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Das Tagebuch des Tarjan Sanders

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10.12.2008
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Das Tagebuch des Tarjan Sanders

Das Tagebuch des Tarjan Sanders

Der Staub fiel in kleinen Flocken langsam und geschmeidig zu Boden, als Tremor das kleine, schmale Buch langsam aus dem Regal zog. Es war ein altes Buch. Wie alt, dass konnte Tremor nicht sagen, aber den Verfallsspuren des Einbandes und der Verfassung der schon stark vergilbten Seiten zu urteilen, war es mindestens 100 Jahre alt. Der Einband aus schwarzem, weichem Leder war nicht beschriftet. Das war auch der Grund, wieso dem Bibliothekar das Buch in die Hände gefallen war. Es stand leicht eingerückt zwischen dicken Bänden und schien völlig wahllos dort abgestellt worden zu sein.

Als Tremor das Buch aufschlug, sah er sofort die stark zerrissenen Seiten und ihm stellten sich die Nackenhaare auf, war dieses Büchlein doch stark verwahrlost und eine Zumutung für jede anständige Bibliothek wie diese eine war. Dieses Buch musste dringend restauriert, katalogisiert und ordentlich verwahrt werden. Tremor wollte es, nachdem er es gelesen hatte, den Restauratoren in den Katakomben der großen, alten Bibliothek übergeben. Sie würden es wieder hinbekommen.

Die Zeit drängte. Viele der neueren Bücher mussten noch gelesen und eingeordnet werden und so begann der Bibliothekar mit seiner Arbeit. Tremor war ganz allein in der großen Halle, was kein Wunder war, denn die Sonne verschwand schon vor einigen Stunden hinter den geschwungenen Hügeln der Stadt. Tremor entzündete eine Laterne und setzte sich auf den harten, hölzernen Stuhl. Seine Laterne war die einzigste Lichtquelle in der 30 Meter langen Halle und Schatten senkten sich über die langen Buchreihen. Tremor war es gewöhnt...

“Tagebuch – Band 21”, las Tremor, als er das Buch öffnete. Das Buch gehörte einst anscheinend einem gewissen Tarjan Sanders. “Nie gehört”, dachte sich Tremor und las weiter.

Wie schon die Überschrift vermuten ließ, handelte es sich tatsächlich um ein Tagebuch. Sein ehemaliger Besitzer war anscheinend sehr akribisch in der Führung seines Tagebuches und so war es unverkennbar, dass diese Zeilen vor über 100 Jahren geschrieben worden waren. Das Buch fasste etwa 100 Seiten, dabei war die Schrift aber so klein, dass Tremor wohl nicht vor dem Morgengrauen damit fertig sein würde.

Nach dem Deckblatt, welches das Büchlein als Tagebuch auswies, ging es auch sofort los. Nichts besonderes. Nichts spektakuläres. Ein normales Tagebuch eben. Doch halt. Was war das? Offensichtlich war dieser Tarjan Sanders geschult in der magischen Kunst, denn ab und zu berichtete er von seinen Experimenten und wie sie verliefen. Dabei handelte es sich ganz offensichtlich nicht um normale Magie wie sie heute üblicherweise von den Magiern und Thaumaturgen verwendet wird. Nein, dieser Tarjan beschäftigte sich mit den Parallelwelten Ljosgards. Insbesondere mit den dort lebenden Wesen.

Ein Schauer lief Tremor über den Rücken, denn das Buch beinhaltete allerhand kleiner Zeichnungen und detailreiche Beschreibungen dieser Wesen. Tremor war kein zartbesaiteter Bursche, doch während er diese Zeilen las, gefror ihm das Blut in den Adern. Sein Atem ging schneller, denn Tarjan beschrieb diese Wesen mit einer abartigen Bewunderung. Obgleich es Tremor anwiderte, so konnte er doch nicht aufhören weiter in dem Buch zu lesen.

Ein paar Seiten weiter, Tremor musste wohl schon etwa ein Viertel des Buches gelesen haben, beschrieb Tarjan in allen Einzelheiten eines seiner Blutofper um ein dunkles Wesen aus einer anderen Welt zu beschwören. Die Beschreibungen waren so intensiv und in letzter Konsequenz ausformuliert, dass sich Tremor unvermittelt übergeben musste. Das war zuviel. Wie konnte jemand nur solch schreckliche Dinge tun? Tremor richtete sich auf. Der Raum kam ihm plötzlich viel dunkler vor. Viel größer als vorher.

Tremor stand auf und holte ein feuchtes Tuch um den Boden zu wischen. Als er etwa 10 Minuten später wieder an seinen Platz zurückkam, lag das Buch noch immer geöffnet auf dem dunklen Tisch. Als er es sah, sagte eine Stimme in ihm, nein sie schrie es geradezu hinaus, nie wieder auch nur einen Blick in dieses teuflische Buch zu werfen. Es musste vernichtet werden.

Als der junge Bibliothekar nach einiger Zeit aufschaute, bemerkte er, dass er wider seinen Willen, die nächsten 10 Seiten des Buches gelesen hatte. Verdutzt schaute er sich um. Der Lappen lag noch unbenutzt neben ihm auf dem Fußboden. Er wollte das Buch doch gar nicht lesen. Was um alles in der Welt hatte ihn dazu gebracht es trotzdem zu tun...und was hatte ihn aufschrecken lassen? War da ein Geräusch gewesen? Nein, er musste sich irren. Da, schon wieder. Ein tiefes Brummen. Woher kam es? Ein Knarren, als ob sich jahrtausendealtes Holz langsam ausdehnt. Tremor fröstelte es. Ängstlich schaute er sich um, doch konnte er durch die langen und dunklen Schatten nichts erkennen.

War das etwa Blut? Es war Blut und es klebte an dem Buch und es klebte an seinen Händen. Wie von der Tarantel gestochen schoss Tremor hoch. Dabei kippte der Stuhl rückwärts und schlug hart auf dem Boden auf. Tremor rutschte einige Meter auf dem Hosenboden nach hinten. Dabei rieb er seine Hände hart an dem Holzboden. War er verrückt geworden? Was geschah hier? Ein klirren lag in der Luft. Er hörte es klar und deutlich. Wie Glasscherben die aneinander reiben. Er musste hier raus und zwar schnell. Er packte all seine Kraft zusammen und stand auf. Er sah den Tisch und das Buch welches noch immer dort lag. Er las die Seitenzahl. 80. Er hatte tatsächlich weitergelesen. Die ganze Zeit.

Erst jetzt registrierte Tremor, dass das Schriftbild so anders aussah als zu Begin. Er schaute genauer hin. Rot. Es war eindeutig rote Farbe...Nein, es war keine rote Farbe. Wie Blitze schoss es durch sein Gehirn. Der Text des Buches. Er war mit Blut geschrieben worden.

Als Tremor aufblickte, sah er aus dem Fenster den tiefschwarzen Himmel, welcher über der Bergkette leicht rötlich schimmerte. Der Morgen würde bald anbrechen. Zeit nach Hause zu gehen. Heute würde er nicht arbeiten. Immerhin hatte er sich die ganze Nacht mit diesem verfluchten Buch ...
“Das Buch”, schoss es ihm durch den Kopf. Stroboskopartig erschienen Bilder vor seinem Auge. Er erinnert sich, die ganze Nacht über dem Buch gesessen zu haben. Dabei wollte er schon längst zu Hause bei seiner Frau gewesen sein. Langsam senkte sich sein Blick. Das Buch lag noch immer geöffnet vor ihm, doch waren die Seiten vor ihm leer. Er blätterte eine Seite zurück. Dort stand in unleserlichen Lettern, und verschmiertem Blut nur ein Wort... STIRB...

Als am nächsten Morgen der erste der Bibliothekare die große Lesehalle betrat, sah er zuerst den leblosen Körper Tremors neben dem großen dunklen Tisch liegen, sein Gesicht furchtbar entstellt. Ein Lappen lag auf dem Fußboden neben einer großen Pfütze von Erbrochenem. Der Arzt stellte später fest, dass Tremor wohl an einer Vergiftung gestorben sein musste. So genau könne man das aber nicht mehr feststellen, hieß es. Der Bibliothekar ordnete an, alles wieder zu säubern. Dabei entdeckten die Putzkräfte das kleine Büchlein, welches auf dem Tisch lag. Ordentlich stellte man es wieder zurück in das Regal im Keller.

 

Hallo Desmond,

eine schöne kleine Geschichte hast du da geschrieben, richtig schaurig. Mir hat's Spaß gemacht sie zu lesen. ;) Einen kleinen Mangel habe ich und zwar dieser Absatz:

Als der junge Bibliothekar nach einiger Zeit aufschaute, bemerkte er, dass er wider seinen Willen, die nächsten 10 Seiten des Buches gelesen hatte. Verdutzt schaute er sich um. Der Lappen lag noch unbenutzt neben ihm auf dem Fußboden. Er wollte das Buch doch gar nicht lesen. Was um alles in der Welt hatte ihn dazu gebracht es trotzdem zu tun...und was hatte ihn aufschrecken lassen? War da ein Geräusch gewesen? Nein, er musste sich irren. Da, schon wieder. Ein tiefes Brummen. Woher kam es? Ein Knarren, als ob sich jahrtausendealtes Holz langsam ausdehnt. Tremor fröstelte es. Ängstlich schaute er sich um, doch konnte er durch die langen und dunklen Schatten nichts erkennen.

Im nächsten Absatz wiederholst du ziemlich viel von diesem. Ich würde den hier rausnehmen und das Geräusch in den nächsten einfügen. Dadurch verrätst du die Pointe, dass er die ganze Nacht hindurch lesen wird, nicht schon vorher. :)

Desmond schrieb:
die einzigste Lichtquelle
Die einzige, von einzig gibt's keinen Superlativ. ;)

Desmond schrieb:
Als Tremor das Buch aufschlug, sah er sofort die stark zerrissenen Seiten.
"fiel sein Blick als erstes auf die langen Risse in den Buchseiten". Irgendwie musst du das "sofort" rausbekommen. Das wirkt so "ruckartig" und reißt aus dem Erzählfluss.

Desmond schrieb:
sehr akribisch in der Führung seines Tagebuches und so war es unverkennbar, dass diese Zeilen vor über 100 Jahren geschrieben worden waren.
Du sagst und nun zum zweiten Mal, dass das Buch vor über hundert Jahren geschrieben worden ist. Hier solltest du jetzt ein wenig genauer werden, denn das Tagebuch hat sicherlich äußerst genaue Datumsangaben, so akribisch geführt, wie es ist.

Desmond schrieb:
Nach dem Deckblatt, welches das Büchlein als Tagebuch auswies, ging es auch sofort los.
"ging es sofot los" ist hierbei ein Füllsatz. Er sagt nichts aus, lass ihn dann lieber weg. Auch in den Seiten, die auf das Deckblatt folgten, stand nichts Besonderes, oder etwas Derartiges.

Desmond schrieb:
von den Magiern und Thaumaturgen verwendet wird
Verwendet wurden. Hier hast du einen Zeitenbruch.


Desmond schrieb:
damit fertig sein würde.
es durchgelesen haben würde oder so. "fertig sein" ist ein so unschönes Wort dafür. Vlt. fällt dir ja noch was Nettes ein?

Desmond schrieb:
dass er wider seinen Willen
dass er wider seines Willens... glaube ich zumindest. Theoretisch solltest du mit dem Dativ recht behalten, denn es heißt ja "wider wem". Das klingt jedoch seltsam in meinen Ohren. Kann da vielleicht noch eine dritte Meinung helfen?

Desmond schrieb:
Er packte all seine Kraft zusammen und stand auf.
Er nahm all seine Kraft...

Desmond schrieb:
Er sah den Tisch und das Buch welches noch immer dort lag.
Ein Komma vor "welches".


Soviel zu den groben sprachlichen "Mängeln", die mich ansprangen. Du musst aber immer selber wissen, welche Formulierung du am schönsten findest.

Eine sehr schöne Kurzgeschichte, die auch sicherlich ein schöner Prolog für etwas viel Längeres wäre,

liebe Grüße
Ane

 

Sehr schön

Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen. Sie erinnert etwas an H.P. Lovecraft. Das Büchlein ist wohl für das Necronomicon zu sehen, aber wie gesagt eine sehr schöne und gute Horrogeschichte. Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn es in unsere Zeit und in unsere Welt gespielt hätte. Aber sehr gut gemacht wie du die Wesen beschreibst, es bleibt für den Leser platz sich die Kreaturen selbst vorustellen, du nimmst nicht so viel vorweg.

Mir sind einige Sachen aufgefallen, die man hätte besser machen können.

Wie alt, dass konnte Tremor nicht sagen, aber den Verfallsspuren des Einbandes und der Verfassung der schon stark vergilbten Seiten zu urteilen, war es mindestens 100 Jahre alt.

Ist im ersten Absatz. Ist für mich ein Bandwurmsatz und könnte man durch einen Punkt auflockern.

Wie alt, dass konnte Tremor nicht sagen, aber den Verfallsspuren des Einbandes und der Verfassung der schon stark vergilbten Seiten zu urteilen, war es mindestens 100 Jahre alt.

Zweiter Absatz und ebenfalls etwas lang.

“Tagebuch – Band 21”
Also gibt es noch mehr dieser unheiligen Tagebücher.:confused:

Thaumaturgen
:dozey:

Dieses Fremdwort könntest du kurz erklären. Zu meiner Schande habe ich in einem Fremdörterbuch nachlesen müssen.

Dabei wollte er schon längst zu Hause bei seiner Frau gewesen sein.

Das ist ein unschöner Satz, den würde ich etwas umstellen: Dabei wollte er schon längst bei seiner Frau zu Hause sein.

Als am nächsten Morgen der erste der Bibliothekare die große Lesehalle betrat, sah er zuerst den leblosen Körper Tremors neben dem großen dunklen Tisch liegen, sein Gesicht furchtbar entstellt.

Hier würde ich auch durch einen Punkt eine Pause einfügen.

Aber ansonsten hat mir deine Geschichte wahnsinnig gut gefallen. Sie war wirklich unheimlich. Weiter so!:)

 

Hallo Desmond,

wirklich nette Geschichte. Hat tatsächlich was von Lovecraft. Vielleicht hättest Du ein bisschen mehr über Trajan schreiben sollen (z.B. ein paar persönliche Gedanken aus dem Tagebuch). Das hätte den unheimlichen Charakter des Buches und seines Autors meiner Meinung nach mehr in den Vordergrund gestellt und die Spannung noch erhöht.

Alles in allem hat mir Deine Geschichte gut gefallen.

Gruß
Dave

 

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