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28.05.2001
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Sie liebte das Internet. In den vergangenen 3 Jahren hatte Cleo ein kleines Vermögen damit verdient. Gleich war es wieder soweit. Walter verließ das Haus, um zur Arbeit zu gehen. Er verabschiedete sich von ihr, schloss die Tür und stapfte durch den prasselnden Regen zu seinem Volkswagen. Cleo beobachtete ihn durch das Fenster des Arbeitszimmers, wartete, bis sein Auto um die Ecke verschwunden war; und warf dann den Computer an. Sie ging online und loggte sich sofort bei www.consors.de ein, um mit ihrem Aktienpool zu spielen. Cleo hatte ihr Kapital mit kleinen Beträgen aufgestockt. Online-Banking. Walter saß mehrmals die Woche am Computer und erledigte seine Bankgeschäfte. Während er sich Zugang zu seinem Konto verschaffte, hatte sie sich oft lasziv an ihn gekuschelt und durch das Beobachten seiner Finger das Passwort herausgefunden. Walter war Geschichtsprofessor. Für jedes neue Projekt bestellte er sich Literatur übers Internet. Fast täglich trafen Rechnungen für irgendwelche Bücher ein, die er ungesehen abbuchen ließ. Cleo hatte sich ein Konto mit dem praktischen Namen “Online Books” eingerichtet, und mailte ihrem Lebensgefährten, Walter, jeden Monat 4 bis 6 Rechnungen für Bücher, die er nie erhalten hatte. Und Walter überwies seit Jahren pflichtbewusst die Kohle, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Das geschah dem alten Sack recht. Er war 64 und schwer herzkrank. Cleo würde ihn mit Sicherheit überleben. Und was dann?
Hatte er sie abgesichert? Bestimmt nicht. Hatte er sie in seinem Testament erwähnt? Nein. Cleo musste an die Zukunft denken. Sie liebte das Haus und den Garten. Sie liebte den Apfelbaum in dem die Amseln nisteten. Sie wollte all das nicht verlieren, deshalb brauchte sie Geld.
Sie gab das Passwort ein. Ihr Account-Manager bilanzierte 186.712 Euro auf 44 Werte verteilt. 31.078 Euro dümpelten unnütz auf ihrem Girokonto herum. Es würde ein strenger Winter werden, zumindest auf der nördlichen Hemisphäre. Das spürte sie instinktiv. Sie verkaufte ihre Tiefbauaktien und investierte all ihr freies Kapital in Skitourismus und Kaffee, denn ein kalter Winter bedeutete naturgemäß schlechte Kaffeeernten. Stundenlang beobachtete sie die Entwicklung ihrer Futures auf dem Rohstoffmarkt und griff ein, wenn eine Korrektur vonnöten war. Doch es lief prächtig. Anfangs war sie noch unsicher gewesen, und hatte konservativ in Fonds investiert. Doch eine Rendite von etwa 11% per anno war einfach lächerlich, und sie hatte ihren Fondsmanager gefeuert, um das Geld in Warentermingeschäfte zu stecken. Cleo sondierte gerade den Schweinebauchmarkt, als sie den Wagen in der Einfahrt hörte. Schnell ging sie offline, fuhr den PC runter und schaltete ihn aus.

Walter warf seinen Trenchcoat über den Garderobenhaken, kickte seine nassen Slipper in die Ecke und machte es sich auf der Couch gemütlich. Sie begrüsste ihn herzlich, kuschelte sich an ihn und er kraulte ihren Nacken: “Na, Cleopatra, mein Schatz! Hast du mich vermisst?” Dann schaltete er den Fernseher ein. Schon wieder diese ätzende Glotze...

Cleo sprang angewidert von der Couch, streckte sich mit einem langgezogenen Gähnen und leckte ihr seidiges Fell.

Einem inneren Impuls folgend, begann sie, ihre Krallen am Kratzbaum zu wetzen. Eines Tages würde das Haus ihr gehören. Es war nur eine Frage der Zeit.

Anmerkung des Autors.


An alle neunmalklugen Rechtschreibreformer:

Als Julius Caesar Cleopatra vögelte, bestand das lateinische Alphabet noch aus 24 Buchstaben, denn er hatte das J für den Juli, das K, von dem der Kaiser stammt, und den Julianischen Kalender mit sensationellen 12 Monaten (Julius und Augustus waren neu) noch gar nicht eingeführt, deshalb will ich kein Wort hören. Von wegen Kleopatra... Ignoranten!

 

Ich hab die Geschichte mal vor laengerer Zeit gelesen, konnte aber nie den Thread dazu in den Kritiken finden.
Aber gut, jetzt steht sie ja im Forum.
Ich wuerde sagen die Geschichte lebt von Deinem ausgezeichneten Schreibstil. Die Handlung an sich ist etwas leicht zu durchschauen, man weiss also schon relativ frueh was Cleo vor hat. Aber dann der eigentliche Clou, dass sie eine Katze ist - oder ist sie das wirklich...?

:rolleyes:

 

Na, wer sagt´s denn - Alpha kann es ja doch!
Für mich als Katzen-Fan eine absolut gelungene Geschichte mit, äh, sympathischer Protagonistin! :D

Erinnert mich ein wenig an den letzten Felidae-Roman, wo das Internet ebenfalls eine große Rolle spielt.

Werde von jetzt an meine Maus auf Pfotenspuren untersuchen... ;)

 

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