Der Besuch bei einer realen Fiktion
Der Besuch bei einer realen Fiktion
Nun stand unser Staatsoberhaupt also in meiner Wohnung, besser meiner Wohnung für einen Tag.
Ich bin Volkszähler.
Er schüttelte meine Hand und wir mussten in die Kameras grinsen.
Der Job ist anstregend.
Im Wahlkampf muss man immer grinsen.
Die Leute lassen mich oft auf ihrer Türschwelle stehen.
Ich führte ihn durch meine Wohnung für einen Tag.
Also sprach ich meinen Chef darauf an.
Ich schwitzte am ganzen Körper und war furchtbar nervös.
Mein Chef sagte, ich müsse schon selber darauf kommen, wie der Job weniger anstrengend sein könnte.
Am liebsten hätte ich dem Mann an meiner Seite die Wahrheit gesagt.
Ich machte meinen Job also einfacher.
Hätte ihm am liebsten gesagt, dass das hier nicht die normale bürgerliche Familie war.
Von nun arbeitete ich die Straßen vom Schreibtisch aus ab.
Dass ich nicht Herr Soundso sei und das hier nicht meine Wohnung.
Hier ließ ich einen alleinstehenden schwulen Protestanten, dort eine katholische Familie wohnen.
Dass ich nicht katholisch war und auf gar keinen Fall drei Kinder hatte.
Ich ließ meiner Fantasie freien Lauf: dort eine Kommune, ein Stockwerk darüber der Pastor.
Aber als die Kameras aus waren, verriet mir mein Besucher, dass er alles wüsste.
Es scheint, als ob die ganze Welt sich gegen mich verschworen hat.
Meinen Job bin ich jedenfalls los.