Das Signal
Irgendwann in der Zukunft durchstreifte ein Patrouillenraumschiff die Milchstraße auf der Suche nach bewohnbaren Planeten und unbekannten Zivilisationen. Es durchquerte gerade ein Sonnensystem mit einer kleinen Sonne als Zentrum. Nur zwei Planeten umkreisten den Stern in geringer Entfernung. Viel zu heiß für Leben. Das Raumschiff wollte das System schon verlassen.
„Kapitän, anscheinend gibt es noch einen Planeten in diesem System.“
„Wo ist er genau?“
„Er ist direkt voraus.“
Der Leutnant ließ eine Grafik auf dem Monitor ausgeben.
„Entfernung zu Sonne 187 Millionen Kilometer, Null Komma Acht Erdmassen.“ Murmelt der Kapitän vor sich hin.
„Was sagt die Spektroskopie über den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre?“
„Kapitän, sie sollten sich vielleicht das hier zuerst ansehen.“
Der Leutnant wechselte die Bildschirmansicht. Auf dem Bildschirm wurde nun ein UKW-Signal grafisch dargestellt.
„Das ist wirklich interessant. Kann der Computer das Signal entschlüsseln?“
„Nein, es folgt keinem bekannten Muster.“
„Rudergänger. Kurs setzen.“
„Jawohl Herr Kapitän.“
Nur wenig später erreichte das Raumschiff den Orbit des dritten Planeten.
„Leutnant, gibt es noch mehr Signale oder irgendwelche hinweise auf Lebensformen.“
„Die Aufnahmen von der Planetenoberfläche zeigen Gebäudekomplexe und Straßensysteme um den Äquator aber nirgends ist auch nur ein einziges Lebewesen zu sehen. Die Polkappen bedecken den größten Teil der Oberfläche.“
„Merkwürdig. Was haben die Messungen über die Atmosphäre ergeben?“
„Sauerstoff-, Stickstoff- Atmosphäre. Leicht erhöhte Strahlung. Sie ist jedoch ungefährlich.“
„Ein Atomkrieg? Sonneneruptionen?“
„Sollen wir eine Sonde starten?“
„Nein, unser Planetenforscher soll sich da unten mal umschauen.“
„Meinen sie daß es ungefährlich ist?“
„Absolut.“
Eine Kapsel löste sich vom Raumschiff und flog auf die Oberfläche zu. Der Pilot steuerte das Landefahrzeug auf den Ursprung des Signals zu. Auf einem großen Platz, in der unmittelbaren nähe zu einem großen Quaderförmigen Gebäude welches von zwei Parabolantennentürmen eingerahmt wurde, landete es. Der Planetenforscher, oder wie es richtig heißt: Spezialist für Extraterrestrische Nahuntersuchungen, Norman Jones stieg in einem leichten Raumanzug aus seinem Fahrzeug und verschloß es anschließend. Er machte ein paar Gesprächsnotizen.
„Was mir soeben auffällt ist die absolute Stille der Umgebung. Es ist Windstill und keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. Ich gehe jetzt auf das Gebäude zu.“
Wie ein einsamer Wanderer durch die Prärie erschien der seltsame Fußgänger auf dem Moosüberwachsenen Platz. Er warf nur einen kurzen Schatten, da die Sonne fast Senkrecht herabschien.
„Seltsam daß die Sonne direkt von oben scheint. Der Planet ist auf seiner Bahn um 45 Grad geneigt.“
Jones ging weiter.
„Ich habe den Komplex jetzt fast erreicht. Ich kann eine große Schrifttafel erkennen. Sie hängt über dem was ich für den Eingang halte. Die Schriftzeichen sehen wie kyrillisch und hebräisch in einem aus.“
Jones stellte eine Funkverbindung zum Schiff her.
„Kapitän, Kontrollruf eins. Ich betrete jetzt das Gebäude.“
„Verstanden. Seien sie vorsichtig!“
Jones schaltete den Apparat wieder aus.
„Die Verbindung zum Schiff ist ziemlich schlecht. Ich gehe davon aus, daß es an der Strahlung liegt. Ich werde jetzt auf erhöhte Radioaktivität messen.“
Jones holte einen Geigerzähler von seinem Gürtel hervor.
„Die Nadel schlägt schwach aus, ist aber noch im Normbereich.“
Jones stieg die Stufen hinauf zum Eingang und schwenkte den Geigerzähler umher.
„Auch im Gebäude nur geringe Strahlung.“
Jones hörte ein Geräusch so ähnlich wie Flüstern. Er hielt inne und lauschte. Nichts.
„Hallo, ist da jemand?“
Er lauschte wieder. Und wieder nichts. Todesstille. Nur sein Herz konnte er hören. Warum werden keine Expeditionsteams heruntergeschickt ... aus mindestens zwei Mann?
Jones schaute sich um. Nichts. Vorsichtshalber öffnete er aber das Halfter seines Pistolenholsters und behielt eine Hand an der Waffe. Vorsichtig und leise bewegte er sich durch die Eingangshalle. Überall lagen Zettel, Glassplitter und anderes Zeug. Er trat auf eine Glasscherbe, welche zerbrach. Ein seltsames Geräusch. Er hob eine andere Scherbe auf und ließ sie wieder fallen. Sie machte beim auftreffen ein plumpes Geräusch. Kein Widerhall.
„Ich habe festgestellt, daß es in dieser Halle kein Echo gibt. Das sollten zukünftige Expeditionen näher untersuchen.“
Er hörte wieder dieses Flüstergeräusch. Erschrocken zog er seine Waffe und drehte sich in die Richtung aus der er das Geräusch vermutete. Wieder lauschte er angespannt. So sehr er sich bemühte etwas zu hören oder zu sehen, so sehr scheiterte er. Kalter Schweiß lief seinen Rücken entlang. Es war ihm wie eine Berührung. Er drehte sich abermals um. Nirgends eine Gestalt oder ein Ton. Das Sichtfenster seines Anzugs beschlug leicht, so sehr schwitzte er.
Alles nur Einbildung. Alles nur Einbildung. Hier ist niemand. Es wird der Wind sein. Moment es ist doch Windstill ... es muß einen plausiblen Grund geben.
Jones steckte die Waffe wieder weg, ohne sie jedoch loszulassen.
„Ich weiß nicht was es ist. Ich verspüre ein Angstgefühl, aber auch den unbändigen Drang die Quelle des Signals ausfindig zu machen.“
Jones benutzte einen Treppenaufgang, nachdem er sein Ortungsgerät eingeschaltet hatte. Die Scheinwerfer seines Anzugs erhellten die dunklen Gänge nur wenig. Ein gespenstisches Schauspiel erstrahlte aus den Lampen. Er sah Schatten an den Wänden. Schatten von Wesen in ihrer Bewegung verharrt. Je näher er der Wand kam desto größer wurden die Schatten. Auch die Entfernungen unter den Schatten nam zu. So als ob zwischen ihm und der Wand noch jemand stand. Er ging noch einen Schritt und der Schatten direkt vor ihm nahm jetzt fast die gesamte Wand ein. Er wollte noch etwas nach vorn um es sich genauer Anzusehen. Er spürte einen leichten Widerstand wie eine Berührung. Der Schatten verschwand und da war es wieder, dieses Flüstern. Von Panik ergriffen rannte Jones den Gang entlang und begann zu schreien. An den Wänden zu seiner linken und rechten huschten Schatten vorbei. Es war als würden ihm dutzende Personen zur gleichen Zeit ins Ohr flüstern. Er rannte noch schneller und schrie noch lauter. Am Ende des Ganges war ein zerborstenes Fenster. Jones schaute schnell hinaus und erblickte so etwas wie eine Feuertreppe. Er kletterte hastig über den Sims und preßt sich mit dem Rücken zur Wand. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er Atmete unkontrolliert heftig. Seine Vitalkontrolle piepte laut vor sich hin.
Ich muß mich beruhigen. Es gibt für alles eine logische Erklärung. Norman, du bist doch sonst nicht so schreckhaft. Eine ungewöhnliche Luftspiegelung, das ist es, eine ungewöhnliche Luftspiegelung. Genau. Zu Sicherheit aber werde ich die Feuerleiter zum Dach hinaufsteigen.
Jones setzte einen zittrigen Fuß vor den anderen. Langsam, aber mit festem Ziel erklomm er die Stufen der rostigen Treppe.
„Persönliche Notiz: Ich werde niemals wieder eine Mission allein durchführen.“
Die Treppe führte nicht genau bis zum Dach. Jedoch erreichte er eine große Halle genau darunter, in welcher vielerlei Apparate standen. Das Ortungsgerät wies auf einen Arbeitsplatz in der Mitte der Halle. Sein Herzschlag beschleunigte sich abermals. Er konnte niemanden entdecken, auch keine Schatten, und auch kein Geräusch. Kein Geräusch? Doch. Er hörte das Signal und ein elektrisches Brummen. Während er auf den Platz zusteuerte sah er sich nach allen Seiten um. Jetzt konnte er es sehen. Aus einem Behälter, welcher an ein Rohrleitungssystem angeschlossen war tropfte eine Flüssigkeit auf einen Morsetaster. Jones lachte auf.
„Hab ich dich.“
Er schob den Taster bei Seite. Das Signal hörte auf.
„Kapitän. Kontrollruf zwei. Ich habe die Quelle des Signals gefunden. Eine Flüssigkeit ist auf einen Morsetaster getropft.“
Keine Antwort, nur rauschen im Äther. Dafür wieder dieses Geflüster und das Gefühl berührt zu werden. Jones drehte sich im Kreis und konnte niemanden Entdecken. Wieder Berührungen. Von panischer Angst ergriffen riß er die Pistole aus dem Holster und schoß wild um sich. Alles was er traf waren antike Funkapparate. Ein Kurzschluß beendete den Sendebetrieb der Anlage. Schreiend und weinend fiel Jones zu Boden. Ihm war als ob er starker Strahlung ausgesetzt wäre. Es zog etwas an ihm. Sein Magen rebellierte. Ein gleißendes Licht.
Der Kapitän ging auf der Brücke nervös auf und ab.
„Verdammt, was ist da unten los. Jones müßte sich doch schon längst wieder gemeldet haben.“
Der Leutnant unterbrach ihn.
„Das Signal ist verstummt. Die Trägerwelle ist allerdings noch da.“
„Dann hat er die Quelle des Signals offenbar gefunden.“
„Das ist anzunehmen.“
Kurz darauf verschwand auch die Trägerwelle. Irritiert über diesen Vorfall ohne direkte Nachricht von Jones schaute der Kapitän eher beiläufig auf den Planeten, welcher sich erst nach grau und dann schwarz verfärbte.
„Mein Gott! Schauen sie!“
Die Oberfläche des Planeten fiel ein und formte einen Trichter in dem der gesamte Planet verschwand.
„Er ist weg. Einfach verschwunden!“
„Kapitän, ich kann jetzt das Signal des Landefahrzeugs orten. Jones schwebt in nicht allzugroßer Entfernung.“
„Rettungsteam raus, schnell.“
„Was ist mit ihm Doktor?“
„Wüßte ich es nicht genauer, würde ich sagen, daß er vollgepumpt mit Drogen ist. Er ist nicht direkt geistesabwesend. Er kann seine Umgebung wahrnehmen. Er kann allerdings nur wenig kontrolliert reagieren.“
„Ich hatte gehofft er könnte die Sache klären. Die Aufnahme der gesamten Videoaufzeichnung seines Anzugs ist nichts als rauschen.“
Der Kapitän ging in das Krankenzimmer.
„Jones, erkennen sie mich?“
Jones starrte ausdruckslos an die Decke. Er zwinkerte jedoch einmal deutlich. Der Kapitän beugte sich zu ihm herunter.
„Jones, wissen sie was da unten passiert ist?“
Die Pupillen des angesprochenen weiteten sich so sehr, daß seine Iris ganz verschwand. Dann nahm die Iris wieder zu und die Pupillen waren weniger als Stecknadelkopf groß. Der Kapitän wich erschrocken zurück. Jones begann lauthals zu lachen.
ENDE ©5/2001