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Betrachtung zur Entstehung und Verendung eines Gesetzes

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13.02.2014
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Betrachtung zur Entstehung und Verendung eines Gesetzes

„Du sollst nicht töten!“
befahl Gott seinen Kindern und schickte es als eines seiner Gebote auf die Erde. Doch leider ahnte er dabei nicht, welche Lawine er nun losgetreten hatte. Denn nur einige Zeit später erhielt er einen Einwand von Seiten seiner Schützlinge, die sich in Unklarheit über die richtige Interpretation seines Gesetzes auf das Übelste zerstritten hatten.
„Was ist, wenn wir bedroht werden?“, fragten die Menschen nämlich, und unter ihnen allen voran die besonders Schutzbedürftigen.
„Nun gut: Du sollst nicht töten, es sei denn, du musst dich verteidigen!“, sprach deshalb Gott, um dem Anliegen der Menschen gerecht zu werden. Danach legte er sich hernieder, um seinen verdienten Feierabend zu machen. Doch wieder vergingen nur wenige Tage, bis es erneut zu einem Disput unter den Erdenbürgern kam und Gott als Schlichter angerufen wurde. Die Politiker unter den Menschen wiesen den Herrn auf einen bedeutsamen Fehler hin und empfahlen ihm eine weitere Einschränkung aufzunehmen.
„So sei es: Du sollst nicht töten, es sei denn, du musst dich und dein Leben verteidigen!“, meinte Gott und entließ damit zufriedenen Mutes die menschlichen Bittsteller. Jene verabschiedeten sich ihrerseits befriedigt und begaben sich auf den Weg in ihre Heimat. Allerdings wussten sie alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass mittlerweile bereits eine Delegation aus Anwälten, Richtern und Nörglern auf dem Weg gen Himmelreich war, in ihrem Gepäck eine seitenlange Petition zugunsten einer rechtlich verbindlicheren Formulierung der göttlichen Weisungen mit sich führend.
„Wenn es euch zum Vorteil gereicht!“, sagte Gott und stimmte auch diesem Vorschlag zu. Er bat seine himmlische Rechtsabteilung umgehend, einen praktikablen Gesetzestext auszuarbeiten, der alle Bedürfnisse berücksichtigen sollte. Nur vier Jahre später wurde die entsprechende Vorlage schließlich in ihrer letzten Fassung im göttlichen Parlament verabschiedet und auf der ganzen Welt in gedruckter Form an die dafür vorgesehenen Bäume geschlagen:
§1: [Du sollst nicht töten]: Hat ein Lebewesen vorsätzlich das Leben eines anderen Lebewesens beendet, ohne dass eine reelle Gefahr für sein Leben bestanden, oder es eine andere gesetzliche Möglichkeit zur Beendigung des Bedrohungszustands gegeben hätte, so handelt es sich dabei um eine unzulässige Tötung.
So stand es nun geschrieben und Gott sah, dass es gut war. Zumindest solange, bis es zu ersten bedauerlichen Komplikationen in der alltäglichen Anwendung kam. Denn eine Gruppe zorniger Fleischer klagte zunächst das Recht auf einen geregelten Schlachtbetrieb ein, die Unternehmer wiesen auf die Möglichkeit von Betriebsunfällen hin, die Gewerkschaften verteidigten sich mit Fahrlässigkeit im Dienst, die Ärzte, Krankenschwestern, Todkranken samt ihrer Erben pochten auf die Sterbehilfe, die Freudenmädchen mochten niemals Mütter werden, die Opfer wetterten über unterlassene Hilfeleistung, die Amerikaner erinnerten an die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen, die Mörder an ihr Recht auf Vergeltung und Bestrafung.
„Teufelswerk!“
dachte sich Gott und wurde melancholisch. Er überließ es hernach nur noch seiner Rechtsabteilung, die Umsetzung der Forderungen in die Wege zu leiten, hielt sich selbst aber mit weiteren Eingebungen zurück und widmete sich künftig lieber wichtigeren Aufgaben. Den endgültigen Gesetzestext mit allen einundvierzigtausendeinhundertvierunddreißig Paragraphen konnte er aus zeitlichen Gründen bis heute nicht einsehen. Die letzten vier Paragraphen, die dreißig Jahre nach der Urfassung des Gebots hinzugefügt wurden, ließ er zum Schluss gar nur noch von seinem Attaché gegenzeichnen.
§41131 [Verantwortlichkeit des Henkers]: Der Henker hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
§41132 [Steuerpflicht des Henkers]: Zur Entrichtung einer Vollzugssteuer ist der Henker nicht verpflichtet.
§41133 [Schadensersatzpflicht des Henkers]: Verschweigt der Henker arglistig einen Mangel im Rechte, so ist er verpflichtet, dem Gehenkten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.
§41134 [Tod]: Mit dem Zeitpunkt des Todes erlischen einer natürlichen Person alle irdischen Rechte.

 

Hallo Werner Schatten

Bevor ich mir für deinen Text Zeit nehme:
Ist es dir eigentlich wichtig, dass ich den Text lese und kommentiere?
Denn letztes Jahr war dir die Lesermeinung anscheinend egal.

Gruss dot

 

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