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Der dänische Huskarl

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12.12.2007
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Der dänische Huskarl

Februar 874, westliches Jütland

Das Holz traf mich im Gesicht. Am Kinn, wo sich kaum Fleisch über dem Knochen befindet und ein Treffer daher umso schmerzhafter ist. Mit einem leisen, ärgerlichen Fluch ließ ich meinen Schild und meine hölzerne Übungswaffe sinken und ging hinunter auf mein rechtes Knie, gestand den Treffer ein. Mein Unterkiefer fühlte sich taub an und der Geschmack von Blut breitete sich in meinem Mund aus. Einer meiner unteren Schneidezähne wackelte bedenklich, wenn ich mit der Zunge prüfend dagegen stieß. Mein Gegenüber lachte laut auf und entblößte dabei eine Reihe gelbbrauner Stümpfe, von denen einige bereits schwarz angelaufen waren. „Hast nicht aufgepasst, Lejf“, stellte er fest und lachte meckernd. „Du bist langsam wie ein altes Weib. Wer weiß, ob Guthrum Dich mitnimmt nach England, zu den Sachsen. Ich würd’s nicht tun“, fügte er mit einem hämischen Grinsen hinzu.

Wir blickten beide nach rechts, zu Guthrum und seinen Huskarls, die am Rande des Platzes standen, auf dem die Probekämpfe stattfanden. Mit vor der Brust verschränkten Armen, in besten Wollstoff gekleidet, gab der Fürst einen beeindruckenden Anblick ab. Er beobachtete die Kämpfe der zwanzig Paar Männer auf dem Platz mit einem amüsierten Gesichtsausruck und ließ seinen Blick wandern. Dann entdeckte er mich, kniend, vor meinem Klopfgegner. Er gab mir ein kurzes Zeichen mit dem Zeigefinger und fuhr fort, die Bewerber bei der Vorführung ihrer kämpferischen Qualitäten zu betrachten, mit denen sie die Reihen seiner Huskarls, seiner Hauskämpfer, verstärken wollten.

Erleichtert stand ich auf. Er hatte mich nicht des Feldes verwiesen. Ich spie blutigen Speichel auf die Erde und atmete ruhig durch. Mein Gegner, der alte Bjoern, blickte mich mit schief gelegtem Kopf an und stellte sich in eine defensive Position. Er hatte einen großen Rundschild, wohl einen Mannschritt im Durchmesser. Diesen hielt er schützend vor sich und lauerte dahinter, bereit, mich mit seinem Knüppel zu treffen, der genau so krumm war, wie seine in vielen Kämpfen zerschlagene Nase. Man konnte eine Laus über seine Stirn krabbeln sehen. Er stank schlimmer als der Abtritt hinter Guthrums Halle.

Ich kannte ihn von früher. Er war als geachteter Huskarl schon oft im Danelag gewesen, hatte Ivar dem Knochenlosen gedient und für ihn gekämpft. Doch Ivar war beim Kampf um Mercien von den Männern des Sachsenkönigs Alfred erschlagen worden. Und Bjoern war nun ohne Herren. Er wusste wohl genau, dass dies hier seine letzte Möglichkeit war, sich ein Auskommen für den Rest seines Lebens zu sichern. Er wollte also unbedingt den tödlichen Siegtreffer setzen, um die Angelegenheit für sich zu entscheiden.

Ich stellte mich ebenfalls in Position, offensiv aber, mit dem hölzernen Schwert in der Rechten und dem rechten Bein nach vorne, meinen Körper mit einem kleinen Rundschild in der Linken schützend, nicht größer als der Boden eines Apfelfasses. Ich schüttelte im Geist den Kopf über mich. Zwanzig Jahre war ich wohl mindestens jünger als Bjoern, zwei Köpfe größer, viel kräftiger und ohne diesen rasselnden Husten, der viele auf See überkam und nie wieder ging. Und doch hatte der alte Mann mich jetzt schon zweimal getroffen, einmal an der Schulter und einmal am Kinn. Zwar beide Male keine tödlichen Verletzungen, würde ich doch im Kampf Kettenpanzer und einen guten Helm mit Wangenklappen tragen. Dennoch - viel öfter dürfte seine Waffe meinen Körper nun nicht mehr berühren, sonst könnte ich höchstens noch als einfacher Krieger mit Guthrum gehen, nicht aber als einer seiner Huskarls.

Bjoern eröffnete den nächsten Schlagabtausch mit einer Finte zu meinem Kopf und hieb dann nach meinem vorderen Schienbein. Das hatte ich allerdings kommen sehen, wich knapp nach hinten aus und ließ mein Holz von oben auf meinen Gegner herab fahren. Doch dieser hob nur seinen übergroßen Schild und krachend landete meine Übungswaffe auf der lederumnähten Kante dieses blau-rot bemalten Ungetüms. Ich fragte mich nicht zum ersten Mal während dieses Kampfes, woher Bjoern in seinem körperlichen Zustand die Kraft hatte, dieses Wagenrad so lange zu halten und so schnell zu führen.

Der Gegenangriff des alten Mannes kam sofort – und ich reagierte augenblicklich. Bjoern schlug von seiner rechten Seite aus zu. Aber er war mit einem Mal fahrig in seiner unbedingten Bestrebung, gewinnen zu wollen, holte etwas zu weit aus und zeigte mir damit seine Schlagrichtung offen an. Dies gab mir die Möglichkeit, sein Holz mit meinem kleinen Schild zu fangen und gegen seinen großen Schild zu klemmen. Ich musste nur ein wenig weiter drücken und die Bewegung ausnutzen – schon war Bjöerns Oberkörper entblößt und mit einigem Genuss stach ich meinen Knüppel frontal gegen seinen ungeschützten Kehlkopf. Ein im Kampf absolut tödlicher und beim Klopfen sehr eindeutiger und schmerzhafter Treffer.

Bjoern ging wie ein gefällter Baum zu Boden, röchelte, hustete und rang nach Luft. Als er sich einigermaßen beruhigt hatte, setzte er sich auf und wir sahen hinüber zu Guthrum. Der nickte beifällig und winkte Bjoern dann ungeduldig vom Feld. Mürrisch trollte sich mein verlauster Gegner. Ich blickte ihm nach und wartete ab. Nach und nach lösten sich auf Guthrums Handzeichen dann auch die anderen Paare auf und das Feld leerte sich.

Unsere zweite und letzte Übung bestand nun darin, jeweils in Zehnergruppen gegeneinander im Schildwall anzutreten. Natürlich wollte Guthrum sehen, ob wir in der Lage waren, eine Linie zu halten, denn der Schildwall – und seine mächtigere Schwester, die Schildburg – waren unsere bewährtesten Formationen und hatten uns gegen die Sachsen zu vielen Siegen verholfen. Ich fügte mich ein und kämpfte beherzt gegen die mir gegenüber stehenden Männer, konnte es aber nicht verhindern, hier und dort getroffen zu werden, so wie auch ich viele meiner Klopfgegner traf und immer wieder auf ihr rechtes Knie schickte. Nach einiger Zeit war es Guthrum dann zufrieden und hieß uns, vom Feld zu gehen. Wir zogen uns aus und stiegen in das eiskalte Wasser des Nordmeeres, um uns zu reinigen und zu erfrischen.

Am Abend wurden wir mit allen Ehren in Guthrums Halle geladen. Während er auf seinem Hochsitz Platz nahm und uns von oben herab betrachtete, wählte er einen nach dem anderen von uns Zwanzig aus und ließ ihn vor sich treten. Er nahm uns in seinen Dienst, gab uns silberne Armreifen, gute, vernietete Kettenpanzer und schöne, bronzeverzierte Helme. Dann entließ er uns zur Feier, denn am nächsten Morgen würden seine Schiffe in See stechen um den Sachsenkönig Alfred das Fürchten zu lehren. Noch auf dem Weg an die Tische stellte ich zu meinem Bedauern fest, dass mein schöner neuer Helm mir nicht viel nützen würde, denn er war so klein, dass ich ihn nicht über die Ohren bekam. Nun musste ich jemanden zum Tauschen finden.

Ich setzte mich zu den Hauskriegern Guthrums und lauschte ihren Gesprächen. Dann begann ich eine Unterhaltung mit einem Mann, der neben mir saß und heute auch auf dem Klopffeld gewesen war. Gemeinsam stellten wir uns die kommenden Ruhmestaten vor und erzählten uns lachend, wie oft uns heute beim Klopfen im Schildwall wohl eine blutenden Wunde zugefügt worden wäre, wenn wir nicht Holz in den Händen gehalten hätten. „Das darf jetzt aber nicht mehr vorkommen“, sagte mein neuer Freund Svein lachend und leerte sein Trinkhorn mit einem langen Zug. „Mein Vater hat einen Streich an sein Schienbein bekommen, das hat ihm so sehr den Knochen zertrümmert, dass viele Splitter durchs Fleisch gestochen sind. Sein Bein lief dann bald rot und schwarz an und hat schlimm gestunken. Er ist daran gestorben…“. Svein stockte in seiner Erzählung. „Das passiert uns bestimmt nicht“, beruhigte ich ihn. Lachend vertrieben wir die bösen Gedanken und feierten noch einige Zeit weiter. Wir brachten Tyr in dieser Nacht ein mächtiges Trankopfer dar, Bier, Met und sogar ein schwarzes Gesöff aus England, welches Guthrum von dort mitgebracht hatte und das schmeckte wie Pferdepisse.

Als ich am Morgen nach viel zu kurzem Schlaf und mit heftigen Kopfschmerzen erwachte, sammelte ich meine Habe. Meinen alten Kettenpanzer verkaufte ich an Guthrums Schmied, meinen alten Helm behielt ich hingegen, denn ich hatte keinen passenden Tauschpartner für meinen neuen Helm gefunden. Ich hing mir den Waffenriemen mit Schwert und Saxmesser um und räumte meine bankförmige Truhe zu dem mir zugewiesenen Ruder auf Guthrums Hauptschiff. Dann ließ ich den Blick noch einmal über den Hof, die Langhäuser und die Werkstätten schweifen. Unschlüssig trat ich von einem Fuß auf den anderen.

Schließlich verließ ich doch noch einmal das Schiff und ging ein zweites Mal zum Schmied. Ich kaufte ihm seine schwere, dicklederne Schmiedeschürze für einen wirklichen Wucherpreis ab. Aber das war mir egal. Mit einem sehr scharfen Messer würde ich mir zwei schöne breite Lederstreifen schneiden können, die ich dann nass machen und mir um die Unterbeine wickeln könnte, um meine Knochen vor Schlägen mit Schwert und Axt oder Lanzenstößen zu schützen. Die Nornen hatten meinen Schicksalsfaden zwar schon vor langer Zeit gesponnen – aber ihn ein wenig zu verstärken konnte ja wohl nicht schaden. Ich kehrte zurück auf das Schiff, setzte mich an mein Ruder und wartete auf das Kommando zum Ablegen.

 

Hallo Countcount und herzlich willkommen auf kg.de!

Das hier ist sicher nicht die erste Geschichte, die du jemals geschrieben hast. Dein Stil gefällt mir sehr gut. Du startest fulminant, baust vom ersten Satz an Spannung auf. Und du machst vor allem auch nicht den Fehler, schon nach kürzester Zeit, also nach vier oder fünf Sätzen, in endlose Rückblenden zu verfallen, um die Vorgeschichte oder das eigentliche Setting aufzurollen. Stattdessen gelingt es dir, das kurz und prägnant in die Handlung einzuflechten, ohne dass es diese störend unterbricht.

Mit einigen kleinen Details und zum Teil mit für heutige Ohren ungewohnter Wortwahl gelingt es dir, die Zeit für den Leser lebendig werden zu lassen. Unabdingbar für historische Texte.

Ich habe nicht viel zu meckern, daher einfach mal noch zwei Stellen, die ich besonders gelungen finde:

Er hatte einen großen Rundschild, wohl einen Mannschritt im Durchmesser. Diesen hielt er schützend vor sich und lauerte dahinter, bereit, mich mit seinem Knüppel zu treffen, der genau so krumm war, wie seine in vielen Kämpfen zerschlagene Nase. Man konnte eine Laus über seine Stirn krabbeln sehen. Er stank schlimmer, als der Abtritt hinter Guthrums Halle.
In vier Sätzen wird der Antagonist lebendig. Mit dem letzten Satz sogar über Äußerlichkeiten hinaus charakterisiert und ein weiteres Detail zur damaligen Zeit beigesteuert. Allerdings ist genau in diesem letzten Satz dieses Zitates das Komma fehl am Platze.

Zwanzig Jahre war ich wohl mindestens jünger als Bjoern, zwei Köpfe größer, viel kräftiger und ohne diesen rasselnden Husten, der viele auf See überkam und nie wieder ging.
Auch diese Stelle finde ich besonders gelungen. Es sind zwar jeweils keine die Handlung vorantreibenden Stellen, sondern welche, in denen du deine Figuren zeigst. Aber mir hat besonders imponiert, mit welcher Leichtigkeit das passiert und wie es dir gelingt, über bloße Äußerlichkeiten hinaus Informationen zur Gesamteinordnung einzuflechten.

Ein kleines Problem habe ich noch mit dem Schluss der Geschichte. Man kann den Text als in sich abgeschlossene Kurzgeschichte betrachten. Dann ist für den Prot einfach mit seiner Auswahl ein wichtiger Meilenstein errungen worden, es hat eine Veränderung gegeben, es folgt ein offener Schluss. Das funktioniert. Und trotzdem habe ich den Eindruck, hier müsste es weitergehen. Der vorliegende Text würde sich auch prima als Romananfang machen. Nun sind Romanausschnitte hier nicht erlaubt. Ebenso wenig wie Fortsetzungsgeschichten. Jede Geschichte muss in sich abgeschlossen und aus sich heraus verständlich sein. Wie gesagt: Ein offenes Ende ist natürlich in Ordnung und für sich genommen funktioniert auch diese Geschichte. Sollte dir allerdings eine Fortsetzung vorschweben, so würde das gegen die Regeln verstoßen. Sieh dir (falls du das überhaupt vorhast) im Zweifelsfall lieber noch einmal die Serienregeln an.


Fazit: Spannend, dicht, lebendig erzählt. :thumbsup:

Viele Grüße
Kerstin

 
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Hi Katzano!

Vielen Dank für Deine Kritik. Das dieselbe positiv ausgefallen ist freut mich natürlich sehr.

Ich freue mich besonders darüber, dass die stilistischen Vorzüge, die Du nennst, genau diejenigen sind, die ich dem Leser mitgeben wollte. Ein nüchterner, direkter Schreibstil mit relativ wenig in die Handlung eingeflochtener belehrender Hintergrund-Erklärung ist ja immer ein schwieriges Projekt. Man muss soviel Information bieten, dass auch ein nicht im Übermaße historisch geschulter Leser in den Stoff findet, darf sich aber auf der anderen Seite auch nicht in schulbuchmäßiger Auswälzung von akademischem Wissen ergehen.
Tjaja. Du wirst Dich wahrscheinlich mit der hier beschriebenen Zeit literarisch schon beschäftigt haben (zumindest in Romanform)? Dann kannst Du sicher nachvollziehen, was ich meine.

Deiner Kritik das Ende betreffend kann ich natürlich nichts entgegensetzen. Dieser Beginn der Reise eines dänischen Huskarls ist der gekürzte, maßgeblich veränderte (um den KG.de Regeln gerecht zu werden und keinen Romanauszug einzustellen) und als Kurzgeschichte abgeschlossene Anfang einer gleichartigen historischen Erzählung, die ich momentan zu Papier bringe. Ich wollte gerne einmal fremde Reaktionen auf Schreibstil und Verarbeitung des Themas und habe den Text deshalb hier gepostet. Insofern hast Du mir auf jeden Fall schon weiter geholfen. Eine perfekte Kurzgeschichte ist es natürlich nicht.

Mit Kurzgeschichten hatte ich es auch früher nicht so, allerdings hat sich das jetzt durch das Entdecken dieses Forums erst einmal geändert. Ich finde das Konzept des virtuellen Schreib- und Lesekreises spannend und werde gerne partizipieren. Da werden mir bestimmt noch einige kleine Geschichten einfallen :-).

Achso, mit dem Komma hast Du natürlich recht, hab's entfernt. Wenigstens ein Bug versteckt sich ja immer irgendwo.

 

Hallo Countcount,

erste Feststellung, die sich mir nach der Lektüre Deiner Geschichte aufdrängte: der Mann muss Schaukampferfahrung haben ;)

Nein wirklich, selbst wenn die Erfahrung aus zweiter Hand wäre, jemand der "nur" zuschaut könnte vermutlich Finten und Angriffe nicht so detailliert ausführen. Außerdem fällt auf, dass Du die Gegner Deines Prots häufig "aufs rechte Knie" schickst, was für Schaukampfschlachten auch eine gängige Trefferanzeige ist.

Ich hab Deine Geschichte sehr gern gelesen, aber doch ein paar Anmerkungen dazu:

„Das darf jetzt aber nicht mehr vorkommen“, sagte mein neuer Freund Svein lachend und leerte sein Trinkhorn mit einem langen Zug.

Trinkhörner waren meines Wissens nicht halb so weit verbreitet, wie viele Wikingerromane einem weismachen wollen. Normalerweise gab es pro Hof (meist nicht einmal pro Haushalt) ein Horn, das reich verziert war und einzig dem Zweck diente, Gästen zum Willkommenstrunk gereicht zu werden oder, wenn ein Gode da war, den Göttern ein Trankopfer zu bringen.
Ich würde die Huskarls aus Holz - oder Tonbechern trinken lassen, ist aber nur meine Meinung ;)

Ich hängte mir den Waffenriemen mit Schwert und Saxmesser um und räumte meine bankförmige Truhe zu dem mir zugewiesenen Ruder auf Guthrums Hauptschiff.

"Saxmesser" ist doppelt gemoppelt, ein Sax ist ein Messer.

Ich kaufte ihm seine schwere, dicklederne Schmiedeschürze für einen wirklichen Wucherpreis ab.

Hier holpert in meinen Augen die "dicklederne Schmiedeschürze", ich hätte eine "schwere Schmiedeschürze aus dickem Leder" draus gemacht.

... schöne breite Lederstreifen schneiden können, die ich dann nass machen und mir um die Unterbeine wickeln könnte

Dein Prot will sich garantiert kein nasses Leder um die "Unterbeine" (seltsames Wort, find ich) wickeln, es sei denn, er hätte sich die Beine gebrochen. Leder zieht sich zusammen wenn es trocknet, außerdem hätte er das schwere Leder der Schmiedeschürze nicht nur eben rasch verarbeiten können - und schon gar nicht auf einem Langboot. Die Lederqualität, die heute für Schmiedeschürzen benutzt wird, würde ich erst mal drei bis vier Tage in Wasser einweichen. Trocknen müsste sie nahezu ebenso lange, und auf See würde ich noch mal zwei Tage draufrechnen. Dazu die Kühle und Feuchte der Luft. Der Prot würde vermutlich eher an Lungenentzündung sterben, als einen Beinschutz zu haben.

Dass er sich die Beine schützen will ist nach der Erzählung Sveins absolut nachvollziehbar, auch, dass er das mit Leder tun möchte - aber vermutlich hätte er sich eher eine Art Schienbeinschützer geschnitten und sie mit seinen Beinwickeln befestigt. Aber auch dies sicherlich nicht auf einem Langboot, auf dem schon für den persönlichen Kram eines Jeden nur der Platz am Ruder bleibt - was Du mE sehr schön beschrieben hast, indem der Prot seine Truhe an den Ruderplatz stellt.

Alles in Allem find ich ansonsten rund wie die Schilde der handelnden Personen.

Walhalla bound!
Tamlin

 
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Hallo Countcount,

erste Feststellung, die sich mir nach der Lektüre Deiner Geschichte aufdrängte: der Mann muss Schaukampferfahrung haben ;)


Ok, erwischt ;-).

Nein wirklich, selbst wenn die Erfahrung aus zweiter Hand wäre, jemand der "nur" zuschaut könnte vermutlich Finten und Angriffe nicht so detailliert ausführen. Außerdem fällt auf, dass Du die Gegner Deines Prots häufig "aufs rechte Knie" schickst, was für Schaukampfschlachten auch eine gängige Trefferanzeige ist.

Ja, das ist aber auch historisch gesehen völlig ok. Es ist überliefert, das solcherart "Kampfspiele" versanstaltet wurden, um Fähigkeiten zu testen und auch neue Dienstleute auszuwählen. (Daneben natürlich auch zu Trainings- und Wettkampfzwecken). Im späteren Mittelalter hieß so etwas in unserem Raum dann Klopffechten. Aus dem Skandinavischen ist ein Name für solche Kampfübungen nicht überliefert, darum habe ich mir "Klopfen" entlehnt.

Ich hab Deine Geschichte sehr gern gelesen, aber doch ein paar Anmerkungen dazu:

Nur her damit.

Trinkhörner waren meines Wissens nicht halb so weit verbreitet, wie viele Wikingerromane einem weismachen wollen. Normalerweise gab es pro Hof (meist nicht einmal pro Haushalt) ein Horn, das reich verziert war und einzig dem Zweck diente, Gästen zum Willkommenstrunk gereicht zu werden oder, wenn ein Gode da war, den Göttern ein Trankopfer zu bringen.
Ich würde die Huskarls aus Holz - oder Tonbechern trinken lassen, ist aber nur meine Meinung ;)

Recht hast Du. Aber Guthrum hat diese Feier für seine neuen Leute ausgerichtet und ihnen darum "Festtagsgeschirr" ausgegeben. Der Satz war nicht so gemeint, dass Svein sein eigenes Trinkhorn wie ein Mittelaltermarktbesucher aus dem Gürtel zieht. Sollte man in der Geschichte vielleicht ändern, um das genauer klar zu stellen.

"Saxmesser" ist doppelt gemoppelt, ein Sax ist ein Messer.

Ja - leider ist diese Bezeichnung unumgänglich. Denn jemand, der mit der Materie nicht zu tun hat, weiß nicht, was ein Sax ist. Man muss auch an die Leute denken, die nicht verstärkt frühmittelalterlich vorgebildet sind.

Hier holpert in meinen Augen die "dicklederne Schmiedeschürze", ich hätte eine "schwere Schmiedeschürze aus dickem Leder" draus gemacht.

Deine vorgeschlagene Wortwahl wäre mir persönlich wiederum zu sperrig. Darüber hinaus: mein Großvater war bspw. Sattlermeister und "Dickleder" ist ein Wort, was er zu Lebzeiten selbst nocht für starkes Vollleder benutzt hat.

Dein Prot will sich garantiert kein nasses Leder um die "Unterbeine" (seltsames Wort, find ich) wickeln, es sei denn, er hätte sich die Beine gebrochen. Leder zieht sich zusammen wenn es trocknet, außerdem hätte er das schwere Leder der Schmiedeschürze nicht nur eben rasch verarbeiten können - und schon gar nicht auf einem Langboot. Die Lederqualität, die heute für Schmiedeschürzen benutzt wird, würde ich erst mal drei bis vier Tage in Wasser einweichen. Trocknen müsste sie nahezu ebenso lange, und auf See würde ich noch mal zwei Tage draufrechnen. Dazu die Kühle und Feuchte der Luft. Der Prot würde vermutlich eher an Lungenentzündung sterben, als einen Beinschutz zu haben.

Habe ja nicht gesagt, dass er das auf dem Boot machen will :-). Ansonsten sehe ich das Problem mit dem Leder nicht. Die einfachste Art, das Bein zu schützen, ist es, einen Streifen zu haben, den man zwei oder drei mal ums Bein wickeln kann - am Ende etwas Seil drum, damit es sich nicht abwickelt. Das ganze am Besten über Hose und Beinwickel, da die Textilien noch ein wenig polstern. Zuvor taucht man das Leder, je nach Verträglichkeit der Lederart (vor allem je nach dem, welche Gerbungsmethode zum Einsatz kam) in heißes oder in kochendes Wasser, um es zu härten. Das Leder sollte man dann natürlich nass ums Bein wickeln, damit es beim Trocknen die entsprechende Form bekommt. Man könnte sich natürlich auch einen passend dicken Baum oder was Ähnliches suchen und das Prozedere daran durchführen, wenn so etwas in der Art gerade zur Verfügung steht. Das Zusammenziehen beim Trocknen ist kein Problem, da das Bein ja nicht mit dem Leder umnäht wurde. Aber ich sehe, man sollte noch in den Text mit aufnehmen, dass das Leder zum Härten noch gekocht werden muss. Das mit dem längeren Einweichen ist nach meiner Erfahrung übrigens nur bei überstarken Ledern, wie etwa Sohlenleder, erforderlich. Ansonsten weichst Du selbst 6 mm starkes planzlich gegerbtes Rind in Minuten ein und durch. Das ändert sich erst, wenn man das Leder gekocht hat und sich die Faserstruktur daurch verändert hat.

Dass er sich die Beine schützen will ist nach der Erzählung Sveins absolut nachvollziehbar, auch, dass er das mit Leder tun möchte - aber vermutlich hätte er sich eher eine Art Schienbeinschützer geschnitten und sie mit seinen Beinwickeln befestigt. Aber auch dies sicherlich nicht auf einem Langboot, auf dem schon für den persönlichen Kram eines Jeden nur der Platz am Ruder bleibt - was Du mE sehr schön beschrieben hast, indem der Prot seine Truhe an den Ruderplatz stellt.

Alles in Allem find ich ansonsten rund wie die Schilde der handelnden Personen.


Danke auf jeden Fall für Lob und konstruktive Kritik.

Beste Grüße,
Countcount

 

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