
Burk und Artemis eilten zum Fenster. Mit langen Schritten mühte sich der Alte durch den hüfthohen Schnee. Als wüsste er, was vor seinen Füßen lag, packte er in die Schneedecke und zog etwas Graues hervor. Eine Metallblume, dachte Artemis. Schweigend sahen sie zu, wie der Alte das Feld aberntete und die Blumen in den Korb legte. Dann pickte er sich Samen heraus, verteilte sie im Schnee, wobei er bückend beinahe ganz verschwand, und kam mit dem Korb in der Hand zurück.
„Was sind das für Blumen, Jo?“, fragte Artemis, sobald der Alte das Haus betreten hatte.
Er stellte den Korb auf dem Tisch ab. „Wir pflanzen keine Blumen.“
„Was dann?“ Sie stützte sich auf den Tisch, nahm eine der Pflanzen heraus und drehte sie. Acht Blätter, dünner Stiel, Samen am Kelch, wie sie es in Erinnerung hatte. Definitiv eine Blume. Burk sprang auf.
„Artemis!“
„Was denn?“
„Fass das nicht an!“
Sie ignorierte ihn. „Wenn es keine Pflanzen sind, Jo, was dann?“
„Wir wissen es nicht.“
„Und warum baust du sie in deinem Garten an?“
„Wir wissen es nicht.“
„Stammvater würde das nicht gutheißen, verdammt!“
„Stammvater ist aber nicht hier, Burk, und selbst wenn. Geh hier nicht hin, fass das nicht an, bla bla.“ Sie reichte ihm die Blume. Burk machte einen Satz nach hinten, als hätte sie eine Waffe auf ihn gerichtet. „Du kannst sie ruhig anfassen, Burk. Ich tue es ja auch. Sticht nicht. Außer die Blätter, die sind scharf.“
„Du kennst diese … Dinger?“
Sie nickte. „Die haben meinen Ball zerschnitten. Damals, als wir auf dem Hügel gespielt haben.“
„Du hast Stammvater erzählt, es wäre ein Stein gewesen.“
Sie legte die Blume zurück in den Korb, zuckte mit den Schultern. „Hab halt gelogen.“

Jo, dem die Kälte nur wenig anzuhaben schien, erklärte sich bereit, in einem nahen Flusslauf Fische zu fangen. Als Artemis ihm beim Aufbruch zusah, wurde ihr ein wenig wehmütig zumute. Nichts war schlimmer, als in diesem Haus eingesperrt zu sein und zusehen zu müssen, wie andere durch den Wald laufen konnten.
Immerhin besserte sich Burks Stimmung. Er lehnte am Fenster, starrte hinaus und machte Witze, während Artemis am Tisch saß und der Maserung mit dem Finger folgte, als wären es Flüsse auf einer Karte. Sie malte sich Wälder aus, die die Flüsse rahmten, und Hügel und Berge, deren gezackte Rücken sich über den Tisch zogen. Mit zwei Fingern wanderte sie durch die geschaffene Landschaft und malte sich aus, wie es wäre, den Frühling genießen zu können.
Irgendwann, als Jo längst außer Sichtweite war, löste sich Burk vom Fenster.
„Lass uns abhauen.“
Sie blinzelte. „Was?“
„Jetzt ist die Gelegenheit, Artemis!“
„Aber ich will gar nicht gehen.“
Burk starrte wieder hinaus, reckte den Hals und ignorierte ihren Einwand. „Ich glaube, es sind diese Blumen. Sie machen ihn verrückt.“
„Burk …“
„Überlege doch mal! Er lebt ganz alleine, er isst und trinkt nicht, er redet so seltsam. Gestern Nacht bin ich aufgestanden, weil ich pinkeln musste, und weißt du, was ich gesehen habe? Er schläft im Stehen! Einfach so. Stand hier neben dem Tisch und starrt die Wand an. Er hat sich nicht einmal hingesetzt!“ Er schüttelte den Kopf. „Mit diesem Kerl stimmt was nicht, Artemis. Es sind die Blumen. Je länger wir hier bleiben, desto mehr werden wir wie er.“
„Blödsinn.“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“
Sie fühlte nach ihrem Anhänger, zog ihn hervor. Burks Augen wurden groß.
„Der Samen war in meinem Ball, damals. Ich fand ihn schön, also hab ich ihn behalten.“
Burk wurde bleich wie der Schnee vor dem Fenster. Einen Moment lang starrte er sie einfach nur an, dann streckte er die Hand aus. „Gib ihn mir.“
„Niemals. Ich …“
„Artemis, dieses … Ding ist gefährlich!“
„Das kannst du doch gar nicht wissen!“
„Stammvater sagt es.“
„Ach, und das ist Grund genug?“ Sie warf die Hände in die Luft. „Du hast doch selbst Grips. Benutze ihn.“
„Ich werde es dir beweisen.“ Burk lief in die Saatkammer und kam mit einer der Kisten zurück, die Jo übereinander gestapelt hatte.
„Was ist das?“, fragte Artemis.
„Ich wette, darin bewahrt er diese Dinger auf.“ Mit bloßen Händen packte er den Deckel, riss ihn ab und warf die Kiste um.
Ein Meer aus Metallsamen ergoss sich auf den Boden.
„Bitte. Wette gewonnen.“ Burk verschränkte die Arme. „Er hat was vor, Artemis. Mit den Samen. Er pflanzt sie an und sammelt sie. Vielleicht solltest du ihn danach mal fragen, wenn er zurückkommt.“
Von draußen erklang ein abgehackter Ruf. Artemis, froh über die Gelegenheit, öffnete die Tür und stürmte hinaus. Viel länger hätte sie es mit Burk in einem Raum sowieso nicht mehr ausgehalten.

Ein seltsames Wesen war am Rand der Lichtung aufgetaucht, mit einer menschlichen Statur, aber zerpflückt wie ein gerupfter Hahn. Mit verdrehtem Oberkörper lief das Ding durch den Schnee, so tief gebückt, dass Artemis sein Gesicht nicht erkennen konnte. Hinter sich zog es einen Körper durch den Schnee, viel größer als es selbst und mit Fell bedeckt.
„A-a-a…“ Es brach ab und stürzte in den Schnee.
„Jo?“
Sie trat von der Türschwelle, sprang breitbeinig durch den Schnee. Etwas schnitt ihr in die Wade, aber sie lief weiter, erreichte das Loch, in dem Jo versunken war. Sein rechtes Schienbein war zerbissen, dem anderen fehlte der Fuß. Er musste sich auf dem Stumpf durch den Schnee gekämpft haben. Sie warf einen Blick auf das tote Tier, das Jo mitgebracht hatte. Ein Schnauber mit einem Pfeil im Hals. Ihr Pfeil. Bei Vater Tropfen, dachte sie, wie hatte Jo es in diesem Zustand geschafft, einen ausgewachsenen Schnauber durch den Schnee zu ziehen? Und was hatte ihn verletzt?
Sie packte den Stammlosen, suchte nach seinem rechten Arm, um ihn auf den Rücken zu drehen, fand aber nur ein Loch im Oberkörper. Sie erwartete Blut, aber alles, was sie fand, war …
Grau. Grau wie die Metallblumen.
„Artemis!“
Irgendwie gelang es ihr, den Blick vom Stumpf zu lösen. Burk zeigte mit der Hand auf einen Punkt hinter ihr. Sie drehte den Kopf.
Etwas bewegte sich durch den Schnee. Ein dunkler, katzenartiger Kopf lugte hervor und verschwand, gerade lang genug, um zu erkennen, was sich da heranschlich.
Sie fluchte. Es gab Tiere, die nicht einmal Artemis bereit war zu jagen, und die Samtkatze gehörte ganz oben auf die Liste. Sie packte Jo am Kragen, drehte ihn auf den Rücken und zog ihn Richtung Haus.
„Burk, mein Bogen!“, rief sie.
Er nickte und verschwand im Haus. All der Ärger um den Metallsamen war vergessen. Stammvater sei Dank, dachte Artemis, das ist das erste Mal seit unserem Aufbruch, dass Burk mir keine Widerworte gibt.
Auf einmal kam Leben in Jo. „Der Bergpuma ist ein wirklich interessantes Geschöpf, findest du nicht auch?“, sagte er und legte das Kinn auf die Brust. „Wild und anmutig gleichermaßen. Das muss dein tierischer Vertreter sein, Artemis Feuerschopf Artemis.“
Sie ignorierte seine Worte und suchte stattdessen nach der Samtkatze. Kein Tapsen, kein rieselnder Schnee. Als wäre sie abgetaucht.
„Dürfen wir anmerken …“
„Nein. Sag mir, was passiert ist.“
„Wir haben ein totes Pferd gefunden und dachten, dass es eine akzeptable Alternative zum Fisch wäre. Auf dem Rückweg hat uns der erste Puma angegriffen.“
„Der erste?“
„Ein Männchen. Wir hatten keine Wahl, als es zu erwürgen.“ Er gab ein Geräusch von sich, das Artemis grob an ein Seufzen erinnerte. „Das Leben eines Pioniers kann wahrlich grausam sein.“
„Ruhe jetzt.“
Artemis warf einen Blick nach hinten. Fast hatten sie die Hütte erreicht. Plötzlich sah sie im Schnee zwei gelbe Augen aufblitzen. Da hockte die Samtkatze und starrte sie an, die Vorderbeine zum Sprung angewinkelt. Sicherlich das Weibchen.
„Burk! Mach dich bereit, die Tür hinter uns zu schließen!“
Fauchen. Die Samtkatze schoss hervor und landete lautlos im Schnee.
Ein vertrautes Sirren. Artemis hob den Kopf. Der Pfeil flog weit über die Samtkatze hinweg und verschwand zwischen zwei Bäumen. Beinahe hätte sie Jo fallen lassen. Wenn sie diesen Tag überlebte, würde sie Burk das Bogenschießen beibringen.
Schnee flog, als das Raubtier immer näher heranpreschte. Intuitiv warf Artemis Jo in den Schnee und hob die Hände, als das Tier stolperte, sich überschlug und ihr bis zu den Füßen rutschte. Blut tränkte den Schnee. Artemis brauchte einen Moment, um zu verstehen, was geschehen war.
Die Metallblumen. Ihr kam eine Idee.
„Jo, wo ist das nächste Blumenbeet?“
„Drei Meter links von dir.“
Sie lief los, blieb stehen, als sie mit dem Schuh gegen etwas Hartes stieß. Mit den Händen fasste sie unter die Blätter, schuppte den Schnee beiseite und riss am Stiel. Wie ein Messer hielt sie die graue Blume vor sich.
Die Samtkatze hatte sich mittlerweile wieder auf ihre Pfoten gekämpft. Mit gesenktem Kopf blieb das Biest stehen, als wagte es nicht, einen weiteren Schritt im Schnee zu machen.
Plötzlich taumelte es, brüllte. Ein Pfeil steckte in seiner Schulter. Burk stand im Türrahmen, den Bogen in der Hand, und grinste.
Das war ihre Chance. Artemis holte aus und rammte der Samtkatze die Blätter in die Kehle. Das Tier warf den Kopf so abrupt nach hinten, dass es ihr die Blume aus der Hand riss. Wie ein Hase sprang es davon, landete auf den Hinterbeinen und brach kreischend zusammen. Es war im nächsten Feld gelandet. Artemis wollte bereits nach der nächsten Blume greifen, als sie sah, dass die Samtkatze liegen blieb. Ein zweiter Pfeil flog, tauchte drei Schritte neben dem Tier in den Schnee. Es regte sich nicht.
Sie beugte sich nach vorne, die Hände auf die Knie. Roter Schnee umgab sie. Erst jetzt bemerkte sie, wie heftig sie atmete.
„Wir sind beeindruckt, Artemis Feuerschopf Artemis.“
Jo. Sie lief zu ihm. „Wachbleiben, ja? Bleib bei mir.“
„Wir haben nicht die Intention, irgendwohin zu gehen.“ Er hob den Kopf und sah an sich herunter, als überprüfte er, welche Körperteile ihm geblieben waren. „Bedauerlicherweise wiegt die Realität schwerer. Nun, Freunde, jeder Traum findet ein Ende.“
Burk kniete sich neben ihn, öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
„Heimreise eingeleitet. Wir pingen Satelliten an. Satellit antwortet nicht.“ Sein Kopf zuckte hin und her. Burk warf ihr einen Blick zu. Er hatte Angst.
„Satellit antwortet nicht. Satellit antwortet nicht.“
„Jo, ganz ruhig.“ Sie presste die Lippen zusammen. Dass er überhaupt noch lebte, grenzte an ein Wunder.
„Heimreise nicht möglich. Laser-Array offline. Laden Notfall-Protokoll.“ Auf einmal richtete sich Jo auf und versuchte, auf seine geschundenen Beine zu kommen. Burk und Artemis hielten ihn zurück und lauschten stattdessen, was er zu sagen hatte.

Während Artemis die tote Samtkatze aus dem Schnee zog, schippte Burk einen Teil der Lichtung frei. Dann ging er ins Haus und kam mit dreizehn Metallblumen zurück, von denen er alle außer einer in einem Kreis absteckte. Artemis sah, wie unbehaglich ihm das Halten der Blumen zumute war, und doch verrichtete Burk sein Werk ohne Murren.
Als alle Blumen im nassen Gras steckten, humpelte Jo in die Mitte des Kreises. In seiner verbliebenen Hand öffnete sich ein Loch, gerade groß genug für einen Blumenstiel. Auf seine Bitte hin steckte Artemis die letzte Metallblume hinein. Sie schüttelte sich, als sie sah, dass der Stiel am Handrücken herauslugte. Auch Burk war der Anblick sichtlich unangenehm, aber er blieb still. Schweigend setzten sie sich ein paar Meter entfernt auf den Türabsatz.
„Laser-Array online. Wir pingen Satelliten an. Satellit antwortet. 41/42 Agenten inaktiv. Satellit stellt Lichtsegel bereit. Heimreise eingeleitet.“
Die Blumen erwachten, neigten sich einem Punkt im Himmel zu, den Artemis nicht erkennen konnte. In entgegengesetzter Richtung begannen sich beide Reihen Blätter zu drehen, erst langsam, dann immer schneller, bis sie summten wie ein Schwarm Bienen. Kalter Wind schlug ihr entgegen. Dann, als die ganze Wiese nach Frühling klang, brachen die Knospen auf.
Für den Bruchteil einer Sekunde war das etwas, das Artemis nicht beschreiben konnte. Es sprach alle ihre Sinne an, flimmerte in der Luft wie ein Geist, dröhnte in ihrem Ohr, und doch war es nicht deutlich zu greifen. Wäre Burk nicht zusammengezuckt, sie hätte es für eine Einbildung gehalten.
Dann war es vorbei. Die Blumen verstummten. Immer langsamer drehten sich die Blätter, bis sie schließlich stehen blieben.
„Jo?“
Schlaff kippte der Stammlose nach vorne. Aus seiner Hand stieg Rauch auf.

Sie beerdigten Jo nach Stammsitte unter einem Steinhaufen, am Rand der Lichtung. Burk stellte keine Fragen, was geschehen war. Welche Antwort, dachte Artemis, hätte ich ihm auch geben können? Ich verstehe ja selbst nicht, was passiert ist.
„Also“, sagte er, nachdem sie den letzten Stein abgelegt hatten, „was jetzt?“
Artemis zuckte mit den Schultern. „Was fragst du mich?“
„Du hast doch immer einen Plan.“
„Das hier gehörte jedenfalls nicht dazu.“
„Denkst du, Stammvater lässt nach uns suchen?“
„Wenn er es noch nicht getan hat, nein. Wir sind bald zwei Tage fort. Ohne Unterschlupf …“
Er blinzelte. „Ich habe einen Vorschlag.“
„Nur zu.“
„Er besteht aus zwei Teilen. Zuerst kümmern wir uns um deine Trophäen. Am Schnauber ist genug Fleisch für Wochen, und mit der Samtkatze kann Stammvater gar nicht anders als deine Jagdprüfung als bestanden anzuerkennen.“
„Und dann?“
„Ich will dir was zeigen. Auf dem Hügel.
Sie wandte ihm den Rücken zu, trat an den Abhang. New Plymouth war noch immer verlassen. Wo Jo wohl jetzt war. Eines Tages ...

Später, als die Sonne bereits rot auf Jos Grab schien, trat sie durch das Geäst auf den Waldhang. Burk hatte darauf bestanden, vorzugehen. Weit und breit kein Zeichen von ihm.
„Bur…“
Schnee traf sie im Gesicht. Sie fiel hin, kämpfte sich hoch. „Hey!“
Lachend trat er hinter einem Baum hervor und warf einen zweiten Ball nach ihr.
Artemis suchte Deckung hinter einer Kiefer, griff in den Schnee und formte ihn zu einer Kugel. Na schön, dachte sie. Wenn Burk Ballspielen wollte, konnte er es haben.
Sie sprang hinter dem Baum hervor, zielte und warf.

 

Hey @Novak ,

cool, dass du vorbeigeschaut hast! Tut mir leid, dass ich etwas gebraucht habe.

Was ich faszinierend finde, ist, dass du eine Welt aufbaust, die in sich stimmig wirkt. Stammesregeln, Sprache, Rituale. Das passt alles und ist schön einfallsreich. da gibt es wahnsinnig viele Stellen, die finde ich sehr schön, weil man aus einer ganz anderes Sicht gucken muss.

Hatte weiter oben schon Teddy geschrieben, dass mir Artemis Sicht auf ihre eigene Welt sehr wichtig war. Hab auch ein wenig gemogelt was Begriffe wie Metall angeht, weil sie die ja eigentlich gar nicht kennt. Problematisch ist für mich immer, dass ich im Kopf meine Welt viel größer und detailreicher gesponnen habe, als ich in einer Kg rüberbringen kann. Das ist, als hätte ich ein großes Fotobuch und ich muss mich jetzt entscheiden, welche zehn Bilder ich auswähle, um die Geschichte am besten zu erzählen. Einer der Gründe, warum ich mit meinem Geschichten früher so unzufrieden war (und warum sie auch nie mega gut ankamen) war glaube ich, dass ich da kein Händchen für hatte. Das fällt mir aber in letzter Zeit leichter. WK zahlt sich aus.

Vom Copy hast du eigentlich nur das Gärtnerische genommen, oder? Nee, stimmt nicht, Artemis ist eine ähnlich freche, kleine Kröte wie die Kleine aus witchs Geschichte. Ist schon spannend, wie jeder an das Copy herangeht.

Ist ja bereits meine zweite Runde im Copywrite. Ich hab mir aus Spaß selbst die Regel gesetzt, bei jedem Copywrite, das ich schreibe, das Setting zu wechseln. Bei Zigga wurde aus Großstadttragik ein Märchen, hier aus einer Gartengeschichte fantastisch-angehauchte Sci-Fi. Ich frage mich, wie es wäre, wenn ich eines Tages Jimmy ziehe ...

zum Einen muss das Copy für mich als eigenständige Geschichte bestehen können. Und zum anderen muss man die Anlehnung an das Original merken. Beides kann man bei dir, also alles gut und direkt zur eigentlichen Geschichte.

:thumbsup:

Man konnte sehr schnell merken, also auch ich, dass Jo ein Roboter ist, mehr Schwierigkeiten hatte ich mit den grauen Blumen.

War auch so gedacht. Dass Jo kein Mensch ist, sollte jeder für sich merken. Was die Blumen angeht wollte ich nur, dass man merkt, dass sie für Jo essenziel sind. Wofür oder weshalb ist dann an zweiter Stelle.

Jo fand ich toll. Den hab ich ein klein bisschen geliebt.

:herz:


Zu den Anmerkungen im Text: Worauf ich nicht explizit drauf eingehe, habe ich einfach übernommen, danke dafür.

Ich muss gestehen, ich war für einen klitzekleinen Moment irritiert. Dachte, neben Burk gäbe es noch einen Jungen. Man begreift schon, was los ist, aber ich gebe einfach zu bedenken, dass der Versuch bei Nomen immer Synonyme zu finden, seine Tücken haben kann.

Hab mich für das Er entschieden. Ich kann deinen Punkt verstehen, ich hab mich aber erst dagegen gesträubt, weil damit schnell klar wird, dass Artemis und Burk Kinder sind. Ich fahre jetzt mit der Schiene, weil ich glaube, dass das aus dem Ballspiel und dem Dialog trotzdem deutlich genug wird.

Na, die ist ja gut drauf. Leider hatte ich hier den Eindruck, sie ist eher ein kleiner Ziegenbock, anstatt ihren Verstand einzuschalten. Da fehlt mir irgendein Hinweis, warum es nicht anders geht als so, sonst wirkt sie etwas arg geistausschaltend ungestüm.

Weiß nicht, mir gefällt es, vorallem der Vergleich mit dem kleinen Ziegenbock :lol: für mich existieren im Kopf zwei Versionen von Artemis: Das freche/ruppige/absolut unzimperliche kleine Mädchen ohne Manieren einerseits, die jugendliche Artemis andererseits, die zwar immer noch ihren eigenen Kopf hat und sich keine fremde Entscheidung aufzwingen lässt, dafür aber weniger vorlaut und ein Stück mehr "geerdet" ist. Die jugendliche Artemis würde auch niemals Burk beleidigen, wie es die kleine getan hat. Dass sie als Kind aber einfach durch den Busch rennt, passt (zumindest für mich) einfach zum Charakter.


Ich glaube, JEDER Kommentar hat angemerkt, dass man sich die Lichtung nicht vorstellen kann. Weiter oben hab ich das bereits mit NGK besprochen und ungefähr so erklärt:

Stell dir vor, jemand hätte ein gigantisches Segelschiff genommen, in der Mitte durchgebrochen und die vordere Hälfte so an den Berg getackert, dass das Deck waagerecht ist. Die Reling ist der kleine Busch, der alles umgibt, das Deck ist die Lichtung und vom Bug, da, wo sonst halbnackte Meerjungfrauen als Galleonsfigur sitzen, hat man einen super Ausblick auf den Rest der Landschaft. Leider kennt Artemis keine Schiffe, sonst würde ich den Vergleich einfach einbauen.

Ich habe nur noch nicht einen alternativen Vergleich gefunden (und geschrieben), der für mich gut genug funktioniert.

Ich fand die Parallelität des Beginns schön. Aber ganz ehrlich, ich hatte etwas Schwierigkeiten, bis ich merkte, dass die beiden jetzt älter sind. man muss das ja nicht holzhammermäßig machen oder getellt, Aber ein kleiner schnuckliger Hinweis??? Warum denn nicht?

Weiß nicht. Wollte den ersten Absatz nur darauf konzentrieren, wie sie den Pfeil schießt, also rein situativ. Hatte ja gehofft, dass es durch die Tatsache, dass sie jagt, bereits deutlich wird, aber da sind so um die 10 Jahre dann doch zu viel. Ich schreibe es auf die Liste und wenn mir was Kluges einfällt, kommt es rein.

Ich sags doch, in deinen Geschichten gibts immer einen, der alles essen will.

Ich gebe meinen Figuren zu viel von mir selbst :bounce:. Das kann doch nicht gesund sein.

Cool. Hab ich schon gesagt, dass ich Jo liebe?

Ein- oder zweimal :D ich freue mich total, dass die Figuren so gut ankommen. Bei Jo war ich mir bis zum Einstellen der Geschichte sehr unsicher, wie er wohl aufgenommen werden würde. MMn läuft es bei "künstlichen"/nicht-menschlichen Figuren schnell Gefahr, dass sie stereotypisch werden und sich nach Einheitsbrei anfühlen. Eine Lösung wäre gewesen, ihm einen noch individuelleren Charakter zu geben, Gedacht habe ich zB. erst an den "HK-47" (eine Anlehnung an das sowjetische Sturmgewehr AK-47), ein Attentatsroboter aus Star Wars, der alle Menschen nur "Fleichsäcke" nennt und ziemlich gewaltätig und sarkastisch daherkommt. So eine Figur wäre für mich aber stark überzeichnet gewesen, also hat Jo "nur" nen Sprachfehler und eine Platzierung irgendwo zwischen "Klischee-behaftet" und "Hoffentlich individuell" bekommen.

Das ist noch mal eine Streichung, jann man sogar noch mehr rausnehmen hier, ist aber wirklich nur ein Beispiel, ich meine, da gäbe es schon noch so ein paar Kandidaten. Wenn sie später in der Hütte warten zum Beispiel. Das würde etwas mehr Zug reinbringen.

Hab das obere gestrichen.

Überhaupt muss ich meinen Eindruck revidieren, dass das zu viel gewesen wäre. Man braucht halt Zeit für deine Geschichte. Und du sprichst ja auch so einige Themen an. Da ist die mutige Artemis, die mit den regeln bricht, Burk, der dadurch zu ihr in Widerspruch gerät. Beider Vehältnis zu dem fremdartigen Jo. da ist so viel Tolles angelegt. Also gefällt mir echt gut. Ich würde trotzdem noch mal nach Streichkandidaten gucken. Das kann nie schaden. Also fazit: Hat echt Spaß gemacht.

Freut mich, dass du Spaß dabei hattest. Ist ja auch irgendwo alles, was zählt.
Wegen den vielen Themen, ich glaube, das ist auch eines der Dinge, die mir allmählich besser gelingen. Ich kann auch einfach nicht auf weniger Themen verzichten, weil damit zwangweise die Geschichte, die Welt und die Figuren darin ein Stück Farbe verlieren. Was ist stattdessen mache, ist ähnliche Themen zu bündeln und allen Figuren und Orten Themen zu geben, die sich wiederum an den anderer Figuren und Orte reiben. Das ist auch ein Problem, dass ich in der Jasper-Geschichte hatte. Habe sie anlässlich von Vulkangesteins Copywrite noch einmal gelesen: Würde ich sie noch einmal neu schreiben, würde ich direkt mit einem von Annas Morden einsteigen, um dieses Thema viel stärker in die Geschichte zu bringen.

So, jetzt muss ich aber los. Hab mich über deinen Kommentar gefreut!

Liebe Grüße
Meuvind

 

Hey @Isegrims ,

freut mich, dass du dich in neue Gefilde gewagt hast.

saß ich auf einem Bänkchen, vor mir der Blick zu den Wäldern, Frühlingsblumen auf dem Rasen.

Da werde ich ja bald neidisch.

Aber Kompliment: ich habe mich keine Sekunde gelangweilt oder gedacht, he, warum liest du einen Text aus einem Genre, das du nicht gewöhnt bist, das du unter normalen Umständen links liegen lässt. (übrigens eine Qualität der Wettbewerbe hier: in der Regel gute Qualität und die Möglichkeit, eben Texte wie deinen zu lesen.) Danke dafür!

Freut mich, dass es dir gefallen hat. Ich würde mich auch nicht als klassischer Sci-Fi-Autor bezeichnen, ich schreibe queerbeet durch die Genre und immer das, was mir gerade gefällt. Vielleicht hab ich auch deshalb einen anderen Blick auf die Dinge. Aber ja, das mit Wk stimmt. Ich lese hier viele Geschichten aus einer Richtung (z.B. Horror), die ich außerhalb von Wk niemals anfassen würde. Ist für mich eines der Alleinstellungsmerkmale der Plattform.

manche Genre-Autoren haben zwar eine Menge Fantasie, arbeiten aber mit bescheidenen sprachlichen Mitteln. Das gilt für dich nicht. Weiter so! Und wer weiß: vielleicht lese ich so was noch mal. :D

Freut mich, dass du das siehst. Und wenn ich es geschafft habe, einen neuen Leser für etwas zu begeistern, hab ich doch (irgendwo, glaube ich) den Großteil richtig gemacht.

kein schönes Wort

Hab ich angepasst.

na ja, icxc stelle mir das gerade vor, könntest du ruhig ausschreiben

Ja, habe überlegt. Ich breche ja nicht ganz ab, sondern führe in der nächsten Zeile weiter. Das dürfe passen.

netter Schluss, aber irgendwie könntest du noch einen Hinweis auf Fortsetzung geben.

Da bin ich mir noch unsicher. Ich bin mir sicher, dass ich irgendwann zu Artemis zurückkomme und ihr eine neue Geschichte schreibe. Für den Moment ist aber alles gesagt, daher weiß ich selbst nicht, wohin ihre Reise noch geht.

viele Ich-geh-mal-Metallblumen-suchen-Grüße

Viele Viel-Spaß-bei-der-Heimreise-Grüße

Meuvind

 

Lieber @Meuvind,

ich habe mich bei deiner Geschichte gut unterhalten gefühlt, das sind drei schöne Figuren, die du da geschaffen hast und die Handlung ist spannend. Den Zeitsprung nach dem ersten Teil fand ich doch sehr subtil, da habe ich etwas gebraucht. Und ich finde es auch eine Herausforderung in einer Kurzgeschichte den Einblick in eine so komplexe Welt zu geben, die du selbst offenbar gut im Kopf hast. Als Leserin bleibt für mich noch so manche Frage offen. Falls es noch einen Teil gibt, würde ich ihn auf jeden Fall lesen.

Artemis regte sich. Ihre Nase kribbelte vor Aufregung. Hier lebte ein Stammloser, dachte sie. Deswegen hatte Stammvater den Hügel verboten.
Mein Eindruck ist, dass deine Artemis von der griechischen Göttin der Jagd inspiriert ist, jedoch nicht "tiefergehend", oder? Ich finde da sonst wenig Hinweise auf typische Zuschreibungen aus der griechischen Mythologie, außer, dass sie Pfeil und Bogen nutzt. Da hätte ich bei so einem bedeutungsschweren Namen mehr erwartet. Andererseits finde ich es auch kreativ, wie munter du dich hier und da bedienst und die Dinge kombinierst.
Der "Stammvater" klingt wiederum so biblisch irgendwie, nach altem Testament, aber den gibt es ja in allen patrilinearen Gesellschaften (habe es gerade mal gegoogelt). Jedenfalls zieht es sich durch deinen Text, dass Artemis gegen den Stammvater, der recht steif und rigide wirkt, rebelliert. Und da ist der "Stammlose" natürlich spannend. Die Vorstellung, dass jemand nirgendwo dazugehört, dem Stammesrecht nicht unterworfen und damit fremd und unberechenbar ist.

Von vorne strich ihr ein Windstoß um die Nase, warf die Haare nach hinten, aber die Pflanzen blieben starr. Nicht einmal die dünnen Blätter zitterten.
Schönes Bild.

Seine kurzen Haare lagen perfekt an, als wären sie heute morgen erst geschnitten worden. Ausdruckslos starrte er auf den Lederball. Unmöglich zu sagen, welcher Gedanke ihm durch den Kopf ging.
Seine steife Miene änderte sich zu einem übertrieben Lächeln. Die Augenbrauen wanderten einen Zentimeter weiter hoch, als erwartete er eine Antwort von ihr.
Da fehlt also noch ein bisschen das Feintuning. :lol:


Einen Moment lang drehte sie den Samen in der Hand, fühlte die Form. Dann steckte sie ihn in die Tasche.
So richtig passiert mit dem Samen aber dann nichts, oder? Sie zeigt ihn später nochmal Burk. Aber er bekommt keine weitere Funktion.

Wäre Burk noch hier, hätte er sie dazu gedrängt, so schnell wie möglich nach Hause zu laufen.
War er aber nicht.
Schön!

Das musste Vater Tropfen sein, der Grenzfluss des Heiligen Landes. Durch die Baumwipfel konnte Artemis das Wasser rauschen hören.
Eine Vaterreligion. Und Artemis, die sowohl dem Stammvater, als auch dem Burk immer wieder ein Schnippchen schlägt.

„Aber natürlich!“ Jos Kopf zuckte. „Bei unserer letzten Aktualisierung wies New Plymouth eine Einwohnerzahl von Null auf. Das entspricht einer Dichte von Null Menschen pro Quadratkilometer. Ziemlich geräumig, wenn du uns fragst.“
Sehr nett. :D

Etwas Rotes kam ihr entgegen.
Da musste ich lange überlegen. Da sind die Rotfüchse mit gemeint, oder? Und war der Ball vorher nicht auch rot?

„Keine Ursache. Wir Pioniere müssen doch einander helfen, nicht?“ Auf einmal, als hätte ihm jemand einen guten Witz erzählt, wechselte Jos Gesichtsausdruck zu einem Sinnbild übertriebener Freude. „Haben wir bereits gesagt, wie gut es tut, dein Gesicht zu sehen, Artemis?“
Süß.

„Wir besitzen eine Fusionsbatterie.“
„Kann man die essen?“, fragte Burk und hob den Kopf.
„Davon raten wir ab.“
:lol:

Stammvater erlaubte keine fremden Talismane.
Ich sag doch. Alttestamentarisch.

Burk hingegen schien seine Probleme mit dem Stammlosen zu haben. Mit gesenktem Kopf saß er am Tisch, knabberte die Reste vom Rotpelz, den sie am Vortag gebraten hatten, und schlug jede Teilnahme am Gespräch aus, während er stattdessen durch das Fenster auf den Schnee starrte.
Artemis akzeptierte es mit einem Schulterzucken. Burk hatte sich unter Menschen schon immer wohler gefühlt als im Wald.
Das passt für mich nicht so, weil es in diesem Moment ja gerade die soziale Situation ist, die Burk verweigert.


Sie legte die Blume zurück in den Korb, zuckte mit den Schultern. „Hab halt gelogen.“
Gefällt mir, die Artemis.

Als Artemis ihm beim Aufbruch zusah, wurde ihr ein wenig wehmütig.
... zumute" ?

Burk wurde bleich wie der Schnee vor dem Fenster. Einen Moment lang starrte er sie einfach nur an, dann streckte er die Hand aus. „Gib ihn mir.“
„Niemals. Ich …“
„Artemis, dieses … Ding ist gefährlich!“
„Das kannst du doch gar nicht wissen!“
„Stammvater sagt es.“
„Ach, und das ist Grund genug?“ Sie warf die Hände in die Luft. „Du hast doch selbst Grips. Benutze ihn.“
Schöne message.

Ein seltsames Wesen war am Rand der Lichtung aufgetaucht, mit einer menschlichen Statur, aber zerpflückt wie ein gerupfter Hahn. Mit verdrehtem Oberkörper lief das Ding durch den Schnee, so tief gebückt, dass Artemis sein Gesicht nicht erkennen konnte. Hinter sich zog es einen Körper durch den Schnee, viel größer als es selbst und mit Fell bedeckt.
Tolle Beschreibung.

Sie erwartete Blut, aber alles, was sie fand, war …
Grau. Grau wie die Metallblumen.
Die Stelle ist merkwürdig. Oder ist da ein Absatz, der nicht soll?


„Heimreise eingeleitet. Wir pingen Satelliten an. Satellit antwortet nicht.“
"anpingen"- sehr hübsch!

„Laser-Array online. Wir pingen Satelliten an. Satellit antwortet. 41/42 Agenten inaktiv. Satellit stellt Lichtsegel bereit. Heimreise eingeleitet.“
Welche Antwort, dachte Artemis, hätte ich ihm auch geben können? Ich verstehe ja selbst nicht, was passiert ist.
Ja und hier bin ich doch etwas frustriert, weil ich nicht so richtig erfahre, ob Jo jetzt wirklich gestorben ist, oder ob er die Heimreise ohne Körper geschafft hat, oder so. Mit ihm ist dir wirklich eine tolle Figur gelungen, deshalb will ich das gerne wissen.


„Und dann?“
„Ich will dir was zeigen. Auf dem Hügel.
Sie wandte ihm den Rücken zu, trat an den Abhang. New Plymouth war noch immer verlassen. Wo Jo wohl jetzt war. Eines Tages ...
Was hat sie ihm denn jetzt gezeigt? Und wo ist Jo? Das Ende versuselt so ein bisschen in dem Spiel der beiden. Das könnte ruhig noch ein bisschen weitergehen.

Ich hätte mir hier und da noch ein paar Hinweise auf die Geschichte von greenwitch vorstellen können, allein weil es Spaß gemacht hätte, sie zu entdecken. Dass da ein Hase durchs Bild hoppelt, oder so. Aber, wie gesagt, ich habe es sehr gerne gelesen und bewundere deine sprudelnde Phantasie.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hey @Chutney ,

freut mich, dass du vorbeigeschaut hast.

Als Leserin bleibt für mich noch so manche Frage offen. Falls es noch einen Teil gibt, würde ich ihn auf jeden Fall lesen.

Hab schon überlegt, daraus eine Serie zu machen. Würde dann hin und wieder was auf WK einstellen, wenn sich Zeit und Ideen ergeben.

Mein Eindruck ist, dass deine Artemis von der griechischen Göttin der Jagd inspiriert ist, jedoch nicht "tiefergehend", oder?

Nicht inspiriert, eher angelehnt. Sie teilen sich Gemeinsamkeiten wie die Jagd und Pfeil und Bogen, aber das war es eigentlich. Für mich stand der Name Artemis auch nie so symbolisch für die Göttin der Jagd, weil ich früher die Bücher um Artemis Fowl so gerne mochte und der ist wirklich vollkommen anders. Ich verbinde mit dem Namen halt was anderes.

Die Vorstellung, dass jemand nirgendwo dazugehört, dem Stammesrecht nicht unterworfen und damit fremd und unberechenbar ist.

Ja, die beiden passen in ihrer ablehnenden Haltung schon ganz gut zueinander.

So richtig passiert mit dem Samen aber dann nichts, oder? Sie zeigt ihn später nochmal Burk. Aber er bekommt keine weitere Funktion.

Ne. Ursprünglich war die Idee, dass alle Metallblumen kaputt gehen und sie aus Artemis Anhänger Neue züchten, aber das habe ich dann wieder verworfen. Die Vorstellung von brennenden Blumen war mir dann doch zu viel. Jetzt ist er nur noch als "Erinnerung" für Burk da. Kann sein, dass ich zu sehr auf die erste Funktion hingearbeitet habe und er am Anfang wichtiger erscheint, als er im Endeffekt ist.

Da musste ich lange überlegen. Da sind die Rotfüchse mit gemeint, oder? Und war der Ball vorher nicht auch rot?

Ja, die Füchse sind gemeint. Der Ball war auch rot, aber das spielt ja zu einer vollkommen anderen Zeit.

Das passt für mich nicht so, weil es in diesem Moment ja gerade die soziale Situation ist, die Burk verweigert.

Hab es schlecht ausgedrückt. Burk fühlt sich wohl beim Stamm, nicht bei Fremden oder alleine draußen. Ich ändere es.

... zumute" ?

Auch geändert.

Ja und hier bin ich doch etwas frustriert, weil ich nicht so richtig erfahre, ob Jo jetzt wirklich gestorben ist, oder ob er die Heimreise ohne Körper geschafft hat, oder so. Mit ihm ist dir wirklich eine tolle Figur gelungen, deshalb will ich das gerne wissen.

:D der Jo hat zwar keinen mechanischen Körper mehr, an sich "lebt" er aber auch nicht fest darin. Er reist zum Satellit und von da aus mit dem Segel nach Hause. Das Ding ist, dass so ein Lichtsegel gerade mal annähernd Lichtgeschwindigkeit erreicht, wenn (und nur wenn) alle technischen Feinheiten zu 100% gegeben sind (keine Kollisionen, keine Staubpartikel dazwischen e.c.). So eine Reise kann dann auch mal ein paar Jahrhunderte- oder tausende dauern. Jetzt, wo ich es schreibe, fällt mir ein, dass damit ein Wiedersehen zwischen Jo und Artemis doch recht unwahrscheinlich ist. Mal sehen, was sich noch ergibt.

Was hat sie ihm denn jetzt gezeigt? Und wo ist Jo? Das Ende versuselt so ein bisschen in dem Spiel der beiden. Das könnte ruhig noch ein bisschen weitergehen.

Nichts hat er ihr gezeigt, das war nur ein Vorwand für eine Schneeballschlacht. Länger wollte ich es nicht schreiben, weil ich schon die 30k-Zeichenmarke geknackt hatte, das wäre irgendwann sehr eng geworden.

Freut mich, dass du vorbeigeschaut hast, und bis Sonntag!

Liebe Grüße
Meuvind

 

Deine Stimme / Erzählweise ist Klasse. Damit könntest du sicher was anfangen. Im Self Publishing auf jeden Fall, solange du eine Zielgruppe in den etablierten Genres triffst und Cover und Klappentext passen (der Inhalt natürlich auch).

:-)

 

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