Was ist neu

Breit

Monster-WG
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04.03.2018
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Anmerkungen zum Text

Danke NGK für die Inspiration :D

Breit

Ich wach morgens auf und bin breit. So dicht, dass ich denke, der Hals kann meinen Kopfklumpen unmöglich tragen, ohne abzuknicken. Jeden Morgen habe ich einen kompletten Filmriss. Ein totales Nichts zwischen den Ohren und bestialischen Schmacht. Erst wenn ich zwei, drei Kurze getrunken habe, geht es mir so weit besser, dass ich weiß, wer ich bin. Wenigstens. Und dass ich stehen kann, ohne mich irgendwo festzuhalten. Und dabei bleibt es nicht, dabei darf es nie bleiben.

An Zeitunglesen oder Kaffeetrinken ist nicht zu denken, nicht morgens. Abgesehen davon, dass nichts Vernünftiges ungezwungen in mich hinein will, verschlimmert es das Ganze nur. Als würde mich der Versuch, zu denken oder den Kater auszunüchtern, umso tiefer in die Bredouille reiten.
Manchmal denke ich, das ist ein Murmeltierding wie in dem Film, wo der Typ immer den gleichen Tag erlebt. Der lernt dann wenigstens perfekt Klavier spielen. Aber was willst du lernen, wenn du blau bist, solange du nicht trinkst? Perfekt rumlallen? Also habe ich angefangen, planvoll zu trinken, damit die Finger während der nächtlichen Klavierübungen nicht zittern.

Meinen Job habe ich auch verloren, obwohl es ja immer heißt 'Fachkräftemangel, wir finden keine Leute'. Ist klar, dass die keinen haben wollen, der morgens nicht einen Satz heil nach Hause bringt. Andererseits waren die mit meinem Konsum auch nicht einverstanden. Die wollten mich stattdessen drankriegen, wegen Alkohol bei der Arbeit. Keiner von denen hat geschnallt, dass das bei mir genau andersrum läuft, quasi reziprok, dass ich umso nüchterner werde, je mehr ich trinke, dass Abstinenz bei mir ungewollt zum Plateau-Rausch führt. Das Problem ist, dass ich quasi ständig einen heben muss, um nüchtern zu werden und somit stinke wie der Keller einer Brauerei. Und das macht sich nicht gut beim Kunden – abgesehen vom Erklärungsnotstand. Fairerweise muss ich sagen: Das kann ich nachvollziehen.

Vor einer Weile kam der Alfons und meinte, ich soll es mal mit Kiffen versuchen, das wäre gesünder als die ständige Sauferei und ich würde auch nicht mehr so riechen. Es war zwar mühsam, eine Quelle aufzutun und Rauchen an sich musste ich auch erst mal lernen, aber ich muss sagen, im Endeffekt hat es sich gelohnt.
War anfangs nicht leicht, die Übelkeit wegzustecken, dafür war ich schon nach dem ersten Zug klar bis in die Haarspitzen. Und musste dann feststellen, das hält leider nur wenige Minuten an. Seitdem wechsele ich ständig zwischen Trinken und Kiffen und bin wirklich angenehm überrascht, wie gut sich das ergänzt.

Letztens war ich beim Arzt, weil ich wissen wollte, wie es um mich steht. Ehrlich gesagt hatte ich erwartet, dass er sowas sagt wie 'Ihre Leber hat die Größe eines Kopfkissens' oder 'Zwei Wochen noch, wenn Sie so weitermachen', aber nein, alles bestens, Lunge und Magen sind im grünen Bereich, sogar meine Speiseröhre ist trotz der ständigen Hochprozentigen okay. Scheint so, als wäre ich ein Freak, eine Laune der Natur, ein Positiv-Negativ-Mutant, als würde mein Körper das Gift locker wegstecken, nach dem er ständig schreit. Auf meine Frage hin, ob er mir die diametrale Alkohol-Rezeption meines Körpers attestieren könne, schaute er mich verständnislos an, schüttelte den Kopf und zuckte zugleich die Achseln. Manche Ärzte sind blind für echten Leidensdruck.

Es ist so wie der Alfons sagt: Wenn niemand dir hilft, musst du es selbst tun. Ich hab meinen Garten jetzt komplett eingemauert und eine kleine Plantage angelegt. Wenn ich eins habe, wo ich jetzt alleine bin und ohne Job, dann Zeit. Die Pflänzchen sind so dankbar. Wenn man die hätschelt und düngt, explodieren die förmlich. Für den Winter werde ich meinen Dachboden ausbauen, die Lampen sind unterwegs, die Leitungen gelegt. Aber mal im Ernst: Das ist nichts gegen die Anlage in meinem Keller. Ich will mich nicht selbst loben, aber mit der Destille habe ich mein Meisterstück abgeliefert. Ein kupfer- und chromglänzendes Ungetüm mit einem riesigen Kessel, den ich täglich auf Hochglanz poliere. Für nächstes Jahr plane ich eine Abfüllanlage. Die soll dann in der Kellererweiterung unter der Terrasse stehen, die ich in den letzten Wochen ausgekoffert habe.

Die Nachbarn wundern sich zwar über ihre kahlen Obstbäume und gefledderten Beeren-Sträucher und über den Rauch, der selbst im Sommer ständig aus meinem Kamin steigt. Aber wen interessiert schon ernsthaft, was die Nachbarn sagen?
Und wenn ich ihnen verklickere, ich bin mit meinem Garten nahezu Selbstversorger und mache im Keller Dörrobst, dann finden die es klasse und lassen mich in Ruhe.
Nebenbei habe ich das gesammelte Wissen über 'Homegrown' und 'Schwarzbrennerei' aus allen Internetforen dieser Welt extrahiert. Nächste Woche erscheint mein Ratgeber für alle Nichtmutanten – allerdings unter Pseudonym. Damit zahle ich dann in Zukunft Strom und Gas.
Alles in allem kann ich sagen mir geht's gut. Ich habe mein Leben wieder im Griff. Was will der Mensch mehr?

 

@linktofink Nun, hello. Ich glaub ich hab tatsächlich noch nie was von dir kommentiert; du hast jetzt bei mir was geschrieben und irgendwas kam mir bekannt vor, aber nix verdichtet den Dämmernebel. Wie auch immer:

Das nenn ich eine coole Idee! Erinnert mich an den Spruch "Realität ist der Rausch, der sich mangels Drogen im Blut einstellt."

Ich wach morgens auf und bin breit.
Das ist ein super Anfang. Und natürlich ist der erste Gedanke, wow, was hatte er am Abend für ne Promillezahl?

aber was willst du lernen, wenn du blau bist, solange du nicht trinkst?
Der Satz war der Türpfosten, gegen den ich knallte - ich hielt ihn für unlogisch, fehlerhaft. kam nicht im ersten Anlauf durch die Tür.

Das Problem ist, dass ich quasi ständig einen heben muss, um nüchtern zu werden und somit stinke wie der Keller einer Brauerei.
Dann allerdings kommt die Pointe - und ganz ehrlich? Jetzt, wo ich sie kannte, war ich enttäuscht. Warum? Sie kam zu früh. Weil es spannender gewesen wäre, noch länger abstruse Geschichten zu lesen über diesen phänomenalen Typ - Reaktionen anderer - zum Beispiel auf einem Fest - wenn er diametral zu den anderen zur Stimme der Vernunft avanciert.

Das hätt mich insgesamt mehr erfreut - mehr Geschichten, mehr Ereignisse, vielleicht auch mehr abstruses Gelaber über die Gründe seiner Beschaffenheit. Die Cannabis-Erzählung führte für mich zu nix mehr. Worauf ich mich gefreut hatte, weißt du ja jetzt.

Gut schrieben allemal.
Mein Bonbon:

Manche Ärzte sind blind für echten Leidensdruck.
Kurz und final.

 

Mein Bonbon:
Manche Ärzte sind blind für echten Leidensdruck.
Huch, dass sich da noch was tut in dem staubigen Karton ganz oben auf dem Regal ...

Hallo @FlicFlac, und Danke für den Gegenbesuch,

Ich glaub ich hab tatsächlich noch nie was von dir kommentiert; du hast jetzt bei mir was geschrieben und irgendwas kam mir bekannt vor, aber nix verdichtet den Dämmernebel.
Bin mir sicher, vor gestern gab es keinen Kontakt.
Das nenn ich eine coole Idee! Erinnert mich an den Spruch "Realität ist der Rausch, der sich mangels Drogen im Blut einstellt."
Ja, ähnliches Prinzip, wobei es hier ja genau andersrum läuft.
aber was willst du lernen, wenn du blau bist, solange du nicht trinkst?
Der Satz war der Türpfosten, gegen den ich knallte - ich hielt ihn für unlogisch, fehlerhaft. kam nicht im ersten Anlauf durch die Tür.
Das ist reichlich absurd und der Satz kommt auch recht früh, du meinst zu früh, doch irgendwann muss ich es verklickern und ich denke auch, wenn das zu spät kommt, schicke ich den Leser auf die falsche Fährte und die späte Auflösung kommt als Effekt, als Pointe rüber.
Das Problem ist, dass ich quasi ständig einen heben muss, um nüchtern zu werden und somit stinke wie der Keller einer Brauerei.
Dann allerdings kommt die Pointe - und ganz ehrlich? Jetzt, wo ich sie kannte, war ich enttäuscht. Warum? Sie kam zu früh. Weil es spannender gewesen wäre, noch länger abstruse Geschichten zu lesen über diesen phänomenalen Typ - Reaktionen anderer - zum Beispiel auf einem Fest - wenn er diametral zu den anderen zur Stimme der Vernunft avanciert.
Das hätt mich insgesamt mehr erfreut - mehr Geschichten, mehr Ereignisse, vielleicht auch mehr abstruses Gelaber über die Gründe seiner Beschaffenheit. Die Cannabis-Erzählung führte für mich zu nix mehr. Worauf ich mich gefreut hatte, weißt du ja jetzt.
Das ließe sich handlungsmäßig breiterwalzen und die "Pointe" noch etwas zurückhalten, gebe dir recht. Da könnte mehr Strecke kommen. Doch die Pointe soll für mich keine sein, auf diese Auflösung zielt die Geschichte nicht ab. Seine körperliche Beschaffenheit ist vielmehr eine Art Behinderung, die ihn viel kostet, eine normales Leben, soziale Kontakte, den Job, etc.. Thema des Textes ist ja gerade die Überwindung dieses Handicaps durch planvolles Handeln und die Umsetzung aus eigener Kraft. Auch wenn das als Groteske verpackt ist, lässt sich das mMn ablesen.

peace. l2f

 

@linktofink

Verstehe im Großen und Ganzen.

Ich wach morgens auf und bin breit. So dicht, dass ich denke, der Hals kann meinen Kopfklumpen unmöglich tragen, ohne abzuknicken. Jeden Morgen habe ich einen kompletten Filmriss. Ein totales Nichts zwischen den Ohren und bestialischen Schmacht. Erst wenn ich zwei, drei Kurze getrunken habe, geht es mir so weit besser, dass ich weiß, wer ich bin.
Noch mal betrachtet. Obiger Einstieg ist durch die Ausdrücke/Ausdrucksweise für mich komisch. Erinnert an diesen Film - "Hangover" - jetzt erwarte ich die Groteske.
Die Kurve auf die Bahn, "eine Art Behinderung, die ihn viel kostet, eine normales Leben, soziale Kontakte, den Job, etc.. " zu beschreiben, hab ich nicht hinbekommen.
Zwar ist das schon drin, wie bei jeder guten Groteske, aber - für mich - nicht in der Mitte.

Das ist reichlich absurd und der Satz kommt auch recht früh, du meinst zu früh, doch irgendwann muss ich es verklickern und ich denke auch, wenn das zu spät kommt, schicke ich den Leser auf die falsche Fährte und die späte Auflösung kommt als Effekt, als Pointe rüber.
Verstehe; wäre es eine Möglichkeit, die Pointe zu vermeiden, indem weitere Beschreibungen/Ereignisse - Induktionen - das Verstehen beim Leser zünden?

Da könnte mehr Strecke kommen. Doch die Pointe soll für mich keine sein, auf diese Auflösung zielt die Geschichte nicht ab. Seine körperliche Beschaffenheit ist vielmehr eine Art Behinderung, die ihn viel kostet, eine normales Leben, soziale Kontakte, den Job, etc.. Thema des Textes ist ja gerade die Überwindung dieses Handicaps durch planvolles Handeln und die Umsetzung aus eigener Kraft.
Ok, wie erwähnt, so habe ich das Zentrum des Textes nicht gesehen. Dafür fehlen halt auch noch zwei Sachen: 1. Der Protagonist leidet irgendwie nicht tatsächlich drunter: Ausgrenzung, Verzweiflung, Sorgen was nicht stimmt - usw. - er hat ja schnell Lösungen parat - Grasplantage - und wenn er ein Buch für 'Nicht-Mutanten' schreibt, klingt das witzig-locker. Erfolg hat er auch noch, das Buch verkauft sich und finanziert ihm das Leben. Ein Traum!
2. Recherche: Also, nach erfolglosem Behandlungstermin bei einem Arzt - kommt dann die Uniklinik dran - wenn die nichts finden - die Psychosomatische Klinik - usw. - heißt, da ist nicht Ende Fahnenstange - Schwerbehindertenstatus beantragen, Erwerbsminderung, Berufsunfähigkeit feststellen, Frühberentung - das wär ein langer Weg - seelisch, bürokratisch, psychisch für ihn; da gibt's viel Hoffnung, Leid und Entwicklung für einen solchermaßen von der Natur "beschenkten" - wenn du's ernst angehen willst.

Gruß

 

Hallo @FlicFlac ,

Ok, wie erwähnt, so habe ich das Zentrum des Textes nicht gesehen. Dafür fehlen halt auch noch zwei Sachen: 1. Der Protagonist leidet irgendwie nicht tatsächlich drunter: Ausgrenzung, Verzweiflung, Sorgen was nicht stimmt - usw. - er hat ja schnell Lösungen parat - Grasplantage - und wenn er ein Buch für 'Nicht-Mutanten' schreibt, klingt das witzig-locker. Erfolg hat er auch noch, das Buch verkauft sich und finanziert ihm das Leben. Ein Traum!
2. Recherche: Also, nach erfolglosem Behandlungstermin bei einem Arzt - kommt dann die Uniklinik dran - wenn die nichts finden - die Psychosomatische Klinik - usw. - heißt, da ist nicht Ende Fahnenstange - Schwerbehindertenstatus beantragen, Erwerbsminderung, Berufsunfähigkeit feststellen, Frühberentung - das wär ein langer Weg - seelisch, bürokratisch, psychisch für ihn; da gibt's viel Hoffnung, Leid und Entwicklung für einen solchermaßen von der Natur "beschenkten" - wenn du's ernst angehen willst.
zu 1) Das baut sich ja auf, da ist schon eine Entwicklung drin, anfangs ist er im deep shit, dann kommt der Anton mit dem Rauchen dazu, der Arztbesuch, das sind schon Versatzstücke einer Lösung, die sich dann mit den Baumaßnahmen abzeichnet, Selbstversorgung, Ratgeber, bis er es scheinbar im Griff hat.
Es wäre natürlich besser, das würde sich Leser durch Induktion erschließen, so dass sich aus einer Vielzahl von Erlebnissen das allgemeine Bild zusammensetzt. Stimmt schon was du oben schreibst, das, worum es geht, füllt nicht die Mitte. Andererseits ist das wie bei deinem Text auch eine Frage des Erzähltons und somit des Stilmittels. Wenn ich eine Groteske schreibe, brauche ich ein hohes Grundtempo, ich muss den Leser durch den Text ziehen, ein Parforceritt. Wenn ich da anfange anzuhalten und auszuholen, besteht da nicht die Gefahr, dass Leser sagt: Das ist zuviel an überbordendem Unsinn, was soll das alles, da bin ich weg? (Ich meine, die Gefahr besteht auch so :D) Humor ist richtig schwierig, leicht rutscht es ins Dümmliche ab, wo dann ein: Dein Ernst? als Rückmeldung kommt. Es gibt wenige gute Texte hier im Forum unter dem Tag, nicht ohne Grund.

zu 2) Mit dieser speziellen Prämisse, kann ich kaum einen ernsthaften Text draus machen, Recherche und ein realitätsnahes Erzählen mit einer Ärzte- und KH-Odyssee würden dies aber erfordern. Dazu wäre eine andere, realistische Prämisse nötig und ein ganz anderer Erzählton, eine andere Grundfarbe. Für den Umbau ist der Text so nicht geeignet, finde ich, den müsste ich dafür auf Links drehen und dann wäre es ein völlig anderer.

Danke für deine erneute Rückmeldung, finde das spannend, l2f

 

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