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Bockwurst und Mohnkuchen

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10.09.2016
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Bockwurst und Mohnkuchen

»Eber hat ‘ne Überraschung«, verkündete Hauke. »Kriegst du nächste Woche.«
Zwei Jahre war Hauke schon hier. Ich mochte die Arbeit mit ihm. Wir hatten so unseren Rhythmus.
»Was willst du später mal machen?«, fragte er.
»Weiß nicht. Architekt.«
Hauke hob die Brauen und nickte.
»Gieß mal ordentlich«, sagte er. »Ist heiß gewesen die letzten Tage.«
Ich holte noch zehn Liter, tauchte die Hände ins Brunnenwasser. Nicht trinken, selbst wenn’s aus der Leitung kommt, hatte Hauke gesagt. Alles vom Gruftmoder verseucht.
Ich goss das Grab bis an den Schieferrand, ging zum nächsten. Eine Pflegestelle. Ich bückte mich, pflückte die verkapselten Knospen der Eisbegonien. Nicht alle blühten. Die meisten waren Blindgänger.
Ein Trauermarsch bog um die Ecke, verschwand hinter der Abteilung.
»Gleich Mittag!«, rief Hauke. »Mach fertig, ich geh zum Bäcker, Bockwurst holen und Mohnkuchen.«
Ich nickte, fühlte das Grummeln im Magen. Bockwurst und Mohnkuchen, was anderes aßen wir hier nicht. Zum Glück mochte ich beides. Mit Kaffee und Milch spülten wir den Matsch aus Zucker und Wurst hinunter. Diese Minuten des Tages waren die schönsten überhaupt.
Am Mittagstisch empfingen uns die anderen Arbeiter. Eber aß im Büro, hieß es. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt existierte. Immer wenn ich ihn treffen sollte, vertrat ihn irgendwer. Mir fiel die Überraschung ein, die Hauke mir versprochen hatte. Was sollte Eber von mir wollen? Mein Sommer endete in weniger als drei Wochen.
»Gehst gleich mit mir«, nuschelte Guido, die rechte Hand des Ebers, und knabberte weiter an seinem Wurstzipfel.
Ich schmatzte in seine Richtung, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte.
Hauke warf mir einen mitleidigen Blick zu. Er wusste, wie sehr Guido und ich uns leiden konnten.

Wenn ich zu langsam lief, rief Guido ›Gärtnerschritt!‹, womit er meinte, dass ich zu langsam lief. Seine Welt war eindeutig – es gab nichts zu erklären. Guido war fünfzig, Dienstältester und wusste sozusagen alles. Er ging voran, machte mir den Gärtnerschritt vor und ich rannte mit der Schubkarre hinterher; darin lagen Handschuhe und Motorsäge. Wir bogen zweimal ab und erreichten Abteilung achtzehn. Ich schnaufte.
»Den«, sagte Guido und wies auf eine schmale Tanne, die über einer Doppelstelle wuchs.
»Ich weiß nicht, wie das geht«, sagte ich.
Guido verdrehte die Augen. Er nahm die Motorsäge, schmiss sie an, machte sie aus.
»Jetzt du.«
Ich tat mich schwer, das Ding überhaupt anzuheben. Ich zog am Seil. Nichts.
»Entriegeln«, stöhnte Guido.
Endlich sprang sie an.
»Hopp! Schneid ‘nen Keil in den Stamm. Nicht zu tief.«
Ich lief übers Beet, wuchtete die Säge auf den Grabstein.
»Langsam!«, rief Guido.
Ich entriegelte die Säge. Etwas klemmte. Je mehr ich das Seil zog, desto weniger bewegte es sich.
»Stopp, halt!«, brüllte Guido und kam in zwei Gärtnerschritten auf mich zu. Er riss mir die Motorsäge aus den Händen. »So wird das hier nichts.«
Ich nickte, stellte mich an den Rand. Gern hätte ich ihm auch mal was an den Kopf geworfen, aber er machte ja nie etwas falsch. Still sah ich zu, wie er einen Keil in die Tanne schnitt, sie mit einer lockeren Handbewegung umstupste. Nicht ein Grab berührten die Zweige.
»Was hältst du davon, Reicherts Gruft zu reinigen?«, fragte Guido.
Ich verstand die Aufforderung und nickte.
Nachdem wir den Baum zugeschnitten hatten, brachten wir das Fragment auf den Kompost. Guido begleitete mich zur Zweiundvierzigsten. Staunend betrachtete ich den Eingang zur Gruft: zwei Säulen hielten ein Dach aus glattem Stein, eine Treppe führte ins Dunkel hinab. Guido schnippte mit den Fingern, bis ich ihn ansah.
»Ich geh bei Lörschers Rasenmähen. Übrigens ist das hier keine Strafarbeit. Du kannst das mit dem Rasenmähen bloß nicht.«
Ich schaute einsichtig. Natürlich wusste ich, dass Guido so wenig Lust auf Totenmief hatte wie ich auf Guido und das Rasenmähen zu den angenehmsten Tätigkeiten der Friedhofsarbeit zählte.
»Ich hol dich in zwei Stunden. Bis dahin hast du die Stele geschrubbt und die Fugen ausgekratzt.«
»Geht klar«, sagte ich.
Guido drückte mir Besen, Kehrblech und Beitel in die Hand und verschwand hinter einem Denkmal.
Ich seufzte, trat zwischen den Säulen hindurch. Mit einer Taschenlampe leuchtete ich mir den Weg hinab. Das Licht fiel auf die Stele, die am Ende des schmalen Raums mittig aufgestellt war. Ich las die Inschrift, auch das Lateinische, obwohl ich davon nichts verstand. Die Kälte hier unten war jedenfalls angenehm. Große Spinnen gab es kaum. Ich legte die Taschenlampe auf den Boden und machte mich an die Arbeit.
Bald hatte ich Stele und Bodenplatten gebürstet und ging mit dem Beitel daran, das Moos aus den Fugen zu schaben. Wie ein Bauer, der sein Feld pflügt, dachte ich. Ich versuchte mir auszumalen, wie viel die Erben der Reicherts wohl jährlich blechten, damit die Gebeine ihrer Ahnen es hier unten gemütlich hatten.
Kaum war ich in Gedanken versunken, stand Guido wieder am Eingang. Er machte einen zufriedenen Eindruck.
»Gut«, sagte er.
Ich nickte, war mir nicht sicher, ob er es auch so meinte.
»Hast dir ‘ne Belohnung verdient. Kriegst du morgen.«
Ich bedankte mich vorsichtshalber unverbindlich.

Der Tag hatte mich geschafft. Es war an der Zeit, nach Hause zu fahren. Nicht müde, verbraucht fühlte ich mich. Den Abend lang schaute ich Serien, aß aufgewärmte Tomatensuppe.
Im Bett schließlich richtete ich die Augen in die Dunkelheit. Zwei Überraschungen. Zwei Wochen, bis meine Arbeit auf dem Friedhof endete und ich mir überlegen musste, was ich mit meiner Zukunft anfing.

*​

Den nächsten Morgen begann ich mit Kaffee und der Erinnerung an einen Mann, der mich im Traum nach Laugengebäck gefragt hatte. Mit dem Fahrrad fuhr ich durch Nebel, Innenstadt und Tunnel, bis ich pünktlich um sieben den Friedhof erreichte. Die Floristen räumten bereits Blumen, Grableuchten und Gestecke in die Auslage. Im Umkleideraum traf ich Hauke, der einen geknickten Eindruck machte.
»Darfst heute nochmal mit Guido«, sagte er.
»Schon gut.«
»Hab gehört, dass du in die Gruft musstest. Hattest hoffentlich ‘ne gute Taschenlampe.«
Hauke knuffte mir gegen die Schulter.
»Nächste Woche ist es so weit …«
»Wofür?«
»Für die Überraschung.«
In diesem Moment kam Guido in die Umkleide. Ich nickte Hauke zu, zog mir die grüne Latzhose an.

Guido schien bester Laune zu sein; keine Anspielung auf meine Langsamkeit, kein ›Gärtnerschritt‹.
Wir gingen ins Lager, wo er mir zwei längliche Röhren in die Hände drückte.
»Auf den Hänger damit und noch ‘nen Schlauch«, sagte er.
Als wir die Sachen aufgeladen hatten, fuhren wir die Abteilungen entlang. Nebel waberte über den Schotterwegen, hing wie Watte in den Koniferen.
»Bist du aufgeregt?«, fragte er.
Er riss das Lenkrad herum, bog in die Achtzehnte ein. Einige Meter vor dem Familiengrab und abgesägten Tannenstumpf kam der Wagen zum Stehen.
»Um die Zeit ist niemand hier«, flüsterte er.
Ich nickte, als würde ich verstehen, worauf er hinauswollte.
Wir sprangen aus dem Wagen und Guido fügte die Röhren zu einer Stange zusammen.
»Eine lebendige Tradition der Friedhofsarbeit … Mein Geschenk, weil du bald gehst.«
Er drückte mir das Ende der Röhre in die Hand, schraubte ein Schlauchventil darauf, dann wischte er sich die Hände an der Hose ab. »Das ist die Schlämmstange, die musst du ins Grab stechen.«
Ich hielt die Schlämmstange fest, schaute zu Guido, zum Grab.
»Das ist wichtig«, erklärte er. »Der Sarg verrottet, da unten bilden sich Lufthöhlen. Stell dir vor, du machst das Grab deiner Oma und zum Dank rutschst du rein.«
»Meine Oma lebt noch«, sagte ich.
»Ist nur ein Beispiel … Jetzt mach.«
»Und wo genau?«, fragte ich.
»Mittig … Ich stell Wasser ein.«
Widerwillig richtete ich die Stange auf die Mitte des Grabes, stach einige Zentimeter tief.
»Wasser läuft«, rief Guido und kam zurück. »Jetzt aber los, der Sarg liegt auf zwei fuffzig.«
Ich hielt die Stange in der Hand.
»Mach endlich!«
Ich zögerte. Durfte man das eigentlich?
In Guidos Gesicht mischten sich Wut und Enttäuschung. Er riss mir die Stange aus der Hand. Schwarzer Schlamm bildete sich auf der Oberfläche. Guido schob die Stange tief in die Erde, bis er auf etwas Hartes stieß. Mit einem Ruck durchbohrte er das Hindernis. Bläschen stiegen auf, zerplatzten.
»Deine Eltern sind Architekten, hat Hauke gesagt.«
Ich nickte.
Guido schüttelte den Kopf.

Die anderen waren fast fertig, als ich zum Mittagessen kam. Hauke nagte an seinem Würstchen, würdigte mich keines Blickes. Auf meinem Teller lag eine Brezel. Sonst nichts. War das die Strafe?
»Du gehst mit Hauke«, sagte Guido und erhob sich vom Tisch.
Hauke sah mich verstohlen an. Klar war seine Ignoranz Fassade. Trotzdem war ich sauer. Nach und nach entfernten sich alle, bis Hauke und ich allein waren.

»Ich verrat dir was«, sagte Hauke verschwörerisch.
Mit den Laubbläsern unter unseren Armen liefen wir Richtung Südeingang.
»Es geht um Eber … Er will dich überzeugen bei uns zu bleiben.«
»Hast du mir die Brezel auf den Teller gelegt?«, fragte ich.
Hauke schüttelte den Kopf.
»Er will, dass du bei einer Nachtaktion mithilfst … Was meinst du?«
Ich nickte und bereute es auf der Stelle.

*​

Die folgenden Tage kamen mir eigenartig gelöst vor. Immer war ich mit Hauke unterwegs. Zum Mittag gab es wieder Bockwurst und Mohnkuchen und ich bekam das Gefühl, den Segen des Friedhofs wiederzuerlangen. Wir pflückten Knospen, gossen, zuppelten Laub aus den Lieschen. Je näher das Ende meiner Friedhofszeit rückte, desto unruhiger erwartete ich Haukes Zeichen für die Nachtaktion. Wenigstens einmal wollte ich Eber begegnen.
In der Nacht vorm letzten Tag ging ich spät ins Bett. Ich hatte die Augen schon geschlossen, als mein Handy vibrierte; eine Nachricht von Hauke.
›Gegenüber Reicherts Gruft in 15 Minuten‹
Ich legte das Handy beiseite, zog meine Arbeitskluft an, schwang mich aufs Rad.

Die Nacht war klar, die Straßen leer. Ich fuhr durch den Tunnel, beim Bäcker vorbei zum Friedhof. Das Rad machte ich am Zaun fest, öffnete die Pforte am Eingangstor mit einem Trick, den Hauke mir gezeigt hatte. Orientierungslos streifte ich die dunklen Wege entlang, bis ich das Licht der Baustrahler entdeckte. Gegenüber von Reicherts Gruft vor einem Grab stand Hauke. Er unterhielt sich mit einem bärtigen Hünen; es gab ihn also wirklich.
»Da is er«, brummte Eber.
»Hey«, begrüßte mich Hauke.
Ich zog den Mundwinkel hoch.
»Hast du ihm alles erklärt?«
»Nee«, sagte Hauke.
Eber nickte mir zu.
»Wir kennen uns zwar nicht, aber du scheinst dich gut zu machen.«
Hauke grinste wie ein Mohnkuchenpferd.
»Selbst Guido meint, dass du was drauf hast, und wenn der das sagt, kannst du hier praktisch anfangen.«
Eine unangenehme Zeit lang schwiegen wir.
»Jetzt lernst du eine der lebendigsten Traditionen der Friedhofsarbeit kennen.«
»So lebendig wie das Einschlämmen?«, fragte ich. Keine Ahnung, woher ich das Selbstbewusstsein nahm.
»Lebendiger.«
Hauke nickte bekräftigend.
»Wir nennen es Auskoffern.«
»… und Umbetten«, ergänzte Hauke.
»Richtig. Erst auskoffern, dann umbetten.«
Ich starrte die beiden an.
»Warum?«

Nachdem Hauke mir Kaffee aus einer Thermoskanne eingeschenkt hatte, erklärte Eber mir alles über Totenruhe, begrenzte Liegezeiten und die Notwendigkeit, seine Rechnungen beim Friedhof zu begleichen.
»Wieso nicht am Tag?«, wollte ich wissen.
»Würdest du sehen wollen, wie jemand deine Großmutter ausbuddelt?«, fragte Eber.
»Meine Großmutter lebt.«
»Nur ein Beispiel …« Er drückte mir einen Spaten in die Hand. »Fangt an, Jungs! Ich geh nochmal rein.«
Eber nickte uns zu, dann verschmolz sein massiger Körper mit der Dunkelheit.
»Der ist nett«, sagte ich.

Hauke erklärte mir, was wir zu tun hatten. Als Eber mit der Thermoskanne, einer schwarzen Mülltonne und einem Vorschlaghammer zurückkam, hatten wir bereits einige Spaten Erde ausgehoben. Wenn das Grab ein Koffer war, drangen wir allmählich zu seinem Inhalt vor. Zuerst meinte ich, ein helles Stück Holz gefunden zu haben. Ich betrachtete es im Baustrahlerlicht.
»Tu das weg«, sagte Hauke und wies auf die Mülltonne.

Wir gruben mehr und mehr Schädel- und Knochenstücke aus. Zusehends fiel es mir schwer, aus dem Grab zu steigen.
»Fertig machen«, sagte Eber irgendwann.
»Und das Umbetten?«, fragte ich.
Eber schaute Richtung Tonne.
»Machen wir nicht, gibt ja nicht mehr viel … Hauke, holst du mal den Wagen?«
Mit dem Zeigefinger deutete er mir herzukommen. Ich trat näher, staunte. Eber hatte einen Strahler auf den gelockerten Grabstein gerichtet: Theo Gramlich.
»So heiße ich nicht«, sagte ich, als wäre der Grabstein für mich bestimmt.
»Aber der Vorname passt«, erwiderte Eber und legte mir seine Pranke auf die Schulter. »Ist dein letzter Job. Danach will ich ‘ne Entscheidung von dir.« Damit drückte er mir den Vorschlaghammer in die Hände.
»Ich …«
Eber lachte. »Hast du mal versucht einen Grabstein anzuheben?«
»Aber wir haben Hauke …«
Eber schüttelte den Kopf.
Ich konnte nicht sagen, ob es das Baumfällen, Einschlämmen oder Auskoffern war, das mich von der Notwendigkeit der Tat überzeugte. Vielleicht wollte ich einfach nur wissen, wie es sich anfühlte, einen Grabstein zu zertrümmern, auf dem mein eigener Name stand. Mir schien, ich war Teil einer Totengräber-Clique geworden. Zwei Monate Schwarzarbeit hatten mich dazu gemacht.
Ich holte aus, schleuderte den Hammerkopf gegen meinen eingravierten Namen. Eine Turmglocke beim zwölften Schlag konnte nicht mehr vibrieren als mein Körper jetzt. Es durchdrang mich, machte mich wach und klar. Der Name zeigte keinen Kratzer. Wieder wuchtete ich mich und das Eisen auf die Buchstaben. Ich biss die Zähne zusammen; der nächste Glockenschlag ertönte. Ich hielt den Hammer fest umklammert, holte aus zu einem letzten Schlag, der den geballten Zorn meiner jungen Jahre enthalten sollte. Der Stein knackte und sprang unterm Echo der Glocke in vier gleichmäßige Stücke. Mein Name war in der Mitte zerbrochen.
»Bleibst du?«, fragte Eber.

 

Hallo @HerrLehrer ,

vielen Dank für deinen Kommentar :) und für das großzügige Lob!

Den Grabstein mit dem eigenen Namen zertrümmern, der Glockenschlag zur Nacht, das ist doch etwas konstruiert, wie ich finde.

Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob wir dasselbe meinen. Der "Glockenschlag zur Nacht" ist kein Kirchglockenschlag, sondern das Resultat von Eisen auf Granit. Der Anmerkung, dass das ein wenig konstruiert ist, will ich gar nicht widersprechen. Finde es interessant, dass du da keine Pointe drin siehst. Natürlich würde es mich interessieren, was eine solche Pointe deiner Meinung nach ausmacht – bzw. was hier für dich nicht gegeben ist.

Außerdem hatte ich ein spannenderes Finale erwartet, irgendeine Wahrheit über Eber oder so. Durch den Schluss wird die Geschichte für mich insgesamt dann wieder etwas belanglos

Nehme ich mal so auf. Ich hatte, um ehrlich zu sein, gehofft, dass das mit dem Grabstein mit Theos Namen bzw. der damit verbundenen ‘Initiation‘ und Theos bisher erstem ‘Tiefgang‘ spannend genug wäre. Aber vielleicht fehlt da auch noch ein bisschen der Kick. Ich denke nochmal drüber nach.

Danke erstmal für dein Feedback und bis bald!
Gruß
Carlo

 

Hallo Carlo,

Vieles wurde schon gesagt. Dein Text hat mir sehr gefallen, wohl der Beste, den ich von Dir lesen konnte. Sprachlich sehr fein. Inhalt: fast könnte man meinen, Du hättest all dies selbst erlebt. So viel Authentizität, bis in die kleinsten Details, wobei mir die Blindgänger besonders gefallen haben.

Grüße, petdays

 

Danke für die Rückmeldung @petdays :)
Schön, dass der Text für dich funktioniert. Ja, ich bin auch ein bisschen stolz darauf. Aber es haben auch viele gute Leute hier nochmal am Feinschliff mitgeholfen, das muss man auch dazu sagen.

Liebe Grüße und bis dann!

 
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Hi @Carlo Zwei ,

ich habe mir nach deinen hilfreichen Kommentaren deine Beiträge angeschaut. Ich muss sagen, dieser Beitrag hier hat mich irgendwie total in den Bann gezogen. Ist zwar schon etwas älter, aber ich möchte darauf eingehen. Habe den Text jetzt zweimal gelesen und bin beeindruckt. Es fällt mir schwer die richtigen Worte für mein Gefühl zu finden, aber der Text hat etwas authentisches, ehrliches. Zudem lesen sich die Dialoge für mich unglaublich echt, das trägt auf jeden Fall zu dieser Empfindung bei. Also, das ist wirklich richtig gut und zeigt mir, wie viel Arbeit und Verbesserungspotential noch vor mir liegen, bis ich etwas annähernd Gutes schreiben kann. Interessant finde ich auch, dass mir dein Text überhaupt nicht lang vorkam, also ich habe mittlerweile Beiträge gelesen, die deutlich kürzer waren, die sich vom Gefühl jedoch viel länger gelesen habe. Das spricht für deinen Beitrag, bin darin versunken.

Okay, ich steige in den Text ein:

»Eber hat ‘ne Überraschung«, verkündete Hauke. »Kriegst du nächste Woche.«
Ich frage mich als Leser direkt, um was für eine Überraschung geht es? Zugleich ist das für mich der rote Faden, der mich durch deine Geschichte führt.

»Weiß nicht. Architekt.«
Das drückt die Unentschlossenheit des Protagonisten aus. Er ist sich nicht sicher, was er machen will.

»Ist heiß gewesen die letzten Tage.«
Du baust ein Bild, indem du dafür den Dialog verwendest. Die Welt wird direkt echter für mich, zudem sprichst du meine Sinne an. Interessant, das merke ich mir.

Alles vom Gruftmoder verseucht.
Gruftmoder? Ich frage mich als Leser, um was es geht. Du führst das "setting" hier sehr behutsam ein, bereitest mich als Leser darauf vor, dass es um Friedhöfe geht. Für mich hat das bewirkt, dass ich mich langsam in die Welt begebe, obwohl ich sie nicht automatisch interessant finde. Ist zudem ein gutes Beispiel für "show don't tell".

Bockwurst und Mohnkuchen, was anderes aßen wir hier nicht.
Das gibt dem Protagonisten Tiefe, er wird für mich als ein einfacher Mann gezeichnet, der keine hohen Ansprüche ans Leben hat. Das verstärkt den Eindruck, dass er nicht so ehrgeizig ist. Richtig gute Charakterisierung in meinen Augen.

Was sollte Eber von mir wollen? Mein Sommer endete in weniger als drei Wochen.
Der rote Faden wird weitergesponnen, ich bekomme mehr Informationen und fange an zu antizipieren. Was passiert wohl als nächstes?

Seine Welt war eindeutig – es gab nichts zu erklären. Guido war fünfzig, Dienstältester und wusste sozusagen alles.
Kauf ich dir so ab. Liest sich wie ein Hammerschlag, der mir direkt ein Bild von Guido gibt und dabei gleichzeitig klar macht, dass der Protagonist ihn nicht mag. "Seine Welt war eindeutig" liest sich für mich wie: "Er ist total langweilig und nicht interessant".

»So wird das hier nichts.«
In diesem Dialog steckt so viel drin, auch wenn du nur wenig Worte verwendest. Die Beziehung zwischen Guido und dem Protagonisten wird noch einmal deutlich. Ich mag, wie du das verdichtet hast. Liest sich gut.

»Was hältst du davon, Reicherts Gruft zu reinigen?«, fragte Guido.
Eine schöne, organische Überleitung zur nächsten Szene verpackt in der Frage. Ziemlich geschickt gemacht, einfach und doch elegant.

Natürlich wusste ich, dass Guido so wenig Lust auf Totenmief hatte wie ich auf Guido und das Rasenmähen zu den angenehmsten Tätigkeiten der Friedhofsarbeit zählte.
Musste hier grinsen, das ist ein seltsames Bild, das jedoch gut funktioniert. Ihre Abneigung ist noch stärker, als ich zunächst gedacht hatte.

Die Kälte hier unten war jedenfalls angenehm. Große Spinnen gab es kaum.
Die Beschreibung lässt die Szene realer aussehen, also das ist schon gut gemacht.

»Hast dir ‘ne Belohnung verdient. Kriegst du morgen.«
Der rote Faden wird wieder ins Bewusstsein gerufen, wiederholt in dem Dialog. So etwas ähnliches habe ich bei sevas gelesen, gefällt mir.

Den Abend lang schaute ich Serien, aß aufgewärmte Tomatensuppe.
Ein Satz und ich weiß so viel über den Protagonisten. Wenig Ehrgeiz, keine hohen kulinarischen Ansprüche und wahrscheinlich ein bisschen gemütlich.

Einige Meter vor dem Familiengrab und abgesägten Tannenstumpf kam der Wagen zum Stehen.
Ein klares Bild, dass ich mir gut vorstellen kann, funktioniert für mich.

»Meine Oma lebt noch«, sagte ich.
Ich habe das als einen gewissen Widerstand verstanden, er wehrt sich noch ein Teil der Crew zu werden. Stimmt nicht zu, versucht sich seinen eigenen Platz zu verdienen.

Durfte man das eigentlich?
Drückt seine Persönlichkeit aus, offensichtlich ist er jemand, der sich Gedanken macht und reflektiert.

Klar war seine Ignoranz Fassade. Trotzdem war ich sauer.
Er durchschaut ihn, was eine gewisse Intelligenz andeutet und gleichzeitig zeigst du dadurch, dass seine Wut stark ist, er sie nicht unterdrücken will.

»Es geht um Eber … Er will dich überzeugen bei uns zu bleiben.«
Die nächste Information, die mich zum Antizipieren bringt, Spannung aufbaut. Wer ist Eber? Und wird der Protagonist bleiben?

Wenigstens einmal wollte ich Eber begegnen.
Verstärkt bei mir die Frage, wer Eber ist und verstärkt damit die Spannung.

»Jetzt lernst du eine der lebendigsten Traditionen der Friedhofsarbeit kennen.«
Wie sieht eine solche Tradition aus? Ich bin total in deiner Geschichte drin, obwohl ich mich bislang noch nie für Friedhöfe bzw. Totengräber interessiert habe. Spricht für die Story, finde ich.

»Meine Großmutter lebt.«
Hier ist wieder der Widerstand, er besteht auf seiner eigenen Meinung, gibt nicht klein bei.
Liest sich für mich wie Charakterstärke, bin mir aber nicht sicher, ob ich das falsch interpretiere.

Wir gruben mehr und mehr Schädel- und Knochenstücke aus.
Krasses Bild, ist fesselnd.

»Aber der Vorname passt«, erwiderte Eber und legte mir seine Pranke auf die Schulter. »Ist dein letzter Job. Danach will ich ‘ne Entscheidung von dir.«
Der Dialog sagt alles aus, treibt den Plot weiter nach vorne. Echt stark geschrieben.

Zwei Monate Schwarzarbeit hatten mich dazu gemacht.
Der Satz hat mir richtig gut gefallen, wollte ihn hier kurz hervorheben. Denn ich finde, dass er deinem Protagonisten Tiefe gibt, ich denke an seine Vergangenheit und das wirkt auf mich. Das verstärkt für mich die Beziehung zum Protagonisten.

Der Stein knackte und sprang unterm Echo der Glocke in vier gleichmäßige Stücke. Mein Name war in der Mitte zerbrochen.
Wow. Volltreffer.


Es fällt mir schwer Verbesserungsvorschläge zu machen, ich wüsste nicht, was man darin ändern kann. Mir gefällt, wie die Figuren vorgestellt werden, was vor allem auch durch den Dialog geschieht. Der ist hervorragend geschrieben. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich einmal so für einen Totengräber interessieren würde. Beeindruckend, Carlo. Versuche mir hier einiges abzuschauen. Hut ab und danke für die Unterhaltung.


Beste Grüße,
MRG

 
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Lieber @MRG ,

vielen, vielen Dank für diesen sehr schönen Kommentar. Hat richtig gut getan so viel Lob – jetzt bloß nicht eingebildet werden :lol: Dankesehr!
Nochmal an der Stelle: Finde es wirklich super, wie du kommentierst, nah am Text, an konkreten Stellen, die du hinterleuchtest. Lese auch gelegentlich deine Kommentare unter anderen Stories. Du machst das wirklich gut. Es gibt immer wieder Leute, die anfangs schreiben, ahhrg, ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt etwas nützliches sagen kann und dann enpuppt sich (Beispiel Kiroly, unbedingt mal den Text Herr Fischer giert nach Welt lesen), dass sie wirklich wunderbare Kommentare machen.
Ich bin sehr gespannt auf deinen nächsten Text, bin mir fast sicher, dass du da einiges lernen wirst und gelernt haben wirst. Gerade weil du auch so viel liest und kommentierst gerade. Da freue ich mich schon drauf (schon was in Arbeit?)!

aber der Text hat etwas authentisches, ehrliches

oh, das freut mich sehr. Da gebe ich die Credits gerne auch an Jimmy(salaryman) weiter (von dem kann man auch eigentlich jeden Text empfehlen; z. B. Sie sehen mich anders an; starke Figuren, atmosphärische zugleich schlanke, reduzierte Sprache, die einfach Spaß macht. Da kann man sich sehr viel abschauen). Der Dialog war am Anfang hier in meinem Text noch etwas voller. Da hat er gute Vorschläge gemacht, wie man Dinge streichen kann. Wenn man einen Kommentar von Jimmy bekommt, sollte man auf jeden Fall aufmerksam lesen. Ich habe aus jedem seiner Kommentare viel mitnehmen können. Und Leute, die seine Anmerkungen abgeschmettert haben, taten mir immer irgendwie auch leid, weil ich mir immer dachte, was für eine Verschwendung, und: wie schade, dass sie daraus gar nichts mitnehmen können, nur weil es etwas schärfer formuliert ist. Ich würde meistens unterschreiben, was er kommentiert. Da lohnt es sich auch sehr einfach mal, seine Kommentare unter Geschichten anderer durchzulesen.

Zudem lesen sich die Dialoge für mich unglaublich echt

Vielen Dank! Freut mich wirklich sehr.

dass mir dein Text überhaupt nicht lang vorkam

Das ist ein schönes Kompliment :)

Du führst das "setting" hier sehr behutsam ein, bereitest mich als Leser darauf vor, dass es um Friedhöfe geht

schön, dass du reingekommen bist. Es macht immer freude zu hören, wenn jemand einsteigt.

Das gibt dem Protagonisten Tiefe, er wird für mich als ein einfacher Mann gezeichnet, der keine hohen Ansprüche ans Leben hat. (Bezog sich auf Serien und Tomatensoße)

Das ist ein spannender Hinweis. Ich sehe den Protagonisten ja selbst nur bedingt aus der Metaebene. Beim Schreiben will ich ja irgendwann wirklich einfach erzählen. Das ist bei mir ein Vorgang, der planend ist, aber auch Spontanität voraussetzt. Eben wie eine Sprache sprechen. Deswegen ist diese Art der Klärung einer Handlung (dein Kommentar) für mich erfrischend zu lesen. Weil es eine analytische Perspektive ist.

"Seine Welt war eindeutig" liest sich für mich wie: "Er ist total langweilig und nicht interessant".

genau wie das. Ja, freut mich. So war das auch gemeint :D

Musste hier grinsen, das ist ein seltsames Bild, das jedoch gut funktioniert.

haha, super. Ja, es ist wirklich ein etwas schräges Bild. Ich habe sehr einen Hang zu sowas und nicht immer folgen mir da alle Leser ... Dieser Text ist vergleichsweise sehr leserfreundlich :-)

Ich habe das als einen gewissen Widerstand verstanden, er wehrt sich noch ein Teil der Crew zu werden. Stimmt nicht zu, versucht sich seinen eigenen Platz zu verdienen. (das mit: Meine Oma lebt noch)

Da ist wieder dieser erfrischende Blick auf den Text. Das hat mich wirklich verblüfft, dass du das so gestisch liest. Die meisten haben das ja als eine Art running Gag gelesen (so wie ich es auch angelegt hatte). Aber das, was du schreibst steckt da schon auch drin.

Er durchschaut ihn, was eine gewisse Intelligenz andeutet und gleichzeitig zeigst du dadurch, dass seine Wut stark ist, er sie nicht unterdrücken will.

Guter Hinweis. Da kann ich mal drüber nachdenken; eine kleine Stelle, die für dich scheinbar eine Haltung zum Ausdruck bringt. Super. Das muss ich verinnerlichen.

Also MRG. Hab dank für deinen Kommentar. Du machst dich hier echt, aber gönn dir auch eine Pause zwischendurch. Bin gespannt auf deinen nächsten Text!
Lieben Gruß
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Carlo Zwei ,

das Lob hast du dir auf jeden Fall verdient. :-)

Finde es wirklich super, wie du kommentierst, nah am Text, an konkreten Stellen, die du hinterleuchtest.
Danke, das bestärkt mich und geht runter wie Öl. :D

Ich bin sehr gespannt auf deinen nächsten Text, bin mir fast sicher, dass du da einiges lernen wirst und gelernt haben wirst.
Ja, hier bei den Wortkriegern ist das echt großartig. Fühle mich hier gut aufgehoben.

Deswegen ist diese Art der Klärung einer Handlung (dein Kommentar) für mich erfrischend zu lesen.
Freut mich zu hören, wenn es dir weiterhilft.

Du machst dich hier echt, aber gönn dir auch eine Pause zwischendurch. Bin gespannt auf deinen nächsten Text!
Danke, ja habe gerade wegen Corona mehr Zeit und macht Spaß hier. :D
Versuche auf jeden Fall mir für den nächsten Text etwas mehr Zeit zu lassen und die ganzen Tipps mit einzubauen.


Beste Grüße,
MRG


PS: Schaue mir Jimmys Texte als nächstes an, bin schon gespannt.

 

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