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Das Märchen vom goldenen Herzen

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29.11.2004
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Das Märchen vom goldenen Herzen

Es war ein strenger Winter. Die Menschen ächzten unter der Kälte und Dunkelheit und rückten dichter zusammen. Gleichwohl waren unter jedem verschneiten Dach liebe Gedanken und warme Gefühle zu Hause wie Glut im Herd. Die wanderten in die Nähe und Ferne zu verwandten und geliebten Menschen.Zugleich herrschte rege Geschäftigkeit: Da wurde genäht und gestickt, geleimt und genagelt, gezeichnet und gemalt und am Ende alles liebevoll eingepackt und mit schönen Bändern zugebunden.
Warum aber geschah dies alles so heimlich und leise und hinter verschlosse-nen Türen?
Nun – Weihnachtszeit war doch! Nur wenige Tage, dann würden tausend Kerzen die Nacht erhellen. Alle warteten auf Weihnachten. Ganz besonders natürlich die Kinder! Was sie auch träumten, was immer sie dachten oder sprachen, alles drehte sich um den einen, den Weihnachtsmann. Ihn erwarteten sie sehnlichst oder mit Bangen und je näher das Christfest heranrückte, umso stärker erfüllte sein Bild ihre Seelen – der heilige Mann im roten Mantel mit dem dichten, weißen Bart und den Augen unter buschigen Brauen, deren Blick nichts verborgen blieb.
Ja, endlich sahen sie ihn gar aus den Wäldern kommen und hörten die silberhellen Glocken seines Schlittens, der voll beladen war mit all dem, wovon sie träumten und was sie sich wünschten.
Und wirklich! Er war auf dem Weg – unterwegs zu den Kindern.
Der Weihnachtsmann seufzte. Er dachte an die himmlische Backstube, sah die großen und kleinen Engel, wie sie unermüdlich den Teig rührten und kneteten, formten und ausstachen, sah riesige Bleche mit Dresdner und Quarkstollen, mit Pfeffernüssen, Nürnberger Lebkuchen und Spekulatius, und er roch den süßen Duft der Zimtsterne. Mmh! Nie kam er daran vorbei, ohne zu naschen.
Dann dachte er an die Werkstätten, aus denen all das bunte Spielzeug für die Menschenkinder kam – die kleinen Autos, Baukästen und Kaufmannsläden für die Knaben und allerliebste Püppchen, niedliche Küchen und Puppenstuben für die Mädchen. Und er freute sich, wie hübsch die himmlischen Heerscharen alles verpackten.
Ja, und da fiel ihm die Sache mit dem Päckchen ein.
Er war zum Jesuskind gekommen, um sich zu verabschieden. „Mein lieber Alter,“ hatte es gesagt, „hier ist noch etwas, auf das gut acht zu geben, ich
dich bitte!“ Mit diesen Worten reichte es ihm ein kleines Paketchen, das in schneeweißes Seidenpapier gewickelt und von einer roten Schleife zusammengehalten war. „In diesem Päckchen befindet sich ein goldenes Herz. Das habe ich für ein Kind mit reinem Herzen und sanftem Gemüt bestimmt.“
Der Weihnachtsmann runzelte die Stirn: „Oh, das wird schwer zu finden sein!“ Das Christkind lächelte: „Schau in dein Buch, mein Lieber, du wirst es finden!“
Er musste lange suchen, Seite um Seite und – ja, Donnerwetter, da war tatsächlich eins – es gab da doch wirklich nur Gutes zu lesen! Ein kleines Mädchen war es! Er schrieb auf, wo es wohnte und verstaute das Paket eigenhändig auf dem Schlitten.
Wieder seufzte der Weihnachtsmann. Den ganzen Tag schon war er auf den Beinen, müde war er. Außerdem hatte er schrecklich kalte Füße. Er sah seine himmlische Stube, den warmen Platz am Ofen und seine gemütlichen Pantoffeln. Ach, wie würde er es sich jetzt da wohl bequem machen!
Aber da waren ja Kinder, die auf ihn warteten. Die musste er noch beschenken!
Inzwischen war es dunkel geworden. Der Weihnachtsmann schlug den Kragen hoch und stapfte weiter – Schritt für Schritt durch den hohen Schnee. So gelangte er in einen Wald. Von Gebüsch und hohen Bäumen umgeben, hatte er Mühe, nicht vom Weg abzukommen, und immer wieder hielt er das Rentier an, um sich zurechtzufinden. Wie brav der treue, vierbeinige Freund den Schlitten zog! Der Weihnachtsmann klopfte ihm beifällig auf den Rücken.
Ringsum herrschte Stille. Nur das Knirschen seiner Stiefel und das leise Gleiten der Kufen waren zu hören. Silbern strahlten Sterne durchs schwarze Geäst, der gute, alte Mond leuchtete und alles glänzte und glitzerte im Widerschein. Manchmal holperte der Schlitten über eine Baumwurzel oder eine andere Unebenheit. Dann blickte der Weihnachtsmann besorgt zurück, ob etwa eines der Pakete heruntergefallen sei. Ja, mitunter machte er sogar Halt, ging um den Schlitten herum, sah nach, ob alles am rechten Platz war, zupfte und zog an der Decke, die über die Ladung geworfen war, und verknotete die Stricke neu, die alles zusammenhielten.
Endlich erschienen Lichter in der Dunkelheit. Der Wald trat zurück und im warmen Schein seiner Lampen und Laternen lag ein Städtchen vor ihm.
Der Weihnachtsmann atmete auf. „Ah! Endlich!“, murmelte er, hielt an und wischte den Reif aus Brauen und Bart. Das Ende der Reise war in Sicht. Der Weihnachtsmann schloss die Augen und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. – Jetzt rasch an die Arbeit!
Er wärmte das Rentier mit einer Decke und hieß es, da stehen bleiben. Dann füllte er die letzten Geschenke in einen Sack, nahm ihn auf den Rücken und ging los. Ohne Umstände machte er die Runde, verteilte seine Gaben und war schon auf dem Rückweg, als ihm wieder das Paket einfiel, das mit der roten Schleife und dem Seidenpapier. Auf das er doch so Acht geben sollte.
Oh, je! Wo war es? Der Sack war leer! Auf einmal war ihm klar, dass er es gar nicht hineingetan, ja, überhaupt nicht mehr bemerkt hatte. Aber wo um Himmels Willen war es? Er musste es übersehen haben, kein Zweifel, es lag noch auf dem Schlitten! Er beschleunigte seinen Schritt. Aber so angestrengt er auch suchte, auf dem Schlitten lag es nicht und nicht darunter.
Nun war guter Rat teuer. Der Weihnachtsmann fühlte sich jämmerlich. So konnte er nicht vor das Christkind treten, das war ganz unmöglich! „Ich habe es doch selbst auf den Schlitten gepackt!“, sprach er zu sich. „Also muss es unterwegs heruntergefallen sein!“ Er dachte an den Waldweg. Da war doch so mancher Ruck durch den Schlitten gegangen! Ja, richtig! Da musste das Paket liegen! Eilig wendete er den Schlitten und fuhr zurück. Im hellen Mondschein lag der Weg vor ihm, deutlich sah er die alte Spur. Angespannt blickte er voraus, und unruhig wanderten seine Augen hin und her.
Doch das kleine, weiße Paket mit der roten Schleife blieb verloren, es war einfach nicht zu finden. Als der Weihnachtsmann aus dem Wald herauskam, gab er die Suche auf und kehrte bekümmert zum Himmel zurück.

Er konnte ja nicht wissen, dass jemand das goldene Herz gefunden hatte. Ja, es war wirklich in jenem Wald verloren gegangen, bei der holperigen Fahrt vom Schlitten gefallen. Der glückliche Finder aber war – ha, ein Teufel! Ausgerechnet ein Teufel hatte es entdeckt! Mitten aus der Hölle war dieser Lausebengel seiner Großmutter entwischt und durch einen Gang nach oben gelangt. Da saß er nun an seinem Lieblingsplatz im Schutz einer mächtigen Wurzel, schaute aus dem engen, dunklen Loch wie durch ein Fenster hinaus in die wundersame, stille Winternacht, sah Mond und Sterne und ihren Abglanz im Schnee und staunte über die Schönheit der Welt.
Ja, und dann war sein Blick auf das Paketchen gefallen, das dort am Wegrand lag und das der Weihnachtsmann so schmerzlich vermisste. Ein sonderbares Ding, weiß wie der Schnee und ein bisschen feuerrot. Was das wohl war? Man müsste es aus der Nähe sehen! Und weil die Neugier stärker war als die Furcht, sprang der kleine Teufel in den Schnee und stakste vorsichtig hinüber. Sachte stieß er es mit einem Finger an, aber es rührte sich nicht. Da nahm er es behutsam in beide Hände und lief zurück in sein Versteck. Oh, das Herz schlug ihm bis zum Hals! Niemals hatte er so etwas Reizendes in der Hand gehalten. Plötzlich spürte er, dass sich etwas darin bewegte. Erschrocken ließ er es fallen, wartete atemlos – aber nichts geschah. Das Band fühlte sich weich an und glatt wie Großmutters Bauch und war rot wie das Höllenfeuer und wenn er über das seidige Papier strich, hörte er einen Teufelsschwanz rascheln. Als er an der Schleife zog, ging sie auf, das Band löste sich. Neugierig zupfte der Schlingel hier und da und schließlich wurde eine kleine, weiße Schachtel sichtbar, die über und über mit roten Herzen bemalt war. Hocherfreut nahm er die Schachtel heraus, drehte und wendete sie und lauschte mit großen Augen auf ein Geräusch, das aus ihrem Innern kam. Dann sah er, dass sie aus zwei Teilen bestand. Er zog sie auseinander. Und da lag – strahlend in seinem Glanz – das goldene Herz vor ihm. Der kleine Kerl hielt den Atem an. War das schön! In der dunklen Winternacht ging ein himmlisches Licht davon aus, das Eingang in seine Seele fand. Seine Augen leuchteten. Welch ein Glück!

Indessen hatte der Weihnachtsmann das Himmelstor erreicht. Da saß Petrus, von Engeln umgeben, und grüßte ihn erfreut. Aber der Weihnachtsmann erwiderte den freundlichen Gruß so bedrückt, dass Petrus fragte, was denn um Himmels Willen geschehen sei, dass er in dieser freudenreichen Weihnachtszeit wie ein Trauerkloß daherkomme. So erfuhr er von dem Verlust des goldenen Herzens. „Ach, du liebe Zeit!“ Petrus schaute den alten Freund mitfühlend an. Was für ein Unglück! Wie konnte er ihm helfen? Da hellte sich seine Miene auf. Natürlich – das Himmelsfernrohr! Das war`s, das musste her! Sofort schickte er Engel, es zu holen. „Du wirst sehen, gleich wissen wir, wo es steckt!“ tröstete er den Freund.
Kaum waren die Engel mit dem Gerät zurück, baute Petrus es auf, stellte die stärkste Vergrößerung ein und richtete das Glas auf die Erde. Abwechselnd schauten sie hinein, wobei sich der Weihnachtsmann jedes Mal auf die
Zehenspitzen stellen musste, denn er war kleiner. Gespannte Stille herrschte. Gerade hatte Petrus das Auge am Glas. Er brummte. „Da!“, rief er plötzlich,
„ich hab`s! Sieh nur! Oh, das glänzt. Es ist nicht zu übersehen!“ Der Weihnachtsmann guckte hinein. „Tatsächlich! Da ist es!“ Erlöst atmete er auf, und Freude machte sich breit auf seinem Gesicht. „Ja, es ist in dem Wald, in dem ich ..., aber Halt! – was ist das?“ Er stieß einen Schrei aus: „Hilfe! Ein Teufel!“ Ja, der war nun wirklich nicht zu übersehen, und eben hatte der Weihnachtsmann den kleinen Höllenbewohner erkannt. Petrus war entsetzt: „Lass mich mal!“ Er riss die Augen auf. „Himmeldonnerwetter! Das ist ja grässlich! Ein Teufel – und das goldene Herz in seinen schwarzen Pfoten! Wie glücklich der aussieht, pfui Teufel! Eine Katastrophe!“
Die Engel blickten verlegen, denn es war im Himmel streng verboten zu fluchen. Aber Petrus hatte es wie gewöhnlich gar nicht gemerkt. Sorgenvoll schaute er den Freund an. Ein Unglück kam selten allein! Was war zu tun? Der Weihnachtsmann fasste einen Entschluss. „Ich muss es dem Jesuskind sagen, da hilft gar nichts – und zwar sofort!“
Das Jesuskind hörte dem Weihnachtsmann aufmerksam zu. Es sah, wie gewissenhaft der alte Mann sein Geschäft besorgte, wie müde und er-
schöpft er war, es sah, wie er sich quälte, und erkannte seine Not. Als er seinen Bericht geendet hatte, sprach es: „Du darfst jetzt ausruhen, mein Lieber. Es wird sich alles zum Guten wenden!“ Und mit heiterem Antlitz und zu den Engeln gewandt, rief es: „Den Teufel will ich sehen! Schafft ihn her!“
Wie ein Windstoß fuhr dieser Befehl in die Engelschar und entfachte heftigste Unruhe. Überall flüsterte und tuschelte es. Ein Teufel im Himmel! Nicht auszudenken! Und besonders die Kleinen, die Ängstlichen malten sich schreckliche Ungeheuer mit scheußlichen Fratzen aus, die sie schaudern und erbleichen ließen.
Petrus, der ja bekanntermaßen die Aufsicht im Himmel hat, war empört. „Ruhe!“, brüllte er, dämpfte aber sogleich mit einem schuldbewussten Blick zum Jesuskind seine Stimme und flötete nun auf gar himmlische Weise: „Bitte! Ruhe!“ Als die wieder hergestellt war, beauftragte das Christkind zwei Engel, den Teufel zu holen.
Den beiden gefiel das gar nicht. Kam es doch höchst selten vor, dass Himmlische der ungeliebten Verwandtschaft einen Besuch abstatteten – ja, es lag auch sehr unter dem Niveau! Nun, ob sie wollten oder nicht – es war kein Widerwort erlaubt. Augenblicklich machten sie sich auf den Weg zur Hölle. Dort angekommen, wurden sie vor den Oberteufel geführt.
Niemals hatten sie den Leibhaftigen aus nächster Nähe gesehen und sein Anblick ließ sie erzittern, so fürchteten sie sich. Dunkelhäutig und nackt stand der Höllenfürst vor ihnen, nur von zottigem Haar bedeckt. Er war abstoßend hässlich und sehr ungepflegt. Wo andere Wesen feingliedrige Füße besaßen, hatte er nur plumpe Hufe. Ein langer Schwanz streifte über den Boden und spitze Hörner krönten das mächtige Haupt. Die Augen glühten wie Kohlen und es roch abscheulich nach Schwefel.
Als er die beiden Engel nun aber neugierig und nicht unfreundlich betrachtete, fassten sie wieder Mut, schilderten, was dem Weihnachtsmann widerfahren war und richteten aus, was das Christkind verlangte. Der Teufel runzelte die Stirn. Prüfend wanderte sein Blick von einem zum andern. Dann rief er laut nach der Großmutter.
In einer Wolke aus Qualm und Gestank, von Blitz und Donner begleitet, erschien fluchend des Teufels Großmutter. „Herr der Hölle, warum störst du meinen Schlaf?“, keifte die fette Alte, „Was ist los? Was willst du?“ Der Teufel wartete. Als sie sich beruhigt hatte, fragte er: „Wo ist das Balg?“
Die Großmutter ahnte nichts Gutes. „Vielleicht hier, vielleicht da! Woher soll ich`s wissen?“, antwortete sie verdrießlich. „Dir gab ich den Satansbraten, du solltest ihn nicht aus dem Auge lassen!“, herrschte er sie an. „Sag mir auf der Stelle, wo er ist!“ Da gestand sie mit finsterer Miene: „Ich weiß es nicht. Er ist mir entwischt.“
Der Oberteufel befahl, den Kleinen zu suchen und die ganze Hölle geriet in Aufruhr. Die Teufel rannten wie wild durcheinander. In allen Gängen hörte man es sausen und zischen und überall sah man sie hetzen und huschen.
Nun, es kam, wie es kommen musste, am Ende fand man ihn – er saß noch immer staunend am Ende des Ganges unter jener Wurzel – und brachte ihn vor den Oberteufel. Der kleine Kerl war ganz verwirrt, als er sich plötzlich aus der Stille des Waldes gerissen, vor die Horde lärmender Teufel gestellt und statt der silbernen Sterne ihre rot funkelnden Augen sah.
Der Oberteufel blickte grimmig. Ein Geschenk des Himmels – an diesem Ort! Skandalös war das! Eine Schande für die ganze Hölle! Kurzen Prozess würde er machen und die Angelegenheit auf seine Weise zu Ende bringen. Streng sagte er: „Gib mir das Herz, du Lausebengel!“ Aber die Sache erwies sich schwierig. Denn das Teufelchen weigerte sich. Mit gesenktem Kopf stand es da, drückte das goldene Herz an seine kleine Brust und hielt es unerschütterlich fest. „Ich hab` es gefunden! Es gehört mir!“, stieß es hervor und eine dicke Träne purzelte über seine Wange.
Der Bengel war ja völlig aus der Art geschlagen! Der Oberteufel stöhnte und verzog das Gesicht. Das hatte noch gefehlt! Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann war es, dass jemand in seiner Gegenwart weinte. Das brachte ihn unweigerlich aus der Fassung! So kam er nicht weiter. Mh – warum eigentlich sollte er die Anweisung der Engel nicht genauestens befolgen? Warum das Früchtchen nicht einfach in den Himmel schicken? Sollen die doch sehen, wie sie damit fertig werden!
„Du wirst mit den Engeln gehen und das Herz selber zurückbringen!“, befahl er ungehalten.
Und so geschah es. Der Mond war noch nicht untergegangen, da flogen drei Gestalten aus dem dunklen Höllentor. Es waren die beiden Engel, die den kleinen Teufel an den Armen hielten – Teufel haben ja bekanntlich keine Flügel!
Zuerst hatten sie sich sehr geniert, den schwarzen, struppigen Kerl anzu-fassen, doch hatten sie Mitleid mit ihm. Dann spürten sie, dass er sich warm und weich anfühlte – wie sie selbst – und allmählich fanden sie Gefallen an ihm.
In der Tat sah der Kleine erbärmlich aus. Er schluchzte und manche Träne fiel aus dem verweinten Gesicht auf die Erde hinab. Das goldene Herz aber verbarg er in seinen Händen und presste es an sein eigenes kleines, pochendes Herz.
So erreichten sie ihr Ziel und in Windeseile verbreitete sich die Nachricht von ihrer Ankunft. Der ganze Himmel schreckte auf! Es war – im wahrsten Sinne des Wortes – der Teufel los! Alle Engel waren auf den Beinen. Aufgescheucht flatterten sie und drängelten. Jeder fürchtete sich maßlos, wollte aber nichtsdestoweniger den Unhold sehen. Einen Augenblick schien es, als habe Petrus die Kontrolle verloren und der himmlische Friede sei in Gefahr. Doch jeder, der das strubbelige, schwarze Kerlchen mit den ulkigen Hörnern sah, war zutiefst verwundert. Wie es da auf winzigen, hell klingenden Hufen herankam und den drolligen Schwanz, weil es gar so befangen und unglücklich war, ganz eingezogen hatte – sah so ein Bösewicht aus?
Nein, dieses possierliche und bedauernswerte Wesen fürchteten die Engel nicht, sie beruhigten sich, ja, sie empfanden Mitgefühl und Zuneigung und es kehrte im Himmel ganz von selbst wieder Ruhe ein.
Die beiden Engel, die den Teufel hergebracht hatten, führten ihn vor das Jesuskind. Es folgte eine unübersehbare Menge von Engeln, auch Petrus war da und der Weihnachtsmann, der mit großer Erleichterung das goldene Herz erblickte.
Da stand nun der kleine Teufel vor dem Jesuskind. Freundlich schaute der Sohn Gottes ihn an.Und auf einmal löste sich seine Anspannung, er hatte keine Angst mehr. Eine Bewegung ging durch ihn wie ein Beben und bis zum Hals spürte er den wilden Schlag seines Herzens. Es überkamen ihn Gefühle, die er nicht kannte – Gefühle von Vertrauen und Liebe. Er fühlte sich hingezogen zu diesem Kind, das ihn voller Weisheit und Güte ansah, und er wusste, dass alles gut werden würde.
Der Weihnachtsmann indessen hatte den Teufel die ganze Zeit aufmerksam betrachtet. Plötzlich stutzte er und zog die Brauen hoch. Er rieb sich die Augen. Er guckte wieder hin und schüttelte den Kopf. War das Einbildung oder Wirklichkeit, was er sah? Er stieß Petrus an. „Sieh mal,“, flüsterte er, „der Teufel – ist der nicht irgendwie heller geworden? Sag, der ist doch nicht mehr ganz so schwarz!“ Petrus sah keinen Unterschied. „Nein,“, entgegnete er leise, „das bildest du dir ein.“
In diesem Augenblick begann das Jesuskind zu sprechen: „Ich sehe, mein kleiner Teufel, du bist fest entschlossen, das goldene Herz zu behalten. – Ich habe es für ein liebes und frommes Menschenkind bestimmt,“ fuhr es nach einer Weile fort, „deshalb steht es dir von Rechts wegen nicht zu. – Doch verzage nicht! Es rührt mich, wie unbeirrt und fest du mein himmlisches Geschenk hältst. Darum will ich dir eine Gnade gewähren. Ich gebe dir eine Probezeit, die du hier bleiben darfst, hier im Himmel. Wenn du sie gut nutzt, schenke ich dir das goldene Herz.“
Was für ein Glück! Mit einem Mal war alle Trübsal wie weggeblasen. Der Bengel richtete sich auf. „Juhu!“, schrie er, küsste das goldene Herz und sprang vor Freude in die Luft. Dann besann er sich, fiel vor Jesus auf die Knie, reichte ihm das Herz – wie leicht das ging! – und dankte mit Hingabe.
Von einer Probezeit hatte der Herr des Himmels gesprochen. Wie mochte die Prüfung aussehen? Auf welche Weise sollte er sich bewähren?
Ohne viel darüber nachzudenken, folgte der Teufel den beiden Engeln, die seine Freunde geworden waren. Sie führten ihn durch den Himmel, zeigten ihm alles und machten ihn mit allen bekannt. Und siehe da, alle hatten ihre Freude an ihm. Seine Fröhlichkeit und feurige Natur steckten an und wo immer er sich aufhielt, verbreitete er Heiterkeit, Lachen und Scherzen. Dabei machte er sich nützlich und half, wo er konnte. Man sah ihn in der Küche den Besen schwingen, die großen Bleche schrubben, das Geschirr spülen und abtrocknen und als die Werkstätten aufgeräumt werden mussten, war er einer der Eifrigsten. Nur beim täglichen Gebet stand er scheu in der hintersten Reihe und fühlte Petrus' prüfenden Blick. Da schämte er sich, dass er kein Engel war. Er dachte an die Probe und ob er sie bestehen würde. Der Gedanke an das Jesuskind aber weckte jedes Mal neue Hoffnung in ihm und wenn sie zum Schluss das Halleluja sangen, dann konnte man ihn jauchzen hören, dass es eine Lust war.
Was der Weihnachtsmann als erster entdeckt hatte, wurde mit großem Erstaunen nach und nach allen offenbar, dass sich nämlich der Teufel sichtlich und auf wundersame Weise veränderte. Nicht nur dass er selbst immer weißer, sein Fell spärlicher und die lustigen Hörner kleiner und kleiner wurden – nein, auch die Hufe verwandelten sich zur Überraschung aller in zierliche Füße. Das größte Wunder jedoch war, dass ihm – zuerst recht winzig und kaum merklich, allmählich aber immer deutlicher und zuletzt ganz unübersehbar – zwei himmlische Flügel wuchsen. Die Engel waren außer sich vor Entzücken und konnten kaum das Ende dieser überraschenden Verwandlung erwarten. Einzig der Schwanz, dieser nackte und am Ende zottelige Schwanz wollte und wollte nicht weichen. Er allein trotzte der Veränderung und es schien, als wollte er seinen Besitzer festhalten und nicht aus der Hölle entlassen.
Doch es kam anders. Als der Teufel – oder sollte man ihn besser, wofür gewiss gute Gründe sprachen, nun "Engel" nennen? – als er sich einmal in der schönen Gegend der Weiden aufhielt, wo Schäfchen zufrieden wiederkäuend im himmlischen Blau liegen, da geschah es, dass er sich mit einem Mal dem Weihnachtsmann gegenüber sah. Und ohne dass der etwas zu ihm gesagt hätte – vielleicht lag es ja auch nur an der Art, wie der alte Mann ihn ansah – erkannte er mit einem Mal, was der Weihnachtsmann seinetwegen gelitten hatte, und es tat ihm schrecklich leid. „Bitte, verzeih...!“, wollte er eben beginnen, als sich etwas ganz und gar Erstaunliches ereignete. Erst huschte ein Lächeln über das alte Gesicht, dann prasselte und zischte es plötzlich laut hinter des kleinen Teufels Rücken, dass er erschrocken herumfuhr und was er da erblickte, war so unglaublich, dass er seinen Augen nicht traute.
Ja, da fuhr doch just in dem Augenblick sein eigener Schwanz funkensprühend wie eine Sylvesterrakete auf und davon und geradewegs zur Hölle hinab. Als sich der Qualm verzogen und der Teufel vom ersten Schrecken erholt hatte, konnte er sich vor Freude nicht fassen. Der Schwanz, der Schwanz war ab! Endlich war er dieses hässliche Anhängsel los!
Er fiel dem guten, alten Weihnachtsmann um den Hals und küsste ihn auf Bart und Wangen. Der aber nahm ihn in die Arme, hob ihn hoch und tanzte, ja, er tanzte von einem Bein aufs andere ausgelassen mit ihm herum – so glücklich war er. Das hatte der Himmel fürwahr noch nicht erlebt: Einen tanzenden Weihnachtsmann!
Schließlich war die Probezeit um. Hatte der kleine Teufel sie gut genutzt? Die Engel versammelten sich um das Christkind, auch Petrus und der Weihnachtsmann waren da. – Wo aber blieb das Teufelchen? Im dichten Kreis standen die Engel, doch kein Teufel war zu sehen.
Als es ruhig wurde, hörte man das Jesuskind in die Stille sagen: „Komm zu mir, kleiner Teufel!“ Wie staunte da die Engelsschar, als jetzt ein schüchterner, aber sehr hell schimmernder, kleiner Engel vortrat. „Ja, komm zu mir!“, sprach das Jesuskind. „Ich sehe, du hast die Zeit gut genutzt. Ein Wunder ist geschehen. Du bist ein Engel geworden.“ Mit diesen Worten gab es ihm das goldene Herz. „Behalte es! Du bist seiner würdig, denn du hast ein reines Herz und ein sanftes Gemüt.“
Da jubelten die Engel und der Teufel, der keiner mehr war, stieß einen Freudenschrei aus. Er kniete nieder vor Jesus und dankte ihm.
Petrus aber sah den Weihnachtsmann gerührt an und es entging ihm nicht, wie der Freund eine Träne wegwischt.
So nahm zuletzt doch alles ein gutes Ende und noch heute erzählt man sich im Himmel – und auf Erden – das Märchen vom goldenen Herzen.

 

Hallo Eber!

Herzlich willkommen auf kg.de!

verschlosse-nen
da ist ein Bindestrich stehengeblieben.

An einigen Stellen hat die Formatierung einen Absatz eingebaut, wo keiner hingehört. Solltest Du beseitigen, der Lesefluß wird dadurch gestört.

Und sonst: Eine Geschichte, die ich gerne gelesen habe, auch wenn der Märchenstil manchmal etwas gestelzt wirkt. Aber Du hast die Frage, ob aus einem Teufel ein Engel werden kann, sehr schön gelöst. Vor allem dass der Schwanz erst abgeht, als der Teufel, erkennt, dass er um VErzeihung bitten muss - dann aber wie eine Rakete - eine schöne Idee.

Der

ungeliebten Verwandtschaft
merkt man an, dass du dich auskennst mit himmlischen Gepflogenheiten. Und das tägliche Gebet, da kann man ins Grübeln kommen.

Lieben Gruss

Jo

 

Eber,

mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen. Sie war schön flüssig und verbindet die Elemente eines Märchens mit den doch eher dafür untypischen Merkmale. So zeigt sie sehr gut, dass es keine klaren Grenzen zwischen gut und böse gibt, auch wenn wir sie uns immer einreden.
Mir gefällt die Idee, den kleinen Teufel auf märchenhafte Weise zu belohnen. Es beschreibt, dass Menschen sich bessern können - eine der klassischen Aussagen zu Weihachten.
Ein paar Anmerkungen habe ich dann doch noch:

Oh, das Herz schlug ihm bis zum Hals!
Normalerweise ist das ein schönes Bild, hier würde ich es allerdings nicht nehmen, da das Geschenk, dass der Teufel findet, ja ein Herz ist (schönes Symbol übrigens).
Wie glücklich der aussieht, pfui Teufel!
Ist dieser Fluch Absicht? Fall nicht, solltest du einen anderen wählen, da der Weihnachtsmann ja tatsächlich einen Teufel sieht.
Als der Teufel – oder sollte man ihn besser, wofür gewiss gute Gründe sprachen, nun "Engel" nennen?
Die Anführungzeichen würde ich weglassen.
Seine Fröhlichkeit und feurige Natur steckten an und wo immer er sich aufhielt, verbreitete er Heiterkeit, Lachen und Scherzen.
"Feurige Natur" - gefällt mir, weil sehr treffend.

Danke für diese großartige Geschichte, sie bringt einen wirklich in Weihnachtsstimmung.

Gruß, Saffron.

 

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